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Wir sind schuld

Flutkatastrophe in Pakistan: Die Deutschen sind schuld. Aber auch Tamedia.

David Pfeifer, der Südostasien-Korrespondent der «Süddeutsche Zeitung», hat eine steile These:

Die Deutschen seien nämlich beteiligt an dieser Flutkatastrophe in Pakistan, daher gelte, dass das die Deutschen «sehr viel» angehe, «denn der Lebensstil hier ist mit schuld daran. Und wer 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr hat, kann sich auch am Wiederaufbau am Indus beteiligen.»

Oder in der Print-Version in der SZ:

Pfeifer vergleicht diese Überschwemmung mit der Katastrophe in Deutschland und geht der Frage nach, «warum mehr als 1000 Tote bei Überschwemmungen in Pakistan deutlich weniger Entsetzen auslösen als 134 Tote im Ahrtal. Das ist normal und geht den meisten Menschen auf der Welt nicht anders: Man macht Probleme zu Problemen anderer Leute.»

Soweit scheint das nun doch eine ziemlich innerdeutsche Angelegenheit zu sein. So auch die Schlussfolgerung von Pfeifer in seinem Originalkommentar: «100 Milliarden Euro bekommt in Deutschland die Bundeswehr, um wieder wehrhaft zu werden; und auch, um die militärische Präsenz Deutschlands im Indo-Pazifik zu erhöhen. Um also international Verantwortung zu übernehmen. Da kann man sich schon mal an zehn Milliarden Dollar für den Wiederaufbau in Pakistan beteiligen.»

Nun ist es aber so, dass der Riesenkonzern Tamedia nur noch theoretisch eine Auslandsredaktion hat. Deren Chef kommentiert zwar, wenn er nicht gerade in den Ferien ist, fleissig das Weltgeschehen. Aber da bleibt noch Luft nach oben und unten. Und wenn das Stichwort «Schuld» fällt, wenn es um westliche Schuld an irgend etwas auf der Welt geht, dann reagiert Tamedia wie der pawlovsche Hund: man fängt spontan an zu sabbern. Denn wenn die Deutschen an was schuld sind, dann muss das doch auch für die Schweizer gelten. Also macht Tamedia flugs das aus dem Kommentar:

Denn keiner zu klein, mitschuldig zu sein. Also wird aus der deutschen Schuld eine allgemeine Schuld. Nicht nur die Deutschen geht die Flutkatastrophe in Pakistan etwas an, sondern auch die Schweizer. Nun hat die Schweiz allerdings keine Flutkatastrophe wie im Ahrtal erlitten, und es sind auch nicht 100 Milliarden für die Schweizer Armee neu eingeplant. Aber kein Auslandredaktor zu klein, um ingeniös zu sein. Also werden einfach diese teutonischen Aspekte aus dem Kommentar rausoperiert.

Kein Ahrtal mehr, keine 100 Milliarden für die Bundeswehr mehr, schon passt der Kommentar doch auch in die Schweiz. Nach der Devise: was nicht passt, wird passend gemacht. Also schnipselt die Auslandredaktion von Tamedia einfach die Schlusspointe des Kommentars weg und lässt ihn mit dem vorletzten Absatz enden: «Kann man Menschen Asyl verweigern, nachdem man ihren Lebensraum zugunsten des eigenen Wohlstands ruiniert hat? Und wenn man sie nicht aufnehmen will, muss man dann nicht zumindest einen Lastenausgleich schaffen?»

Einen auf Deutschland bezogenen Kommentar eines deutschen Auslandkorrespondenten einschweizern? Kein Problem. Sonst hätte man sich doch tatsächlich zu einer Eigenleistung aufraffen müssen, und das kann doch der zahlende Schweizer Leser nicht verlangen. Also lieber ihm diesen Verschnitt vorsetzen, dafür soll der dumme Leidgenosse doch gefälligst blechen, denn der eingeschweizerte deutsche Kommentar ist hinter der Bezahlschranke versteckt. Was man davon halten soll?

Kein Kommentar.

Ein Starschwätzer

Thomas Piketty darf im «Magazin» Unsinn verzapfen.

Seit sein Kracher «Das Kapital im 21. Jahrhundert» –meistens ungelesen – auf jedem politisch korrekten Sofatisch lag, gilt der «Kapitalismuskritiker» als «Starökonom». Dabei konnte er die Thesen in seinem Machwerk nur hinwürgen, indem er, höflich formuliert, statistische Erhebungen sehr selektiv betrachtete und vor allem Ergebnisse wegliess, die seinen Thesen widersprachen.

Also die Anwendung der wissenschaftlichen Methode: was nicht passt, wird passend gemacht. Schnee von gestern, nun hat Piketty ein neues Buch geschrieben: «Eine kurze Geschichte der Gleichheit». Kurz ist gut, daher konnte es auch Christoph Lenz lesen. Der ist bei Tamedia «Reporter beim «Magazin» und Mitglied der Tamedia-Tagesleitung». Angeblich habe er «Geschichte und Volkswirtschaft studiert und daneben das journalistische Handwerk erlernt».

Angeblich deswegen, weil an all dem doch gelinde Zweifel gestattet sind. Denn in einem länglichen Interview zu diesem kurzen Buch lässt Lenz den «Wirtschaftswissenschafter» ungeniert einen Unsinn nach dem anderen verzapfen. auf «Republik»-verdächtigen 20’000 Anschlägen erspart ihm Lenz jegliche kritische Nachfrage, ausser zum Stichwortgeben.

Wir würden uns auf mehr Gleichheit hin bewegen, ist die neue, knackige These von Piketty. Rein ökonomisch gesehen ist das unsinnig, noch nie spreizte sich die Schere zwischen ganz reich und ganz arm dermassen weit auf, noch nie gab es einen dermassen grossen Abstand zwischen der Mittelschicht und der Oberschicht. Lenz liefert brav die Stichworte:

«Sie sprechen von den Revolutionen in Frankreich und den USA?» Gnädig nickt Piketty, weitet aber aus: «Nicht nur. … Aber ich denke auch an den Sklavenaufstand in Haiti im Jahr 1791. Dieser Moment markiert den Anfang vom Ende der kolonialen Gesellschaften.» Der bravuröse, aber fürchterlich gescheiterte Sklavenaufstand sei der Anfang vom Ende des Kolonialismus gewesen? Hanebüchen.

