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Alternative Bürgerjournalismus

Von der Vielfalt zum Einheitsbrei: Gibt’s einen Ausweg?

Von Felix Abt

Vor etlichen Jahrzehnten habe ich in Personalkantinen gegessen, wo jeden Tag ein immer gleich schmeckender Einheitsbrei serviert wurde, sozusagen mit Firmenstallgeruch. Dagegen boten die Medien damals ein tägliches Menu mit Vielfältigem, Informativem, Interessantem sowie Reportagen und Analysen mit Tiefgang an. Inzwischen hat sich das umgekehrt: Personalkantinen haben sich zu Personalrestaurants gemausert, wo vielfältiges, schmackhaftes Essen, zubereitet von Köchen, die auch über Kompetenz in gesunder Ernährung verfügen, angeboten wird.

Die damals unzähligen Medien wurden seither sowohl weltweit wie auch in der Schweiz, grossmehrheitlich von Konzernen aufgekauft, womit die Vielfalt zur Einfalt schrumpfte, und die grosszügige Medienmenükarte auf den Einheitsbrei mit Konzernstallgeruch reduziert wurde. Begleitet war die Medienkonzentration mit dem Zusammenlegen von Redaktionen, dem Ausdünnen des Korrespondentennetzes, dem Abbau vieler Journalistenstellen und dem Einstellen, billigerer, weniger qualifizierten Medienschaffenden.

Als es obligatorisch war, die NZZ zu lesen

In der Prä-Einheitsbreiperiode war es fast ein «Muss», die NZZ zu lesen, wo journalistische Riesen wie zum Beispiel ein Ernst Kux die Sowjetunion und China haarscharf beobachtete, abklopfte und erklärte, oder der mit dem Markenzeichen (H.A.) berühmt gewordene Hansjörg Abt unerschrocken und tief hinter die Wirtschaftskulissen guckte und Skandale enthüllte, oder ein Arnold Hottinger, der den Nahen Osten so gut kannte und so gut verständlich machte wie kein zweiter Journalist im deutschen Sprachraum. Inzwischen sind alle Riesen abgetreten und haben den journalistischen Zwergen Platz gemacht. Das bedeutet, dass es heute eigentlich keinen Unterschied mehr macht, ob man die NZZ noch liest oder nicht.

Journalist Arnold Hottinger †.

Als jemand, der aus geschäftlichen Gründen viel auf der Welt herumgekommen ist, habe ich auch etliche Medien aus dem anglosächsischen, lateinamerikanischen und asiatischen Raum in Flugzeugen und Hotels konsumiert. Dabei ist mir aufgefallen, dass deutschsprachige Medien meist nur ein Abklatsch amerikanischer und englischer Medien waren, wenn es um internationale Nachrichten und Reportagen ging. Weil die Originale halt immer noch wesentlich besser sind als die ausgedünnten, deutschsprachigen Billigkopien, zog ich es vor, mehr englischsprachige Medien zu konsumieren.

Die weltweit profitorientierte Verlagerung von Familieneigentum zu börsennotierten Medienkonzernen hat natürlich zu einem schamlosen Wettlauf weg von journalistischen Spitzenleistungen geführt. Wie können Nachrichten – ob innerhalt oder ausserhalb der Vereinigten Staaten – gedeihen, wenn NBC 500 Millionen Dollar für die Übertragungsrechte der National Football League ausgibt?

Die Massenmedien schaden sich selbst

Klick-ködernde Massenmedien haben sich auch geschadet, indem sie immer mehr Meinungen und Fakten vermischten, oder haben ihre Glaubwürdigkeit verloren wegen ihrer forschen Parteinahme in politischen Angelegenheiten. So haben sich die amerikanischen Medien bei den Präsidentschaftswahlen 2016 fast unisono, massiv und unverschämt für die Kandidatin Hillary Clinton und gegen Donald Trump als Kampagnenhelfer engagiert. Was immer man auch von Trump halten mag, der Mangel an objektiver und fairer Berichterstattung hat selbst Trumpkritiker schockiert.

Nicht nur die NZZ hatte mal journalistische Riesen, auch andere renommierte Zeitungen, wie zum Beispiel die «New York Times». Chris Hedges war so einer, wegen dem das Blatt sogar einen Pulitzer Preis gewann. Er arbeitete für die «Times» während 15 Jahren als Korrespondent, gut qualifiziert mit fliessendem Spanisch in Südamerika und mit fliessendem Arabisch im Nahen Osten. Als er sich kritisch zu Amerikas illegalem Irakkrieg äusserte, wurde er von der «Times», einer Echokammer der U.S. Regierung und einer Kriegs-Cheerleaderin, einfach rausgeschmissen. Zwar «geächtet» von den Corporate Media, aber stets brillant, blieb ihm nichts anderes übrig, als für wesentlich weniger bekannte Medien tätig zu sein. Sein neuster Artikel «Waltzing to Armageddon» ist eine intelligente Analyse des aktuellen Kriegsgeschreis, wo er darlegt, warum und wie es unverhofft in eine Katastrophe epischen Ausmasses umschlagen kann. Natürlich sind derartige Gedanken bei den Kriegstrommlern in der Politik und den Medien, die gegenwärtig auf einer Flutwelle reiten, verpönt.

Journalist Chris Hedges.

