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Als die Bilder laufen lernten

Die Mainstream-Medien entdecken das Bewegtbild. Sogar in Farbe.

Tamedia setzt auf skelettierte Redaktionen und Videos zwecks Bespassung der immer kleineren Leserschar. Allerdings ist das Anschauen meistens reine Zeitverschwendung. So führt Tamedia stolz ein Video vor, das angeblich die angebliche Jacht von Präsident Putin zeigen soll, die in einem italienischen Hafen beschlagnahmt wurde.

Das informative und unterhaltsame Video zeigt – die Jacht. Aus verschiedenen Perspektiven. Von der Seite. Von vorne. Nochmals von der Seite. Von nahe, so weit halt ein Tele heranzoomen kann. Man sollte diese Minute verschwendeter Lebenszeit dem Konzern in Rechnung stellen.

Das Gleiche gilt auch für den Videobericht über die Explosion in Havanna, bei der das Hotel Saratoga schwer beschädigt wurde. Es muss mit Dutzenden von Todesopfern und Verletzten gerechnet werden. In dieser Minute sieht man – die rauchenden Trümmer der Hotels. Aus verschiedenen Perspektiven. Nochmals eine Minute Lebenszeit geklaut.

Ringier setzt bekanntlich auf «Blick TV», eine Art Nachrichtenshow. Zwar zuletzt runtergespart bis zum Gehtnichtmehr, aber immerhin mit eigenen Reportern vor Ort. So zum Beispiel auf dem Friedhof bei Riehen, wo traditionell eine Gedenkfeier anlässlich des sowjetischen Sieges über Hitlerdeutschland stattfindet. Da schaltet «Blick» live zum Reporter vor Ort. Leider nur zu spät, denn der kann nur berichten, dass gerade eigentlich nichts los sei, was eine einsame Person im Hintergrund stumm bestätigt.

Aber wozu gibt es den Rückblick; zuvor sei etwas los gewesen, berichtet er. Da hätten sich doch zwei Frauen in ukrainischen Farben vor den Gedenkstein gestellt, worauf Russen (und Russinnen, wir sind bei Korrekt-TV) «das Gespräch» gesucht hätten, anschliessend seien die beiden Frauen davongelaufen. Einblick in Einfalt-TV.

Wie es sich gehört, setzt das Blatt für die besseren Stände natürlich nicht auf Videoschnipsel, sondern produziert unter dem passenden Namen «NZZ Format» eigene Dokumentationen, über interessante und manchmal auch weniger interessante Themen.

CH Media, der Konzern mit den meisten eigenen Privat-TV-Stationen und jeder Menge Dudelfunk, hat allerdings noch nie etwas von Synergien gehört. Der Web-Auftritt seiner Unzahl von Kopfblättern ist völlig frei von Bewegtbild und -ton. Vielleicht muss da technologisch noch aufgerüstet werden.

Dafür setzt einer der drei Auslandredaktoren, die sich der Konzern leistet, seine Serie der Blödel-Alliterationen fort. Putin, Potemkin, Parade, wer kann da schon widerstehen. Auch wenn auf dem Roten Platz keine Holzfassaden vorbeigetragen wurden.

«20Minuten» zeigt auch in diesem Bereich, wieso es weiterhin alle Bezahlzeitungen in seiner Reichweite abtrocknet. Gleich eine ganze Videogalerie nimmt auf die Sehgewohnheiten auch der jüngeren Leserschaft Rücksicht.

«watson» hingegen, Überraschung, bemüht sich auch in der Abteilung Video, das Niveau unermüdlich tieferzulegen. Mit Erfolg:

Und wie steht es denn mit der «Republik»? 50 Nasen, Millionenbudget, sollten da zur Rettung der Demokratie nicht auch Videos eingesetzt werden? Beschallt wird der Leser ja mit Podcasts, aber zum Bewegtbild hat’s noch nicht gereicht. Wahrscheinlich braucht es dafür zunächst eine neue Bettelrunde unter der Leserschaft.

Falsches Pathos

Ganz schlimm wird es, wenn sich minderbemittelte Schreibkräfte um Pathos bemühen.

«Man mag verzweifeln ob Wladimir Putin und der Grausamkeit der Welt. Man muss aber nicht. Hoffnung gibt es auch in dieser dunklen Stunde der Menschheit.»

Philipp Loser, der Superstar der schräg-dunklen Formulierungen.

Daniel Schneebeli spricht auch bei Tamedia ein wahres Wort in eigener Sache gelassen aus: «So verlangt die SVP zum Beispiel Sprachkenntnisse, die auch ein grosser Teil der Schweizerinnen und Schweizer nicht erfüllen.» Daher sollte man die Beherrschung der deutschen Sprache, an der auch gestandene Journalisten scheitern, bei Einbürgerungen nicht zur Voraussetzung machen. Denn Ausländer «sorgen hier für Wohlstand, sind vielen Schweizerinnen und Schweizern zu Freunden geworden. Mit ihnen wollen wir keine Spielchen treiben.»

Also, Spielen mit Ausländern verboten, meint Sprachkenner Schneebeli.

Auch «Blick»-Oberchefredaktor und Busfahrer Christian Dorer weiss, wie man in die Harfe greift. Soll der Staat helfen? Schliesslich sei genug Flüssiges vorhanden, bei den Kantonen und dem Bund: «Dieses Geld könnten sie für Inflationshilfe einsetzen – gezielt für jene, die es brauchen. Alle anderen sollten sich bewusst werden: Freiheit, Demokratie und Frieden haben ihren Preis. Und der wird gerade etwas höher.»