Aber Piketty kann noch mehr Bögen spannen: «Die Bewegung, die Ende des 18. Jahrhunderts ausgelöst wurde, ging im 19. Jahrhundert weiter mit der Abschaffung der Sklaverei, mit dem Aufstieg der Arbeiterbewegung, mit dem allgemeinen Stimmrecht für die Männer. Später kamen das Frauenstimmrecht, die Bürgerrechtsbewegung in den USA und der Wohlfahrtsstaat. Und heute sehen wir dieselbe Energie bei «Black Lives Matter» und bei #MeToo.» Es ist eine Beleidigung, diese beiden Randgruppenphänomene in eine Reihe mit den Kämpfen der Arbeiterbewegung oder der Bürgerrechtsbewegung in den USA zu stellen.

Aber das alles zeige eben, dass der Marsch zu mehr Gleichheit weitergehe, behauptet der Star. Da wagt Lenz mit einem Gegenbeispiel zu widersprechen: «Der US-Supreme-Court hat die Rechte der Frauen soeben massiv beschnitten.» Kein Problem für einen Starschwätzer, darum herumzurudern: «Das Urteil des Supreme Courts sollte uns vielleicht einfach daran erinnern, dass das, was wir heute in Europa und den USA Demokratie nennen, eine recht limitierte Form der Demokratie ist. Eine Demokratie, die wir verbessern müssen.»

Nun sind aber natürlich Lösungen gefragt, beispielsweise zum Thema Klimaerwärmung. Kein Problem, meint Piketty, et voilà: «Der einzige Weg ist eine Art von progressiver CO2-Steuer.» Lenz mopst etwas auf: wie solle der Staat denn wissen, wieviel CO2 der einzelne Bürger ausstosse? Kein Problem, meint Piketty: «Wissen Sie, technische Probleme können mit etwas gutem Willen immer gelöst werden.»

Also mehr Überwachung, runzelt Lenz die Stirne, und lässt sich wieder widerspruchslos einseifen: «Wir nutzen ja heute alle schon Bankkonten und Kreditkarten. Private Finanzinstitute wissen also längst, was wir konsumieren. Jede und jeder von uns hat also ein Vertrauen in dieses System aufgebaut, und wir glauben, dass wir den Banken und Kreditkartenfirmen unsere persönlichsten Daten anvertrauen können, ohne dass sie diese missbrauchen

Das glauben höchstens ein paar Naivlinge, genau wegen solchen Befürchtungen sind satte Mehrheiten in Europa – und in der Schweiz – gegen die völlige Abschaffung des Bargelds, das einen Schutz vor der völligen Kontrolle durch den Staat bietet. Und genau aus diesem Grund haben Blockchain-Währungen anhaltenden Zuspruch.

Piketty fordert in seinem neusten Werk auch die Auszahlung von 120’000 Euro an jeden Bürger, ein Geschenk zum 25. Geburtstag. Das bedingungslose Grundeinkommen sei in der Schweiz aber gerade abgelehnt worden, souffliert Lenz das nächste Stichwort: «Natürlich wollen die Reichen nicht teilen. Aber wenn wir die Frage so stellen, haben wir den falschen Fokus

Lenz bettelt um Aufklärung.

«Wir müssen in grösseren Massstäben denken. In globalen Massstäben.»

Das ist immer gut, global ist einfach für alles die Lösung.  Piketty weiss, dass er hier nun ein Titel-Quote liefern muss: «Und in globalen Massstäben betrachtet ist die Schweiz einfach ein Club von reichen Leuten.» Welcome to the Club. Aber auch die Schweiz könne nicht einfach weitermachen wie bisher: «Wir haben das schon gesehen beim Bankgeheimnis. Wenn plötzlich ein mächtiger Staat, zum Beispiel die USA, findet, es reicht, dann muss die Schweiz spuren

So kann man das auch beschreiben. Dass sich nämlich die USA einfach ein grösseres Stück von der Verwaltung von Vermögen abschneiden wollten, ob Schwarzgeld, krimineller Herkunft oder steuerehrlich: völlig egal. In den USA stehen bekanntlich die grössten Geldwaschmaschinen der Welt und die ausgedehntesten Steueroasen für Hinterzieher. Aber solche Zusammenhänge sind dem «Starökonom» wohl zu kompliziert – und Lenz nicht geläufig.

Da bietet ein eloquenter Schwätzer jede Menge Angriffsflächen und die einmalige Chance für einen Journalisten, statt einer Liebedienerei ein angriffiges, unterhaltsames Interview zu machen. Wo der Leser mit einem Schlagabtausch unterhalten würde, sogar angenehm belehrt. Stattdessen fährt Piketty fort, unter Ausblendung nicht passender Tatsachen knackige Thesen abzusondern.

Hand aufs Herz: erinnert sich noch jemand daran, was seine These im «Kapital im 21. Jahrhundert» war? Und wer schon die Hand dort hat: wer hat’s wirklich gelesen? Also. Aber von einem Journalisten, der doch tatsächlich Geld für seine Tätigkeit verlangt, könnte man zumindest erwarten, dass er im Gespräch gelegentlich aufblitzen lässt, dass man ihm nicht jeden Bären auf die Nase binden kann. Nun ja, bei Tamedia ist das allerdings eine überzogene Erwartungshaltung.

 

 

Zwei Arten von Journalismus

Schmiere von Tamedia, Porträt von der «Weltwoche».

«Ein Insider rechnet mit dem Schweizer Fernsehen ab», so der Titel eines «Weltwoche»-Artikels vom 28. Juli 2022. Er thematisiert das Buch von Martin Hasler, der nach jahrzehntelanger Tätigkeit für die SRG im Bundeshaus im Herbst 2021 ausstieg. Die Berichterstattung über Corona hatte ihn zweifeln, dann verzweifeln lassen.