Staatliche Medien können das Vakuum nicht füllen und bedienen sich auch zweifelhafter journalistischer Methoden. BBC-Starjournalist John Sweeney beispielsweise legte englische Universitätstudenten herein, und reiste mit ihnen als falscher «Universitätsprofessor» nach Pjöngjang, um dort einen Dokumentarfilm zu drehen.  Mehr gesehen als jeder andere am Händchen geführte Tourist hatte er dabei nicht. Immerhin konnte er ein paar graue Häuserfassaden und drei Meter hohe Mauern filmen, als Beweis für die schrecklichen Dramen, welche sich tagtäglich dahinter abspielen unter der brutalen nordkoreanischen Diktatur. Er filmte auch einige der vielen Propagandaposter, um zu beweisen, wie arme Nordkoreaner mit einer wahnsinnigen Hirnwäsche tagtäglich drangsaliert würden. Die vielen Nordkoreaner, die ich kannte, haben die Propagandaposter kaum zur Kenntnis genommen.

Journalist John Sweeney.

Da es immer weniger Auslandsbüros und feste Auslandskorrespondenten gibt und andere traditionelle Methoden des Fallschirmjournalismus bei der Berichterstattung schwieriger Themen nicht effektiv sind, können Bürgerjournalisten eine Lücke füllen und die Öffentlichkeit besser über Nachrichten und Hintergründe aus aller Welt informieren.

Bürgerjournalismus aus China

Als einer, der sich seit Jahrzehnten mit China beschäftigt und das Land auch unzählige Male besuchte, wollte ich wissen, was hinter der äusserst schwerwiegenden Anschuldigung der amerikanischen Regierung und westlicher Medien steckt, welche von einem Genozid der Muslime in der chinesischen Provinz Xinjiang reden. Ich habe deshalb Ausländer, insbesondere Amerikaner, die fliessend Chinesisch sprechen und Xinjiang öfters besuchen, kontaktiert. Die meisten haben Videoaufnahmen gemacht, einige sogar mit versteckter Kamera. Anders als wenn BBC oder CNN mit ihren Kamerateams vor Ort aufmarschieren und lokale Behörden und Bevölkerung nervös machen, weil sie mit deren Intentionen («China bashing») vertraut sind, können sich nicht journalistisch tätige Ausländer dort frei bewegen und mehr oder weniger filmen, was sie wollen. Das Resultat meiner Recherchen ist hier publiziert.

Als Abraham Zapruder mit seiner Amateurkamera beschloss, den Besuch von John F. Kennedy 1963 in Dallas zu filmen, nahm er unbeabsichtigt Bilder von dessen Ermordung auf, die als Vorläufer des Bürgerjournalismus betrachtet werden können.

Bürgerjournalisten ohne formelle journalistische Ausbildung sind nicht notwendigerweise weniger objektiv und weniger fair als professionelle Journalisten. Deren Berichterstattung ermöglicht ausserdem das Erzählen von Geschichten und persönlichen Erfahrungen, deren Zeugnis eine neue Dimension bietet.

 

NZZ: Sand im Getriebe?

Früher mal war die alte Tante technologisch ganz vorne. Aber dann kamen die falschen Cracks.

Was Wanner sein Hansi Voigt war, war bei der NZZ Peter Hogenkamp. Trug gut vor, versprach das Blaue vom Himmel, lieferte nix und war an nichts schuld. Bis er sich dann «vermehrt anderen Aufgaben» zuwenden wollte.

Seither, und sein Abgang ist schon fast 10 Jahre her, rumpelt es im IT-Bereich bei der NZZ. Wer nach der NZZaS sucht, bekommt das hier serviert:

Dann kommt ein weiterer Artikel, dann endlich weiss der Leser, dass er an der richtigen Adresse gelandet ist:

Die Sicherheit wird nicht gerade verstärkt durch eine Montage, mit der Präsident Putin die Zarenkrone aufs Haupt gemecht wurde. So wie das ein Kindergartenschüler mit Schere und Klebstoff auch hinkriegen würde.

Aber item, die Artikel kann man sich nicht mehr vorlesen lassen: «In der Tat, die gewünschte Funktion steht aktuell nicht zur Verfügung. Selbstverständlich werden wir unsere digitalen Dienste fortlaufend verbessern, und danken Ihnen für Ihre wertvollen Hinweise. Diese haben wir an die zuständige Abteilung weitergegeben.»

Wer zuerst etwas abbaut, kann dann anschliessend locker «fortlaufend verbessern». Hört sich aber nach einen Schritt zurück, einen Schritt nach vorn an, also höchstens Treten am Ort.

Einzelne Artikel wie einen Kommentar von Tobias Straumann findet man nur mit grösseren Anstrengungen.

Auf der Webseite der NZZ kommt alles soweit aufgeräumt und anständig daher. Nur fällt auch hier auf: ein direkter Verweis auf die NZZaS findet nicht statt. Lediglich unter «Die Redaktion des NZZ Magazins empfiehlt» tauchen Artikel aus der NZZaS auf, nicht etwa des Magazins. Das ist ein wenig so wie wenn der Schwanz mit dem Hund wedeln würde. Denn im «Magazin» selbst langweilt eine Titelgeschichte über einen misslungenen Venedig-Ausflug.

Wollte man bösartig sein, und wieso will man das nicht, könnte man all das so interpretieren, als ob es Winke mit ganzen Zaunlattenreihen wären, dass die NZZaS bald einmal aufgesaugt und in die NZZ integriert wird. Einfach eine siebte Ausgabe, aber more of the same.

ZACKBUM ist (noch) nicht bereit, darauf Wetten abzuschliessen. Noch nicht.

Schmierenstück aus dem Hause NZZ

Die Suche nach bekömmlichen Newsquellen wird immer schwieriger.

Eigentlich stellt der Ringier-Verlag keine ernsthafte Konkurrenz für die alte Tante von der Falkenstrasse dar. Zu unterschiedlich ist das Zielpublikum, zu anders die Ansprache und der Anspruch.

