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Der nachtragende Heuchler

Gegen Hansi Voigt ist ein Wendehals ein charakterstarker Vogel.

Hansi Voigt weiss gestern schon, was morgen geschehen wird. So führte er eine Kolumne in der WoZ über «Die Medienzukunft». Hier spielte er sich als der grosse Medienkenner auf, verteilte harsche Hiebe an alle anderen und wollte wissen, dass Tamedia ihre Zeitungen für eher schlappe 500 Millionen Franken zum Verkauf angeboten habe (Artikel gelöscht).

Dabei liess er sich vom Leitbild jedes schlechteren Journalisten führen: mach dir durch eine Nachfrage beim Betroffenen ja nicht deine Story kaputt. Das fand Tamedia überraschungsfrei nicht komisch und reichte Klage ein. In eigener Sache sofort beleidigt, mopste Voigt: «Kommunikation per Klageandrohung.» Dabei dachte Tamedia wohl bloss: Wenn du vor einem solchen Quatsch nicht mit uns sprichst, dann sprechen wir auch nicht mir dir.

Seit 2017 wird «20 Minuten» nicht mehr gedruckt

Seinen hellseherischen Muskel stellte Voigt früh unter Beweis: «20 Minuten wird noch vier Jahre gedruckt, dann ist Schluss.» Das wusste er schon Anfang 2013. Diese falsche Prognose hatte sicherlich nichts damit zu tun, dass Voigt wenige Monate vorher einen internen Machtkampf verloren hatte, niemals bereit wäre, eine Co-Chefreaktion zu akzeptieren und zu seiner Überraschung auf die Forderung «er oder ich» die Antwort bekam: er, du nicht. Nachtragend sprach er dann von «Verseichtungs-Strategie» im Hause Tamedia, und lobte sich selbst: «Ethische Fragen gehören zu deiner alltäglichen Arbeitspraxis, und du kannst Verantwortung nicht delegieren.»

Also zog Voigt ein Haus weiter und überzeugte Peter Wanner davon, dass ein Gratis-Online-Magazin ohne Printversion die gewinnträchtige Zukunft des Journalismus sei. Schon 2013 fantasierte er davon, dass «watson» vielleicht schon im nächsten Jahr in die schwarzen Zahlen komme. Vorsichtshalber sagte er aber nicht, in welchem Jahr genau. Stattdessen entwickelte sich «watson» zu einem Millionengrab und ist heute noch der Einstellung wohl näher als schwarzen Zahlen.

Nachdem auch Peter Wanner die Geduld mit ihm verlor, erfolgte 2016 nach drei Jahren der nächste Abgang. Wanner sagte damals, offensichtlich schwer genervt, Voigt seine leeren Versprechungen geglaubt zu haben: «Wir wollten Geschäftsführer und Chefredaktion trennen. Voigt nicht.»

Kleine Schrecksekunde im «Medienclub»

Denn er weiss: Wenn der Geschäftsführer was taugt, dann schaut er die Finanzen sehr genau an. Wenn er Voigt heisst, eher weniger. So locker er mit dem Geld von anderen umgeht, so genau schaut er auf sein eigenes. Deshalb gründete er zuerst die Fixxpunkt AG, die als Herausgeberin von «watson» figurierte und bei der Voigt bis zu seinem Abgang im Verwaltungsrat sass. Wodurch er dann seinen Anteil versilbern konnte. Starke Leistung, für ein Millionengrab noch Geld zu bekommen.

Eine veritable Schrecksekunde erlebte Voigt dann in einem Medienclub des Schweizer Fernsehens im Mai 2019. Dort spielte er sich nicht mehr als der grosse Medienguru auf, aber verwandelte sich in einen moralischen Zeigefinger, mit dem er gegen die meisten Medien fuchtelte, ungeheuerlich, was da im Fall Spiess-Hegglin abgegangen sei.

Einen kurzen Moment sprachlos war er dann aber, als der vorbereitete Moderator ihn fragte, wie er diesen U-Turn erklären könne, da bei «20 Minuten» doch auch ziemlich geholzt wurde, nur nicht gegen eine arme Frau, sondern einen reichen Millionenerben. Das gehe ihn eigentlich nichts an, errichtete Voigt schnell eine Verteidigungslinie, das habe sich ja im Print abgespielt, nicht online.

Der Indikativ ist ein Konjunktiv

Daraufhin warf ihm Kurt W. Zimmermann in seiner Medienkolumne vor, dass das schlichtweg gelogen sei. Und zitiert aus dem Urteil des Bundesgerichts: 4 von 6 nicht statthaften Artikeln seien online publiziert worden, mit «schweren, unhaltbaren Vorwürfen». Ein harmloses Muster: «Wie Hirschmann Mädchen flachgelegt haben soll.»

Dabei ist ja wohl auch noch ein Sprutz Frauenverachtung. Wie auch immer, schriftlich angefragt, wusste Voigt, was es nun braucht: Volle Verantwortung übernehmen und «ich entschuldige mich hiermit persönlich und nachträglich». Das hat er von Bill Clinton und anderen Schlingeln gelernt. Zuerst abstreiten und kleinreden, wenn kein Ausweg mehr bleibt, kommt die tapfere Entschuldigung.

Aber auch das konnte Voigt natürlich nicht auf sich beruhen lassen; in der Hoffnung auf das Vergessen behauptete er später, die Entschuldigung sei nur im Konjunktiv erfolgt, und überhaupt, Zimmi fahre da eine Kampagne gegen ihn. Bedauerlich, dass der Chefredaktor und Medienkenner Indikativ und Konjunktiv nicht auseinanderhalten kann.

