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Ex-Press XLII

Blüten aus dem Mediensumpf.

Auch die «Republik» gerät in Ferienlaune. Das merk man an zwei Dingen. Der Output ist noch magerer als sonst schon. Nehmen wir den 8. Juli als Beispiel. Der Sonntag, wo die «Republik» sowieso ruht, ist noch ein Stückchen entfernt. Aber im Angebot sind lediglich vier Werke. Bei genauerer Betrachtung ein einziges.

Denn auf 15’000 Anschlägen berichtet die «Republik» darüber, wie über die «Republik» berichtet wurde. Lächerlich kurze 4400 A dauert eine launige Kolumne von Olivia Kühni über, nun ja, über sich selbst.

Und originell mit «Gentili signore e signori» beginnt das geschwätzige Inhaltsverzeichnis der Werke dieses Tages, also konkret die Bauchnabelschau von Kühni und, tataa, knapp 28’000 A über das «Reich des Zollfreikönigs». Denn die «Republik» hat herausgefunden, dass Juan Carlos Torres Carretero als Präsident des VR von Dufry letztes Jahr 4,5 Millionen Franken verdient hat.

Wobei herausgefunden nicht ganz stimmt:

Hatten wir doch knapp einen Monat vorher schon.

Aber warum sollte man denn auf eine eigene Idee kommen, wenn das andere schon erledigen. Dufry ist der weltweit grösste Betrteiber von Duty Free Shops an Flughäfen, auf Kreuzfahrtschiffen, usw. Weltweit über 2300 Zollfreiläden mit über 20’000 Angestellten in 65 Ländern.

Aufpumpen, aufblasen, aufmascheln

Nun wurde Dufry von der Corona-Pandemie und dem weitgehenden Zusammenbruch von Flugverbindungen oder Kreuzfahrten schwer gebeutelt. 13’000 Angestellte mussten entlassen werden; diverse Länder unterstützten Dufry als bedeutenden Arbeitgeber finanziell.

Aber die Kette ist nicht untergegangen, nicht zuletzt dank den Bemühungen von Torres Carretero. Dafür kassierte er diese erkleckliche Summe. Wie in der bz zu lesen war. Mitte Juni. Nun braucht natülich der vertieft recherchierende «Republik»-Journi auch so seine Zeit, bis er diese Information zu rund 28’000 A aufgepumpt, aufgeblasen, aufgeschäumt hat.

Denn ausser detaillierten Beschreibungen dieses Vorgangs bietet der Artikel eigentlich nichts Neues. Gar nichts Neues. Aber stellen wir uns vor, dieser ausgewalzte Aufguss wäre nicht am 8. Juli erschienen. Dann hätte sich zwar der Wunsch von Kolumnistin Kühni erfüllt:

«Stellt euch vor, was entstünde, hätten alle ein bisschen weniger Lärm. Ein wenig mehr jener tiefen, klaren Konzentration; einen Raum, um einen Gedanken zu Ende zu bringen. Es wäre revolutionär, es ist revolutionär.»

Zu revolutionär für die «Republik».

Von oben nach unten

Genau, da können wir eigentlich nur bei «watson» gelandet sein. Ins Auge fällt diesmal dies:

 

Und zieht sich und zieht sich und zieht sich. Aber immerhin: es ist wenigstens nicht abgekupfert. Was man von diesem Gefäss eher weniger sagen kann:

Teilweise etwas respektlos? Nein, völlig geschmacklos.

Gibt’s denn wirklich nichts mit Niveau bei «watson»? Nun, dafür wäre ja Philipp Löpfe zuständig, der Wirrkopf und Spezialist für alles, sowie für nichts. Der will mal wieder ein ganz dickes Brett bohren:

Was ist nun schon wieder los, Donald Trump ist doch bekanntlich abgewählt. Schon, räumt Löpfe ein, aber das heisst ja noch nix, denn die ganze republikanische Partei sei «offensichtlich gewillt, die Demokratie zugunsten des Machterhalts über Bord zu werfen».

