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Ein Schönwetter-Medientalk

Eigentlich wohltuend. Im aktuellen SRF-Medientalk sieht die Medienzukunft so rosig aus.

Zuerst einmal Pierre Ruetschi, Directeur Geneva Presse Club. Er jubiliert. 60 neue Journalisten-Stellen in der Romandie. Für ihn ist klar: Dank der Expansion von Blick.ch und Watson werde die Dominanz von Tamedia kleiner. Heute hat Tamedia (respektive die TX Group) 70 Prozent Marktanteil. Ruetschi fragt sich lediglich, ob Watson mit seinem humoristischen Ansatz zu recht komme mit dem welschen Humor. «Aber Watson hat ja Journalisten aus der Romandie angestellt, da sollte das schon klappen», findet Ruetschi.

Watson nach sieben Jahren erstmals ohne Verlust

Unklar bleibt beim Gespräch mit Salvador Atasoy, wie die Gratisportale ihre Expansion finanzieren sollen. Zumindest bei watson.ch ist nicht bekannt, wieviele Millionen Franken schon verlocht wurden. Da hilft auch die Beteuerung von Geschäftsführer Michael Wanner in der heutigen NZZaS  nicht weiter: «Wir können einen kleinen Gewinn  verbuchen».  2020 hat Watson nach sieben Jahren erstmals schwarze Zahlen geschrieben. Hauptgrund: Watson hat die Werbestrategie geändert. «Die Anzeigen auf Watson kommen wie News-Artikel daher», schreibt die NZZaS dazu. Dass Watson dafür die journalistische Kreativität der hauseigenen Journalisten anzapft, sei in der Branche aber hochumstritten.

Lausanne, nicht Genf

Doch zurück zum Medientalk, zurück zur Romandie. Bemerkenswert ist, dass beide neuen Portale ihren Sitz in Lausanne und nicht in Genf haben. Der interviewte Ruetschi ist ehemaliger Chefredaktor der «Tribune de Genève» (2006 bis 2018). Der Geneva Presse Club (Schweizer Presseclub) wurde 1997 gegründet, um ausländischen Journalisten während deren Genfer Aufenthalt einen Arbeitsplatz und die notwendigen Infrastrukturen anzubieten.

SRF- Netzwerk im Medientalk

Im zweiten Teil fragt Atasoy nach bei drei selbständigen Journalistinnen und Journalisten, welche Auswirkungen die Pandemie auf ihre Arbeit und Aufträge habe. Viel Sendezeit bekommt This Wachter mit seiner 2018 gegründeten Firma Audiostorylab. Das ist darum speziell, weil sich Wachter und Atasoy von SRF4 News her kennen. Wachter arbeitete lange dort, so wie Atasoy es heute noch tut. Wenn Wachter nun erzählt, dass er recht gut durch die Pandemie komme, hängt das auch mit seinen Auftragnehmern zusammen. Die in der Sendung aufgezählten Firmen sind grösstenteils Staats- und staatsnahe Betriebe. Also Betriebe, bei denen das Geld auch in der Krise weiterfliesst. Fairerweise muss man aber anerkennen, dass seine Podcasts, die man hier ausschnittweise anhören kann, saugut tönen.

Farbloses Kulturgespräch

Dann spricht Salvador Atasoy auch mit der freien Kulturjournalistin Anne-Sophie Scholl. Das merkwürdig farblose Gespräch umschifft alle Klippen der Kulturberichterstattung in der Schweiz. Man wird das Gefühl nicht los, dass hier ja niemand desavouiert werden soll. Das ist darum verständlich, weil die Abhängigkeit von den Redaktionen gross ist. Man hätte das Gespräch in dieser Form aber auch lassen können. Dabei gäbe es Kulturthemen en masse. Etwa die aussterbende Gattung der Konzertkritik. Oder die Besetzung des NZZ-Feuilletons mit einem nicht eben kulturaffinen «Manager».

Theile arbeitet für die Blickgruppe

Nun bekommt noch Charlotte Theile einige Sendeminuten. Theile kennt man, weil sie von 2014 bis 2018 als Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung aus der Schweiz berichtete. Sie produziert und moderiert den Podcast Breakup. Kürzlich hat sie zudem die «erste interdisziplinäre Storytelling-Agentur im deutschsprachigen Raum» mitbegründet: «Elephant Stories» heisst das Teil. Gegenüber Atasoy sagte die 33-Jährige, die Nachfrage sei sehrt gross. Momentan produziere man etwa für die Blickgruppe eine grössere Sache. Das ist darum interessant, weil Blick damit offensichtlich Kompetenz und Renommee einkaufen will. Sicher ist, dass Blick damit auf neue Zielgruppen aus ist. Jung, urban, gebildet. Nicht unbedingt das Klientel, das der Blick bis jetzt bediente.

Ein junges Frauenduo anstatt David Sieber

Und dann, ganz zum Schluss, ein halber Primeur:  Charlotte Theile übernimmt, zusammen mit Samantha Zaugg (26), die Chefredaktion des Branchenblatts «Schweizer Journalist». Die beiden teilen sich eine 50%-Stelle. Ob man damit noch ein ernst zu nehmendes Magazin machen kann, bleibt offen. Sicher ist: Es wird ein frischer Wind wehen nach dem eher glücklosen Agieren von David Sieber. Er wird noch die nächste Ausgabe verantworten mit dem Sonderthema: Finanz- und Wirtschaftsjournalismus. Dann übernehmen die jungen Frauen.

Hier der ganze SRF4-Medientalk.

Hilfe, mein Papagei onaniert III

Hier sammeln wir bescheuerte, nachplappernde und ewig die gleiche Leier wiederholende Duftmarken aus Schweizer Medien. Subjektiv, aber völlig unparteiisch.

Diesmal heben wir eine neue Kategorie aus der Taufe: Der Depp des Monats. Der erste Preisträger ist – Pascal Hollenstein. Die publizistische Leiter nach unten im Hause CH Media hat seinen Kampf für die Ehre von Jolanda Spiess-Hegglin zurzeit eingestellt. Auch sonst fällt ihm eigentlich nichts Bemerkenswertes ein. Ausser, Himmel hilf, er muss leider seinen Senf zur anstehenden Abstimmung abgeben.

Wir müssen’s, um Zweifel auszuschliessen, im Original zeigen:

Wir wollen auch Hollenstein nichts vorschreiben, aber …

Wem das etwas wirr vorkommt: Es ist wirr. Hollenstein bestreit hier etwas, was gar niemand behauptet oder fordert. Es ist schlichtweg eine Binsenweisheit, dass sich der Staat nicht in innere Glaubensangelegenheiten einzumischen hat. Richtig, verlangt keiner, Hollenstein zum Beispiel darf gerne und ungestraft glauben, dass er ein meinungsstarker Publizist sei.