Eine Million abholen

Jetzt wird’s einen Moment kompliziert. Sein Verhältnis zu Tamedia und CH Media darf man wohl als zerrüttet bezeichnen. Bei Ringier kriegt er auch keinen Fuss in die Türe, die NZZ hat vermieden, den Fehler einer Anstellung oder Beratung durch Voigt zu machen. Wohin also?

Da kam wie gerufen, dass die Basler «TagesWoche», eigentlich nur als Anti-BaZ gegründet, trotz Millionenspenden einer Pharma-Erbin nach vielen Skandalen, aber wenig öffentlicher Aufmerksamkeit, gerade verröchelt war.

Aber die «Stiftung für Medienvielfalt» wollte weiter fröhlich Geld unter die Leute bringen. Also lobte die Stiftung eine Million jährlich aus, mindestens für drei Jahre, danach in der gleichen Höhe, wie die selbst generierten Einnahmen eines neuen Medienprojekts.

Schön, dass man ein Netzwerk hat

Natürlich bewarben sich einige, darunter auch die arbeitslos gewordene Crew der «TagesWoche» selig. Und der «Verein Medienzukunft Basel». Im Vorstand sitzen unter anderen Susanne Sugimoto, Geschäftsführerin  des Theater am Neumarkt in Zürich und Mitbegründerin der «Republik». Und Guy Krneta, «Autor und Mitbegründer von «Rettet Basel».

Das war nach dem Besitzerwechsel bei der «Basler Zeitung» gegründet worden. Denn nun musste Basel vor Christoph Blocher gerettet werden. In diesem Kampf veröffentlichte «Rettet Basel» Hetzartikel über den damaligen Chef der «BaZ»: Der sei «ein Hassprediger im Leerlauf», ein «Schriftleiter von Blochers Gnaden». Leider funktioniert der Link zum ganzen Artikel nicht mehr, also weiss man nicht, was «Rettet Basel» dazu getrieben hat, mit dem Wort «Schriftleiter» Assoziationen zum Dritten Reich in Deutschland herzustellen.

«Rettet Basel» röchelt nur noch vor sich hin, seit nach Blocher die Zürcher Tamedia die BaZ geschluckt hat. Aber es gibt ja immer einen neuen Verein, eben «Medienzukunft Basel». Und der unterstützt den Verein «Bajour». In dessen Vorstand sitzen Matthias Zehnder als Präsident und Hansi Voigt.

 

Fortsetzung folgt.

Hansi Voigt bekam einen umfangreichen Fragenkatalog und üppig Zeit, dazu Stellung zu nehmen. Aber wie Angstbeisser teilt er gerne aus, steht aber nicht seinen Mann. Die wiederholte Anfrage blieb unbeantwortet.

Arbeitslosengeld: Tamedia 4,2 Millionen, Blick und NZZ nichts


Wie die Grossverlage mit der Coronakrise und mit der Kurzarbeit umgehen. Eine Exklusivumfrage von ZACKBUM.ch fördert Erstaunliches ans Tageslicht.

Allein im Kanton Zürich wurde während des Corona-Lockdowns im April und Mai für gut einen Drittel der Arbeitnehmer Kurzarbeit beantragt. Mit dieser Kurzarbeitsentschädigung sollte die Arbeitslosenversicherung einen Teil der Lohnkosten übernehmen. Damit soll verhindert werden, dass infolge kurzfristiger und unvermeidbarer Arbeitsausfälle Kündigungen ausgesprochen werden. Wie sieht die Lage bald sechs Monate später in der Medienbranche aus? Gibt es Missbräuche? Werden viele Angestellte trotzdem entlassen?

Tamedia verlängert Kurzarbeit bis Ende November

Das einzige börsenkotierte Medienunternehmen der Schweiz, die TX Group mit dem Tamedia– und dem 20-Minuten-Zweig, nutzt die Möglichkeit der Kurzarbeit am extensivsten aus. Laut einer Sprecherin «befindet sich Tamedia seit April 2020 in Kurzarbeit – anfangs die gesamte Belegschaft, mittlerweile sind es rund 50 Prozent der Mitarbeitenden – also die ganze Tamedia, inkl. Druckzentren.»
Man habe «aufgrund der nach wie vor unsicheren konjunkturellen Lage, insbesondere im Werbemarkt, eine Verlängerung bis vorerst Ende November 2020 beantragt«. Dazu erfolge eine laufende Neubeurteilung mit dem Ziel, «so rasch wie möglich wieder in den Normalbetrieb zurückkehren zu können». Die Sprecherin betont, die Kurzarbeit stehe im Zusammenhang mit den enormen wirtschaftlichen Auswirkungen von Covid-19. Und: «Die Medienbranche befindet sich jedoch bereits seit längerem in einem anhaltenden strukturellen Wandel, die Werbeeinnahmen sind seit Jahren rückläufig und es ist davon auszugehen, dass sich der negative Trend fortsetzen wird.»
Immerhin: Tamedia bezahlt allen Angestellten trotz Kurzarbeit den vollen Lohnausgleich. Tamedia erhielt bis Ende Juni eine Kurzarbeitsentschädigung von 4,2 Millionen Franken, wie es auf Anfrage heisst.