Öhm, aber sie hat doch zusammen mit Trump die Präsidentschaftswahlen verloren, oder doch nicht? Also kann sie doch in Sachen Machterhalt nicht wirklich aktiv unterwegs sein. Aber wie auch immer, neben anderen fiesen Tricks setze sie zum «Kulturkrieg» an, wobei das wie immer «Erinnerungen an dunkle Zeiten aufkommen lässt. Im Zentrum dieses Kulturkrieges steht die Critical Race Theory (CRT). Sie besagt im Wesentlichen, dass Rassismus ein integraler Bestandteil der amerikanischen Gesellschaft ist».

Nö, das besagt die CRT im Wesentlichen eher weniger, sondern mehr, dass die Zugehörigkeit zu einer Rasse ein soziales Konstrukt und keine biologische Kategorie sei. Wie spielt sich denn dieser Krieg so ab?

«Texas wiederum verbietet kategorisch, im Klassenzimmer Thesen zu verbreiten, wonach «Sklaverei und Rassismus etwas anderes sind als Abweichungen oder Fehlinterpretationen der authentischen Gründungsprinzipien der Vereinigten Staaten».»

Nun, wer die Gründungsprinzipien der USA kennt, was man von Löpfe offenbar nicht behaupten kann, würde dieser Ansicht durchaus zustimmen. Aber das ist für Löpfe ja nur der Anfang vom Ende, das er ganz deutlich sieht:

«In den USA werden zwar noch keine Bücher verbrannt, doch die Tendenz geht in diese Richtung.»

Diese Tendenz sieht allerdings nur Seher Löpfe. Woran das bei ihm liegt, wagen wir nicht zu ergründen. Auf jeden Fall schliesst er den weiten Bogen und kehrt in heimische Gefilde zurück: «Vor dem Zweiten Weltkrieg war die Schweiz eine von einer Handvoll überlebenden Demokratien. Kein Zustand, den wir ein zweites Mal erleben möchten.»

Wir möchten hingegen kein zweites Mal eine Analyse von Löpfe lesen, aber Wünschen hat bekanntlich noch nie geholfen.

Baba, blabla, bajour

Eigentlich wollten wir diesen Rundgang durch die Sumpf- und Flachgebiete der Schweizer Medien mit einem Blick auf «bajour» abrunden. Dort scheint es aber so zu sein, dass der Oberverröster von Sponsor- und anderen Geldern, Hansi Voigt, dermassen mit seinen Aktivitäten auf Twitter und anderen sozialen Medien ausgelastet ist, dass eigentlich weder Aktuelles noch sonst Nennenswertes auf dieser Webseite steht:

Wer für so einen Schrott «Member» werden möchte und sich von 40 Franken trennen, ist wirklich selber schuld. Ob es wohl Zufall ist, dass die platte Plattform die Zahlen der «Member» nicht mehr stolz ausweist? «Unabhängigen, tiefgründigen Journalismus für Basel» verspricht «bajour» dafür. Nur: wann man damit anfangen will, das wird nicht gesagt.

Trump gefährdet die öffentliche Ordnung

Das mag vielleicht sein. Aber dürfen nun Privatkonzerne Recht sprechen und Urteile fällen?

Ex-Präsident Donald Trump wird bis Januar 2023 keinen Zugang zu Facebook oder Instagram haben. Von Twitter ist er bereits lebenslänglich verbannt. Auch YouTube hat sich diesem Bann angeschlossen. Als diese Massnahmen zuerst im Zusammenhang mit der schändlichen Erstürmung des US-Kapitols bekannt gegeben wurden, passierten zwei Dinge.

Vom linken Mainstream wurden diese Zensurmasnahmen freudig begrüsst. Nur wenige Kommentatoren wagten es, sie als bedenklich und fragwürdig zu kritisieren. Nicht aus Sympathie für den notorischen Lügner Trump. Sondern weil es gefährlich ist, wenn solche Entscheide privater Gerichtsbarkeit überlassen werden.