Wer es braucht, muss den Preis für Freiheit, Demokratie und Frieden nicht zahlen, weil der gestiegen ist. Also tanken für den Frieden. Heizen für die Freiheit. Kochen für die Demokratie. Gezielt geholfen oder reich genug, um diese Preise selbst zahlen zu können.

Pascal Tischhauser, stellvertretender «Blick»-Politikchef, verliert sich hingegen in eher dunklem Geraune: «Wie ernst es der Schweiz mit eigenen Sanktionen ist, zeigt sich erst dann, wenn – hoffentlich nie mehr – wieder ein Staat einen anderen überfällt. Dann aber kann sich die Regierung kein Zaudern mehr erlauben.»

Also, der Ernst zeige sich dann, wenn wieder ein Staat einen anderen überfällt. Was aber nie mehr geschehen sollte. Womit es dann nicht ernst wäre. Auf jeden Fall dürfte dann nicht gezaudert werden. Oder so, oder ganz anders.

Auch Patrik Müller, der Oberchefredaktor bei CH Media, versucht sich am hohen C: «Dank Bidens Brillanz gibt es berechtigte Hoffnung, dass die Ukraine gewinnen wird – und mit ihr die Freiheit und Demokratie.»

Denn: «Historiker vergleichen Joe Biden bereits mit Harry Truman, dem US-Präsidenten von 1945 bis 1953, der die Friedensordnung nach dem Zweiten Weltkrieg massgeblich prägte

Alt, senil und vertrottelt? Gar nicht, schwärmt Müller: «Es zeigt sich nun, wie wertvoll jahrzehntelange Führungserfahrung und auch ein hohes Lebensalter in Krisen von epochaler Dimension sein können.»

Da passt natürlich ein Hinweis auf die persönliche Krise Bidens mit der Ukraine weniger ins Heldeneopos. Dass der vor ein paar Jahren ultimativ verlangte, dass ein ukrainischer Staatsanwalt («that son of a bitch») umgehend gefeuert werde – weil der krummen Geschäften seines Sohnes Hunter Biden auf den Spuren war. Der drogenabhängige und sexsüchtige Tunichtgut hat zu allem Übel vertrottelt sein Laptop zum Reparieren gegeben – und vergessen, abzuholen. Worauf nun genüsslich der kompromittierende Inhalt an die Öffentlichkeit verklickert wird.

Ob dagegen ein genauso korrupter «US-Präsident Trump ein Horrorszenario» wäre, wie Müller meint?

In der NZZ tritt Ulrich Speck in grosse Fussstapfen. Er darf stellvertretend für Eric Gujer dessen Lieblingsgefäss «Der andere Blick» bespielen. Daher bemüht sich Speck um den richtig georgelten, staatsmännischen Ton: «Die SPD muss sich daher fragen lassen, inwieweit sie sich unwillentlich zum Handlanger des Machterhalts eines autokratischen Regimes hat machen lassen, das jetzt mit einem Angriffs- und Eroberungskrieg die europäische Friedensordnung attackiert.»

Ja, das muss sich die SPD fragen lassen, wird aber nicht antworten. Dabei sind die Folgen besorgniserregend: «Diese Erbschaft macht es der SPD äusserst schwer, heute als zentrale Regierungspartei eine neue Russlandpolitik auf die Beine zu stellen. Doch nur wenn die Fehler der Vergangenheit eingesehen werden, können die richtigen Lehren daraus gezogen werden – was wiederum nötig ist, um der Führungsverantwortung der Partei, die den Kanzler stellt, gerecht zu werden. Inmitten einer internationalen Krise, in der es auf Deutschland ankommt wie selten zuvor

Aus Fehlern lernen, Führungsverantwortung, internationale Krise, auf Deutschland kommt es an wie selten. Keine Worthülse, die Speck auslässt, um seinen Kommentar so ernsthaft wie gleichzeitig lächerlich ausklingen zulassen.

Bei pathetisch Geschwurbeltem darf natürlich der Champion aller Klassen des sprachlich Geholperten und inhaltlich Verstolperten nicht fehlen. Genau, Daniel Binswanger liefert das Absackerchen heute.

Er kümmert sich auch mal wieder um die grossen Linien, also um die Ukraine, Atomkrieg und das Schreiben von deutschen Intellektuellen an Kanzler Scholz, das bislang von mehr als 230’000 Bürgern (darunter auch der Autor dieser Zeilen) unterschrieben wurde. Obwohl:  Der Brief «strotzt nur so von absurden Verkürzungen und Einseitigkeiten». Zum Beispiel? «Die Forderung, den Atomkrieg zu vermeiden, wird weiss Gott niemand infrage stellen. Doch daraus für die Ukrainer eine Art Verpflichtung zur Kapitulation abzuleiten, ist argumentativ absurd und moralisch beschämend.»

Auch für Binswanger gilt leider, dass der Dreisprung «lesen, verstehen, kommentieren» nur selten gelingt. Aber immerhin, Jürgen Habermas findet Gnade vor dem strengen Auge des Kritikasters Binswanger: «Habermas benennt das «Dilemma», mit dem der Westen umgehen muss, sehr adäquat.» Ein Dilemma adäquat benennen? Vielleicht sollte es Binswanger mit weniger Fremdwörtern versuchen.

Aber immerhin, am Ende seiner endlosen 10’000 Anschläge gibt er dann klar den adäquaten Tarif durch: «Verhandlungen werden erst zielführend sein, wenn auch für Russland die Kosten zu hoch werden. Deshalb sind Lieferungen von schweren Waffen an die Ukraine das dringende Gebot der Stunde. Alles andere ist zu riskant.»