Umso befremdlicher, wenn auch in der NZZ die Schmiere Einzug hält. Besser gesagt kaum verhohlene Häme. Nach der NZZ-üblichen Bedenkzeit rechnet Redaktor Lucien Scherrer mit dem Ringier-Verlag ab. Als Mittel der Wahl dient ihm dafür – Überraschung – der deutsche Altkanzler Gerhard Schröder. Immerhin 6500 Buchstaben ist es der NZZ wert, das «Liebes-Aus» zu verhöhnen, als wolle sich der Autor bei der «Glückspost» bewerben.

Schröder, Putin-Versteher und sogar Freund, geschäftlich mit Russland verbunden, und dann Berater von Ringier, diese Steilvorlage will sich Scherrer nicht entgehen lassen. «Jahrelange Kumpanei, viele «Exklusiv»-Interviews», so nimmt der Autor Anlauf, um schnell zu ersten Höhepunkten zu gelangen:

«Vorsorgliche Abrechnung mit einem Appeaser, den man jahrelang hofiert, vermarktet und benutzt hat».

Appeaser, echt jetzt? Denn Scherrer hat das kleine Problem, dass sich Ringier ja gerade von seinem Berater Schröder getrennt hat – und ihn schon vorher massiv kritisierte. Das allerdings nur, bleibt Scherrer unerbittlich, weil man den «im allgemeinen Distanzierungseifer schnellstens fallen lässt, um dem moralischen Nullpunkt selber nicht noch näher zu kommen».

Rückgriff in die Vergangenheit

Blicke in die Vergangenheit sind immer gut, um das Munitionslager in der Gegenwart aufzufüllen. Dafür greift Scherrer auf diverse «Exklusiv»-Interviews zurück; besonders angetan hat ihm eins, das «Blick»-Oberchefredaktor Christian Dorer 2017 führte, «drei Jahre nach der Krim-Annexion». Frage: «Halten Sie Russland für gefährlich? Könnte es weitere Annexionen geben?» – «Schröders Antwort: «Die Sicherheit dieser Staaten ist durch die Nato garantiert», die Krim hingegen werde kein russischer Präsident je zurückgeben, denn Russland habe sie gar nie abtreten wollen.»

Steilvorlage für einen Schlusspunch: «Die Ukraine lässt Schröder mit seiner Antwort elegant aus dem Spiel, denn sie war und ist nicht «durch die Nato garantiert». Was das heisst, hat sein Freund am 24. Februar gezeigt – und damit nicht nur seine Fans, sondern auch einige Journalisten blamiert.»

Wie sehr blamiert sich allerdings Scherrer selbst, wenn er aus einem Interview, das 12’500 Buchstaben umfasst, alle damaligen Themen abfragt, Merkel, Flüchtlingskrise, neugewählter Präsident Macron, die Schweiz, die Türkei, der Brexit, Präsident Trump, sich auf ganze drei Fragen fokussiert, die zu Russland und der Krim gestellt wurden?

Wie lautete der kurze Abschnitt im Original?

«Halten Sie Russland für gefährlich? Könnte es weitere Annexionen geben?
Die Sicherheit dieser Staaten ist durch die Nato garantiert. Bei der Krim aber prophezeie ich Ihnen: Es wird keinen russischen Präsidenten geben, der die Krim wieder zurückgibt. Dieser Realität muss man ins Auge schauen, ob man es akzeptieren mag oder nicht.

Warum ist das so?
Wenn Chruschtschow 1954 nicht geglaubt hätte, der Sowjetkommunismus werde so alt wie die katholische Kirche, dann hätte er die Krim niemals an die Ukraine übergeben. Es bestand ja kein Grund dafür. Die Russen haben in Sewastopol einen Militärhafen. Wenn die Ukraine Teil der Nato gewesen wäre, und das war der Plan, dann hätte dieser Hafen mitten im Nato-Gebiet gelegen. Eine groteske Vorstellung. Es gibt auch unterlassene Sensibilitäten des Westens gegenüber Russland. Von der Politik der Amerikaner ganz zu schweigen.

Ist es derzeit schwierig, mit Russlands Präsident Putin befreundet zu sein?
Ich bin ein freier Mensch. Und gerade in schwierigen Zeiten ist es doch wichtig, miteinander zu reden.»

Wenn nicht polemischer Wille alle Qualitätsansprüche überfährt: ist das wirklich einer NZZ würdig, hier von einem «Liebes-Aus» zu schwafeln? Zwar zähneknirschend einzuräumen, dass Ringier das Mandatsverhältnis per sofort beendete, Schröder auch zuvor kräftig kritisierte, dann aber süffisant aus uralten Interviews Bruchstücke zu zitieren – ist das nachdenklich-ausgewogener Journalismus?

Wiederholungstäter Scherrer

Auch die NZZ muss beachten: einen guten Ruf erwirbt man sich über Jahre und mit viel Arbeit. Verspielen kann man ihn schnell und fahrlässig. In letzter Zeit wurde viel darüber geschnödet – zu Recht –, dass es um die Qualitätskontrolle bei Tamedia nicht gerade zum besten bestellt sei. Allerdings beweisen Mitarbeiter wie Rafaela Roth oder Lucien Scherrer, dass auch im Hause NZZ dieses Problem existiert. Denn gäbe es eine funktionierende Kontrolle, hätten diverse Artikel nicht erscheinen dürfen. Darunter auch dieses niveaulose Bashing eines Konkurrenten am untauglichen Beispiel.