Mit dem zunehmenden Bedeutungsverlusts Trumps, der wie der Politik-Irrwisch Steve Bannon wohl kaum ein Comeback feiern wird, liess zweitens das Interesse an der Debatte über solch eine Zensur aus privater Hand nach.

Zensur, also das Verbot bestimmter Inhalte, Publikationen, Meinungsäusserungen, diese Entscheidung war in modernen, zivilisierten Staaten ausschliesslich Staatsbehörden überlassen. Gegen die sich der Betroffene auf dem Rechtsweg wehren kann.

Wer entscheidet über Zensurmassnahmen?

Facebook, Twitter und Instagram sind dermassen weitverbreitet, dass es gerade für auf den Kontakt mit den Massen angewiesene Politiker einer schweren Strafe gleichkommt, diese Plattformen nicht mehr benützen zu können.

Das habe sich Trump selbst eingebrockt, mit seiner unverhohlenen anfänglichen Sympathie für den Abschaum, der den Sitz der US-Demokratie stürmte? Es geht doch nicht darum, dass diese Mann einen Sympathiewettbewerb gewinnen müsste.

Es geht darum, dass diese Verlängerung des Entscheids von Facebook (und damit Instagram), plus die Entscheide von Google oder Twitter aufgrund der Einschätzungen von Dunkelkammern gefällt werden. Bei Facebook heisst das «Oversight Board». Die hier versammelten Entscheidungsträger urteilen intransparent und nach Gusto, selbst Mark Zuckerberg muss sich diesen Entscheiden beugen.

Nur noch Berichterstatterpflicht in Schweizer Medien

Die Verlängerung wurde in den Schweizer Medienkonzernen als Meldung abgehandelt. Entweder, indem die SDA-Meldung übernommen wurde, oder – bei CH Media und der NZZ – eigene Korrespondeten so neutral wie möglich darüber berichteten. Ohne jede kritische Distanz, ohne wenigstens kurz darauf hinzuweisen, dass wohl die Mehrheit der Öffentlichkeit mit dieser zensur durchaus einverstanden ist, weil es sich um Trump handelt.

Wir müssten uns die Ohren zuhalten, würde das Barack Obama, Bill Clinton oder Jimmy Carter passieren. Die sind auch keine Gefahr für die öffentliche Ordnung? Mag sein, aber wer entscheidet das? Das ist die entscheidende, zentrale Frage. Um die sich offensichtlich «Blick», Tamedia, CH Media und auch die NZZ drücken wollen.

Einfach berichten, ja nicht werten. Überhaupt nicht die Debatte weiterführen, ob es wirklich eine gute Idee ist, US-Multimilliardären – oder von denen eingesetzten Gerichtshöfen – Entscheidungen von solcher Tragweite zu überlassen. Was Trump vor und während des Angriffs einer Meute aufs Kapitol alles gesagt oder verbreitet hat, ist übel und eines US-Präsidenten unwürdig.

Aber nochmal, ein offensichtlich verhaltensgestörte Mark Zuckerberg, ein mindestens so merkwürdiger Boss von Twitter, von den Google-Chefs ganz zu schweigen, nun soll es in deren Macht liegen, jemanden einen sozialen Tod sterben zu lassen?

Jetzt herrscht in der Schweiz offenbar die stillschweigende Übereinkunft: kein Büro aufmachen deswegen. Es trifft doch den Richtigen. Was mal wieder (fast) alle übersehen: Es trifft zuerst immer die Richtigen. Bis es dann nicht mehr die Richtigen trifft.

Aber dann ist Protest normalerweise vergeblich und zu spät.

Tag der Abrechnung

Heute ist Judgement Day für Donald Trump. Terminator Arnold Schwarzenegger hatte in einem Video schon vorgelegt.