Lieber einen Atomkrieg riskieren als Appeasement. Was für ein verantwortungsloser Schwätzer.

Sauglattismus

Es ist mal wieder Zeit für eine Fotoromanza!

Eigentlich schafft es nur der «Tages-Anzeiger», sich selbst auf der Frontseite mit einem riesigen, riesig-schlechten Cartoon jeden Hauch von Seriosität zu nehmen. Bravo.

Das setzt sich dann auf der Kommentarseite fort. Kalten Arsches (Pardon) fordert hier der mutige Redaktor, dass man ein Zeichen setzen soll. Solidarität üben. Leider ist diese Aktion nicht kriegsentscheidend. Aber ein frostiger Beitrag dazu.

Der «Blick» hingegen melkt wirklich alles aus der Null-Story des Besuchs einer politischen Null in der Ukraine. Blöd auch, dass es nicht mal zu dem üblichen Handshake-Foto gereicht hat, sondern das Blatt sich mit einer Fotomontage auf der Front behelfen muss. So viel Kooperation hätte man von Irène Kälin schon erwarten dürfen. Aber eben, man kann’s – oder man kann’s nicht.

Eher verhalten berichtet CH Media über das Kriegsreisli unserer Nationalrats-Präsidentin. Man beachte den deutlich ranzigen Gesichtsausdruck der Umstehenden, die sich offenbar nichts sehnlicher wünschen, als dass diese Frau aus der Schweiz endlich mal das Wort wieder loslässt.

Lobenswert ist hingegen, dass sich die vielen Kopfblätter von CH Media durchaus auch dem Lokalen verschrieben haben. Auch wenn die Prominenz der linken Prominenz vielleicht nicht für jeden erkennbar ist.

In einer Welt für sich lebt wieder einmal die NZZ, und dafür gebührt ihr grosses Lob. Natürlich beherrscht auch ihre Frontseite der Gaslieferungsstopp. Aber daneben und mit Bild widmet sich die alte Tante einem Thema, das allen anderen schwer an einem gewissen Körperteil vorbeigeht. ZACKBUM ist entzückt.

Dazu gehört auch ein üppig fotografierter Bericht über den Anteil, den Kosaken im Kampf gegen Russland leisten. Auch dafür hat kein einziges anderes Organ den Nerv. Aber die NZZ kann noch einen drauflegen:

Das ist sowohl inhaltlich wie thematisch sehr konträr zum Mainstream und verdient deswegen höchstes Lob.

Früheres Qualitätsmedium

Seit CH Media die ehemaligen NZZ-Titel schluckte, geht’s bergab.

Immerhin, die Restanz der Fusion zwischen CH Media und den NZZ Lokaltiteln ist inzwischen entsorgt. Pascal Hollenstein spielt nicht mehr die publizistische Leiter nach unten, sondern ist offen für Neues.

Allerdings hat das nicht unbedingt zur Qualitätssteigerung beigetragen. Schauen wir uns mal diese Seite des St. Galler «Tagblatt» an. Das war früher mal ein niveauvolles Blatt, das stolz darauf war, aus dem Hause NZZ zu stammen. Inzwischen muss halt die Einheitssauce aus Aarau übernommen werden:

Auf dieser Seite gibt es zwei bemerkenswerte Dinge. Zunächst das Foto des SVP-Nationalrats und Herausgebers der «Weltwoche». Ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte. Nun ist Roger Köppel sicherlich kein Schönling. Aber muss es ein Foto sein, überschrieben noch mit «Brandrede», das an einen bissigen Fanatiker erinnert, einen Schreihals? Offener Mund, zum Zubeissen bereit, fanatische Augen hinter Brillengläsern, jede Bildredaktion, die noch etwas Ehre im Leib hätte, würde so ein Foto nicht vorschlagen. Ausser natürlich, es entspricht allen Vorurteilen, die man gerne pflegen möchte.

Darunter ist der Titel interessant. Man erinnert sich, am Freitag kam Tamedia mit dem Primeur, dass der Impf-Präsident Christoph Berger entführt worden sei und sich «stundenlang» in Geiselhaft befunden habe. Der Entführer sei möglichweise ein Corona-Leugner, ein Aluhutträger, ein Anhänger von Verschwörungstheorien. Zum grossen Ärger von Tamedia bekam der Konzern mittels Superprovisorischer untersagt, den Namen des Entführungsopfers zu nennen. Was die Konkurrenz, inklusive NZZ und CH Media, dann fröhlich tat.

Es brandete dann eine Welle von Kommentaren über die Leserschaft herein. Vergiftetes Klima in der Schweiz, vor allem Corona-Skeptiker neigten zur Militanz, gar zur Gewalt. Furchtbar, keine Zustände, und nun das noch, selbst vor einer Entführung schrecken diese aufgepeitschten Fanatiker nicht zurück. Welch eine bedauerliche Degeneration der politischen Auseinandersetzung in der Schweiz.

Nun haben all diese Japser ein dummes Problem. Der entführte Impfchef ist ein aufrechter Mann und äusserte sich ein einziges Mal gegenüber den Medien zu seiner Entführung. Dabei stellte er klar, dass er während der einen Stunde, in der er in der Gewalt des Entführers gewesen sei, keinesfalls den Eindruck gehabt habe, das Kidnapping habe etwas mit seiner Position zu tun. Im Gegenteil, Berger schreibt, dass er sich nicht einmal sicher sei, ob der Entführer gewusst habe, welches Amt er bekleide. Es sei ihm offensichtlich nur ums Geld gegangen.