WeWo-Mitarbeiter Stefan Millius beschreibt den entscheidenden Moment: «Nie in fast vier Jahrzehnten habe er (Hasler, Red.) das Bedürfnis verspürt, sich in den journalistischen Bereich einzumischen. Aber als Daniel Koch, der damalige «Mister Corona» im Bundesamt für Gesundheit, ein düsteres Bild der Lage in den Intensivstationen zeichnete, konnte Hasler nicht mehr anders.»

Er begann Fragen zu stellen, zu zweifeln, er konstatierte Einseitigkeit und Betriebsblindheit – und stieg aus, bzw. liess sich frühpensionieren. Inzwischen widmet er sich der Auslieferung seines im Eigenverlag erschienenen Buchs, das zu einer kleinen Erfolgsgeschichte geworden ist. All das beschreibt Millius mit der nötigen Distanz und der Genauigkeit, die entsteht, wenn man sich auf einen Menschen einlässt, ihm Raum gibt, ihn verstehen, nicht aburteilen will. Ohne deswegen seine Meinungen übernehmen zu wollen.

Am 10. August greift die Allzweckwaffe von Tamedia in die Tasten:

«Buch begeistert Service-Public-Gegner: Der SRG-Insider der «Weltwoche» ist Verschwörungstheorien verfallen»,

so betitelt Andreas Tobler seinen Verriss über den gleichen Autor und das gleiche Buch. Schon in der Unterzeile macht er alles klar: «Ein früherer Mitarbeiter wirft dem Schweizer Fernsehen in einem Buch Manipulation vor. Wer es liest, kommt zu einem anderen Schluss.»

Jeder, der das Buch liest? Nein, einer. Aber Tobler arbeitet in der Rechthaber- und Gesinnungsjournalismusbranche, wo man die Weisheit und Wahrheit mit Löffeln gefressen hat und es keineswegs als Aufgabe sieht, dem Leser Denkanstösse zu vermitteln. Sondern die Aufgabe ist, im Sinne des Wahren und Guten Grossinquisitor zu spielen, auch wenn man dafür das intellektuelle Rüstzeug nicht hat. Meinung ersetzt Kenntnis, Polemik Recherche, Demagogie eine der Wirklichkeit verpflichtete Darstellung.

Nach einer kurzen, unvollständigen Zusammenfassung des Inhalts wird eingeordnet. Nicht etwa die Aussagen des Buchs. Es wird vielmehr durch seine Resonanz verortet: «Neben der «Weltwoche» sieht auch das neue Internetradio Kontrafunk in Haslers Buch einen Beleg dafür, dass öffentlich-rechtliche Medien als «Instrument zur Indoktrination und Ablenkung» gelten können.» Devise: Was WeWo und «Kontrafunk»* gut finden, muss schlecht sein.

Was ist denn nur mit diesem Hasler los? Dafür hat Tobler eine einfache Erklärung parat: «Anfang 2021 suchte Martin Hasler einen Psychiater auf: Als «Sklave der Hintermänner» habe er die «seelische Vergewaltigung» während der Arbeit für die SRG nicht mehr ausgehalten, schreibt Hasler in seinem Buch.» Es hat eine lange, aber unselige Tradition, Abweichler vom Mainstream, wie man das heute nennt, als psychisch angeschlagen abzuqualifizieren.

Logisch, dass Tobler zu einem vernichtenden Urteil kommt: ««Im Hexenkessel» ist also nicht der Enthüllungsbericht eines Insiders. Sondern letztlich das Dokument eines langjährigen Mitarbeiters, der Verschwörungstheorien verfiel und damit aneckte

Immerhin gibt Tobler gegen Ende Hasler kurz Gelegenheit, sich gegen solche Diffamierungen zu wehren: «Als Verschwörungstheoretiker möchte Hasler nicht bezeichnet werden. «Verschwörungstheoretiker ist ein Diffamierungsbegriff, der von jemandem verwendet wird, der nicht bereit ist, alle Fakten auf den Tisch zu bringen und zu diskutieren», sagt Hasler.»

Es gibt allerdings einen bezeichnenden Unterschied zwischen Tobler und Hasler. Der angeblich Verschwörungstheorien Verfallene war bereit, mit Tobler zu sprechen und auf dessen Fragen zu antworten. Das ist allerdings meistens ein Fehler, wie schon der Chefredaktor der NZZaS feststellen musste. Diesen Fehler will Tobler selbst nicht begehen. Er antwortet prinzipiell nicht auf journalistische Anfragen. Ob man sich daher um seinen Geisteszustand Sorgen machen sollte?

*Packungsbeilage: Der Autor schreibt gelegentlich für die «Weltwoche», «Die Ostschweiz» und spricht im «Kontrafunk».

Logik kaputt

Der SZ-Redaktor Joachim Käppner vergewaltigt öffentlich die Logik und missbraucht Stalingrad.

Man übernimmt nicht ungestraft jeden Unsinn aus München – und quält erst noch den zahlenden Leser des Qualitätskonzerns Tamedia. Denn dort zieht einer vom Leder:

Bestürzend ist vielmehr die Ignoranz des Autors gegen Grundregeln der Logik.

Das ist allerdings kein Unfall, sondern ein bewusst herbeigeführter journalistischer Schadensfall. Der Autor behauptet: «Amnesty hat nämlich der russischen Kriegspropaganda ein unverhofftes Geschenk gemacht.» Damit zeige die NGO eine «atemberaubende Ignoranz gegenüber den Opfern eines Zerstörungskrieges». Früher nannte man das bei ihm zu Hause Defätismus und Übernahme von Feindpropaganda.

Dann wird Käppner noch teutonisch-geschmacklos: «In der seltsamen Logik des Ukraine-Berichts müsste man auch der Roten Armee, als sie 1942 Stalingrad gegen die Wehrmacht verteidigte, völkerrechtswidriges Verhalten vorwerfen. Obwohl noch Zivilisten in der Trümmerstadt waren, kämpften die sowjetischen Soldaten um jedes Haus. Was hätten sie sonst tun sollen

Worin besteht seine verkehrte Logik? Amnesty International hat einen Bericht über ukrainische Kriegsverbrechen veröffentlicht. Jeder, der ihn liest, hat keinen Zweifel daran, dass die aufgeführten Beispiele sorgfältig untersucht und belegt sind. Seine Zusammenfassung:

  • Wohngebiete, Schulen und Krankenhäuser dienen als Militärstützpunkte

  • Angriffe aus dicht besiedelten zivilen Gegenden provozieren Vergeltungsschläge

  • Diese Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht rechtfertigen allerdings nicht die wahllosen Angriffe Russlands mit zahllosen zivilen Opfern

AI untermauert diese Vorwürfe, was ausführlich zitiert werden muss:

«Zwischen April und Juli verbrachten Expert*innen von Amnesty International einige Wochen damit, russische Angriffe in den Regionen Charkiw und Mykolajiw und im Donbass zu untersuchen. Sie untersuchten Orte, an denen Angriffe stattgefunden hatten, sprachen mit Überlebenden, Zeug*innen und Angehörigen der Opfer, und führten Fernerkundungen und Waffenanalysen durch.