Andere dürfen an die Bibel, den Koran, die Thora, die Schriften des Nostradamus und jeden anderen Quatsch glauben. Ist so, bleibt so, steht nicht zur Debatte, nicht zur Abstimmung. Was dann? Nun, da nimmt Hollenstein die ganz grosse Tröte hervor: «Rückfall ins Mittelalter», wenn’s passiert, wäre zu hoffen, dass es «ein einmaliger Betriebsunfall der Demokratie» sei. Den man aber besser gar nicht geschehen lasse:

Besser, er schriebe gar nicht.

Abgesehen davon, dass es um den Kampf gegen mittelalterliche Vorstellungen von der Frau als Objekt, Untertan, nur dem Ehemann verfügbares Stück Fleisch geht: Wenn sich – wie von Hollenstein befürchtet – die Mehrheit der Schweizer Stimmbürger im Rahmen ihrer demokratischen Rechte für eine legal und korrekt zustande gekommene Initiative entscheiden sollte, dann wäre das «ein bedeutungsloser Betriebsunfall»? Etwas, das sich «besser gar nicht ereignen» sollte? Weil es nicht der Ansicht von Hollenstein entspräche? Was für ein Undemokrat, was für ein Dummschwätzer.

Der Depp des Monats. Wobei er für seinen Nachfolger die Latte ganz schön hoch legt.

Die strenge Trennung von Content und Werbung

Sie wird aller Orten immer strenger. Beim «Blick»:

Wobei man sagen muss: immer noch besser als solcher Content:

Bei CH Media pflegt man gerne die bunte Mischung, ob quer oder hoch:

Bei Tamedia:

Bei der NZZ:

Bei «blue news» die sich immer noch hinter «Bluewin news» verstecken:

Bei «watson»:

Diese bunte Mischung von «Totes Kind im Keller» über «Lustige Tierbilder» bis «Gut gegen Food Waste» kriegt nur das Kachelmagazin hin.

Aber auch «20Minuten» ist für abwechslungsreiche Zusammenstellungen:

 

Sicher, steht doch deutlich «Inserat» drüber, oder «präsentiert von» drunter, da kann sich niemand vertun.

 

 

 

CH Media neu mit Bezahlschranke

Vorbei mit gratis. Ausser für Watson.

Seit gestern sind alle Newsportale von Basel und vom Mittelland bezahlpflichtig. CH Media ist damit später als die Konkurrenz auf den Zug aufgesprungen. Ihr reines Digital-Abo kostet bei der «Aargauer Zeitung» pro Monat 14.50 Franken und ist günstiger als die Konkurrenz.  Beim Tages-Anzeiger kostet die gleiche Dienstleistung 19 Franken pro Monat. Die NZZ (30 Franken) ist natürlich immer noch am teuersten.

Wie ein Mediensprecher von CH Media gegenüber Zackbum ausführte, wird mit einem «gewissen» Traffic-Verlust gerechnet, «auch wenn beim Freemium-Modell nur ausgewählte und klar gekennzeichnete Artikel kostenpflichtig sind, die restlichen Inhalte des Zeitungsportales aber frei zugänglich bleiben.»

CH Media will mit dem Schritt «hochwertigen Journalismus» nicht mehr gratis anbieten. Dazu zählen: längere Interviews, Hintergrundberichte, aussergewöhnliche Reportagen und  Datengeschichten.

Dem Vernehmen nach sollen sich auch Abonnenten darüber beschwert haben, dass sie blechen müssen, während andere gratis herumsurfen dürfen. Zu letzteren gehört auch das Katzennews-Portal Watson. CH Media: «An der Newsbelieferung betreffend Watson ändert sich nichts.»

Alleskönner Praktikant bei Watson

Eine Praktikumsstelle bei Watson für journalistische Werbetexte lässt tief blicken.

Auf medienjobs.ch gibt es immer allerlei Wissenswertes zu entdecken. Es ist ein wenig der Indikator, wie es der Branche so geht. Aktuell sucht watson.ch «einen Praktikant Native Ad 100% (w/m)». Dass im Inserat der Akkusativ verloren ging, egal! Viel wichtiger ist das Jobprofil:

Du konzipierst und koordinierst die Abwicklung von Sonderwerbeformen.

Du arbeitest dabei an der Schnittstelle zwischen Redaktion, Verkauf und Innendienst.

Du übernimmst die Stellvertretung der «Redaktionsverantwortichen Native Ad» während ihren Ferienabwesenheiten.

Du ergänzt das Team aufgrund unserer Expansion in die Romandie.

Als bestandener Journalist und Redaktor muss man leer schlucken. Das sind doch einige recht anspruchsvolle Voraussetzungen. Vor allem Schnittstellenfunktionen setzen normalerweise eine gewisse Erfahrung voraus. Und dann dies: Ferienstellvertretungen der «Redaktionsverantwortlichen Native Ad». Zumindest für den Lebenslauf ist das natürlich toll: Schon als Praktikant Verantwortung übernommen und den Chef vertreten.

Für ZACKBUM-Leser (allenfalls) zur Info: Native Advertising (zu Deutsch «Werbung im bekannten Umfeld») ist eine Werbeform, die «nur schwer von redaktionellen Artikeln zu unterscheiden ist und die Aufmerksamkeit der Nutzer durch Tarnung auf sich zieht».

Watson wünscht sich von den Bewerbern «abgeschlossene Grundausbildung, idealerweise Grundstudium». Das ist mittlerweile fast schon normal, auch wenn gemäss Definition ein Praktikant das ist: «Arbeitnehmer, der sich einer bestimmten Tätigkeit und Ausbildung in einem Betrieb unterzieht, die Teil oder Vorstufe einer anderweit zu absolvierenden Ausbildung (z.B. Hochschulstudium) ist.»

Praktikum, Volontariat?

Zuerst Praktikum, dann Studium abschliessen. Sonst wäre es ein Volontariat. Das zum Beispiel macht aktuell Anielle Peterhans beim Tages-Anzeiger. Sie hat schon einige Lorbeeren eingeheimst, etwa den Titel «Journalistin des Jahres» mit der Crypto-Leaks-Recherche.