Nach der Zusicherung, das Geld zu besorgen, liess ihn der Kidnapper überdies nach einer Stunde wieder laufen. Nach dieser dilettantischen Aktion kam es beim polizeilichen Zugriff zu einem Blutbad. Der Entführer, der plötzlich eine Waffe gezogen haben soll, wurde bei der nachfolgenden Schiesserei tödlich verletzt. Zuvor hatte eine Kugel aus seiner Waffe seine Lebensgefährtin getötet.

Alles Weitere liegt noch im Dunkeln, auch, welche Rolle ein Geschäftspartner des Erschossenen spielt. Auf jeden Fall scheint ein direkter Zusammenhang mit der Bewegung der Impf-Skeptiker unwahrscheinlich. Dieses Statement von Berger wird daher in den Mainstream-Medien mehr oder minder kommentarlos wiedergegeben. Ein kurzes Zeichen der Reue, ein Eingeständnis, dass man vorschnell einem Narrativ aufsass – fanatisierter Impfgegner greift zur rohen Gewalt und entführt den Impfchef –, ach was.

Wenn ein Narrativ mit der Wirklichkeit kollidiert, ist das halt Pech. Für die Wirklichkeit.

Medienopfer

Verwirrspiel um einen Entführten.

So kann’s gehen, wenn Opferschutz und eine superprovisorische Massnahme zusammenspielen. Leidtragender ist hier das Medium, das die News zuerst hatte. So titelte Tamedia bei der Recherche über die Hintergründe zur Bluttat in Wallisellen:

Aber die exklusive Recherche blieb nicht lange im Netz:

Das bedeutet, dass hier der Blitz einer superprovisorischen Verfügung eingeschlagen hat. Denn es ist dem Opfer eines Gewaltverbrechens freigestellt, die Publikation seines Namens zu untersagen. Im Falle einer superprovisorischen Anordnung kann dieses Recht ohne Anhörung der Gegenseite durchgesetzt werden. Ob nun Tamedia übergeordnetes öffentliches Interesse angesichts der Position des kurzzeitig Entführten geltend machen kann oder nicht: das wird erst in einem zweiten Schritt, dem ordentlichen Verfahren, entschieden.

Also entschloss sich Tamedia zu Version drei:

Inzwischen hatten aber andere Medien Leute gerochen und das Thema aufgenommen. Die Nachrichtenagentur SDA, auf die die meisten Schweizer Zeitungen abonniert sind, trompetete:

 

Und auch die vornehme NZZ nannte den Namen:

Dazu kamen dann noch weitere Medien. Wie ist es möglich, dass die meisten anderen Newsquellen den Namen nennen, Tamedia das aber nicht tun kann? Etwas unverständlich, aber einfach: Die anderen Blätter hat offensichtlich keine superprovisorische Verfügung ereilt.

Es gleicht sowieso etwas dem Versuch, die Zahnpasta wieder in die Tube zu quetschen. Denn der Name ist raus, und Tamedia ging sicher nicht zu Unrecht davon aus, dass angesichts der prominenten Person des Entführungsopfers die Nennung seines Namens erlaubt sein sollte. Da die Rechtsabteilung von Tamedia vielleicht nicht über jeden Zweifel erhaben, aber doch kompetent ist, wusste man natürlich um die Gefahr einer Superprovisorischen.

Also spielte man «no risk, no fun». Und geriet damit in die leicht absurde Position, dass Tamedia zwar den Scoop ausgegraben hatte, ihn aber recht schnell nicht mehr anpreisen durfte. Während das die Konkurrenz ungeniert tut.

Die im Volksmund Superprovisorische genannte Massnahme stellt tatsächlich in unserem Rechtssystem eine Ausnahme dar. Denn es ist vernünftiger Brauch, dass der von einer Entscheidung Betroffene immer Gelegenheit haben muss, vor der gerichtlichen Anordnung dazu gehört zu werden. Also seine Argumente vorzutragen, wieso ein richterlicher Entscheid zu seinen Gunsten und nicht gegen ihn gefällt werden sollte.

ZACKBUM hat sich schon mehrfach mit diesem Sonderartikel befasst.

Für die Anordnung einer Superprovisorischen müssen einige Kriterien erfüllt sein:

  • Gegen periodisch erscheinende Medien darf das Gericht eine vorsorgliche Massnahme nur anordnen, wenn:
  • die drohende Rechtsverletzung der gesuchstellenden Partei einen besonders schweren Nachteil verursachen kann;
  • offensichtlich kein Rechtfertigungsgrund vorliegt;
  • und die Massnahme nicht unverhältnismässig erscheint.

Inwieweit die drohende Rechtsverletzung, also hier die Namensnennung des Entführungsopfers, einen besonders schweren Nachteil darstellen soll, ist auf den ersten Blick ebenso unerfindlich wie das Nicht-Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes (hier das öffentliche Interesse, ausgelöst durch die exponierte Position des Opfers).

Es stellt sich wieder einmal die Frage, ob unter dem Stichwort Opferschutz nicht allzu freizügig mit Massnahmen hantiert wird, die letztlich nichts anderes als die Zensur eines Mediums bedeuten.

Freie Presse

Kommentar? Kommentar fast überflüssig. Die neue Rubrik.

Wir widmen uns wieder mal dem, was übrigbleibt, wenn das Überthema Ukraine wegfällt. Fangen wir mit dem Auflageking an, «20 Minuten»:

Chli stinke muess es, aber nicht hier.