Bei diesen Untersuchungen fanden die Amnesty-Mitarbeiter*innen in 19 Städten und Dörfern dieser Regionen Belege dafür, dass ukrainische Truppen aus dicht besiedelten Wohngebieten heraus Angriffe durchführten und Stützpunkte in zivilen Gebäuden einrichteten. Das «Crisis Evidence Lab» von Amnesty International hat einige dieser Geschehnisse zusätzlich durch die Auswertung von Satellitenaufnahmen bestätigt.

Die meisten der als Stützpunkte genutzten Wohngebiete befanden sich mehrere Kilometer hinter der Front. Es wären tragfähige Alternativen verfügbar gewesen, die keine Gefahr für die Zivilbevölkerung bedeutet hätten – wie zum Beispiel nahegelegene Militärstützpunkte oder Waldstücke oder andere weiter entfernte Gebäude. In den von Amnesty International dokumentierten Fällen liegen keine Hinweise darauf vor, dass das ukrainische Militär die Zivilpersonen in den Wohngegenden aufgefordert oder dabei unterstützt hätte, Gebäude in der Nähe der Stützpunkte zu räumen. Dies bedeutet, dass nicht alle möglichen Vorkehrungen zum Schutz der Zivilbevölkerung getroffen wurden.»

Gleichzeitig stellt AI klar, wer der Aggressor und Verursacher des Krieges ist: «Bei der Abwehr des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs hat das ukrainische Militär wiederholt aus Wohngebieten heraus operiert und damit Zivilpersonen in Gefahr gebracht. … Gleichzeitig rechtfertigen die ukrainischen Verstöße in keiner Weise die vielen wahllosen Schläge des russischen Militärs mit zivilen Opfern, die wir in den vergangenen Monaten dokumentiert haben. Wahllose Angriffe, bei denen Zivilpersonen verletzt oder getötet werden, sind Kriegsverbrechen.»

Selbstverständlich hatte AI zuvor auch russische Kriegsverbrechen dokumentiert und kritisiert. Im Gegensatz zur Absurd-Logik des deutschen Demagogen Käppner gibt es keine guten oder schlechten, keine gerechtfertigten oder ungerechtfertigten Kriegsverbrechen. Es gibt keine für die gute Sache, über die man daher schweigen muss, während man Kriegsverbrechen für die schlechte Sache anzuprangern hat.

Um in seiner Unsinns-Logik zu bleiben: die Massenvergewaltigungen durch Soldaten der Roten Armee während des Einmarschs ins Deutsche Reich im Zweiten Weltkrieg waren Kriegsverbrechen. Sie sind nicht entschuldbar, aber zumindest verständlich, wenn man bedenkt, welche unsäglichen Nazi-Verbrechen diese Soldaten sehen mussten, als sie von den Faschisten okkupierte Teile der Sowjetunion befreiten.

In Stalingrad verteidigte die Rote Armee tatsächlich Haus um Haus, sie wählte aber nicht absichtlich Schulen oder Krankenhäuser als Militärstützpunkte. Wer dieses Beispiel anführt, müsste zwangsweise von Wassili Grossmann «Leben und Schicksal» sowie «Stalingrad» lesen müssen. Denn der war da und hat’s aufgeschrieben. In einer Weise, die dem Leser das Herz beklemmt. Auf dass Käppner niemals mehr so geschmacklos über diese unsägliche Tragödie schreibe und überhaupt die Schnauze halte.

Hitzestau

Schon mitgekriegt? Es ist heiss.

Wenn der Journalismus nichts anbrennen lässt, dann heizt er einem Thema richtig ein. Es gäbe eigentlich ziemlich viel zu erklären und aufzuklären in der Welt, aber es ist viel einfacher, dem staunenden Leser mitzuteilen: es ist heiss. Es ist wirklich heiss. Es ist Sommer, und erstaunlicherweise ist es heiss. Gelegenheit für eine Fotoromanza.

Zuerst zum Aufwärmen der Blöd-«Blick»:

Einzelfeuer aufs Thema Hitze.

Dauerfeuer aufs Thema Hitze.

Man zwingt den Leser auch dazu.

Gute Ratschläge dürfen nicht fehlen.

Dem Leser muss alles erklärt werden.

Für Leser, die zu blöd sind, eine Karte zu verstehen.

Keine Mär zu ausgeleiert, um nicht rezykliert zu werden.

Aber auch der hochstehende Qualitätsjournalismus aus dem Hause Tamedia kommt um das Thema nicht herum:

Bangemachen gilt nicht.

Wenn die B-Mannschaft am Gerät ist, gibt’s halt einen Ticker.

Und ein Sammelgefäss mit den schönsten Hitze-Storys.

Heiss, heisser, am heissesten.

Die Kollegen von CH Media werfen sich lieber aufs Lokale:

Besser ein Rasensprenger als den Rasen sprengen.

Auch der Wald stirbt mal wieder.

Schliesslich der Aufschwung in die Höhen des Oberliga-Qualitätsjournalismus, auch die NZZ kommt am Thema nicht vorbei:

Immerhin ein internationaler Aspekt.

Ein Beitrag für unsere vierbeinigen Freunde.

Gerne sagt’s auch die NZZ nochmal.

Den grossen IQ-Test haben wir uns bis zum Schluss aufgehoben. Wer weiss die Antwort auf die schwierige Frage: Was macht «watson» aus dem Thema? Bevor unsere Leser ins Schwitzen geraten: ist doch logo, ein Listical:

Wo bleibt das Positive?