«20Minuten»: Völlig offen, wann der Normalbetrieb kommt
Bei «20Minuten», welche innerhalb der TX Group eine wirtschaftlich eigenständige Einheit darstellt,  sieht die Situation ähnlich aus. Laut Sprecherin Eliane Loum wurde von Ende März bis Ende August insgesamt rund 25 Prozent Kurzarbeit geleistet. «Anfangs waren alle Mitarbeitenden in Kurzarbeit, mittlerweile konnten einzelne Abteilungen aus der Kurzarbeit herausgelöst oder diese reduziert werden«, so Loum. «Wir gehen davon aus, dass wir bis Ende November noch rund 20 Prozent Kurzarbeit leisten werden. Derzeit ist noch völlig offen, ob wir auf Anfang Dezember alle wieder zum Normalbetrieb zurückkehren können oder ob wir einen Antrag auf Verlängerung der Kurzarbeit stellen werden. Das ist abhängig von der Entwicklung des Werbemarktes.» Bezogen hat «20Minuten» bis Ende August eine Million Franken via Kurzarbeitsausgleich. Und wie schaut «20Minuten», dass die bewilligte Kurzarbeit nicht überschritten wird? Man habe während der Krise insbesondere die Zeitung stark reduziert, teilweise sei sie noch immer reduziert. «So haben wir beispielsweise während 4 Monaten auf die Publikation der Regionalausgaben verzichtet, da regionale Kultur- und Sportveranstaltungen fast vollständig abgesagt wurden. Die dort bei den Journalistinnen und Journalisten frei werdenden Ressourcen konnten anders eingesetzt werden.» Dass «20Minuten» bald nur noch online erscheinen könnte, verneint Loum vehement.

CH Media mit 1200 Mitarbeitern in Kurzarbeit
Bei CH Media, dem Zusammenschluss der Zeitungen der AZ Medien und der NZZ-Landzeitungen, arbeiteten von April bis Ende August «ungefähr 60 Prozent der rund 2000 Mitarbeitenden in unterschiedlicher Ausprägung Kurzarbeit», wie eine Mitarbeiterin der Unternehmenskommunikation mitteilt. Die Differenz zum 100%-Lohn wurde immer ausgeglichen. Seit 1. September werde für CH Media als ganzes Unternehmen keine Kurzarbeit mehr beantragt. «Punktuell kann es nach wie vor Bereichsabteilungen oder Gesellschaften geben, wo Kurzarbeit beantragt wird», so die Sprecherin.  Wieviel Geld CH Media bezogen hat bisher via Kurzarbeitsausgleich, will man aber nicht sagen. Und wie kann CH Media sicherstellen, dass die bewilligte Kurzarbeit nicht überschritten wird? – «Es wird immer die tatsächlich geleistete Arbeitszeit erfasst, somit wird nur die Differenz von Sollpensum zum tatsächlich geleisteten Pensum als Kurzarbeit beantragt.» Entlassen wurden im laufenden Jahr «etwa 10 Mitarbeitenden im Rahmen von Reorganisationen für die Zusammenführung des Joint Ventures CH Media».

Watson ohne Einschränkungen
Nie ein Thema war Kurzarbeit beim Online-Portal «Watson», wie es auf Anfrage heisst. «Watson» gehört zur AZ-Mediengruppe, ist also nicht ins CH Media-Konstrukt übernommen worden. A propos online. Das Magazin Nau.ch wurde ja vom Konkurrenz-Produkt Republik.ch rau angegangen. Die Vorwürfe: Man trickse bei der Kurzarbeit und fordere die Mitarbeitenden auf, trotzdem mehr als erlaubt zu arbeiten. Chefredaktor Micha Zbinden zum Thema Kurzarbeit: «Die Kurzarbeit bei Nau.ch ist längst beendet und wir sehen in der aktuellen Lage auch keine Gründe, von dieser erneut Gebrauch zu machen. Interne Zahlen können wir Ihnen aus Datenschutzgründen nicht bekanntgeben», so der ehemalige Blick-Sportchefreporter.  Und die Anwürfe der «Republik»? Zbinden holt aus, will das aber nicht zitiert haben. Nur so viel: Die Geschichte werde noch ein Nachspiel haben.

Republik reagiert zweimal nicht
Die Republik reagiert als einziges angefragtes Medium nicht auf die ZACKBUM-Recherche, auch nicht aufs zweite E-Mail. Erst nach telefonischem Nachhaken heisst es, man habe a) nie Kurzarbeit beantragt und b) niemanden wegen der Corona-Krise entlassen. Weil die Republik keine Werbung schaltet und mehr oder weniger von den aktuell über 20000 Abonnentinnen und Abonnenten lebt, sind die Antworten plausibel.

Blickgruppe ohne Kurzarbeit…
Wie sieht es denn bei Ringier aus? Johanna Walser, Head of Public Relation, dazu: «Es gab vereinzelt Kurzarbeit im Mai und Juni. In der gesamten BLICK-Gruppe gab es aber zu keinem Zeitpunkt Kurzarbeit.»  Bei Radio Energy wurde im Mai und Juni ebenfalls Kurzarbeit angeordnet, allerdings nicht für  die Redaktion und den Programmbereich. Beim Betriebszweig RASCH (u.a. Beobachter, Bilanz, Glückspost, SI) gab es ebenfalls vereinzelt Kurzarbeit im Mai und Juni – auch in den Redaktionen. Aber: Die Differenz zum Lohn wurde überall ausgeglichen. Ab 1. September gibt es laut Walser für die Redaktionen keine Gesuche um Kurzarbeit mehr. Wieviel Ringier bisher via Kurzarbeitsausgleich bezogen hat, will Walser – im Gegensatz zur TX Group  – nicht sagen.

… Ringier aber mit Entlassungen
Beim Ringier-Konzern wurden 2020 (u.a. wegen der Corona-Krise)  bei L´illustre 8 Stellen abgebaut, darunter 4 Entlassungen.  Bei RASCH wurden wegen der Einstellung des Modemagazin Style, wegen der Auslagerung von Bolero sowie der Zusammenführung der Redaktionen von Schweizer Illustrierte und SI 31 Stellen abgebaut. Dies die Angaben von Johanna Walser.