Vier Jahre lang haben die Mainstream-Medien auf diesen Tag gebangt. Gehofft, ihn herbeigesehnt. Manche, wie der «Spiegel», wollten Trump sogar aus dem Amt schreiben. Mit allen Mitteln. Das hat ihm nicht gross geschadet, der Glaubwürdigkeit des «Spiegel» allerdings gewaltig.

Seine vorher hochgelobte Dokumentationsabteilung, die angeblich den Namen jedes Baumes nachprüft, der in einem Artikel erwähnt wird, sah vor lauter Bäumen den Lügenwald des Starreporters Claas Relotius nicht.

Auch in der Schweiz ist es an der Zeit, dem scheidenden Präsidenten noch hämische Worte nachzurufen. «Beim letzten Abflug blickt Trump auf Trümmer», versucht Tamedia etwas holprig zu alliterieren. Zu einem Nachtfoto des Platzes vor dem Kapitol, bei dem eine Illuminierung auffällt, die von Leni Riefenstahl stammen könnte, fällt dem USA-Korrespondenten nur auf, dass «eine friedliche Machtübergabe» anders aussehe.

Da hat selbst der Muskelprotz Arnold Schwarzenegger, der auf seine alten Tage sein Hirn wiederentdeckt, eine stimmigere und unterhaltsame Abrechnung vorgelegt. Der ehemalige Gouverneur von Kalifornien erinnert sich an seine Kindheit und an die Kristallnacht, während er Trump als «den schlechtesten Präsidenten aller Zeiten» fertigmacht.

Schönes Bild gefunden, um Verachtung auszudrücken

Als Schlusspointe erwähnt der tiefblickende Analytiker Alan Cassidy von Tamedia, dass das Weisse Haus tiefengereinigt wird, für eine halbe Million Dollar. Biden habe ja den Kampf gegen die Pandemie zur obersten Priorität erklärt: «Ein sauberes Weisses Haus wäre da ein guter Anfang.» Ein abtretender Präsident, von fast der Hälfte der Stimmbürger beinahe wiedergewählt, als Virus, Schmutzfink?

Der «Blick» fiel schon vorher durch die geistig tiefergelegten «Analysen» seines USA-Korrespondenten auf. Aber man will ja von einem 25-Jährigen, der von seiner Wohngemeinschaft in San Diego aus den Überblick zu bewahren versucht, nicht viel mehr erwarten. Nicht viel mehr als ein donnerndes «Nie wieder!».

Nicola Imfeld räumt zwar ein, dass 74 Millionen US-Stimmbürger Trump wiederwählen wollten. Trotz dieser «überraschend hohen Zahl» ist es nun aber so, dass nun «endlich!» Joe Biden seine Nachfolge antritt; «die grosse Mehrheit der Amerikaner wird erleichtert aufatmen», weiss Imfeld. Wohl die berühmte schweigende Mehrheit.

Und ob es bis nach San Diego vorgedrungen ist, dass sein Oberchefredaktor Christian Dorer sich nicht einkriegen konnte, als er am letzten WEF in Davos dem «dear Mr. President» eine Unterschrift auf der Titelschlagzeile «Welcome to Switzerland» abnötigte? Leider konnte ihm Dorer nicht mehr als ein «cool! I like it» entlocken, aber man merkte ihm an, dass er vor Bedeutung fast platzte: Der US-Präsident hat mit mir gesprochen! Er kennt mich! Vielleicht nimmt er ab, wenn ich das Weisse Haus anrufe.