Während Roth mehr mit Dubletten-Interviews und Backfisch-Jubel auffällt, hat Scherrer schon mal kräftig ins Klo gegriffen, als er belegfrei behauptete: «Gemäss Informationen der NZZ gibt es Pläne, die Printausgabe von «20 Minuten» im nächsten Jahr einzustellen.» Das nächste Jahr wäre 2021 gewesen. Und ein energisches Dementi des Verlags wird zwar kurz erwähnt, aber was soll’s, etwas hängen bleibt doch immer, sagte sich Scherrer damals. Schmiere halt.

 

 

 

 

 

 

 

Wumms: Sportjournalisten

Sind Sportler intelligent? Kann man allgemein nicht beantworten. Bei Sportjournalisten schon.

Die Schweizer Medienkonzerne schenken sich normalerweise nichts. Selbst die NZZ ist sich nicht zu fein, in Boulevard-Manier auf Ringier einzuprügeln. Von Ausfälligkeiten bei Tamedia gegen unliebsame Konkurrenten ganz zu schweigen.

Aber im Bereich Sport gibt es eine blattübergreifende Koalition der Unwilligen. Von Kriegsgurgeln, die Sport als politische Kampfarena entdeckt haben.

Der Tamedia-Redaktor Marco Oppliger beschimpft das Komitee der Paralympics hemmungslos. Russischen Behinderten die Teilnahme nicht zu verwehren, das sei «an Feigheit nicht zu überbieten». Wäffelt der Redaktor feige aus seiner wohlgeheizten Arbeitsstelle.

Schäbiger geht’s nicht mehr; Behinderten diese Möglichkeit nehmen wollen, sich als leistungsfähig und wettkampftauglich zu bestätigen. Da darf auch Steffi Buchli nicht fehlen, Quotenfrau und Chefredaktorin Sport der «Blick»-Gruppe. Sie wurde schon beim Fall Djokovic auffällig und ausfallend.

Statt sich auf ihre Kernkompetenz zu beschränken, schwingt sie sich wieder zur Welterklärerin auf: «Kein Land hat das Recht, in ein anderes, friedliches Land einzumarschieren.» Das ist sehr wahr, da muss die rote Karte gezückt werden, oder?

Nun ja, zuerst muss sich Buchli noch ein wenig für ihre Regierung und so schämen:

«Die Welt schüttelte gerade tagelang verständnislos den Kopf wegen uns, wegen unserer Zauder-Regierung, die lange Lauwarmes von sich gab und schliesslich zum Wochenstart doch noch mit den EU-Sanktionen mitzog.»

Die arme Welt, der muss es ja ganz anders geworden sein, nach tagelangem, ununterbrochenem Kopfschütteln. Nun haben Fifa und Uefa Russland von allen Wettbewerben ausgeschlossen. Das Durchführen von Spielen in Ländern, in denen Diktaturen herrschen und Stadien unter unmenschlichen Bedingungen hochgezogen werden: das kratzt die Verbände – und Buchli – null. Aber hier kann ein Zeichen gesetzt werden: «Der Ausschluss ist der einzig richtige Weg. Neutralität in einem Angriffskrieg gibt es nicht

Nimm das, neutrale Schweiz. Dummheit hingegen ist – neutral betrachtet – nie auszuschliessen.

Auch der Schweizer «Chef de Mission» Roger Getzmann ist in kriegerischer Stimmung: «Der Ausschluss ist im Sinn von Swiss Paralympic

Wir versuchen, den Sinn von Swiss Paralympic zu verstehen. Der besteht also darin, behinderten Sportlern aus Russland die Möglichkeit zu nehmen, an Wettkämpfen teilzunehmen, auf die sie sich jahrelang vorbereitet haben und die für sie ein Lebenshöhepunkt wären? Weil die Regierung ihres Land ein anderes überfällt? War es auch im Sinn von Paralympic, den Ausschluss von US-Sportlern zu fordern, als die USA den Irak überfielen? Oder ist es der Sinn von Swiss Paralympic, Zweifel an der geistigen Unversehrtheit ihrer Funktionäre aufkommen zu lassen?

Wumms: Peter Hossli

Ist der bald einmal gewesene Journalist schizophren?

ZACKBUM verfügt über einen Doktortitel. Allerdings nicht aus dem Gebiet der Menschenheilkunde. Dennoch machen wir uns hier Sorgen, als wären wir ein Psychiater. Anlass dazu ist Peter Hossli, Noch-NZZ-Redaktor.

Denn auf Seite 17 der aktuellen NZZaS gibt es den Kommentator Hossli. Der schimpft über die Medien: «Alle wissen immer alles und sagen es sofort weiter». Schrecklich, vor Kurzem noch hätten «viele Journalisten alles über die Pandemie» gewusst. Dann hätten sie sich schlagartig zu Credit-Suisse-Spezialisten gewandelt. «Drei Nächte später können sie Putin und die Sanktionen erklären.»

Das kann Hossli (noch) nicht, aber auf der folgenden Doppelseite erklärt er mit dem Noch-Leiter Hintergrund Michael Furger die Credit Suisse. Nachdem Hossli vorher die Pandemie erklärt hatte. Dann schlagartig zum Spezialisten für das Privatleben des Bundesrats Berset wurde und seine Erkenntnisse dem Publikum darbieten wollte.

Das liess man ihn nicht, worauf er grimmig dorthin zurückkehren wird, wo er herkam: zu Ringier.

Nun fragen wir uns, ob der gleiche Hossli den Kommentar und diesen Artikel über die CS geschrieben hat. Oder gibt es mehrere? Sprechen die miteinander? Weiss der eine Hossli, was der andere schreibt? Gibt es einen Jekyll-Hossli und einen Hyde-Hossli? Und wenn ja, welcher schreibt was?