NZZ: Keine Lohneinbussen, aber düstere Wolken
Bleibt von den Grossverlagen die NZZ. Auf Anfrage erklärt Seta Thakur, Leiterin Unternehmenskommunikation, dass «derzeit niemand bei der NZZ-Mediengruppe in Kurzarbeit arbeitet. Sie wurde per Ende Juni aufgehoben.» Die Löhne der Mitarbeitenden, die von April bis Juni in Kurzarbeit waren, seien vollständig ausgezahlt worden. «Es erfolgten keine Lohneinbussen», so Thakur. Die Kurzarbeit sei in denjenigen Bereichen eingeführt worden, wo sich pandemiebedingte Arbeitsausfälle ergaben. «Die Aufhebung der Kurzarbeit gilt in unserem Unternehmen bis auf weiteres. Je nachdem, wie sich die Lage in den nächsten Monaten entwickelt, müssen wir uns vorbehalten, wiederum eine Senkung einzelner Pensen in Betracht zu ziehen.»
Sie verweist punkto geplantem Stellenabbau auf eine Medienmitteilung vom Juni. Dort heisst es: «Die NZZ-Mediengruppe plant eine Kostensenkung von knapp 10 Prozent bzw. rund 13 Mio. Franken. Im gesamten Massnahmenpaket enthalten ist auch ein Stellenabbau von unter 5 Prozent, der teilweise durch natürliche Fluktuation abgefedert werden kann. Vereinzelt wird es auch Entlassungen geben.»

Kleinere Verlage mit Schliessungen
Wie sieht es bei kleineren Verlagen aus? Aufgefallen ist zum Beispiel das aufgelöste Wochenblatt «RhoneZeitung». Die Gratiszeitung wurde aus wirtschaftlichen Gründen definitiv eingestellt, nachdem sie zuvor im März vorübergehend sistiert wurde. «Allein mit Werbung lässt sich die RZ nicht mehr finanzieren», wird Matthias Bärenfaller, Leitung Medien Mengis Media, in einem Artikel auf rro.ch zitiert.
Im Medientalk auf SRF 4 sagte Bernhard Rentsch (CR Bieler Tagblatt) zudem, es sei schwierig, als kleine Abozeitung die Balance zu finden zwischen kleinen Umfängen – bedingt durch den Inserateschwund –  und den Ansprüchen der Abonnenten gerecht zu werden. Ein Problem, das aber auch Grossverlage wie Tamedia und die NZZ haben. Der Abopreis steigt, der Umfang nimmt ab.

Izzy – der Zielgruppe entwachsen

Warum es nötig ist, dass junge Portale auch junge Angestellte haben.

Izzy, das Social-Media-Magazin, macht per Ende September dicht. Das 12-köpfige Team wird aufgelöst, schreibt Besitzerin Ringier in einer Mitteilung. Einzelne Entlassungen seien nicht ausgeschlossen. Ein neu formiertes Team gehe im Oktober mit einem frischen Konzept an den Start, so Ringier weiter. Und damit zum Kern des Portals und zum Kern «junger» Redaktionen.

Frisch bedeutet in der Ringier-Sprache jung. Inhalte für junge Menschen, bei Izzy zwischen 12 und 24, muss auch von jungen Menschen kommen. Denn irgendwann entwächst man der Zielgruppe und weiss nicht mehr, wie diese tickt. Dann kommt die Phase der Anbiederung beim Publikum, dann die Phase, dass das Publikum wegklickt. Bei Izzy ist das offensichtlich passiert. Nun heisst es: Belegschaft auswechseln.

Bekannt geworden ist Izzy durch Cedric Schild, den «Supercedi». Er machte nationale Schlagzeilen, als er im März 2019 den SVP-Kantonsratskandidaten Stefan Locher dazu anstiftete, Stimmzettel von anderen Leuten zu unterschreiben. («Machen Sie einen Chribel drunter»).

Immerhin. Ringier ist  konsequent, wenn der Konzern das Personal bei Izzy verjüngt. Andere Portale tun sich da schwerer. Watson.ch, angetreten, frischen Wind in die Nachrichtenflut im Netz zu bringen, kommt nicht mehr an bei den Jungen. Das Nachrichtenportal von den AZ-Medien schreibt tiefrote Zahlen, nicht erst seit Corona. «Watson» wird mit den Nutzern älter und bringt am liebsten «Weisch no»-Bilder aus den 1980er Jahren und Retro-Jugendsünden aus den 1990ern.  Plus reinkopierte Ewig-Lang-Texte aus der Aargauer Zeitung. Und natürlich die Chefsache-Videos. Darin kanzelt der Chef Maurice Thiriet seine (meist jüngeren) Mitarbeiter im Einzelabrieb ab. Das zeigt exemplarisch, dass Thiriet definitiv zu alt ist für dieses Portal. Einen Einblick, wie Thiriet an seinem anvisiertes Publikum vorbeiarbeitet, zeigen seine Antworten im Doppelpunkt-Interview mit Roger Schawinski. Hörenswert!

 

Der Abschreiber

Was macht Andreas Tobler, Kulturredaktor ohne Kultur?

Tamedia hungert ihr Kulturressort aus. Kostet bloss, bringt nichts, geht bald mal auch ohne. Die «Weltwoche» baut derweil ihren Kulturteil aus und holt sich dafür den ehemaligen Chefredaktor des ehemals angesehenen NZZ-Folios.