Immer nur meckern und kritisieren. Nein, ZACBUM spendet auch Lob.

Allerdings müssen wir uns dafür wiederholen und auf das einzige Blatt in Reichweite rekurrieren, das Lob verdient. In der Schweiz hat man ja nur noch im Tageszeitungsmarkt eine kleine Qual der Wahl, mehr Qual als Wahl. Tamedia, CH Media und tschüss. Dann noch Blöd-«Blick», Randgruppenorgane in der Südostschweiz, wenige Einzelkämpfer wie in Schaffhausen.

Aber es gibt glücklicherweise immer noch die «Neue Zürcher Zeitung». Jawoll, ZACKBUM-Redaktor René Zeyer hat mal ein paar Jahre als Auslandredaktor für die NZZ gearbeitet. Das ist aber verjährt und verklärt den Blick keinesfalls.

Also blättern wir als Kontrastprogramm durch die Mittwoch-Ausgabe der NZZ im Print. Mit mageren 32 Seiten und einem Kaufpreis von stolzen 5.10 sollte sie dann schon etwas bieten.

Die Front kann man als, nun ja, konservativ bezeichnen:

Ein ausdrucksschwaches Foto, zwei breit abgenudelte Themen. Aber immerhin von eigenen Mitarbeitern bespielt, und erst noch solchen, die sich nicht das erste Mal mit Taiwan oder Afghanistan und Al-Kaida befassen. Aber schon auf Seite 2 vermag die alte Tante zu überraschen:

Das setzt sich auf Seite 4 fort; ein Bericht, der nicht im Mainstream der ewigen Wiederholungen schwimmt:

Zudem noch für NZZ-Verhältnisse üppig bebildert und auf zwei Seiten ausgerollt. Zudem das Werk eines hoffnungsfrohen Nachwuchsjournalisten.

Im Schweiz-Teil gibt es einigen Food for Thought, Denknahrung. Über das verdichtete Bauen, über die komplizierte Suche nach einem Neuen Kampfjet, ebenfalls ohne Rücksicht auf die Wisch-und-weg-Lesegewohnheiten auf zwei Seiten mit vielen Buchstaben angerichtet.

Im Zürich-Teilchen wird, das sei im Sommerloch verziehen, grossen Wert auf Nutzwert gelegt: «Die Badi-Kioske mit dem stimmungsvollsten Ambiente und dem besten kulinarischen Angebot in der Region Zürich».  Unter «Meinung und Debatte» macht dann Lorenz Honegger dem Häuslebesitzer Angst:

Hier könnte man höchstens meckern, dass Titel, die «das Ende naht» verwenden, eigentlich auf die No-Go-Liste gehören.

Dass sich die Wirtschaft um die Ernäherungssicherheit Afrikas kümmert, ehrt sie, setzt sich aber dem Vorwurf einer gewissen Beliebigkeit aus. Aber mit diesem Bericht erobert sich die NZZ wieder ihr Alleinstellungsmerkmal zurück:

Das Feuilleton befasst sich mit einer Künstlerin, die für den NZZ-Redaktor nun eindeutig der modernen Jugendkultur zuzurechnen ist. Illustriert wird der Artikel über Beyoncé zudem mit dem Foto der halbnackten Sängerin auf einem durchsichtigen Pferd. Zudem ist der Text eine geradezu schwärmerische Lobesarie über die «womöglich zu Recht als grösster lebender Popstar bezeichnete Sängerin». Ein wenig vorsichtige Distanz muss schon sein im Hause NZZ.

Das richtige Hammerstück fehlt dieser Ausgabe des Feuilletons, auch wenn sich Felix E. Müller um die Antwort auf die Frage verdient macht, wieso die Evangelikalen seit 50 Jahren ziemlich aktiv in der Politik mitmischen. Da hatte die Ausgabe vom Dienstag schon ein anderes Kaliber auf der letzten Seite der Ausgabe und damit des Feuilletons:

Aber immerhin: eine einzige Ausgabe der NZZ bietet mehr Eigenleistung und Anregung als eine ganze Wochenration der übrigen Tagespresse in der Schweiz.

 

 

Wo liegt denn Taiwan?

Nur mühsam reissen sich die Mainstream-Medien vom Ukrainekrieg los.

Auch das noch. Sommerloch, saure Gurken, in der Ukraine ist nicht wirklich was los, wer im Schweizer Journalismus was zu sagen hat, ist in den Ferien.

Ausgerechnet nach dem verlängerten Wochenende mit 1. August kommt nun ein neues Thema auf den Radarschirm. Eigentlich ein uraltes Thema. Denn seit 1949 existieren zwei chinesische Republiken. Die grosse bekannte auf dem Festland, und die kleine, nicht so bekannte auf einer Insel, die früher Formosa hiess.

Entstanden ist diese Verdoppelung dadurch, dass der damals regierende Diktator Tschiang Kay Check von der erfolgreichen Volksrevolution von Mao Tse Tung hinweggefegt wurde – und sich mit grösseren Teilen der Luftwaffe und Marine nach Formosa flüchtete. Im kalten Krieg war Taiwan ein wichtiger Stützpunkt im subversiven Kampf gegen Rotchina.

Aber die Zeiten ändern sich. Taiwan mauserte sich schnell zu einer erfolgreichen Wirtschaftsnation, dank der verheerenden Wirtschaftspolitik von Mao war Rotchina lange Jahrzehnte ein wirtschaftlicher Zwerg. Das änderte sich unter seinen Nachfolgern, und heutzutage ist China fast auf Augenhöhe mit den USA. Wirtschaftlich, militärisch klafft noch ein kleiner Abgrund zwischen den beiden Ländern.

Aber Taiwan hat seine Bedeutung als westlicher Showcase gegen kommunistische Elendswirtschaft längst verloren. China hat die Insel längst aus (fast) allen internationalen Organisationen gedrängt, nur noch eine Handvoll Staaten unterhalten diplomatische Beziehungen mit der Insel. Darunter so Schwergewichte wie Haiti, die Marshall-Inseln, Nauru oder der Vatikan.