Aber wir sind ja «erst» beim Praktikum: Bei watson muss man für den Nativ Ad-Job «erste berufliche Erfahrungen im journalistischen Bereich» haben. Das ist darum speziell, weil gerade watson immer wieder betont, wie strikte Redaktion und Werbeabteilung getrennt seien. Oder sonst konstruiert watson eine eigenartige Parallelwelt. In einer Antwort an den Presserat schrieb watson 2017: «Um zu gewährleisten, dass die RedaktorInnen Inhalte nicht im Sinne der Werbepartner erstellen (…), wissen die AutorInnen nicht, wer der Kunde ist. Sie wissen zwar, dass es sich um ein NativeAd handelt, der Absender (…) ist ihnen aber so lange unbekannt, bis dieses von der Chefredaktion oder dem Chef vom Dienst publiziert wird.» Eine leicht schräge Argumentation, die in der Szene immer wieder Kopfschütteln oder zumindest ein Schmunzeln auslöst.

2000 Franken für einen «Vollwert-Job»?

Aber sei’s drum. Immerhin bekommt man bei watson.ch mit 2000 Franken relativ viel Lohn für ein Praktikum. Dafür ist man aber, zumindest wenn man den Job als «Praktikant Nativ Ad» bekommt, sofort eine vollwertige Arbeitskraft. «Learning by doing», heisst das wohl. Die Abteilung Nativ Ad ist ein wichtiges finanzielles Standbein von watson. Mindestens 20 – 25 % des watson-Umsatzes stammt aus dem Erlös von NativeAds.

Der Verband «Junge Journalistinnen und Journalisten Schweiz» hat eine Umfrage gemacht zu Praktikantenstellen und Löhnen. Die Umfrage stammt zwar von 2017, aber es ist nicht anzunehmen, das man heute mehr Geld bekommt. Eher, dass man mehr leisten muss, siehe watson.

 

 

 

 

 

Ex-Press XVI

Blasen aus dem Mediensumpf

Wir beginnen mit einer guten Nachricht: In dieser Ausgabe gibt es kein Wort über Corona. Ausser ein positives: Immerhin haben wir es diesem Virus zu verdanken, dass Donald Trump nicht wiedergewählt wurde.

Oder, wie er es bis heute sieht: ihm sein Erdrutschsieg mit Betrug und Schummelei gestohlen wurde. Deshalb hat er als erster – und hoffentlich letzter – US-Präsident seine Anhänger aufgefordert, zum Capitol zu marschieren und dort Stärke zu zeigen.

Wie verarbeitet das nun die Schweizer Presse? Nützt sie die bekannte Bedächtigkeit, Neutralität, das Abwägen, werden die selbsternannten Qualitätsmedien ihrem Anspruch gerecht, für Mehrwert mehr verlangen zu dürfen?

Das Zentralorgan der professionellen Berichterstattung

Fangen wir beim Zentralorgan für differenzierte Berichterstattung an. Der «Blick» verfügt über einen Hobby-Korrespondenten in den USA. Der 25-Jährige MAZ-Absolvent beobachtet messerscharf die politischen Ereignisse in den USA. Vom seinem Wohnsitz San Diego aus, im Süden Kaliforniens. Da ist Washington 3656 km entfernt, oder fast 5 Flugstunden.

Ausser, der «Blick» spendiert seinem Korrespondenten ein Ticket. Aber den Sturm aufs Capitol hat Nicola Imfeld, «USA-Korrespondent der Blick-Gruppe» in seinem sicheren Wohnzimmer seiner WG erlebt. Da hat er – wie alle anderen im 6647 km von Washington entfernten Zürich – die Ereignisse in der Glotze verfolgt.

Aber, diesen Vorteil hat man in Zürich natürlich nicht, er kann sofort eine erste Reaktion aus den USA anbieten; die seines «total unpolitischen Mitbewohners». Das ersparte ihm eine erste Strassenumfrage, und die Reaktion ist bedeutungsschwanger: Denn der «legte seine Arbeit im Homeoffice nieder. Für Stunden! Ungläubig sass er vor dem TV-Bildschirm im Wohnzimmer. «Warum habt ihr uns zur Weltmacht werden lassen?», fragte er und stellte gleich fest:

«Wir verdienen es nicht!»

Ein erstes, erschütterndes Zeugnis aus San Diego. Weltexklusiv! Lässt sich das noch toppen? Schwierig, aber Imfeld macht’s möglich: «Es war ein trauriger Tag. Ich habe neben meinem Mitbewohner auf der Couch eine Träne verdrückt. Er hat sich geschämt.»

Einordnung und Analyse? Was ist das

Bevor wir auch zum Taschentuch greifen, was hat der USA-Korrespondent des immerhin grössten Medienhauses der Schweiz an Analyse und Einordnung zu bieten? Leider nicht viel, ausser einem guten Ratschlag für die Republikaner: «Die Partei muss eine starke Alternative bieten, die die berechtigten Sorgen ihrer Wähler ernst nimmt. Aber keine Frau oder keinen Mann, die Amerika in eine Diktatur verwandelt.»

Hoffentlich hören die Amis auf die Schweizer Stimme der Vernunft, wenn auch syntaktisch nicht ganz sattelfest, aus dem fernen San Diego.

 

Der trumpelnde Tages-Anzeiger

Sicherlich auf ganz anderem intellektuellen Niveau wird sich doch die Analyse und Einordnung des Tamedia-Konzerns bewegen, der mit seinen Blättern immerhin die halbe Deutschschweiz beschallt.

Nun ja, da hat Tamedia gleich zwei Probleme. Die intellektuelle Schwerarbeit nimmt ihm bekanntlich das Korrespondentennetz der «Süddeutschen Zeitung» ab, der man nun wirklich nicht vorwerfen kann, dass sie jemals unparteiisch über Trump berichtet habe. Im Gegenteil, schon unzählige Male sah die SZ die US-Demokratie in Gefahr. Was immer besonders lustig ist, wenn das eine Zeitung aus einem Land sagt, dem die USA vor 75 Jahren die Demokratie aufzwingen mussten – gegen den erbitterten Widerstand der Deutschen.

Das ist ja kein Schweizer Problem. Das zweite von Tamedia ist aber, dass der Konzern faktisch kaum mehr eigene Auslandberichterstattung hat, aber immer noch einen Auslandchef. Der musste natürlich seinem Oberchefredaktor Arthur Rutishauser kommentarmässig den Vortritt lassen, aber endlich durfte dann Christof Münger auch.