Zeitpunkt verpasst.

Wir spazieren zum Mutterhaus Tamedia:

Links, subventioniert, pleite. Der ewige Dreiklang.

Alles, einfach alles ist problematisch in der Welt des Tagi.

 

Was bietet CH Media an klarer Kante?

Hat aber nichts mit den Privatradios des Wanner-Konzerns zu tun.

Wir brauchen was Leichtes, sagte der Tagesverantwortliche …

Nun zum Blatt der gebildeten Stände und des differenzierten Nachdenkens. Richtig geraten, «Blick»:

Das ist mal politisch korrekt, keine Namensnennung.

Pierin Vincenz im «Blick», mit namentlich genannter Dame an seiner Seite.

Sag beim Abschied leise Ma-ma-maske.

Könnte das irgendwie rassistisch sein?

Auf jeden Fall ist es die passende Überleitung zum zweiten Intelligenzblatt. Genau, die NZZ:

Was dem einen sein Sauerkraut, ist dem anderen sein Sauerteig.

Immerhin ein Wort der Vernunft.

Das passende Stichwort – für «watson», claro.

Wer hier lacht, sollte sich untersuchen lassen. Ernsthaft.

Wir wollen am Schluss versöhnlich sein (oder auch nicht).

Alternative Bürgerjournalismus

Von der Vielfalt zum Einheitsbrei: Gibt’s einen Ausweg?

Von Felix Abt

Vor etlichen Jahrzehnten habe ich in Personalkantinen gegessen, wo jeden Tag ein immer gleich schmeckender Einheitsbrei serviert wurde, sozusagen mit Firmenstallgeruch. Dagegen boten die Medien damals ein tägliches Menu mit Vielfältigem, Informativem, Interessantem sowie Reportagen und Analysen mit Tiefgang an. Inzwischen hat sich das umgekehrt: Personalkantinen haben sich zu Personalrestaurants gemausert, wo vielfältiges, schmackhaftes Essen, zubereitet von Köchen, die auch über Kompetenz in gesunder Ernährung verfügen, angeboten wird.

Die damals unzähligen Medien wurden seither sowohl weltweit wie auch in der Schweiz, grossmehrheitlich von Konzernen aufgekauft, womit die Vielfalt zur Einfalt schrumpfte, und die grosszügige Medienmenükarte auf den Einheitsbrei mit Konzernstallgeruch reduziert wurde. Begleitet war die Medienkonzentration mit dem Zusammenlegen von Redaktionen, dem Ausdünnen des Korrespondentennetzes, dem Abbau vieler Journalistenstellen und dem Einstellen, billigerer, weniger qualifizierten Medienschaffenden.

Als es obligatorisch war, die NZZ zu lesen

In der Prä-Einheitsbreiperiode war es fast ein «Muss», die NZZ zu lesen, wo journalistische Riesen wie zum Beispiel ein Ernst Kux die Sowjetunion und China haarscharf beobachtete, abklopfte und erklärte, oder der mit dem Markenzeichen (H.A.) berühmt gewordene Hansjörg Abt unerschrocken und tief hinter die Wirtschaftskulissen guckte und Skandale enthüllte, oder ein Arnold Hottinger, der den Nahen Osten so gut kannte und so gut verständlich machte wie kein zweiter Journalist im deutschen Sprachraum. Inzwischen sind alle Riesen abgetreten und haben den journalistischen Zwergen Platz gemacht. Das bedeutet, dass es heute eigentlich keinen Unterschied mehr macht, ob man die NZZ noch liest oder nicht.

Journalist Arnold Hottinger †.

Als jemand, der aus geschäftlichen Gründen viel auf der Welt herumgekommen ist, habe ich auch etliche Medien aus dem anglosächsischen, lateinamerikanischen und asiatischen Raum in Flugzeugen und Hotels konsumiert. Dabei ist mir aufgefallen, dass deutschsprachige Medien meist nur ein Abklatsch amerikanischer und englischer Medien waren, wenn es um internationale Nachrichten und Reportagen ging. Weil die Originale halt immer noch wesentlich besser sind als die ausgedünnten, deutschsprachigen Billigkopien, zog ich es vor, mehr englischsprachige Medien zu konsumieren.

Die weltweit profitorientierte Verlagerung von Familieneigentum zu börsennotierten Medienkonzernen hat natürlich zu einem schamlosen Wettlauf weg von journalistischen Spitzenleistungen geführt. Wie können Nachrichten – ob innerhalt oder ausserhalb der Vereinigten Staaten – gedeihen, wenn NBC 500 Millionen Dollar für die Übertragungsrechte der National Football League ausgibt?

Die Massenmedien schaden sich selbst

Klick-ködernde Massenmedien haben sich auch geschadet, indem sie immer mehr Meinungen und Fakten vermischten, oder haben ihre Glaubwürdigkeit verloren wegen ihrer forschen Parteinahme in politischen Angelegenheiten. So haben sich die amerikanischen Medien bei den Präsidentschaftswahlen 2016 fast unisono, massiv und unverschämt für die Kandidatin Hillary Clinton und gegen Donald Trump als Kampagnenhelfer engagiert. Was immer man auch von Trump halten mag, der Mangel an objektiver und fairer Berichterstattung hat selbst Trumpkritiker schockiert.