Kein europäisches Land, auch nicht die Schweiz, anerkennen Taiwan länger als zumindest selbständigen Staat. Auch die USA nicht, die aber einerseits Festlandchina als einzig legitimen Vertreter anerkennen, andererseits aber Taiwan militärische Unterstützung zusagen, sollte die Insel von China angegriffen werden.

Umso stärker China wird, desto massiver macht es seinen Anspruch auch auf Taiwan geltend. Jede Unterstützung des Inselstaats wird als Einmischung in innere Angelegenheiten scharf verurteilt. Wer sich zu offiziellen Kontakten mit Taiwan hinreissen lässt, wird diplomatisch, politisch und wirtschaftlich abgestraft.

So eierten die letzten US-Präsidenten um dieses Problem herum, unabhängig davon, ob es Republikaner oder Demokraten waren. Nun hat sich die Nummer drei in der US-Regierungshierarchie zu Besuch nach Taiwan gegeben. Was genau die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi dort will, ist gar nicht so einfach zu erklären.

Überraschungsfrei reagiert China äusserst gereizt auf diesen Besuch. Es werden fürchterliche Konsequenzen angedroht, mit den Säbeln gerasselt und gleich zwei Flugzeugträger als Machtdemonstration Richtung Taiwan losgeschickt.

Das ist die ziemlich komplizierte Ausgangslage, die nun von den B-Teams den Lesern erklärt werden sollte. Tamedia macht es sich wie meist einfach: es berichten Lea Sahay und Christian Zaschke von der «Süddeutschen Zeitung». Vielleicht könnte die Schweizer Sicht sich von der deutschen etwas unterscheiden? Vielleicht, aber es ist heiss, Ferienzeit und überhaupt. Aus eigenen Kräften reicht es zu einem «News Ticker», wie diese Sparmassnahme, das Übernehmen beliebiger Agenturmeldungen, seit Längerem heisst. Vielleicht arbeitet der Auslandchef Christof Münger an einem Kommentar, vielleicht ist er auch selbst im Ausland in den Ferien. Bedeutendes zu sagen hätte er sowieso nicht.

Bei CH Media spannt der ausgewiesene China-Kenner Pascal Ritter seine Muskeln an. Offenbar ist die zweiköpfige Ausland-Redaktion des Wanner-Konzerns gerade in den Ferien oder unpässlich. Also muss ein Reporter ran, dem auf die Schnelle nichts besseres einfällt, als das kindische Frage-und-Antwort-Spiel: «Was Sie jetzt über den Konflikt wissen müssen». Zu den entscheidenden Fragen gehört: «Worum geht der Streit überhaupt?» Grossartig ist die Antwort auf die Frage: «Welche Auswirkungen hätte ein militärischer Konflikt

«Experten gehen davon aus, dass ein Krieg um Taiwan massive und grössere Auswirkungen hätte als der Angriff Russlands auf die Ukraine – auch auf Deutschland.» Kommt halt davon, wenn man in der Eile deutsche Experten abschreibt und vergisst, dass das hiesige Publikum vielleicht ein Mü mehr daran interessiert wäre, was für Auswirkungen das auf die Schweiz hätte.

Was macht denn Blöd-«Blick»? Da sagt ein Bild mehr als zehn Worte:

Und was macht der einsame Leuchtturm des publizistischen Schaffens in der Schweiz? «Ein Zwischenstopp mit Folgen», formuliert die NZZ zurückhaltend, begleitet von einem ersten, vorsichtigen Kommentar: «Pelosis Reise ins Ungewisse: Amerika riskiert eine unnötige Krise mit China».

Für diesen Erkenntnisstand muss man nun noch nicht unbedingt Leser der NZZ sein. Aber vielleicht legt die alte Tante mit der ihr eigenen Gemächlichkeit noch etwas nach …

 

Journalistischer Scheinriese

ZACKBUM gesteht: wir haben die welterschütternde Bedeutung von Dreadlocks unterschätzt.

Im Gegensatz zu vielen Mainstream-Medien ist sich ZACKBUM nicht zu schade, eine Fehleinschätzung einzuräumen und zu korrigieren. Wir meinten: dass in einer Berner Alternativbeiz vor einer Handvoll Zuhörer ein Alternativkonzert einer Alternativband in der Pause abgebrochen wird, habe eine ähnliche Bedeutung, wie wenn in China ein Sack Reis umfällt.

Aber weit gefehlt. Die «Südthüringer Zeitung» meldet: «Konzertabbruch wegen weisser Dreadlock-Träger». Natürlich verschwendet auch SRF Gebührengelder darauf: «Wenn Rastalocken und Reggae für eine Sturm der Entrüstung sorgen». Dazu alle Schweizer Medienkonzerne, also Tamedia, CH Media und Ringier, ebenfalls «Spiegel», Süddeutsche», »Focus» und FAZ, «stern» sowie «Bild».

Auch die Sprachschranke hat die schreckliche Nachricht über «kulturelle Aneignung» übersprungen, sie ist nach Holland und Schweden metastasiert. Wie eine Kommentarschreiberin auf ZACKBUM richtig vermutet, werden demnächst CNN, BBC, Al Jazeera und Sky News berichten. Wenn sich dann auch noch die chinesische «Morning Post», die russische «Pravda» oder das «Wall Street Journal» des Themas annehmen, kann man von einer Weltschlagzeile sprechen.

So viel Echo hatte die Band «Lauwarm» wohl noch nie, die Brasserie Lorraine darf sich über Gaffer und Touristen freuen, die den Schauplatz solch welterschütternder Ereignisse persönlich in Augenschein nehmen wollen.

Schon vor einiger Zeit hatte eine deutsche Künstlerin Auftrittverbot bei einer Veranstaltung von «Fridays for Future». Ihr Verbrechen: sie ist weiss – und trägt Rastas. Das geht nicht, da fühlen sich Sektenschwurbler plötzlich «unwohl», das zeugt von angeblich mangelnder Sensibilität. Das stünde in der Tradition des «Black facing». Das alles ist der brüllende Wahnsinn, aber legt auch Zeugnis davon ab, wie viel Verpeilte, Genderschwurbler, Diskriminierungssensibelchen, Bauchnabelbetrachter sich in den Massenmedien tummeln.