Tropfend vor Häme

Auch die Allzweckwaffe von CH Media, Samuel Schumacher, tropft vor Häme: «Er geht als Karikatur seiner selbst: Donald Trump fliegt heute einer sehr ungewissen Zukunft entgegen.» Das muss Schumacher irgendwie bekannt vorkommen, denn als Auslandchef mit einem einzigen Mitarbeiter muss er ein Überflieger sein, der rastlos zwischen Washington und Peking, Moskau, Tokio, Paris, London, Berlin, Singapur, Südafrika, Lateinamerika hin und her hopst

Das Urteil der «Experten» über Trump sei verheerend, weiss er. Wahrscheinlich die gleichen Experten, die eine Wahl Trumps 2016 für absolut ausgeschlossen erklärten. Bis tief in die Wahlnacht hinein. Immerhin gesteht ihm Schumacher zu: «In seinen vier Jahren an der Macht hat er nicht alles komplett falsch gemacht.» Man spürt, wie er diesen Satz mit Mundschutz schreibt.

Erfolge, Misserfolge, dunkle Wolken

Dann folgt immerhin eine Auflistung einiger Erfolge. Als Einleitung zur Abrechnung mit all seinen Misserfolgen. In deren Fortsetzung natürlich nach dem Verlust der Immunität als Präsident dunkle Wolken über dem giftgelben Haupthaar auftauchen. Nicht nur ein weiter mögliches Impeachment, es könnte sogar sein, raunt Schumacher, dass Trump als erster US-Präsident in den Knast wandert.

Wie es sich für die NZZ gehört, sieht sie die Sache differenziert: «Der feuerspeiende Drache Trump tritt ab – die Ursachen für seinen Erfolg bleiben». Ein etwas gewagtes Bild, der Ritt der Depravierten, des «baskets of deplorables», wie Hillary Clinton selbst die Hauptursache für ihre Niederlage bezeichnete, lange vor dem Wahltag.

Ein souveräner Rückblick der NZZ

Es ist dann ein souveräner Ritt durch vier Jahre Trump-Regierung, mit ihren Erfolgen und Niederlagen, inklusive Beschreibung der «Charakterschwächen» dieses Präsidenten, sein «Flirt mit Sumpfblüten am rechten Rand der Gesellschaft». Aber auch der richtige Hinweis von Peter Winkler, dass die Frage nicht war: «Wie könnt ihr bloss so einen wählen», sondern: «Wie gross muss das Leiden und die Wut sein, dass Millionen von vernünftigen Männern und Frauen einen derart unvernünftigen Präsidenten in Kauf nehmen?»

An der Beantwortung genau dieser Frage scheiterten fast alle deutschsprachigen Medien in erbärmlicher Weise. Die einäugigen «Kenner» der Süddeutschen, von der sich Tamedia fast die gesamte Auslandberichterstattung ausleiht, raunten nur immer wieder, dass die Gefahr einer Diktatur drohe, dass das Ende der Demokratie vielleicht gekommen sei, dass Trump nicht freiwillig das Weisse Haus verlassen werde.

Von Anfang bis Ende falsch gelegen

Also von Anfang «wird niemals gewählt» bis zum Ende «droht ein Putsch, ein Bürgerkrieg?» falsch gelegen. Mit ganz wenigen löblichen Ausnahmen. Nur die NZZ – und die WoZ – sehen die wirkliche Gefahr in der Zukunft: Trump verschwindet, seine Wähler nicht. «Ein fähiger Nachahmer könnte wirklich gefährlich werden», warnt die NZZ.

Die verbohrte Unfähigkeit, statt Gesinnungsjournalismus endlich wieder Versuche zu starten, die Wirklichkeit abzubilden und zu analysieren, gefährdet die Glaubwürdigkeit der Medien schon lange nicht mehr. Die liegt bereits im Koma.

Ex-Press XVI

Blasen aus dem Mediensumpf

Wir beginnen mit einer guten Nachricht: In dieser Ausgabe gibt es kein Wort über Corona. Ausser ein positives: Immerhin haben wir es diesem Virus zu verdanken, dass Donald Trump nicht wiedergewählt wurde.

Oder, wie er es bis heute sieht: ihm sein Erdrutschsieg mit Betrug und Schummelei gestohlen wurde. Deshalb hat er als erster – und hoffentlich letzter – US-Präsident seine Anhänger aufgefordert, zum Capitol zu marschieren und dort Stärke zu zeigen.