Nun ist das Thema leider auch auf seiner Flughöhe ziemlich durch, erledigt, zu Tode kommentiert. Ausser, jemandem fiele etwas Neues ein. Dafür ist Münger aber nicht zu haben. Er hält sich ans Bewährte. Vom Titel «Brandstifter Trump und seine Biedermänner» (Achtung, Bildungsalarm, Anspielung auf Max Frisch), über den «Tag der Schande» und natürlich zum Schlussakkord in D-Moll:

«Es geht ums grosse Ganze, um Demokratie oder Diktatur.»

(Artikel hinter Bezahlschranke.)

Schon wieder, kann man da nur gelangweilt weiterblättern. Schon wieder rausgeschmissenes Geld für News und Meinungen, die man sich gratis bei CNN und vom Nachbarn holen kann.

 

Die «Weltwoche» in Verteidigungsmodus

Interessanter ist natürlich, wie sich das Hauptquartier der Schweizer Trump-Versteher, durchaus auch Trump-Lobhudler, Trump-Bewunderer, sogar Fans des vollirren und vielfach gescheiterten Steve Bannon, auf den Rückzug begibt. Der darin seinem ehemaligen Chef nicht unähnlich ist. Sowohl Roger Köppel wie der Trump-Groupie Urs Gehriger, bekannt für copy/paste-Journalismus, müssen online das Weite suchen, weil die jüngsten Ereignisse ihres gefallenen Lieblings mal wieder nach Redaktionsschluss stattfanden.

Beide probieren es mit dem eingesprungenen Doppelaxel. Man erhebt sich in die Luft, dreht und wendet sich, gibt Trump die Schuld am Wahldebakel in Georgia und weist nun streng darauf hin, dass er hier eine rechtsstaatliche Grenze überschritten habe. Aber ein Doppelaxel besteht aus zwei Drehungen, also muss natürlich der Objektivität halber auch darauf hingewiesen werden, dass diese Spaltung der US-Gesellschaft von Brandstiftern hüben und drüben verursacht worden sei. Und dass es selbstverständlich Wahlbetrug und Manipulationen gab, einfach nicht so arg, wie Trump behauptet.

Ob die beiden nach diesem Sprung auch sicher wieder landen – oder ob sie auf dem Eis ihrer vorherigen Rhetorik kräftig auf die Schnauze fallen, das wird sich noch weisen.

 

Telegene CH Media

Wenn einem schon die meisten Privat-TV-Sender der Schweiz gehören, sollte man das doch auch ausnützen. Also lässt CH Media im hauseigenen «Talk täglich» ihren Auslandchef Samuel Schumacher gegen das Einmann-Orchester Roger Köppel antreten. Das dürfte den zweiten real existierenden Auslandredaktor der zwei Dutzend Kopfblätter im CH Media-Reich recht ins Schwitzen gebracht haben. Aber Schumacher schlug sich tapfer, während Köppel doch den Eindruck erweckte, dass er noch am Üben ist, wie er sich aus dieser selbstverschuldeten Peinlichkeit wieder herauswinden will.

Netterweise stellt CH Media ein «Best of» zur Verfügung, länger möchte man das auch nicht aushalten müssen. Was bietet dieses Haus der publizistischen Qualität sonst? Wenig, sehr wenig.

In letzter Verzweiflung staubt es den beinahe 85-jährigen Erich Gysling ab und widmet ihm als «US-Experten» sogar eine Sondersendung, deren Erkenntnisgewinn schon im Titelzitat aufblitzt: «Die Trump-Bewegung wird auch unter Biden weitergehen.»

Zudem ist die Bezeichnung US-Experte eigentlich eine Beleidigung für Gysling. Er ist schlichtweg Experte für alles, was ausserhalb der Schweiz stattfindet. Die arabische Welt, Afrika, China, Asien, USA, Amerika, wo es einen Experten braucht, da ist Gysling. Seit Peter Scholl-Latour tot ist, hat er diese Position auch unangefochten als Einziger.

 

Was nichts kostet, ist nichts wert?

Da ist in der Schweiz die interessante Antwort: jein. Nachdem «watson» im ersten Schock die USA schon wieder am Rande des Abgrunds sah, hat es sich wieder gefangen und kehrt zu den Listicals zurück. Im Falle von Trump und USA zu «Hier gibt’s 27 lustige Tierbilder». Oh, Pardon, verrutscht, ich meine natürlich «30 Bilder und Videos, die «Trumps Amerika» auf den Punkt bringen»:

Wer mir erklären kann, was daran lustig ist, gewinnt ein Gratis-Abo von ZACKBUM.ch.

Der hoffnungsvolle Jungredaktor, der diesen Schrott zusammengestellt hat, zählte offenbar auf überwältigende Reaktionen und weist vorsichtshalber darauf hin, dass allenfalls Tweets zunächst in der Queue steckenbleiben könnten. Da hat er sich vergblich Sorgen gemacht, Tweets 8 Stunden nach Veröffentlichung: null.

Von 0 auf 20

Von dieser Nullnummer nun zu «20Minuten». Man hat es wohl noch nie als so segensreich empfunden, dass sich das Blatt konsequent jeden Kommentars enthält. So hat Chefredaktor Looser, nicht zuletzt in unserer Preisverleihung für Journalisten des Jahres dekoriert, im Gegensatz zu ziemlich allen Kollegen auf der Welt und in der Schweiz darauf verzichtet, seine Leser davon in Kenntnis zu setzen, dass auch er sehr indigniert ist über diesen US-Präsidenten, das Schlimmste befürchtet, aber das Beste hofft.

Bravo.

 

Die gute, alte NZZ

Wurde die alte Tante auch durchgeschüttelt, sieht sie die USA am Abgrund oder über genügend Selbstheilungskräfte verfügend? Verurteilt sie, schämt sie sich wenigstens? Distanziert sie sich, wagt auch sie schräge Vergleiche zwischen dem Sturm aufs Capitol und der Besetzung des Bundesplatzes, die gerade einem FDP-Mann den (wohl erwarteten) Shitstorm bringen?

Auch auf die Gefahr hin, als deren ehemaliger Korrespondent der Parteilichkeit bezichtigt zu werden: Nö, sie versucht das, was alle anderen in der Schweiz nicht mal im Ansatz liefern: eine differenzierte Berichterstattung mit Manpower:

Keine einfachen Beschreibungen: Das ist NZZ at its best.

Aber eben, was ist das schon gegen die Feuerkraft der selbsternannten Bezahl- und Qualitätsmedien, die ja nicht nur einfach das schreiben, von dem sie hoffen, dass es bei ihrem Publikum am besten ankommt. Sondern auch, sich damit noch mehr Staatsbatzeli zu erschreiben.