Wäre das nicht der Fall, müsste ihnen doch aufgehen, dass es sich hier keinesfalls um ein Ereignis handelt, das ein grosses Medienecho verdient hätte. Oder aber, jeder Schwarze, der mit heissem Kamm oder Wässerchen seine Naturkrause bändigt und glättet, ist auch der kulturellen Aneignung schuldig und müsste von der Bühne gebuht werden.

Wir sollten endlich aufhören, Kartoffeln zu essen, die gehören bolivianischen Bauern, denen sie von blutrünstigen Kolonisatoren entwendet wurden. Tee, vergiss es, der gehört Chinesen, und ohne Schlitzaugen darf der nicht getrunken werden. Genau wie Spaghetti, die keinesfalls von den Italienern erfunden wurden. Pizza? Etrusker und Griechen. Kaffee? Hört auf, die Äthiopier zu imitieren.

Und wer faule Tomaten aus Protest gegen kulturelle Aneignung auf die Bühne wirft, sollte gefälligst bei den Azteken und Mayas Abbitte leisten, denn die haben die Xictomatl erfunden und kultiviert.

Und haben wir schon von Baumwolle, Seide, Porzellan und vielen anderen Produkten des täglichen Lebens gesprochen?

Man könnte nun sagen: glücklich eine Gesellschaft, die keine grösseren Probleme hat. Aber obwohl das Zentralorgan des Gutmenschentums, Tamedia, dieses weltbewegende Ereignis gestern zur Aufmacherstory auf Seite eins machte: doch, wir haben grössere Probleme. Altersvorsorge, Energie, Welthandel, Ukrainekrieg, Konfrontation USA – China, 10-Millionen-Schweiz, es gibt da ein paar.

Oder müsste einen der dunkle Verdacht beschleichen, dass «panem et circensis», Brot und Spiele, schon seit den Zeiten der alten Römer ein gutes Konzept war, die Bevölkerung von bedeutenderen Bedrückungen abzulenken?

Das ist die eine Erklärung. Die andere: in den Massenmedien fehlt zunehmend jede Qualitätskontrolle, jedes Bemühen, Ereignisse nach Bedeutung einzuordnen. Sobald Triggerwörter wie Kulturimperialismus, Diskriminierung, Rassismus, Sexismus, Gendergerechtigkeit fallen, wird das Hirn ausgeschaltet und niemand traut sich, diesen sektiererischen Bannerträgern von brüllendem Wahnsinn zu widersprechen.

Da wundern sich diese Qualitätsmedien, dass sich das zahlende Publikum zunehmend fragt, warum es Geld dafür ausgeben soll, mit belanglosem, in der Lebenswirklichkeit der grossen Mehrheit völlig unbedeutendem Pipifax beschallt zu werden. Oder will jemand ernsthaft behaupten, dass das Tragen von Dreadlocks mehr als 0,01 Prozent aller Leser interessiert? Oder will jemand behaupten, dass die Frage, ob das auch Weisse tun dürfen, mehr als 0,001 Prozent beschäftigt?

 

Hoffen aufs Vergessen

Djokovic Superstar. Lobhudeleien heute, Häme gestern.

Nach seinem Sieg in Wimbledon kriegen sich die Sportjournalisten kaum ein: «Novak Djokovic schwebt am Hochzeitstag im siebten Himmel – und jagt Roger Federer und Rafael Nadal», jubiliert CH Media. «Er wird einfach nicht satt», kümmert sich die «Süddeutsche» um den Appetit des Tennisspielers. «Djokovic macht Kyrgios platt», hämmert der «Blick». «Djokovic im 7. Wimbledon-Himmel», stimmt René Stauffer bei Tamedia Schalmeiengesänge an.

Nur «watson» erwähnt schon im Titel ein früheres Problem: «Langer, frustrierender Sommer – Djokovic zahlt hohen Preis für konsequente Impf-Haltung». Aber was inzwischen «konsequente Impfhaltung» ist – der Weltklassespieler verweigert aus Überzeugung eine Corona-Impfung –, das hörte sich noch vor Kurzem ganz anders an.

Stauffer hofft dabei wohl auf das löchrige Kurzzeitgedächtnis seiner Leser, denn vor nicht allzu langer Zeit holzte er noch:

«Der Weltranglistenerste ist zum Symbol der Egozentrik, der Uneinsichtigkeit, der Ungleichheit und zu einem weltweiten Anführer der Impfgegner geworden.»

Der ungeimpfte Djokovic war damals trotz ordentlicher Einreisebewilligung an der australischen Grenze aufgehalten worden und hatte dagegen von seinen rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht. Noch schlimmer für Rechtskenner Stauffer, ein Richter hatte zunächst seine Einreise bewilligt; das sei «wie ein Schlag ins Gesicht.» Denn das Urteil sei «brandgefährlich für Melbourne und Australien». «In der Stadt drohen nun Tumulte … Sollte er tatsächlich als Spieler in die Rod Laver Arena schreiten, ist ein Aufruhr garantiert.»

Das blieb dann Australien erspart, und Stauffer frass kiloweise Kreide. Aber nicht nur er hatte sich mit unqualifizierten Rüpeleien blamiert. Damals war es üblich, solche demagogischen Fotos zu veröffentlichen:

Die Fachkoryphäen des Filzballs, die Spezialisten für Serbien und Serben, waren sich einig: Der Mann rennt in ein «Fiasko» (SoZ). Er spielt «Russisches Roulett» (CH Media). Die «Chefredaktorin Sport» des «Blick» wusste: «Die Pointe in der Aussie-Open-Geschichte ist, dass Djokovic am Flughafen festsass und offenbar das Land wieder verlassen muss.» Zwischenzeitlich rettete Steffi Buchli nur ein vorsichtiges «offenbar» vor der völligen Peinlichkeit.

«Und täglich grüsst der Drama-King», verballhornte die «Blick»-Fachkraft den Titel eines schönen Films, der das nicht verdient hätte. Ein Vollpfosten aus dem Hause Tamedia sah schon den «tiefen Fall eines grandiosen Tennisspielers» voraus. Und die Serben? «Wer in diesen Tagen die serbische Krawallpresse liest, der wähnt sich kurz vor einem Weltkrieg.» Typisch für diese -itsch. Unzivilisiert, aggressiv, grössenwahnsinnig, gefährlich halt.