Das ist natürlich für Andreas Tobler keine Erwähnung wert. Aus zwei Gründen: er will’s nicht loben, das käme bei Tamedia sicher nicht gut. Er will’s auch nicht kritisieren, denn wer weiss, ob er auch die nächste Sparrunde überlebt – und eine neue Stelle bräuchte.

Allerdings, obwohl er die nötige Flexibilität mitbringt, die heutzutage ein Redaktor auf dem Schleudersitz Kultur braucht: völlige Rückgratlosigkeit findet niemand wirklich toll.

Ohne Rückgrat, aber mit Feigheit

Besonders, wenn sie mit Feigheit gepaart ist. Vor Kurzem haben wir hier mal kurz den roten Faden beschrieben, der sich durch das Werk von Tobler zieht. Er beisst zu, aber er ist ein Angstbeisser. Wird er zum Dialog eingeladen, kneift er.

Wird er vorgeführt, und es gibt leider kein Gegenargument, keift er. «Kann bitte mal jemand nachschauen, ob es dem Mann gut geht», jammert er seiner Filterblase auf Twitter vor. Verzweifelt versucht er, eine Diskussion in Gang zu bringen, aber auf mehr als fünf Tweets bringt er es nicht. Wobei zwei weitere von ihm selbst sind.

Das ist nun ziemlich erbärmlich. Lässt sich das noch steigern? Aber sicher; er bekommt die persönliche Vorlage, vielleicht doch argumentativ etwas abzuliefern. Aber, alte Gewohnheit bei ihm, er kneift.

Abschreiben geht über studieren

Was macht Tobler eigentlich sonst so, um zu begründen, dass sein Gehalt nicht schlichtweg rausgeschmissenes Geld ist? Nun, er schreibt ab. Denn abschreiben ist immer einfacher als selber recherchieren. So wie ankläffen und dann den Schwanz einziehen einfacher ist, als sich einer Debatte zu stellen.

Also schreibt er die WOZ ab. Es geht um die Sammlung Bührle, die im Neubau des Kunsthauses Zürich zu sehen sein wird. Ein Thema mit Sprengkraft, denn Emil Bührle war bekanntlich Waffenhändler und verkaufte seine Produkte natürlich auch an Nazi-Deutschland.

Das ist nun alles seit Jahrzehnten bekannt und durchgeackert. Aber der Zürcher Stadtrat wollte mal wieder ein Zeichen setzen und bewilligte 180’000 Franken dafür, dass die Geschichte dieser Kunstsammlung nochmals aufgearbeitet werde.

Der Meister der Nacherzählung

Da hat die WOZ ein paar Eingriffe festgestellt, obwohl der Stadtrat versprochen hatte, dass es keine Einflussversuche geben werde. Die Veränderungen sind, mit Verlaub, nur mit viel Fantasie zu einem Skandal hochzuschreiben. Aber immerhin, Chapeau, die WOZ hat das recherchiert und alle Beteiligten um Stellungnahme gebeten.

Nun könnte Tobler einfach schreiben «lest die Story in der nächsten Ausgabe der WOZ». Das reicht aber nicht für 4700 Anschläge, also erzählt er die Story nach. Mehr Kunst kann man von einem Kunstredaktor ohne Kunst nicht erwarten.

Kann Tobler sonst noch etwas, ausser abschreiben, hinter vorgehaltener Hand keifen und jedem offenen Schlagabtausch aus dem Weg gehen? Oh ja. «Instagram löscht SVP-Video», verbellt er.

Hat er wenigstens hier selber eine Story ausgegraben? Leider nein, diesmal schreibt er «watson» ab. Und reichert seine Nacherzählung noch mit dem billigsten Zusatzstoff des modernen Magerjournalismus an: «Ein Experte gibt Antwort.» Worauf? Auf das Offensichtliche: Dass eine gesteuerte Denunzierkampagne Instagram dazu bewegte, das SVP-Video zu löschen. Das aber auf Facebook oder anderen Kanälen bei Instagram weiterhin zu sehen ist.

Also eigentlich eine Story, von der man früher, als es nicht um die Restenverwertung von jedem Furz ging, als zu Tode recherchiert abgehakt hätte. Heutzutage ist das aber dem Katzenvideo-Kanal «watson» eine Meldung wert. Und dem Tagi-Redaktor Tobler eine Abschrift.

Missglückte Retourkutsche

Wie versuchte er, eine Retourkutsche auf unsere Kritik zu landen? «Wenn er Texte schreibt, können wir wenigstens davon ausgehen, dass seine Vitalfunktionen intakt sind», holperte er auf Twitter. Leider können wir dieses Kompliment nicht zurückgeben. Aber vielleicht ist Tobler auch entschuldigt. Seit 2015 versucht er, an der Uni Bern zu promovieren. Als Dr. phil. I kann ich nur sagen: üben. Noch viel üben. Noch ganz viel üben.

Denn der Anspruch ist da: «Damit soll die geplante Dissertation einen Beitrag zur Ästhetik und Geschichte des Gegenwartstheaters leisten.» Wir können es wirklich kaum erwarten, welcher Plagiatsskandal sich da entwickeln wird.

Désordre, mon amour

Kolumnistinnen sind verwirrlich.

«Autorin» Simone Meier ist die Allzweckwaffe aus dem Hause CH Media. Sie füllt eine wöchentliche Kolumne «Glamour, mon amour» ab. Inhalt? Öhm, schwer zu sagen.

Dann betätigt sie sich als Resteverwerterin. Nachdem alle über den Absturz von Johnny Depp geschrieben haben, tut sie es auch, wobei ihr kein Kalauer zu abgegriffen ist: «Geht Johnny jetzt als Depp?» Was will sie uns damit sagen? Öhm.