Wie verarbeitet das nun die Schweizer Presse? Nützt sie die bekannte Bedächtigkeit, Neutralität, das Abwägen, werden die selbsternannten Qualitätsmedien ihrem Anspruch gerecht, für Mehrwert mehr verlangen zu dürfen?

Das Zentralorgan der professionellen Berichterstattung

Fangen wir beim Zentralorgan für differenzierte Berichterstattung an. Der «Blick» verfügt über einen Hobby-Korrespondenten in den USA. Der 25-Jährige MAZ-Absolvent beobachtet messerscharf die politischen Ereignisse in den USA. Vom seinem Wohnsitz San Diego aus, im Süden Kaliforniens. Da ist Washington 3656 km entfernt, oder fast 5 Flugstunden.

Ausser, der «Blick» spendiert seinem Korrespondenten ein Ticket. Aber den Sturm aufs Capitol hat Nicola Imfeld, «USA-Korrespondent der Blick-Gruppe» in seinem sicheren Wohnzimmer seiner WG erlebt. Da hat er – wie alle anderen im 6647 km von Washington entfernten Zürich – die Ereignisse in der Glotze verfolgt.

Aber, diesen Vorteil hat man in Zürich natürlich nicht, er kann sofort eine erste Reaktion aus den USA anbieten; die seines «total unpolitischen Mitbewohners». Das ersparte ihm eine erste Strassenumfrage, und die Reaktion ist bedeutungsschwanger: Denn der «legte seine Arbeit im Homeoffice nieder. Für Stunden! Ungläubig sass er vor dem TV-Bildschirm im Wohnzimmer. «Warum habt ihr uns zur Weltmacht werden lassen?», fragte er und stellte gleich fest:

«Wir verdienen es nicht!»

Ein erstes, erschütterndes Zeugnis aus San Diego. Weltexklusiv! Lässt sich das noch toppen? Schwierig, aber Imfeld macht’s möglich: «Es war ein trauriger Tag. Ich habe neben meinem Mitbewohner auf der Couch eine Träne verdrückt. Er hat sich geschämt.»

Einordnung und Analyse? Was ist das

Bevor wir auch zum Taschentuch greifen, was hat der USA-Korrespondent des immerhin grössten Medienhauses der Schweiz an Analyse und Einordnung zu bieten? Leider nicht viel, ausser einem guten Ratschlag für die Republikaner: «Die Partei muss eine starke Alternative bieten, die die berechtigten Sorgen ihrer Wähler ernst nimmt. Aber keine Frau oder keinen Mann, die Amerika in eine Diktatur verwandelt.»

Hoffentlich hören die Amis auf die Schweizer Stimme der Vernunft, wenn auch syntaktisch nicht ganz sattelfest, aus dem fernen San Diego.

 

Der trumpelnde Tages-Anzeiger

Sicherlich auf ganz anderem intellektuellen Niveau wird sich doch die Analyse und Einordnung des Tamedia-Konzerns bewegen, der mit seinen Blättern immerhin die halbe Deutschschweiz beschallt.

Nun ja, da hat Tamedia gleich zwei Probleme. Die intellektuelle Schwerarbeit nimmt ihm bekanntlich das Korrespondentennetz der «Süddeutschen Zeitung» ab, der man nun wirklich nicht vorwerfen kann, dass sie jemals unparteiisch über Trump berichtet habe. Im Gegenteil, schon unzählige Male sah die SZ die US-Demokratie in Gefahr. Was immer besonders lustig ist, wenn das eine Zeitung aus einem Land sagt, dem die USA vor 75 Jahren die Demokratie aufzwingen mussten – gegen den erbitterten Widerstand der Deutschen.

Das ist ja kein Schweizer Problem. Das zweite von Tamedia ist aber, dass der Konzern faktisch kaum mehr eigene Auslandberichterstattung hat, aber immer noch einen Auslandchef. Der musste natürlich seinem Oberchefredaktor Arthur Rutishauser kommentarmässig den Vortritt lassen, aber endlich durfte dann Christof Münger auch.