Aber eben, ein Dr. phil. I ist da schnell einmal am Ende seiner Möglichkeiten. Vielleicht bräuchte es halt professionelle Hilfe, die wir nicht leisten können.

Countdown zum Krieg

ZACKBUM zählt mit. Ab wann wird zurückgeschossen?

Nicht mal der böse Putin ist so böse, dass er am Valentinstag einen Krieg anfängt.

Nun muss man wissen, dass der Countdown 1929 vom Regisseur Fritz Lang erfunden wurde, um im Stummfilm spannend klarzumachen, wann eine Rakete abhebt.

Das gleiche Prinzip gilt natürlich noch heute. Nur ist der Film nicht mehr stumm, sondern wir hören eine wilde Kakophonie von Countdowns.

Wie meist unzuverlässig hat sich Tamedia aus dem Fenster gelehnt – und verloren. Unter Berufung auf «informierte Kreise» zu Bern (als ob es das dort gäbe) hat der Qualtitätsmedienkonzern den Kriegsbeginn auf den 15. Februar festgelegt. «Wenn nicht», natürlich mit Abbinder.

Da gilt seither «wenn nicht». Andere Schätzungen gingen von Mittwoch, aus. Oder Donnerstag. Oder wie wäre es mit Freitag? Dann erhebt sich die Frage, ob am Wochenende eigentlich auch Kriegsbeginn sein darf. Oder ist dann auch für Militärs Feierabend? Sonntag gar?

USA intelligenter als europäische Unken

Nein, die USA sind da wie immer cleverer als die Europäer. Sie sprechen von «unmittelbar bevorstehender Kriegsgefahr». Zügeln ihre Botschaft aus Kiew weg und fordern US-Bürger auf, das Land zu verlassen. Damit rühren sie kräftig die Kriegstrommel, verbrennen sich aber nicht die Finger mit einem fixen Datum.

Das Ganze hat auch einen Aspekt von «drôle de guerre» (googeln). Die Ukraine hatte den Mittwoch kurzerhand zum neuen Nationalfeiertag ernannt. Nach der Devise: Wir werden doch nicht an einem Feiertag überfallen. Wobei, Yom Kippur, man erinnert sich: am höchsten Feiertag, am 6. Oktober 1973, überfiel eine Koalition arabischer Staaten Israel.

Auf der anderen Seite vermeldet das «Bündner Tagblatt»: «Die Schweiz bleibt relativ entspannt.» Das bedeutet, die Botschaft bleibt, wo sie ist, Swiss fliegt. Eher kriegerisch gestimmt ist hingegen Peter Rásonyi, der Auslandchef der NZZ: «Verhandlungsdiplomatie ist gut, aber jetzt ist es allerhöchste Zeit, dass der Westen Putin die vollen Kosten eines Angriffs auf die Ukraine aufzeigt».

Während der deutsche Bundeskanzler Scholz noch im Flieger nach Moskau sass, wurde er mit guten Ratschlägen aus der NZZ überschüttet. Ratschläge? Ach was, Befehle.

«Scholz sollte deshalb noch mehr tun. Er sollte die Gelegenheit nutzen … er sollte klarmachen … scharfe Konsequenzen mit aller Klarheit aufzuzeigen …»

Denn, Rásonyi fürchtet das Schlimmste, hinter leisem Optimismus: «Es gibt noch immer Grund zur Hoffnung, dass Putin sein gewaltiges Waffenarsenal nicht dazu einsetzen wird, das Nachbarland durch einen Bomben- und Raketenhagel zu zerstören und Hunderttausende von ukrainischen «Brüdern und Schwestern» zu töten.»

NZZ gibt deutschem Bundeskanzler den Tarif durch

Scholz Mission in Moskau sieht so aus: «Deshalb muss der Westen jetzt klarmachen: Auch ein begrenzter Angriff ist durch nichts zu rechtfertigen. Dieser muss die maximal möglichen Gegenmassnahmen zur Folge haben, zu denen der Westen fähig ist. Jede Relativierung und jede Nachgiebigkeit würde einen autoritären Aggressor wie Putin nur zu noch mehr Provokationen und Zumutungen einladen und ihn zu einer noch grösseren Gefahr für die langfristigen Sicherheitsinteressen Westeuropas machen

Man kann sich lebhaft vorstellen, wie sich Rásonyi mit gerunzelter Stirn über den Sandkasten beugt und dort rote sowie blaue Pfeile und Bögen hin und her schiebt.

Nur der ukrainische Botschafter geht noch etwas weiter und fordert von Scholz ultimativ, der müsse Putin ein Ultimatum stellen. Ob Scholz das mit einer Besichtigung des Denkmals verbinden würde, wie weit die Nazi-Truppen beim Überfall auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg vor Moskau kamen?

Der NZZ-Falke verwechselt die Falkenstrasse mit dem NATO-Hauptquartier, hält sich nicht länger für einen Journalisten, sondern für einen Befehlshaber, dessen Ratschläge unbedingt zu befolgen sind.

Solches Gehampel hat, genau wie die Festlegung auf ein bestimmtes Datum des Kriegsausbruchs, etwas unfreiwillig Komisches, Aufgeblasenes. Das wirkt so, wie wenn der Autor vor eigener Wichtigkeit und Bedeutung kaum mehr geradeaus laufen kann. Seine Schultern gebeugt von der Last der Verantwortung, mit Buchstaben einen Krieg abwenden zu müssen.