Auch das Schicksal von Britney Spears ist Meier ein Anliegen. Britney wer? Ach so, ja, da war doch mal was, und was gibt es denn Neues? Öhm.

Was ist «Cancel Culture» und warum nicht?

Aber zur Höchstform läuft Meier auf, wenn es darum geht, der «Cancel Culture» kräftig Contra zu geben. Dafür braucht sie auf «watson», dem Millionengrab aus dem Hause Wanner, über 7000 Buchstaben. Aber es geht ja um alles. Denn «Cancel Culture bedroht Ihre Potenz, Ihren Job und überhaupt alles», weiss Meier.

Wer ist denn «Ihr»? Immerhin die Höflichkeitsform und gross geschrieben. Ach so, das ist einfach ein grammatikalischer Fehler, mehr nicht. Aber anscheinend meint Meier, soweit man ihr folgen kann, Leute wie Lisa Eckardt, J.K. Rowling oder Harvey Weinstein. Und – schräg aber auch – den Mohrenkopf. Was der hier zu suchen hat, das versteht nicht mal Robert Dubler, der diesen «Schaumkuss» unverdrossen herstellt. Und ihn Mohrenkopf nennt, um der «Cancel Culture» entgegenzuwirken?

Nun ja, offenbar will Meier in dieser «Analyse» zunächst eine Reihe von Personen aufzählen, die sich als Opfer der Annulierungsunkultur, von Zensur und Auftrittsverboten sähen. Darunter die Satirikerin Lisa Eckardt, die sich «als Antisemitin (miss)verstehen lässt». In Wirklichkeit liegt das Problem ganz woanders: Die Einzige, die so ziemlich alles (miss)versteht, ist Meier selbst. Unterwegs im wilden Kannitverstan.

Opfer sind keine Opfer, na und?

Denn keine dieser Figuren hat sich jemals darüber beschwert, Opfer einer «Cancel Culture» zu sein. Macht aber nix, denn damit will Meier den Leser nur schon ganz am Anfang so verwirren, dass er willenlos weiter durch ihren Text taumelt.

Jetzt muss sich der Leser bitte anschnallen und festhalten. Denn Meier setzt zu einem ganz wilden Ritt an. Nach dieser (miss)verständlichen Einleitung prangert sie «die Rechte» in den USA, aber auch «mitten in Europa» an. Sobald sie da irgendwie nicht weiterkommt, begibt sich Meier in die Geschichte zurück. Fichen in der Schweiz, die Karrieren gecancelt hätten, die McCarthy-Ära in den USA zu Zeiten der Kommunistenhysterie. Unvermeidlich muss nun natürlich der Führer sein hässliches Haupt erheben. Aber à la Meier:

«Unter Hitler wurden Juden, Menschen mit einer Behinderung, Fahrende, Kommunisten und Homosexuelle gecancelt. Und so weiter.» Wie bitte? Den industriell betriebenen Massenmord in Konzentrationslagern nennt man heutzutage «gecancelt»? Dafür verdiente Meier kräftig eins hinter die Ohren, aber das wäre ja Gewalt gegen Frauen, und intelligenter machen würde es sie auch nicht.

Unglaublich geschmacklos

Nach dieser geschmacklosen Entgleisung lässt uns Meier noch an ihrem platten Verständnis ganz grosser Bögen teilhaben: «Doch der Lauf der Geschichte schubst die Gesellschaften nun einmal ganz langsam, aber unaufhaltsam in Richtung von Gleichberechtigung und Teilhabe, von Diversität und Inklusion. Fortschritt ist unumkehrbar.»

Nun, gerade Meier lässt doch daran zweifeln, sie belegt eher: Rückschritt ist machbar, Frau Nachbar. So wie vorher Hitler für die Klimax kruder Behauptungen herhalten musste, ruft Meier nun noch die «Publizistin» Franziska Schutzbach als Zeugin auf.

Eine Anti-Demokratin als Zeugin

Man erinnert sich vielleicht: Diese militante Vorkämpferin für Zensur und Abschaffung demokratischer Spielregeln erregte Aufmerksamkeit, als sie behauptete, es könne nicht gelingen, rechtsnationale Kräfte in Europa, insbesondere die SVP in der Schweiz, «auf formal-demokratischem Weg zurückzudrängen». Sondern wenn ein Rechter, notabene ein gewählter Parlamentarier, den Mund aufmache, sollten andere Parlamentarier den Saal verlassen, Taxi- und Flugunternehmen «sollten keine Rechtsnationalen mehr transportieren».

Sozusagen die moderne Variante von «kauft nicht bei Juden». Als das Kritik auslöste, ruderte Schutzbach zurück, das sei doch nur ironisch gemeint gewesen. Aber was will uns Meier eigentlich sagen? Vielleicht geht sie völlig zu Recht davon aus, dass die Fans von Katzenbildern, lustigen Rangordnungen und ausgewählten Slapstick-Videos, die «watson» anzieht, gar nicht in der Lage sind, einen so langen Riemen überhaupt bis zu Ende zu lesen.

Pech mit dem Schreibpersonal

Da entgeht ihnen aber eine Hammererkenntnis, die Meier aus all dem Durcheinander zieht, das sie selbst angerichtet hat: «Wir befinden uns im Fluss feinnerviger Prozesse und Anpassungen.»