Nun ist das Thema leider auch auf seiner Flughöhe ziemlich durch, erledigt, zu Tode kommentiert. Ausser, jemandem fiele etwas Neues ein. Dafür ist Münger aber nicht zu haben. Er hält sich ans Bewährte. Vom Titel «Brandstifter Trump und seine Biedermänner» (Achtung, Bildungsalarm, Anspielung auf Max Frisch), über den «Tag der Schande» und natürlich zum Schlussakkord in D-Moll:

«Es geht ums grosse Ganze, um Demokratie oder Diktatur.»

(Artikel hinter Bezahlschranke.)

Schon wieder, kann man da nur gelangweilt weiterblättern. Schon wieder rausgeschmissenes Geld für News und Meinungen, die man sich gratis bei CNN und vom Nachbarn holen kann.

 

Die «Weltwoche» in Verteidigungsmodus

Interessanter ist natürlich, wie sich das Hauptquartier der Schweizer Trump-Versteher, durchaus auch Trump-Lobhudler, Trump-Bewunderer, sogar Fans des vollirren und vielfach gescheiterten Steve Bannon, auf den Rückzug begibt. Der darin seinem ehemaligen Chef nicht unähnlich ist. Sowohl Roger Köppel wie der Trump-Groupie Urs Gehriger, bekannt für copy/paste-Journalismus, müssen online das Weite suchen, weil die jüngsten Ereignisse ihres gefallenen Lieblings mal wieder nach Redaktionsschluss stattfanden.

Beide probieren es mit dem eingesprungenen Doppelaxel. Man erhebt sich in die Luft, dreht und wendet sich, gibt Trump die Schuld am Wahldebakel in Georgia und weist nun streng darauf hin, dass er hier eine rechtsstaatliche Grenze überschritten habe. Aber ein Doppelaxel besteht aus zwei Drehungen, also muss natürlich der Objektivität halber auch darauf hingewiesen werden, dass diese Spaltung der US-Gesellschaft von Brandstiftern hüben und drüben verursacht worden sei. Und dass es selbstverständlich Wahlbetrug und Manipulationen gab, einfach nicht so arg, wie Trump behauptet.

Ob die beiden nach diesem Sprung auch sicher wieder landen – oder ob sie auf dem Eis ihrer vorherigen Rhetorik kräftig auf die Schnauze fallen, das wird sich noch weisen.

 

Telegene CH Media

Wenn einem schon die meisten Privat-TV-Sender der Schweiz gehören, sollte man das doch auch ausnützen. Also lässt CH Media im hauseigenen «Talk täglich» ihren Auslandchef Samuel Schumacher gegen das Einmann-Orchester Roger Köppel antreten. Das dürfte den zweiten real existierenden Auslandredaktor der zwei Dutzend Kopfblätter im CH Media-Reich recht ins Schwitzen gebracht haben. Aber Schumacher schlug sich tapfer, während Köppel doch den Eindruck erweckte, dass er noch am Üben ist, wie er sich aus dieser selbstverschuldeten Peinlichkeit wieder herauswinden will.

Netterweise stellt CH Media ein «Best of» zur Verfügung, länger möchte man das auch nicht aushalten müssen. Was bietet dieses Haus der publizistischen Qualität sonst? Wenig, sehr wenig.

In letzter Verzweiflung staubt es den beinahe 85-jährigen Erich Gysling ab und widmet ihm als «US-Experten» sogar eine Sondersendung, deren Erkenntnisgewinn schon im Titelzitat aufblitzt: «Die Trump-Bewegung wird auch unter Biden weitergehen.»