Helm auf gilt für immer mehr Journalisten

«Helm auf», ist ein scherzhafter Journalistenspruch, um jemanden auf die Piste einer Reportage zu schicken. Das ist längst vorbei, heutzutage darf der Redaktor seine Verrichtungsbox nur noch ausnahmsweise verlassen. Aber bei Rásonyi kann man sich das lebhaft vorstellen, er schreibt mit Helm. Der ihm aber immer wieder über die Augen rutscht und den Blick verstellt.

Demnächst meldet er sich aus seinem Zivilschutzbunker. Notvorrat aufgefüllt, Filter ausgewechselt, Notstromaggregat revidiert, Zivilverteidigungsbüchlein griffbereit. Verkörperung einer militanten Tante. Obwohl das seit dem Ende des Kalten Kriegs gar nicht mehr so zur NZZ passt.

 

 

 

Wumms: Peter Rásonyi

Wie sehr darf man sich von seiner Herkunft leiten lassen?

In der Affäre Djokovic (erinnert sich noch jemand an das unglaubliche Geschrei?) durfte vor allem bei Tamedia über den Serben hergezogen werden, dass es eine Unart hatte. Besonders ausfällig wurde ein Schreiber mit kosovarischem Hintergrund; Enver Robelli teilte ganz übel (und unkontrolliert) aus.

Der Auslandchef der NZZ ist der Sohn ungarisch-deutscher Eltern und wurde 1966 in Zürich geboren. Es steht zu vermuten, dass eine Flucht nach dem ungarischen Aufstand von 1956 zur Familiengeschichte gehört.

Damit soll Peter Rásonyi nun nicht eine quasi genetisch bedingte Russlandfeindlichkeit unterstellt werden. Es ist aber dennoch auffällig, dass er bei osteuropäischen Themen ziemlich ranzig wird. Wenn er die EU dafür lobt, «schnell und entschlossen gegen Lukaschenko gehandelt» zu haben, vergisst er nicht, «dessen Schutzmacht Russland» zu erwähnen.

Obwohl zur ungarischen Vergangenheit – neben Faschismus – auch ein Aufstand gehört, ist Rásonyi anderswo strikt gegen solchen zivilen Ungehorsam. Die LKW-Blokaden in Kanada seien «unverhältnismässig», befindet er, nie um einen guten Ratschlag verlegen: «Die Regierung sollte härter dagegen einschreiten

Den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz begleitete Rásonyi mit einem ganzen Geschwader an Ratschlägen, Vorgaben und Handlungsanweisungen. Da wäre man bei der NZZ mit dem immer noch besten Netz an Auslandkorrespondenten um eine Spur mehr Differenziertheit dankbar.

Nix Genaues weiss man nicht

Massenhaft Kundendaten von Schweizer Telco-Anbietern abgegriffen. Und?

Swisscom, Sunrise UPC und Salt: Kundendaten sind durch einen Hackerangriff erbeutet worden und werden nun anscheinend im Darknet angeboten.

Ist das schlimm, ist das typisch, ist das, weil der Dienstleister in den USA sitzt? Das wäre nun ein klassischer Fall, wie ein durchaus das breite Publikum betreffendes Ereignis von Qualitätsmedien angeschaut, analysiert und eingeordnet werden könnte.

Konjunktiv. Für Tamedia hat Jon Mettler den Fall übernommen und probiert die übliche Nummer: «Was müssen Kunden nun wissen». Plus etwas grossmäulig: «Wir liefern die Antworten auf die wichtigsten Fragen.»

In Wahrheit stellt er tatsächlich die wichtigsten – und naheliegenden – Fragen. Bei den Antworten sieht es schon schütterer aus. Bei dem gehackten Dienstleister soll es sich um die «US-Firma iBasis» handeln. «Das Unternehmen mit Sitz in Lexington (US-Bundesstaat Massachusetts) ist der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Es bietet internationale Dienstleistungen für Hunderte von Telecomanbietern auf der ganzen Welt an

Das liegt durchaus im Streubereich der Wahrheit. Allerdings wurde die 1996 gegründete Bude für VoIP-Dienstleistungen schon mehrfach weiterverkauft. 2007 schnappte sie sich KPN, die nationale Telefongesellschaft der Niederlande. KPN wurde damit einer der wichtigsten Aktionäre von iBasis. iBasis bedient übrigens mehr als 1000 internationale Telco-Gesellschaften und ist damit auf Augenhöhe mit AT&T und knapp hinter dem Weltleader Verizon. Allerdings hat iBasis keinerlei eigene Telefonnetze in Betrieb.

2009 ging’s dann andersrum, KPN kaufte iBasis auf und dekotierte die Firma von der Börse. 2019 schliesslich verkaufte KPN iBasis an den französischen Telco-Anbieter Tofane Global. Es handelt sich also heute wenn schon um eine französische Bude, keine amerikanische.

Wie immer etwas komplexer, als sich die Schulweisheit träumen lässt

Tofane Global wäre eine vertiefte Untersuchung für sich wert. Zurück zum Datenklau. Da iBasis nur Vermittlungsdienste anbietet, sind vor allem Verbindungsdaten internationaler Anrufe abhanden gekommen. Wer im Darknet die angebotene Hehlerware kauft, weiss dann also, von welchem Telefon wie lange mit welchem anderen über Landesgrenzen hinaus kommuniziert wurde.

Big Data sind immer interessant, vor allem auch für staatliche Nachrichtendienste, die zum Beispiel versuchen könnten, längere Telefonate zwischen der Schweiz und chinesischen Dissidenten herauszufiltern und zurückzuverfolgen.

Es ist allerdings die Frage, ob die grossen Geheimdienste der Welt nicht schon längst im Besitz all dieser Daten sind.