Ach was. Wenn ich in diesen Fluss auch eine feinnervige Anpassung schütten darf: CH Media hat schon ein Pech mit dem Schreibpersonal. Der publizistische Leiter ist ein Heuchler und beschimpft seine Brötchengeber, die Abonnenten. Und die Allzweck-Kolumnistin des Hauses hühnert und stolpert durch ihre Kolumnen, bis dem letzten Leser ganz schwindlig geworden ist.

Sparpotenzial vorhanden

Da wären endlich einmal sinnvolle Sparmassnahmen möglich. Schon alleine eine Einstellung von «watson», bei dem Jahr um Jahr der Zeitpunkt weiter in die Zukunft verschoben wird, dass die Online-Plattform jemals schwarze Zahlen schreiben könnte, würde den weiteren Abfluss von Millionen verstopfen. Schliesslich hat «watson» bereits 99 der «100 wichtigsten Fragen der Menschheit» beantwortet. Nach dieser Gewaltleistung hat es sich Ruhe verdient. Die könnte auch Meier dazu verwenden, mal Ordnung in das Durcheinander in ihrem Kopf zu bekommen.

Anmerkung: In einer früheren Version hiess es, «watson» sei aus dem Hause CH Media. Wir haben den Fehler korrigiert.

Wir nehmen, was wir kriegen

Werbende Redaktion: die durchlöcherte Trennung.

Völlig unabhängig: Links die Lieblingsbrote der «Watson»-Redaktion. Rechts: reiner Zufall?

Die Erklärungen werden immer abenteuerlicher. Der Chefredaktor von «watson» räumt ein, dass seine Journalisten auch Werbetexte absondern müssen. Vornehm umschrieben als «Paid Content», «Publireportage», «native Ad» oder wie auch immer.

Dadurch sei keine Beeinflussung des redaktionellen Inhalts möglich, da die Redaktoren nicht wüssten, für welche Firma sie als Werbetexter in die Tasten griffen, behauptet er. Da lachen ja die Hühner. Bei diesem Beispiel hier haben kritische und völlig unabhängige «Watson»-Schreibknechte ihre Lieblingsbrote vorgestellt, mitsamt Rezept. Wunderbar, wir wussten doch, dass «Watson» was mit Teig zu tun hat. Und rechts? Nett von der Migros, noch ein paar Backtipps zu geben.

Der Laie und der Fachmann fragt sich: Wie nennt man denn das? Eingebackene Werbung? Altes Brot? Wer keine Ahnung hat, fragt den Chefredaktor von «Watson», Maurice Thiriet. Der weiss es: «Dieses Produkt heisst Content Bridge.» Wunderbar. Wenn also James Bond das nächste Mal auf seine Omega schaut oder einen Bollinger bestellt, dann kann man kennerisch murmeln: Ah, eine Inhaltsbrücke. Dabei hatte Dom Pérignon viel mehr Stil, aber da scheint die Inhaltsbrücke zusammengebrochen zu sein. Denn Bond säuft, wofür er bezahlt wird.

Das Versprechen einer Zeitungsredaktion – ob online oder im Print – lautet: Lieber Leser, du bekommst hier nach allen journalistischen Regeln erarbeitete Artikel serviert, die den Kaufpreis wert sind. Stichwort Qualitätsjournalismus.

Da leider dein Abonnement oder dein Kauf eines Exemplars nicht ausreicht, um alle unsere Unkosten zu decken, servieren wir dir auch Werbung. Die kannst du lesen, überlesen oder dich von ihr verführen lassen.

Treuherziges Geschwurbel

Aber dann legt die Redaktion die Hand aufs Herz, übt ihren besten, treuherzigen Blick und sagt: Aber niemals vermischen wir redaktionellen Inhalt und Werbung. Niemals lassen wir uns von Werbung dazu verführen, unsere strikte Objektivität im redaktionellen Teil aufzugeben. Niemals servieren wir dir Werbung als redaktionellen Inhalt. Auch da lachen die Hühner.

Schon ein einziges Mal einen kritischen Bericht über ein neues Auto gelesen? Zur Kenntnis genommen, dass Autoimporteure, neben Detailhändlern, die letzten grossen Inserenten sind? Schon mal geglaubt, dass die von der Beauty-Redaktion ausgewählten Cremes und Wässerchen völlig unabhängig vom Inserat eines Beauty-Discounters empfohlen werden?

Früher nannte man es Schleichwerbung

Nun kann man sagen, dass der Kaufentscheid für eine Antifalten-Creme oder einen Neuwagen nicht wirklich von umwerfender Bedeutung ist. Auch wenn die Glaubwürdigkeit der redaktionellen Unabhängigkeit angekratzt ist. Genauso wie durch Reiseberichte, die man nicht Reportage nennen sollte, weil verschämt am Schluss erwähnt wird, dass er durch Airline XY und Hotelkette YZ ermöglicht wurde.

Richtig abgründig wird es allerdings mit immer neuen Formen der Werbung, die man nicht mal mehr als Schleichwerbung bezeichnen kann. Und bei der es auch um politische Entscheidungen geht. Zum Beispiel bei der Konzernverantwortungsinitiative. Das ist etwas anderes, als dass bei Tamedia beispielsweise Kochseiten täuschend ähnlich wie redaktionelle Beiträge daherkommen. Aber bezahlte Werbung sind.

So flatterte neben einem redaktionellen Beitrag zur Initiative rechts eine Ankündigung, die versprach, nach der Lektüre zu «unserem Faktencheck» innerhalb eines «Dossiers» zum Thema zu leiten. Faktencheck, Dossier, das sind Begriffe, die Redaktionen gerne verwenden.

Was ist Kontextuelles Zielen?

Nur handelte es sich hier um ein bezahltes Inserat, von einer PR-Agentur aufgesetzt. Im Dienste von Gegnern der Initiative.