CH Media: Verzögerungen bei der Paywall

Erst die Newsportale der CH Media-Zeitungstitel der Ost- und der Zentralschweiz verfügen bereits über eine Paywall. Eigentlich hätten dieses Jahr auch die Newsportale in der Nordwestschweiz  die Paywall erhalten sollen. Das hätte bedeutet: Der Zutritt zu sämtlichen Newsportalen von CH Media wäre nur über eine Bezahlschranke möglich gewesen. Verzögerungen haben aber dazu geführt, dass die Paywall erst «Anfang 2021» kommt, wie ZACKBUM.ch auf Anfrage erfuhr.

Für Watson soll sich auch weiterhin nichts ändern. Der Artikelaustausch zwischen Watson (Mehrheitseigner AZ Medien AG) und den CH-Media-Zeitungen wird auch nach der Bezahlbarriere aufrecht erhalten. Watson verfügt über ein Kontingent an Artikeln, die es von den anderen Zeitungen übernehmen kann. «Es handelt sich dabei aber kaum je um Artikel aus dem Regionalteil unseres Angebotes», so ein Sprecher der CH Media.

Ex-Press XI

Blasen aus dem Mediensumpf

Persoenlich.com, die Plattform für Medienmitteilungen und Belangloses, hat einen Geschwindigkeitsrekord aufgestellt. Am 16. November überrascht sie ihre Leser mit der traurigen Nachricht, dass Charlotte Peter gestorben sei.

In einem eher lieblosen Kurztext werden die Stationen dieser bedeutenden Schweizer Journalistin runtergeraspelt. Eine Idee schneller war die NZZaS. Sie brachte am 8. November einen Nachruf. Ach, und am gleichen Tag erschien auch eine Würdigung von Mensch und Werk auf ZACKBUM.ch.

Also kann man getrost sagen: persoenlich.com, die Plattform, die Nachrichten von vorgestern schon morgen bringt.

 

Die «Medienwoche» röchelt auch nur noch vor sich hin

Zunächst die Packungsbeilage: Nein, das ist nicht, genauso wenig wie beim «Schweizer Journalist», Neid, Ranküne, haltloses Geschimpfe über Konkurrenten. Im Gegenteil. Es ist Ausdruck von Bedauern. Von Beunruhigung. Medienkritik war noch nie so nötig wie heute. Tamedia hat die Medienseite schon vor Jahren abgeschafft. CH Media berichtet höchstens von Fall zu Fall. Die NZZ hat die Medienseite samt dem langjährigen Redaktor gespült.

«Edito» kann man ja nicht mehr ernst nehmen. Der «Schweizer Journalist» ist so runtergespart, dass er zu grossen Teilen Artikel aus und über Deutschland oder Österreich übernimmt. Und die Medienwoche röchelt seit ihrer Sommerpause schmalbrüstig mit Beiträgen vor sich hin, in denen viel Gesinnung, aber wenig Gehalt oder Handwerk stecken.

Als einzigen Einfall pflegt das Online-Magazin ein neues Gefäss mit dem Namen «The Good, The Bad and The Ugly» Das war und ist ein grossartiger Western, über den man stundenlang schwärmen könnte. Über die Umsetzung in der «Medienwoche» allerdings nicht. Wie man sich trauen kann, mit solchen Geschreibsel um Gönnerbeiträge zu betteln, traurig.

 

Oben ohne beim «Blick»

Das Seite-3-Girl ist zwar schon längst dem Zeitgeist zum Opfer gefallen. Aber vielleicht war es eine versteckte Reverenz an diese Tradition:

Oder vielleicht dachte sich der zuständige Produzent, bzw. der überarbeitete Online-Redaktor: Was Besseres fällt mir da auch nicht ein.

 

Corona muss sein

Es kratzt schon im Hals, hängt zum Hals raus, aber was wollen die Medien machen, als weiter am Virus lutschen. Wir brauchen mehr Sidelines, fordern die noch existierenden Chefredaktoren, nicht immer Fallzahlen, nicht immer Impfung, nicht immer «Trump hat versagt».

Und die letzten real existierenden Redaktoren liefern. «Corona-Konkurse in Zürich: Er muss jeden Tag eine Firma bestatten» (hinter Bezahlschranke). Eine geradezu ideale Personalisierung eines abstrakten Themas, lobt da sicher der Chefredaktor. Weihnachtlich gestimmt schweift hingegen der «Blick» in die Ferne: «Das Wunder von Madrid».

Muss jemand selig oder gar heilig gesprochen werden? Nicht direkt: «Nirgends sinken die Corona-Zahlen schneller – trotz voller Parks und Restaurants». Aber von der Ferne vermeldet der «Blick» schlechte Nachrichten: «Nachbarn schauen besorgt in die Schweiz». Und was entdecken sie da in der Schweiz? Viele Tunnel.

Wir schwingen uns in die Höhe, wo die NZZ den Blick für das Wesentliche behält: «Corona-Lockdown: Economiesuisse stellt sich gegen die Wissenschafts-Task-Force und fordert mehr Verhältnismässigkeit». Denn: Hörte der Bundesrat auf diese Wissenschaftler, dann «sollte er noch diese Woche dem liberalen Weg der Schweiz ein Ende bereiten». Und wo ein liberaler Weg zu Ende ist, da steht die NZZ und fordert weiterschreiten.

Über diesen Aufmacher online stellt die NZZ ein Symbolbild, das den konservativen Kräften in der Redaktion Auftrieb geben sollte. Sie fanden es schon von Anfang an falsch, auf der Frontseite so etwas Neumodisches wie Fotos zu bringen.

Und von oben noch nach unten, zu «watson» Was bietet das Millionengrab? Richtig geraten, Listicals, was denn sonst. «Sieben Tipps, damit du beim Jassen endlich besser wirst». Und damit «du» das dann auch mal ohne Gesichtsmaske und mit mehr als einer anderen Familie spielen kannst: «Diese vier Impfstoff-Kandidaten könnten das Coronavirus am schnellsten besiegen». Tun sie das nicht: wir haben «könnten» geschrieben, he, he.

Aber es gibt auch dann noch Auswege. Passgenau neben dieser grandiosen Eigenleistung steht eine Werbung von Swisscom: «Jasse jetzt mit deinen Freunden und Familie – über Video». Nicht nur mit dem kumpelhaften du hat sich der Staatsbetrieb dem Niveau von «watson» angeschlossen. Auch mit der Grammatik hat er’s nicht so.