Nicht nur die NZZ hatte mal journalistische Riesen, auch andere renommierte Zeitungen, wie zum Beispiel die «New York Times». Chris Hedges war so einer, wegen dem das Blatt sogar einen Pulitzer Preis gewann. Er arbeitete für die «Times» während 15 Jahren als Korrespondent, gut qualifiziert mit fliessendem Spanisch in Südamerika und mit fliessendem Arabisch im Nahen Osten. Als er sich kritisch zu Amerikas illegalem Irakkrieg äusserte, wurde er von der «Times», einer Echokammer der U.S. Regierung und einer Kriegs-Cheerleaderin, einfach rausgeschmissen. Zwar «geächtet» von den Corporate Media, aber stets brillant, blieb ihm nichts anderes übrig, als für wesentlich weniger bekannte Medien tätig zu sein. Sein neuster Artikel «Waltzing to Armageddon» ist eine intelligente Analyse des aktuellen Kriegsgeschreis, wo er darlegt, warum und wie es unverhofft in eine Katastrophe epischen Ausmasses umschlagen kann. Natürlich sind derartige Gedanken bei den Kriegstrommlern in der Politik und den Medien, die gegenwärtig auf einer Flutwelle reiten, verpönt.

Journalist Chris Hedges.

Staatliche Medien können das Vakuum nicht füllen und bedienen sich auch zweifelhafter journalistischer Methoden. BBC-Starjournalist John Sweeney beispielsweise legte englische Universitätstudenten herein, und reiste mit ihnen als falscher «Universitätsprofessor» nach Pjöngjang, um dort einen Dokumentarfilm zu drehen.  Mehr gesehen als jeder andere am Händchen geführte Tourist hatte er dabei nicht. Immerhin konnte er ein paar graue Häuserfassaden und drei Meter hohe Mauern filmen, als Beweis für die schrecklichen Dramen, welche sich tagtäglich dahinter abspielen unter der brutalen nordkoreanischen Diktatur. Er filmte auch einige der vielen Propagandaposter, um zu beweisen, wie arme Nordkoreaner mit einer wahnsinnigen Hirnwäsche tagtäglich drangsaliert würden. Die vielen Nordkoreaner, die ich kannte, haben die Propagandaposter kaum zur Kenntnis genommen.

Journalist John Sweeney.

Da es immer weniger Auslandsbüros und feste Auslandskorrespondenten gibt und andere traditionelle Methoden des Fallschirmjournalismus bei der Berichterstattung schwieriger Themen nicht effektiv sind, können Bürgerjournalisten eine Lücke füllen und die Öffentlichkeit besser über Nachrichten und Hintergründe aus aller Welt informieren.

Bürgerjournalismus aus China

Als einer, der sich seit Jahrzehnten mit China beschäftigt und das Land auch unzählige Male besuchte, wollte ich wissen, was hinter der äusserst schwerwiegenden Anschuldigung der amerikanischen Regierung und westlicher Medien steckt, welche von einem Genozid der Muslime in der chinesischen Provinz Xinjiang reden. Ich habe deshalb Ausländer, insbesondere Amerikaner, die fliessend Chinesisch sprechen und Xinjiang öfters besuchen, kontaktiert. Die meisten haben Videoaufnahmen gemacht, einige sogar mit versteckter Kamera. Anders als wenn BBC oder CNN mit ihren Kamerateams vor Ort aufmarschieren und lokale Behörden und Bevölkerung nervös machen, weil sie mit deren Intentionen («China bashing») vertraut sind, können sich nicht journalistisch tätige Ausländer dort frei bewegen und mehr oder weniger filmen, was sie wollen. Das Resultat meiner Recherchen ist hier publiziert.

Als Abraham Zapruder mit seiner Amateurkamera beschloss, den Besuch von John F. Kennedy 1963 in Dallas zu filmen, nahm er unbeabsichtigt Bilder von dessen Ermordung auf, die als Vorläufer des Bürgerjournalismus betrachtet werden können.

Bürgerjournalisten ohne formelle journalistische Ausbildung sind nicht notwendigerweise weniger objektiv und weniger fair als professionelle Journalisten. Deren Berichterstattung ermöglicht ausserdem das Erzählen von Geschichten und persönlichen Erfahrungen, deren Zeugnis eine neue Dimension bietet.

 

NZZ: Sand im Getriebe?

Früher mal war die alte Tante technologisch ganz vorne. Aber dann kamen die falschen Cracks.

Was Wanner sein Hansi Voigt war, war bei der NZZ Peter Hogenkamp. Trug gut vor, versprach das Blaue vom Himmel, lieferte nix und war an nichts schuld. Bis er sich dann «vermehrt anderen Aufgaben» zuwenden wollte.

Seither, und sein Abgang ist schon fast 10 Jahre her, rumpelt es im IT-Bereich bei der NZZ. Wer nach der NZZaS sucht, bekommt das hier serviert:

Dann kommt ein weiterer Artikel, dann endlich weiss der Leser, dass er an der richtigen Adresse gelandet ist:

Die Sicherheit wird nicht gerade verstärkt durch eine Montage, mit der Präsident Putin die Zarenkrone aufs Haupt gemecht wurde. So wie das ein Kindergartenschüler mit Schere und Klebstoff auch hinkriegen würde.

Aber item, die Artikel kann man sich nicht mehr vorlesen lassen: «In der Tat, die gewünschte Funktion steht aktuell nicht zur Verfügung. Selbstverständlich werden wir unsere digitalen Dienste fortlaufend verbessern, und danken Ihnen für Ihre wertvollen Hinweise. Diese haben wir an die zuständige Abteilung weitergegeben.»

Wer zuerst etwas abbaut, kann dann anschliessend locker «fortlaufend verbessern». Hört sich aber nach einen Schritt zurück, einen Schritt nach vorn an, also höchstens Treten am Ort.