Die üblichen Fragen stellen sich – und bleiben unbeantwortet

Natürlich stellen sich hier die üblichen Fragen. Ist es gut, weltweite Dienstleister zu verwenden, was Schweizer Telco-Anbieter vulnerabel macht? Nun ist es allerdings so, dass solche Vermittlerdienste schnell, effizient und billig nur von wenigen Riesenbuden angeboten werden; kein Wunder, dass bei iBasis über 1000 Telco-Firmen ihre internationale Gesprächsvermittlung organisieren lassen.

Da es sich eben nicht um Speicherung vieler personenbezogener Daten handelt, ist der potenzielle Schaden für 99 Prozent aller Betroffenen sehr überschaubar bis nicht vorhanden.

Es ist anzunehmen, dass iBasis seine Daten nicht mit einer Billig-Firewall aus dem Internet geschützt hat. Was bedeuten kann, dass der Angriff nicht von einem einsamen Hacker aus Lust und Laune durchgeführt wurde.

Ob es hier um das Abfischen von sensiblen Verbindungdaten geht und die Angebote des ganzen Datenhaufens im Darknet nur eine Vernebelungsaktion wäre, ist eine weitere interessante Frage.

Aber immerhin, Tamedia zeigt rudimentäre Ahnung vom Problem und vom Vorfall. Das kann man dem «Blick» nicht vorwerfen: «Die US-Firma iBasis ist Opfer eines Hackerangriffs geworden und könnte als Transporteur von Daten missbraucht werden, die Schweizer Betreibern gehören

Wer dazu «hä?» sagt, befindet sich ungefähr auf dem Wissensstand des zuständigen «Blick»-Redaktors.

Leicht hin und her gerissen ist für einmal die NZZ, das bringt sie mit Titel und Untertitel deutlich zum Ausdruck:

«Daten von Schweizer Telekom-Kunden wohl nicht von einer Cyberattacke in den USA betroffen. Kundendaten von Swisscom, Sunrise und Salt könnten missbraucht werden».

Auch dazu gibt es ein kräftiges «hä?».

Überraschende Kompetenz aus dem Aargau

And the winner is, verblüffend aber wahr: «US-Firma gehackt: Sind Kundendaten von Swisscom und Salt davon betroffen? Das US-Unternehmen iBasis ist Opfer eines Hackerangriffs geworden. Zu dessen Kunden zählen auch Schweizer Telekomanbieter. Bereits Entwarnung gegeben hat Sunrise UPC.»

Was CH Media hier abliefert, genauer Dario Pollice vom «News Service», entspricht ziemlich akkurat dem aktuellen Wissensstand. Sicherlich nicht um Hintergründe und Vertiefungen ergänzt, aber kein Gestocher im Nebel oder unverständliche Widersprüche wie bei der Konkurrenz.

Immerhin, es scheint auch ohne die Medienmilliarde noch da und dort kleine Lichtblicke zu geben.

 

 

 

Blütenlese

Erschütternd, was den Medien so alles einfällt nach der Niederlage.

Zunächst die strahlende Ausnahme. Die NZZ hatte sich als einzig Redaktion im Tageszeitungsmarkt gegen die Medienmilliarde ausgesprochen. Im Gegensatz übrigens zum NZZ-Verlag. Aber hier funktioniert noch das, was in den anderen Medienhäusern nur behauptet wird, aber nicht funktioniert: die Trennung zwischen Redaktion und Verlag.

Deshalb kann die NZZ souverän kommentieren:

«Das Medienpaket ist erfreulicherweise gescheitert. Nun geht die politische Debatte weiter. Sie sollte auch die SRG einbeziehen.»

Von hier an geht’s steil bergab. In der Niederlage sollte sich Grösse zeigen. Das geht bei der Verzwergung der Medien allerdings schlecht.

Für Tamedia wird Jacqueline Büchi als Kommentatorin vorgeschickt. Die fiel in der Vergangenheit mit unverantwortlichem, antidemokratischem Gerempel auf. «Maurer zündeln zu lassen, ist gefährlich», behauptete sie, «in trumpesker Manier flirtet er mit Verschwörungstheorien», behauptete sie wahrheitswidrig.

Schon damals überschätzte sie etwas ihre eigene Bedeutung und forderte streng: «Die Gesamtregierung muss Haltung zeigen und den Brandstifter in die Schranken weisen. Sonst riskiert sie ihre eigene Glaubwürdigkeit – und den Frieden im Land

Fast fünf Monate später können wir aufatmend feststellen: Der «Zündler» wurde nicht zurechtgewiesen, dennoch brach kein Bürgerkrieg aus in der Schweiz. Aber nach der Kanterniederlage im Kampf um Steuermilliarden für notleidende Verlegerclans sieht Büchi schon wieder Fürchterliches voraus:

«Tatsache ist, dass viele Aspekte unserer direkten Demokratie und unseres alltäglichen Zusammenlebens gefährdet sind, wenn unabhängige Informationen und eine gemeinsame Diskussionsbasis fehlen

Die natürlich nur Qualitätsmedien wie Tamedia liefern können, wo Qualitätsjournalistinnen wie Büchi schreiben.

Immerhin in etwas Selbstkritik übt sich Francesco Benini im Reiche CH Media: «Die Chefs grosser Schweizer Medienhäuser verhielten sich in einer Weise, als wollten sie das Paket unbedingt versenken, für das sie vehement plädierten.»