 

Die ganze Welt

Die Schweiz ist zwar der Nabel der Welt, Jassen ist ein unverzichtbarer Volkssport, aber war denn sonst noch was los? Auch hier von unten nach oben.

«11 Dinge, die du bisher nicht über «Kevin – Allein zu Haus» wusstest.» Aber vielleicht, trotz «watson», auch gar nicht wissen willst.

Was hält denn CH Media für berichtenswert? Ein literarisches Jahrhundertereignis: «Barack Obama hat sein lang erwartetes Buch endlich geschrieben.» Nun hat der arme Redaktor natürlich noch keine Zeit gefunden, den «768-Seiten-Wälzer» zu lesen. Aber News ist News, also kann er es ja nicht bei dieser Ankündigung  belassen. Sondern füllt die Spalten mit Geraune, was Obama noch alles werden könnte, wollte, sollte. Und was nicht, zum Beispiel Vizepräsident. Aber Minister schon. Oder Richter. Oder was auch immer, und puh, ich habe fertig.

Ganz andere Prioritäten setzt natürlich die NZZ. «Der Brexit weckt in Belfast die Geister der Vergangenheit». Wir erinnern uns schemenhaft, da war doch mal was. Völlig auf dem Laufenden ist das Blatt auch in Lateinamerika: «Peru hat einen neuen Übergangspräsidenten». Das ist gar nicht so einfach, denn im Gegensatz zu den USA wechseln hier die Präsidenten eigentlich fast täglich. Zuerst wird der gewählte Präsident per Misstrauensantrag aus dem Amt gejagt.

Dann wird sein Nachfolger durch Druck von der Strasse abserviert. Und jetzt probiert es Peru mit dem dritten. Daran könnten sich doch die USA ein Beispiel nehmen, aber das schreibt die NZZ natürlich nicht.

Ex-Press VIII

Blasen aus dem Mediensumpf

Früher, als alles noch besser war, gab es – neben der Druckvorstufe – noch drei Berufsgattungen, die heutzutage fast ausgestorben sind. Textchefs, Produzenten und Korrektoren. Deren gemeinsame Aufgabe war, einen Artikel richtig einzuschenken. Also mit einem knackigen Titel zu versehen, einem appetitanregenden Lead und danach ein Lauftext, bei dem sich der Leser nicht in einem Schüttelbecher fühlt.

Natürlich kann man bei den grossen Buchstaben genauso Fehler machen wie bei den kleinen, aber das ist hier schon ein starkes Stück:

 

«Der Kemel wehrt sich» (Tages-Anzeiger).

 

Das Kamel wehrt sich? Ein was wehrt sich? Ach so, schliesslich hat Kreml fünf Buchstaben, da kann man doch zwei Fehler machen, und die Mehrheit der Buchstaben ist immer noch richtig.

Auch von Tamedia, auch nicht schlecht: «Der Wunderschuh läutet ein neues Zeitalter ein». Indem er kräftig gegen die Glocke tritt, oder so. Aber immerhin, daran erkennt man, dass es kein bezahlter Text von Nike ist; so einen bescheuerten Titel hätten die sicher nicht gemacht.

«Single, weil die Auswahl scheisse ist», an diesem Titel in «20 Minuten» gibt es nichts zu mäkeln, höchstens, dass so immer mehr Artikel von Tamedia hierhin weitergereicht werden; könnte ja sein, dass ein Leser sie noch nicht kennt.

Nur um Nuancen liegen hier «20 Minuten» und der «Blick» auseinander, abgesehen von der Buchstabengrösse natürlich: «Werde ich sterben?», soll Donald Trump gefragt haben» versus «Donald Trump soll gefragt haben: «Werde ich sterben?» Sollen wir uns das im Rahmen der Feldereinteilung in der Syntaxtheorie mal genauer anschauen? Dachte ich mir doch; was Syntax ist, erklären wir dann im Kurs für Fortgeschrittene.

Auf der völlig sicheren Seite ist für ein Mal sowohl der «Blick» wie auch ein Wetterfrosch:

«Meteorologe warnt: «Es wird noch viel mehr Regen fallen.»

Nun kommen wir schon zum kleinen Intelligenztest; woher stammt dieser Titel: «37 herrliche verrückte Dinge aus Japan»? Gut, eine zweite Chance gebe ich noch: «7 romantische Komödien, die nicht völliger Quatsch sind». Nun hat wohl der Letzte gemerkt, dass es natürlich die Weltzentrale der Listicles ist: «watson». Darauf sollte sich das Online-Organ auch konzentrieren, denn wenn es schwieriger wird, kommt nur noch Blödsinn:

«Die Blockade bei den Bilateralen ist wie ein Smartphone ohne Update».

Geht noch einer drüber? Aber sicher, wozu hat CH Media auch die  Brachial-Kolumnistin, die Fettnäpfchen-Fee, die Gähn-Kalauer-Queen Simone Meier: «Er war da: Vieles, was wir über Johnny Depp geschrieben haben, war wahrscheinlich deppert». Fast richtig; nicht vieles, sondern alles. Und nicht nur über Johnny Depp.

Nun ein Aufschwung in die höheren Gefilde des Journalismus; in das Blatt, das sich seit diesem Wochenende auf das Wesentliche konzentriert: «Trump geht es schlechter als von seinem Leibarzt behauptet», weiss Dr. NZZ es besser als die anderen.

Etwas ungenau hingegen das St. Galler Tagblatt: «Velofahrer im Kanton St. Gallen tot aufgefunden». Dafür aber stellt Pascal Hollenstein mal wieder die grossen Zusammenhänge her und gleichzeitig die Schweiz in den Senkel:

«Deutsche Einheit: Die Schweiz im Schmollwinkel der Geschichte».

Wer noch nicht wusste, dass es den gibt und die Schweiz dort stand: macht nix, ist sowieso nur Unsinn.

CH Media, dessen Vorläufer doch enthüllte, dass ein Badener Stapi Fotos seines unverhüllten Gemächts aus seinen Amtsräumen seinem Schnuckiputzi schickte, ist inzwischen natürlich geläutert und gereinigt:

«Irritierend, wie die Chefetage mit den Mobbing- und Sexismusvorwürfen umgeht», verwundert sich CH Media.