Einzelne Artikel wie einen Kommentar von Tobias Straumann findet man nur mit grösseren Anstrengungen.

Auf der Webseite der NZZ kommt alles soweit aufgeräumt und anständig daher. Nur fällt auch hier auf: ein direkter Verweis auf die NZZaS findet nicht statt. Lediglich unter «Die Redaktion des NZZ Magazins empfiehlt» tauchen Artikel aus der NZZaS auf, nicht etwa des Magazins. Das ist ein wenig so wie wenn der Schwanz mit dem Hund wedeln würde. Denn im «Magazin» selbst langweilt eine Titelgeschichte über einen misslungenen Venedig-Ausflug.

Wollte man bösartig sein, und wieso will man das nicht, könnte man all das so interpretieren, als ob es Winke mit ganzen Zaunlattenreihen wären, dass die NZZaS bald einmal aufgesaugt und in die NZZ integriert wird. Einfach eine siebte Ausgabe, aber more of the same.

ZACKBUM ist (noch) nicht bereit, darauf Wetten abzuschliessen. Noch nicht.

Schmierenstück aus dem Hause NZZ

Die Suche nach bekömmlichen Newsquellen wird immer schwieriger.

Eigentlich stellt der Ringier-Verlag keine ernsthafte Konkurrenz für die alte Tante von der Falkenstrasse dar. Zu unterschiedlich ist das Zielpublikum, zu anders die Ansprache und der Anspruch.

Umso befremdlicher, wenn auch in der NZZ die Schmiere Einzug hält. Besser gesagt kaum verhohlene Häme. Nach der NZZ-üblichen Bedenkzeit rechnet Redaktor Lucien Scherrer mit dem Ringier-Verlag ab. Als Mittel der Wahl dient ihm dafür – Überraschung – der deutsche Altkanzler Gerhard Schröder. Immerhin 6500 Buchstaben ist es der NZZ wert, das «Liebes-Aus» zu verhöhnen, als wolle sich der Autor bei der «Glückspost» bewerben.

Schröder, Putin-Versteher und sogar Freund, geschäftlich mit Russland verbunden, und dann Berater von Ringier, diese Steilvorlage will sich Scherrer nicht entgehen lassen. «Jahrelange Kumpanei, viele «Exklusiv»-Interviews», so nimmt der Autor Anlauf, um schnell zu ersten Höhepunkten zu gelangen:

«Vorsorgliche Abrechnung mit einem Appeaser, den man jahrelang hofiert, vermarktet und benutzt hat».

Appeaser, echt jetzt? Denn Scherrer hat das kleine Problem, dass sich Ringier ja gerade von seinem Berater Schröder getrennt hat – und ihn schon vorher massiv kritisierte. Das allerdings nur, bleibt Scherrer unerbittlich, weil man den «im allgemeinen Distanzierungseifer schnellstens fallen lässt, um dem moralischen Nullpunkt selber nicht noch näher zu kommen».

Rückgriff in die Vergangenheit

Blicke in die Vergangenheit sind immer gut, um das Munitionslager in der Gegenwart aufzufüllen. Dafür greift Scherrer auf diverse «Exklusiv»-Interviews zurück; besonders angetan hat ihm eins, das «Blick»-Oberchefredaktor Christian Dorer 2017 führte, «drei Jahre nach der Krim-Annexion». Frage: «Halten Sie Russland für gefährlich? Könnte es weitere Annexionen geben?» – «Schröders Antwort: «Die Sicherheit dieser Staaten ist durch die Nato garantiert», die Krim hingegen werde kein russischer Präsident je zurückgeben, denn Russland habe sie gar nie abtreten wollen.»

Steilvorlage für einen Schlusspunch: «Die Ukraine lässt Schröder mit seiner Antwort elegant aus dem Spiel, denn sie war und ist nicht «durch die Nato garantiert». Was das heisst, hat sein Freund am 24. Februar gezeigt – und damit nicht nur seine Fans, sondern auch einige Journalisten blamiert.»

Wie sehr blamiert sich allerdings Scherrer selbst, wenn er aus einem Interview, das 12’500 Buchstaben umfasst, alle damaligen Themen abfragt, Merkel, Flüchtlingskrise, neugewählter Präsident Macron, die Schweiz, die Türkei, der Brexit, Präsident Trump, sich auf ganze drei Fragen fokussiert, die zu Russland und der Krim gestellt wurden?

Wie lautete der kurze Abschnitt im Original?

«Halten Sie Russland für gefährlich? Könnte es weitere Annexionen geben?
Die Sicherheit dieser Staaten ist durch die Nato garantiert. Bei der Krim aber prophezeie ich Ihnen: Es wird keinen russischen Präsidenten geben, der die Krim wieder zurückgibt. Dieser Realität muss man ins Auge schauen, ob man es akzeptieren mag oder nicht.

Warum ist das so?
Wenn Chruschtschow 1954 nicht geglaubt hätte, der Sowjetkommunismus werde so alt wie die katholische Kirche, dann hätte er die Krim niemals an die Ukraine übergeben. Es bestand ja kein Grund dafür. Die Russen haben in Sewastopol einen Militärhafen. Wenn die Ukraine Teil der Nato gewesen wäre, und das war der Plan, dann hätte dieser Hafen mitten im Nato-Gebiet gelegen. Eine groteske Vorstellung. Es gibt auch unterlassene Sensibilitäten des Westens gegenüber Russland. Von der Politik der Amerikaner ganz zu schweigen.