Den Vogel schoss allerdings ein durch Abstammung vorbelasteter Schmierfink bei Tamedia ab: Richtig auf die Kacke haute wie meist bei solchen Themen Enver Robelli. Vielleicht sollte Tamedia die Berichterstattung über den Balkan nicht einem Mitarbeiter mit, nun ja, Migrationsgeschichte, überlassen. Denn Robelli geht es offensichtlich weniger um die Aufklärung der Leser, mehr um die Abarbeitung eigener Vorurteile.

Über die Abschiedsreise der deutschen Ex-Bundeskanzlerin durch den Balkan zeigte er sich «irritiert», denn: «Merkel umarmt die Autokraten». Da war er aber noch sanft gestimmt. Der gebürtige Kosovare leistet gegenüber Kroatien einen gewaltigen Beitrag zur Völkerverständigung:

«Kroatiens Präsident als Provokateur: Er poltert gerade wie ein Betrunkener – gegen Minister und Bosniaken».

Ein besoffener Präsident, da hat die nüchterne Merkel Schwein gehabt. Auch die Sache mit dem Osmanischen Reich hat Robelli nicht vergessen: «Der Westen darf vor Erdogan nicht einknicken.»

Aber zur Höchstform läuft Robelli bei der Affäre um Djokovic auf. «Serbische Krawallpresse», schimpft Krawallant Robelli, «Belgrader Hetzblatt», hetzt Robelli. «Selbstverständlich hätten die aufopferungswilligen Serben 1389 in der Amselfeld-Schlacht gegen die Osmanen die ganze westliche Zivilisation gerettet», behaupte ein verpeilter «ultranationalistischer Pseudohistoriker» in seinen «Machwerken», die Djokovic promote.

Dabei sollte Robelli wissen, das die historische Wahrheit über dieses Gemetzel – wie meistens – viel komplexer ist, feststehende Tatsache hingegen, dass die Serben tatsächlich aufopferungsvoll gegen das Osmanische Reich in die Schlacht zogen.

Dann diagnostiziert Robelli bei den Serben «Grössenwahn», «verletzten Stolz» und überhaupt «krude Ansichten». Kein Wunder:

«Schwurbler Djokovic geniesst eine ungewöhnlich grosse Narrenfreiheit.»

Leider traf das aber in erster Linie auf den Demagogen Robelli zu.

Im heutigen Armenhaus-Journalismus ist Anstand oder Einsicht in eigene Fehler Mangelware. Mitglieder der Journaille wie Stauffer oder Robelli hoffen einfach darauf, dass sich keiner mehr an ihr dummes Geschwätz von gestern erinnert. Dabei übersehen sie allerdings, dass das bei ihnen auch für heute und morgen gilt …

Die Corona-Kreische ist zurück

Marc Brupbacher läuft wieder zur Höchstform auf.

Mit Gesundheitsminister Berset ist der Tamedia-Redaktor «schon längst fertig», den Gesamtbundesrat bezeichnete er auch schon mal als «völlig übergeschnappt». Unablässig warnte Brupbacher vor apokalyptischen Zuständen in der Schweiz. Überlastete Intensiv-Stationen, viele, viele Tote. Zögerliche Behörden, unfähige Beamte, nachlässige Bevölkerung, er wurde immer verzweifelter, weil niemand auf ihn hören mochte. Und weil sich all seine Ankündigungen des Corona-Weltuntergangs nicht bewahrheiteten.

Seit diesem Frühling köchelte er etwas auf kleinerem Feuer, aber jetzt ist er wieder zurück. Und ansteckend, denn weitere Tamedia-Redaktoren haben sich seinen neuen Befürchtungen vor einer Riesen-Corona-Sommerwelle angeschlossen. Die aber natürlich nur der Vorbote einer noch riesigeren Herbstwelle ist. Und von der Winterwelle wollen wir noch gar nicht reden, sonst kriegen wir alle Gänsehaut vor Schiss.

Eine volle Doppelseite lässt Tamedia auf seine nichtsahnenden Leser los:

Ein Gemeinschaftswerk von mehreren «Corona-Taliban», wie das Lukas Hässig auf seinem Finanzblog «Inside Paradeplatz» launig nennt. Brupbacher hatte vor ein paar Tagen bereits vorgelegt:

Nun aber kommt das volle Programm:

Da gibt es nur eins:

Also ein Booster für den Booster. Am besten immer wieder; in Deutschland sind bereits viele bei der vierten Impfung angelangt und überlegen sich die fünfte. Obwohl die Wirkung, gelinde gesagt, nicht wirklich erwiesen ist.

Das Merkwürdige an der Riesensommerwelle, deren Höhepunkt noch gar nicht erreicht ist: die Spitäler merken nichts davon. Triage vor Intensivstationen, alle Plätze belegt, Notfall im Notfall? Nein.

Will Tamedia tatsächlich wieder eine neue Impfwelle herbeischreiben? Mit Panikmache die Behörden vor sich hertreiben? Gibt es auch hier keine Qualitätskontrolle mehr, die Brupbacher und Konsorten einen Riegel schiebt? Werden nächstens Impfunwillige wieder übel beschimpft? Wird wieder gefordert, dass sie gefälligst zwangsweise zur Impfung verdonnert werden sollten?

Verabschiedet sich Tamedia nun endgültig vom verantwortungsbewussten Journalismus? Sicherlich ist nicht die ganze Redaktion (und Führungsmannschaft) auf der Linie der Corona-Kreische Brupbacher. Aber man lässt ihn gewähren.

Statt nochmals – und offensichtlich vergeblich – mit gesundem Menschenverstand und kritischer Analyse diesen Wahnsinn zu bekämpfen, macht ZACKBUM einfach auf den Artikel 258 des Schweizerischen Strafgesetzbuches aufmerksam.

Der besagt:

«Schreckung der Bevölkerung. Wer die Bevölkerung durch Androhen oder Vorspiegeln einer Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum in Schrecken versetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.»

Als juristischer Laie hält ZACKBUM den Straftatbestand für erfüllt …