Zur Erklärung: Das ewig in Geldnot steckende Organ «Republik» hat mal wieder einen Artikel eingekauft und versucht, ihn zum Skandal aufzupumpen. Was aber wie meist bei der «Republik» schwierig ist, weil es als «Beweis» für schreckliche Zustände bei der Schweizerischen Nationalbank nur eine Handvoll nicht sehr aussagekräfige Fälle gibt. Und zudem die Chefetage sicherlich bezüglich Frauenquote noch etwas Luft nach oben hat. Aber die Verwaltung von bald einmal einer Billion – das sind 1000 Milliarden – Franken, ist ausserhalb von streng feministischen Kreisen vielleicht ein Mü wichtiger.

Uns wird gelegentlich vorgeworfen, wir seien immer so negativ, was wir gar nicht sind. Aber wie auch immer, dieser Titel aus der NZZ am Sonntag ist schlicht und einfach ganz grosses Kino, sollte applaudiert und bewundert werden:

«Krieg in Karabach: Wo man Kalaschnikows auf Wickeltischen ölt»

Viel besser wird’s nicht in Sachen Titel.

 

Ex-Press VII

Blasen aus dem Mediensumpf.

 

«Watsons» partielle Welt-Analysen

Neben 18 Fotos über Jagen, «die dich schmunzeln lassen», neben «Prostata-Probleme beenden», aber hoppla, das ist ja eine zielgruppengerechte Werbung im Jugendportal «watson», gibt es auch ernst gemeinte «Analysen». In einer erschüttert «watson», die Weltzentrale der lustigen Listicles, seine Leser, Europa, ja die ganze Welt mit der Erkenntnis: «Die EU will das Flüchtlingsproblem lösen – das dürfte schwierig werden». Also prägnanter lässt sich das wirklich nicht auf den Punkt bringen; Chapeau vor dieser Geistesanstrengung.

Geht da noch einer? Aber immer, natürlich gibt es auch eine «Analyse» zur «Arena»-Debatte, bei der die «Klimajungend» feige gekniffen hat. Besonders fasziniert hat den Analytiker von «watson» ein «Ex-Lehrer», der den inhaltsschweren und daher unsterblichen und von den Griechen überlieferten Satz in die Runde warf: «Jugendliche sind halt frech.» Über diese Erkenntnis hat Platon sein halbes Leben gebrütet.

Ich hätte da auch einen alten Griechen, Sokrates soll gesagt haben: «Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte.» Ausserdem tyrannisiere sie die Lehrer.

Dabei wandelte Sokrates nicht mal über den Bundesplatz zu Bern. Erkannt hätte ihn sowieso keiner. Was allerdings dem «watson»-Analysten verblüffend gut gelingt, ist eine partielle Mattscheibe. Er verteilt mehr oder minder gerecht Lob und Tadel auf drei Teilnehmer an der Diskussion, der zugeschaltete Berner Stapi wird für seine Fake News von «watson» milde gerügt, dass man halt vorher von nichts gewusst habe.

Fehlt da nicht was? Richtig; offensichtlich fand man es bei «watson» lustig, die Solidarität mit der abwesenden «Klimajugend» so zu zeigen, dass Roger Köppel in dieser Analyse nicht vorkommt. Selten so gelacht, seitdem in absolutistischen Regimes in Ungnade gefallene Prominente einfach aus Fotos und Dokumenten geschnitten wurden.

Nein, das taten nicht die alten Griechen. Aber Stalin und seine Brüder im Geist. Man fragt sich wirklich, wieso die Familie Wanner mit dieser Blöd-Plattform ihr Geld verröstet. Aber immerhin, spricht für die Intelligenz der Leser, einem einzigen Kommentator fiel das Fehlen Köppels in dieser «Analyse» auf.

 

Ferientage sind Chaostage

Der «Blick» versucht, den Überblick zu behalten. Wohin kann man in den Herbstferien noch reisen? Wohin kann man zwar reisen, muss dann aber in Quarantäne? Und vor allem: Wohin konnte man gestern noch reisen, heute aber nicht mehr oder neu mit Quarantäne?

Umbuchen, stornieren, zurückbezahlen. Airlines, Reiseveranstalter und Reisebüros drehen im roten Bereich, weil der Versuch, eine Linie im Walten und Wüten von BAG und Bundesrat zu erkennen, dem Versuch gleicht, einen Pudding an die Wand zu nageln. Schön wenigstens, dass die NZZ sich mit sonorer Stimme und mit ihrem neuen «Chefökonom» zu Wort meldet: «Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass Ökonomen Kosten- und Effizienzüberlegungen in die politische Debatte einbringen und auf Anreiz- und Verteilungswirkungen hinweisen.»

Mein Gott, Walter, könnte man das nicht einfacher sagen? Hundert Milliarden Franken Schaden und Gratisgeld für alle, kann das gutgehen?

 

Meinungspluralismus

Die «massivst» dümmliche Klimajugend lehnte die Teilnahme an der «Arena» ab, die natürlich dennoch mit Roger Köppel stattfand. Ein gewichtiger Anlass für die Medien, über Debattenkultur und anderes nachzudenken. In der gebotenen Breite und Vielfalt.

«Steht die grüne Gesinnung über dem Rechtsstaat?» Mit dieser TV-Kritik erfreute das Haus Tamedia seine Leser. In seinen 17 Kopfblättern und angeschlossenen Tageszeitungen gleichlautend. «Klima-Besetzer kneifen in der «Arena»», mit dieser sprachlich etwas gewagten Formulierung bestreut CH Media die Schweiz. Gleich 20 mal.

Abseits stehen natürlich nur «Blick» und NZZ. Sowie ein paar versprengte Lokalzeitungen. Gerade bei solchen Themen zeigt sich erschreckend, wie ungesund es ist, dass in Basel, Bern und Zürich, in Zug, Luzern, Aarau und St. Gallen, dass eigentlich überall die gleiche Meinung, die gleiche Sosse in die Tagespresse gegossen wird.

 

Wir sind alle Täter

Nicht gewusst? Sie meinen, weil Sie keinen Mohrenkopf und keinen Uncle Ben’s Reis essen, kämen Sie davon? Das sieht der grosse Schweizer Kämpfer gegen die Sklaverei – und ihre Folgen – ganz anders: «Grundsätzlich sollen die Nachkommensgesellschaften der Sklaven von den Nachkommensgesellschaften der Täter und Profiteure entschädigt werden», fordert der Historiker Hans Fässler in der WoZ.

Eigentlich lustig, meine ich als Historiker, dass es Kollegen gibt, die noch im 21. Jahrhundert von einem fundamentalistischen, durch die Geschichte unveränderlichen Menschenbild ausgehen, der heute, gestern und durch alle Zeiten die gleichen Massstäbe, Denkgerüste, Vorstellungen benützt wie heute.