Ist es derzeit schwierig, mit Russlands Präsident Putin befreundet zu sein?
Ich bin ein freier Mensch. Und gerade in schwierigen Zeiten ist es doch wichtig, miteinander zu reden.»

Wenn nicht polemischer Wille alle Qualitätsansprüche überfährt: ist das wirklich einer NZZ würdig, hier von einem «Liebes-Aus» zu schwafeln? Zwar zähneknirschend einzuräumen, dass Ringier das Mandatsverhältnis per sofort beendete, Schröder auch zuvor kräftig kritisierte, dann aber süffisant aus uralten Interviews Bruchstücke zu zitieren – ist das nachdenklich-ausgewogener Journalismus?

Wiederholungstäter Scherrer

Auch die NZZ muss beachten: einen guten Ruf erwirbt man sich über Jahre und mit viel Arbeit. Verspielen kann man ihn schnell und fahrlässig. In letzter Zeit wurde viel darüber geschnödet – zu Recht –, dass es um die Qualitätskontrolle bei Tamedia nicht gerade zum besten bestellt sei. Allerdings beweisen Mitarbeiter wie Rafaela Roth oder Lucien Scherrer, dass auch im Hause NZZ dieses Problem existiert. Denn gäbe es eine funktionierende Kontrolle, hätten diverse Artikel nicht erscheinen dürfen. Darunter auch dieses niveaulose Bashing eines Konkurrenten am untauglichen Beispiel.

Während Roth mehr mit Dubletten-Interviews und Backfisch-Jubel auffällt, hat Scherrer schon mal kräftig ins Klo gegriffen, als er belegfrei behauptete: «Gemäss Informationen der NZZ gibt es Pläne, die Printausgabe von «20 Minuten» im nächsten Jahr einzustellen.» Das nächste Jahr wäre 2021 gewesen. Und ein energisches Dementi des Verlags wird zwar kurz erwähnt, aber was soll’s, etwas hängen bleibt doch immer, sagte sich Scherrer damals. Schmiere halt.

 

 

 

 

 

 

 

Wumms: Sportjournalisten

Sind Sportler intelligent? Kann man allgemein nicht beantworten. Bei Sportjournalisten schon.

Die Schweizer Medienkonzerne schenken sich normalerweise nichts. Selbst die NZZ ist sich nicht zu fein, in Boulevard-Manier auf Ringier einzuprügeln. Von Ausfälligkeiten bei Tamedia gegen unliebsame Konkurrenten ganz zu schweigen.

Aber im Bereich Sport gibt es eine blattübergreifende Koalition der Unwilligen. Von Kriegsgurgeln, die Sport als politische Kampfarena entdeckt haben.

Der Tamedia-Redaktor Marco Oppliger beschimpft das Komitee der Paralympics hemmungslos. Russischen Behinderten die Teilnahme nicht zu verwehren, das sei «an Feigheit nicht zu überbieten». Wäffelt der Redaktor feige aus seiner wohlgeheizten Arbeitsstelle.

Schäbiger geht’s nicht mehr; Behinderten diese Möglichkeit nehmen wollen, sich als leistungsfähig und wettkampftauglich zu bestätigen. Da darf auch Steffi Buchli nicht fehlen, Quotenfrau und Chefredaktorin Sport der «Blick»-Gruppe. Sie wurde schon beim Fall Djokovic auffällig und ausfallend.

Statt sich auf ihre Kernkompetenz zu beschränken, schwingt sie sich wieder zur Welterklärerin auf: «Kein Land hat das Recht, in ein anderes, friedliches Land einzumarschieren.» Das ist sehr wahr, da muss die rote Karte gezückt werden, oder?

Nun ja, zuerst muss sich Buchli noch ein wenig für ihre Regierung und so schämen:

«Die Welt schüttelte gerade tagelang verständnislos den Kopf wegen uns, wegen unserer Zauder-Regierung, die lange Lauwarmes von sich gab und schliesslich zum Wochenstart doch noch mit den EU-Sanktionen mitzog.»

Die arme Welt, der muss es ja ganz anders geworden sein, nach tagelangem, ununterbrochenem Kopfschütteln. Nun haben Fifa und Uefa Russland von allen Wettbewerben ausgeschlossen. Das Durchführen von Spielen in Ländern, in denen Diktaturen herrschen und Stadien unter unmenschlichen Bedingungen hochgezogen werden: das kratzt die Verbände – und Buchli – null. Aber hier kann ein Zeichen gesetzt werden: «Der Ausschluss ist der einzig richtige Weg. Neutralität in einem Angriffskrieg gibt es nicht

Nimm das, neutrale Schweiz. Dummheit hingegen ist – neutral betrachtet – nie auszuschliessen.

Auch der Schweizer «Chef de Mission» Roger Getzmann ist in kriegerischer Stimmung: «Der Ausschluss ist im Sinn von Swiss Paralympic

Wir versuchen, den Sinn von Swiss Paralympic zu verstehen. Der besteht also darin, behinderten Sportlern aus Russland die Möglichkeit zu nehmen, an Wettkämpfen teilzunehmen, auf die sie sich jahrelang vorbereitet haben und die für sie ein Lebenshöhepunkt wären? Weil die Regierung ihres Land ein anderes überfällt? War es auch im Sinn von Paralympic, den Ausschluss von US-Sportlern zu fordern, als die USA den Irak überfielen? Oder ist es der Sinn von Swiss Paralympic, Zweifel an der geistigen Unversehrtheit ihrer Funktionäre aufkommen zu lassen?