Das ist tapfer ausgeteilt. Allerdings erwähnt er dabei nur das grenzwertige Verhalten des Ringier-CEO Marc Walder und die Ankündigung von Tamedia, eine Sonderdividende auszuschütten. Wenn er für die Zukunft fordert, «sie sollten sich nicht so blöd anstellen wie bei ihrem Einsatz für das Medienpaket», dann könnte er auch seinen Ex-Vorsitzenden Pascal Hollenstein und seinen Besitzer Peter Wanner erwähnen. Aber bitte, Arbeitsplatzsicherung geht vor.

Noch schwerer hatte es Ringier mit seiner «Blick»-Gruppe. Verschiedene der sieben Zwerge aus der Leitungscrew hatten sich schon unsterblich lächerlich gemacht, herausragend «SoBli»-Chefredaktor Gieri Cavelty. Michael Ringier höchstpersönlich musste in die Tasten greifen, um seinen CEO Walder in Schutz zu nehmen. Als dessen zweites Malheur mit einer blöden E-Mail durchsickerte, verstummte Ringier. Walder sowieso.

Also wer bleibt noch: Ladina Heimgartner, die sich bereits mit einem völlig überflüssigen Leitartikel zur Lachnummer gemacht hatte, weil sie damit ohne Not die strikte Trennung zwischen Verlag und Redaktion ad absurdum führte, musst als CEO der «Blick-Gruppe» (um nur einen ihrer vielen Titel zu erwähnen) nochmals nachlegen und wird von der SDA zitiert: «Viele Leute läsen immer noch sehr gern Zeitungen. Diese blieben für die Demokratie wichtig, auch wenn sie vielfach kein Geschäft mehr seien, da Werbeeinnahmen zu grossen Internetkonzernen abflössen.»

Das sind Erkenntnisse von einer Tiefe und profunden Kennerschaft, die man erst mal sacken lassen muss. Während man sich die Lachtränen abwischt.

Geht’s noch schräger? Aber sicher, dafür ist «watson» immer zu haben. Hier fabuliert Peter Blunschi, «die Arroganz der «Grossen» war Gift für das Medienpaket». Schön für ihn, dass er nur ein «Kleiner» ist und daher auch auf die Komkurrenz einprügelt. Das sei allerdings «ein starkes Stück», wenn es der stellvertretende Chefredaktor des SoBli tue, der die «schlechteste Kampagne aller Zeiten» als Ursache für die Niederlage ausmache. Dabei aber «eigene Fehlleistungen grosszügig ausblendet. Gemeint ist das peinliche Video, in dem Ringier-CEO Marc Walder …» Tamedia ihrerseits habe sich mit der Sonderdividende bei gleichzeitigem Bezug von Kurzarbeitsgeld in die Bredouille begeben.

Und «watson»? Ach, ausser dass das Organ jeden Tag Fremdschämen provoziert, hat es sich wohl nichts zuschulden kommen lassen. Meint Blunschi, völlig frei von Selbstkritik.

Wir wollen diese kleine Blütenlese nicht ohne eine humoristische Note ausklingen lassen. Dafür greifen wir noch unterhalb von «watson» in die Mottenkiste. Dort schreibt «bajour»-Chefin Andrea Fopp:

«Wir von Bajour suchen jetzt aus eigener Kraft einen Weg in die Zukunft. Das ist ein Challenge

Aus eigener Kraft? Mit den geschenkten Millionen einer Pharma-Erbin, wäre ehrlicher. Wie soll denn diese «Challenge» gemeistert werden? «Wir von Bajour, Tsüri und Hauptstadt haben uns deshalb mit anderen Online-Projekten im Netzwerk Wepublish zusammengeschlossen, eine Vision von Bajour-Gründer Hansi Voigt.»

Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen, meinte Helmut Schmidt selig ganz richtig. Eine weitere Totgeburt von Voigt, wäre richtiger. Immerhin ist er auch dort «Geschäftsführer», als Fall-Back-Position, wenn «bajour» samt Fopp Geschichte ist.

 

 

 

 

Wumms: Lukas Hässig

Der Ritterschlag: ein Porträt in der NZZ

Noch besser für den Betreiber des Finanzblogs «Inside Paradeplatz»: vom Titel an ist es ein nicht unkritisches, aber freundliches Porträt geworden. «Recherchen und Krawall – Lukas Hässig ist der Schrecken der Mächtigen, aber sein Übermut bringt ihn oft in Schwierigkeiten».

Das hat was, aber Hässig fährt seit zehn Jahren einen scharfen Reifen mit seiner Enthüllungsplattform. Dass dabei manchmal Gummi liegenbleibt, ist sozusagen Geschäftsrisiko.

Die Liste seiner Erfolge ist zudem lang und beeindruckend. Pierin Vincenz stünde ohne ihn nicht vor Gericht. Tidjane Thiam wäre vielleicht immer noch CEO der Credit Suisse. Daniel Vasella hätte sich an einer Abgangsentschädigung von 72 Millionen für Nichtstun erfreuen können.

Aktuell ist Hässig lediglich von Patrizia Laeri eingeklagt; dafür gleich zweimal, aber ohne grosse Aussichten, dass sie mit ihren Vorwürfen von Sexismus und Rufschädigung durchkommt.

So nebenbei ist Hässig auch gegen das Medienpaket, wie die Reaktion der NZZ. Daher wird ihm am Schluss ein verdientes Kränzchen gewunden:

«Sein Portal will er auch künftig allein über Werbung und Beiträge für einzelne Artikel finanzieren. Dies, obwohl er mehr Skandale aufgedeckt und mehr zur Kontrolle der Mächtigen beigetragen hat, als alle kapitalismuskritischen Zeitungen und Online-Portale zusammen, die derzeit am lautesten nach staatlicher Förderung schreien.»

 

Packungsbeilage: René Zeyer publiziert ab und an auf «Inside Paradeplatz».