Ganz abgesehen davon, dass sich nicht nur die Nachkommensgesellschaften der Sklaven am Sklavenhandel beteiligten und bis heute nachwirkende Vermögen durch den Verkauf ihrer Landsleute begründeten.

Näherliegend fände ich, dass gerade in der Schweiz die Nachkommensgesellschaft der alleine politisch bestimmenden Männer der Nachkommensgesellschaft der bis 1971 bestimmten Frauen eine Wiedergutmachung leistet. Mindestens verbal: «Guten Abend, Schatz, übrigens Entschuldigung. Und holst du mir mal ein Bier und die Fernbedienung?»

 

 

 

Es ist nie an der Zeit für persönliche Rachefeldzüge

Und schon gibt’s Zoff bei ZACKBUM.CH.  Jenny Furer kritisiert René Zeyer ganz schön hart.

Als Zackbum gestartet ist, habe ich mich gefreut. Ehrlich und aufrichtig. Ein Online-Medium, hinter dem keine Geldgeber stecken und das unverblümt die Schweizer Medienbranche ins Fadenkreuz nimmt. So etwas braucht die Schweiz. Schliesslich sollen Verlegerinnen und Verleger sowie Journalistinnen und Journalisten nicht schalten und walten, wie sie wollen.

Als meinungsbildende und demokratierelevante Institutionen gehören sie konstruktiver Kritik ausgesetzt. Wo wir beim Punkt wären. Konstruktiv bedeutet eben nicht, dass persönliche Empfindungen und Sympathien die Basis bilden, um zu Frontalangriffen auszuholen. Womit wir bei unserem Autor René Zeyer sind.

René Zeyer ist zweifelsohne ein begnadeter Schreiberling mit langjähriger Erfahrung in der Medienbranche. Seine Talente lässt er aber missen, wenn er alleine bis Anfang September zehn Mal gegen Pascal Hollenstein, Leiter Publizistik bei «CH Media», ausholt oder wieder einmal im Stil einer persönlichen Abrechnung gegen Andreas Tobler von Tamedia oder Simone Meier von «Watson» wettert. Oder die «Weltwoche», in der er selber schreibt, unkritisch bejubelt.

Es geht in keinster Weise darum, dass Zeyer sich nicht das Recht herausnehmen darf und soll, seine Ansichten zu verbreiten. Meinungen beleben die Debatte. Aber wie heisst es so schön: der Ton macht die Musik. Und in Zeyers Fall eben auch die richtige Dosis.

Wer so häufig auf die gleichen Zielscheiben schiesst, verliert seine Glaubwürdigkeit. Durchaus berechtigte Kritik kann so schnell einmal dem Gefühl weichen, es handle sich um einen persönlichen Rachefeldzug alleine aufgrund nicht vorhandener Sympathien.

Kritik an Journalistinnen und Journalisten verliert so an Glaubwürdigkeit. Sie wird nicht mehr als wichtiges Instrument zur Überwachung der vierten Gewalt angesehen, sondern als Streiterei und Stichelei unter der schreibenden Zunft.

Glaubwürdig ist, wer konstruktiv austeilt – und zwar dort, wo ausgeteilt werden muss und dann, wenn ein Schlag in die Magengrube des Kontrahenten angezeigt ist. Es ist nur fair, um bei der Metapher des Boxkampfes zu bleiben, wenn nicht nur und durchgehend auf den gleichen Gegner eingehämmert wird. Das verstösst nicht nur gegen die Regeln, sondern disqualifiziert den Austeilenden beim Publikum selbst. Er ist es dann, der als unkontrollierbarer Aggressor wahrgenommen wird.

Ein konstruktiver Kritiker darf durchaus seine politische Gesinnung zum Ausdruck bringen, muss es aber nicht und vor allem nicht permanent. Wer nämlich letzteres tut, läuft Gefahr, jegliche Kritik auf Basis politischer Sympathien vorzunehmen. Das raubt dem berechtigten Anliegen seine Legitimation.

Natürlich könnte man mir vorwerfen, dass es auch von mir unfair ist, mit meiner Kritik auf René Zeyer zu spielen. Doch das Versprechen von ZACKBUM.ch ist es schliesslich, «hart auszuteilen und problemlos einzustecken». Dass dieser Text auf dieser Plattform erscheinen darf, beweist immerhin: Die Macher rund um Zeyer haben auch Nehmerqualitäten.

Jenny Furer schreibt unregelmässig für ZACKBUM.CH. Die 25-Jährige arbeitet seit März 2020 als Reporterin beim News-Team von «Bluewin». Sie ist als Berichterstatterin an den Zürcher Gerichten, am Bundesstrafgericht, am Bundesgerichten, sowie an den Gerichten Luzern, Bern, Thurgau und St. Gallen akkreditiert. Vor Bluewin arbeitete sie unter anderem bei «20 Minuten» und den Zürcher Oberländer Medien.

Packungsbeilage: Die ZACKBUM-Redaktion hat diesen Meinungstext eine Weinflasche lang diskutiert. Und im Sinne von «Wer austeilt, muss auch einstecken»,  einstimmig freigegeben. René Zeyer zeigt damit eine seiner weiteren Stärken – nämlich Gelassenheit. Trotzdem und nach Richtlinie 3.8 des Journalistenkodex (Anhörung bei schweren Vorwürfen) hier die (verkürzte) Stellungname des Kritisierten. René Zeyer legt Wert darauf, dass er Hollenstein bisher lediglich 7 mal erwähnt habe. «Jeweils begründet durch ein klar argumentiertes Fehlverhalten».  Und dass an der Abrechnung mit Andreas Tobler etwas persönlich sein soll, stellt Zeyer ebenfalls in Frage. «Stimmt ein einziger meiner Vorwürfe nicht? Hatte er keine Gelegenheit, etwas darauf zu erwidern?», so Zeyer. Und wenn Simone Meier schreibe, Hitler hätte die Juden gecancelt? Das ist für Zeyer definitiv keine persönliche Abrechnung, sie aufs schärfste dafür zu kritisieren.  Und schliesslich «Weltwoche» unkritisch bejubelt. «Das ist reiner Schwachsinn, in meiner dreiteiligen Serie über die Berichterstatttung zum Skandal an der Herzklinik Zürich habe ich Christoph Mörgeli (und mit ihm die WeWo) kräftig abgewatscht. Und wenn das Blatt in diesen Zeiten einen 12-seitigen Kulturteil unter fachkundiger Leitung aus dem Boden stampft, dann verdient das höchstes Lob.»  Ende der Durchsage.