Das sei «Contextual Targeting», schwurbelte Tamedia zur Verteidigung, ausserdem sei es dem Leser doch klar, dass Tamedia niemals ein «animiertes Werbebanner» als Verweis zu einem selber gebastelten Inhalt verwenden würde.

Dennoch rügte der Presserat den Konzern zum wiederholten Male, er sei «beunruhigt über die zunehmend feststellbare Verschleierung von kommerziellen Inhalten». Das hat natürlich auch damit zu tun, dass immer mehr Journalisten die Flucht in PR oder Firmenkommunikation antreten. Bevor sie auch noch weggespart werden.

Der Vorwurf, dass der redaktionelle Inhalt auf der Rückseite von Inseraten stattfindet, ist so alt wie die Newsmedien. Daran hat auch das Internet nicht viel geändert. Richtig ist, dass mit solchen Unschärfezonen der überschaubare finanzielle Ertrag mit einem gewaltigen Verlust an Glaubwürdigkeit und Vertrauen erkauft wird. Wenn das fehlt, ist das Organ zum Untergang verurteilt.

Und hat natürlich jeden Anspruch verwirkt, als angeblich unverzichtbare vierte Gewalt Staatssubventionen zu kassieren.

Der Agent im Dienste ihrer Majestät und von Labels und Marken darf das. Er wird dafür bezahlt. Wer dann so blöd ist, einen Bond-Champagner für 185 Franken zu bestellen, ist selber schuld. Okay, wer «Watson» liest, auch. Ist immerhin gratis.

 

Das grosse Bibbern im Internet

Endlich Profit im Jahr 2020. Das war die Ansage. Millionenverluste ist die Realität.

News-Plattformen im Internet. Keine Distributionskosten, überall auf der Welt gibt es Zielpublikum, das muss doch laufen. Schaut Euch nur die Huffington Post an. Als persönlicher Blog von Ariane Huffington gestartet, dann zu einer einflussreichen Stimme in den USA gereift, schliesslich für Multimillionen verkauft.

The sky is the limit, wie der Ami gerne sagt, bei dem die Träume immer sehr hoch steigen. Meistens aber vor der Bruchlandung. Die deutsche Ausgabe der HuffPost wurde 2013 zusammen mit Burda Medien mit viel Trara gestartet, 2019 ohne grosses Begräbnis beendet.

BuzzFeed und Vice Media gehören auch zu den grossen Internet-Stars mit vielen Ablegern in verschiedenen Sprachen. Sie erhofften sich 2020 endlich schwarze Zahlen. BuzzFeed kündigte – zum ersten Mal seit Gründung – einen Gewinn von 30 Millionen Dollar an für dieses Jahr. Inzwischen, schreibt die «Financial Times» (Artikel hinter Bezahlschranke), hofft man, die Verluste auf unter 20 Millionen zu drücken.

Geld verdienen statt verbrennen

BuzzFeed und Vice hatten schon 2019 tiefe Einschnitte in die Kosten gemacht und rund 15 Prozent der Mitarbeiter entlassen. Wir sprechen hier von Hunderten von Stellen weltweit. In diese beiden Platzhirsche wurden bereits Milliarden investiert, in der steten Hoffnung, dass doch irgendwann einmal nicht mehr Geld verbrannt, sondern verdient werden kann.

Das sind Giganten, gegen die alles, was in der Schweiz im Internet kreucht und fleucht, selbst unter der Lupe nur Zwergengrösse erreicht. Vice machte letztes Jahr einen Verlust von 50 Millionen Dollar, bei Einnahmen von 600 Millionen. Dabei ist völlig klar, dass es im Werbemarkt nur einen Gewinner gibt: online. Einnahmen aus Online-Marketing steigen und steigen, in den nächsten fünf Jahren wird ein weiterer Sprung von 300 auf 400 erwartet. Milliarden Dollar.

Print, TV, Radio, Plakate und Direct Marketing dagegen stagnieren oder schrumpfen und schrumpfen. Auch in den USA passiert das Gleiche wie in der Schweiz. Die Einnahmen kommen nicht in erster Linie bei den Content Providern an. Sondern bei den Platzhirschen Google und Facebook. Die schneiden sich zusammen 54 Prozent vom Werbekuchen ab.

Google, Facebook, dann lange nichts

Dann folgen schon abgeschlagen Amazon, YouTube, Twitter und Snapchat. Die Pandemie hat nun noch für eine weitere Verschärfung der Lage gesorgt. Querbeet sind die Werbeeinnahmen eingebrochen. Nur Qualitätsmedien wie die «New York Times» (oder die «Financial Times») mit konsequenter Bezahlschranke im Internet können sich zurzeit einigermassen halten.

Keine good news für «Watson» in der Schweiz. Das einzige grössere Online-Only-Magazin, das sich nur aus Werbung finanziert. Alle übrigen, von der «Republik» aufwärts und abwärts, bedienen jeweils nur eine verschwindend kleine Randgruppe. Wer dabei – wie die «Republik» – auf Werbeeinnahmen verzichtet, ist dafür dem Wohlwollen seiner Klientel völlig ausgeliefert. Wird deren Filterblase nicht bedient, straft der Abonnent schnell mit Abbestellung.

Also sind die News ohne Blabla oder Bullshit auch in der Schweiz: Wer kein tragfähiges Finanzierungsmodell hat, wer sich von Google & Co. die Werbebutter vom Brot nehmen lässt, ist zum Untergang verurteilt. Das gilt für Grosse und Kleine, aber natürlich nicht für ZACKBUM.ch.