Zudem ist die Bezeichnung US-Experte eigentlich eine Beleidigung für Gysling. Er ist schlichtweg Experte für alles, was ausserhalb der Schweiz stattfindet. Die arabische Welt, Afrika, China, Asien, USA, Amerika, wo es einen Experten braucht, da ist Gysling. Seit Peter Scholl-Latour tot ist, hat er diese Position auch unangefochten als Einziger.

 

Was nichts kostet, ist nichts wert?

Da ist in der Schweiz die interessante Antwort: jein. Nachdem «watson» im ersten Schock die USA schon wieder am Rande des Abgrunds sah, hat es sich wieder gefangen und kehrt zu den Listicals zurück. Im Falle von Trump und USA zu «Hier gibt’s 27 lustige Tierbilder». Oh, Pardon, verrutscht, ich meine natürlich «30 Bilder und Videos, die «Trumps Amerika» auf den Punkt bringen»:

Wer mir erklären kann, was daran lustig ist, gewinnt ein Gratis-Abo von ZACKBUM.ch.

Der hoffnungsvolle Jungredaktor, der diesen Schrott zusammengestellt hat, zählte offenbar auf überwältigende Reaktionen und weist vorsichtshalber darauf hin, dass allenfalls Tweets zunächst in der Queue steckenbleiben könnten. Da hat er sich vergblich Sorgen gemacht, Tweets 8 Stunden nach Veröffentlichung: null.

Von 0 auf 20

Von dieser Nullnummer nun zu «20Minuten». Man hat es wohl noch nie als so segensreich empfunden, dass sich das Blatt konsequent jeden Kommentars enthält. So hat Chefredaktor Looser, nicht zuletzt in unserer Preisverleihung für Journalisten des Jahres dekoriert, im Gegensatz zu ziemlich allen Kollegen auf der Welt und in der Schweiz darauf verzichtet, seine Leser davon in Kenntnis zu setzen, dass auch er sehr indigniert ist über diesen US-Präsidenten, das Schlimmste befürchtet, aber das Beste hofft.

Bravo.

 

Die gute, alte NZZ

Wurde die alte Tante auch durchgeschüttelt, sieht sie die USA am Abgrund oder über genügend Selbstheilungskräfte verfügend? Verurteilt sie, schämt sie sich wenigstens? Distanziert sie sich, wagt auch sie schräge Vergleiche zwischen dem Sturm aufs Capitol und der Besetzung des Bundesplatzes, die gerade einem FDP-Mann den (wohl erwarteten) Shitstorm bringen?

Auch auf die Gefahr hin, als deren ehemaliger Korrespondent der Parteilichkeit bezichtigt zu werden: Nö, sie versucht das, was alle anderen in der Schweiz nicht mal im Ansatz liefern: eine differenzierte Berichterstattung mit Manpower:

Keine einfachen Beschreibungen: Das ist NZZ at its best.

Aber eben, was ist das schon gegen die Feuerkraft der selbsternannten Bezahl- und Qualitätsmedien, die ja nicht nur einfach das schreiben, von dem sie hoffen, dass es bei ihrem Publikum am besten ankommt. Sondern auch, sich damit noch mehr Staatsbatzeli zu erschreiben.

Wie viel ist Trumps Unterschrift wert?

Blick-Dorer plätschert ein bisschen im Geld.

«The biggest Newspaper in Switzerland. Can you sign for us? Thank you very much!» Knapp drei Jahre liegen hinter dieser hübschen Episode zurück. Christian Dorer, Chefredaktor der BLICK-Gruppe, erwischte im Davoser Kongresszentrum (WEF) den US-Präsidenten Donald Trump und bat ihn um ein Autogramm auf eine Blick-Ausgabe. Dorer findet die Aktion noch heute toll. Die Frage, ob er die signierte Zeitung selber behielt oder vielleicht Michael Ringier zu seinem 70. Geburtstag schenkte, liess er unbeantwortet.

Zwei Fragen haben mich drei Jahre lang gequält:

Heute sollen beide Fragen beantwortet werden. Das berühmte Lachen stammt eindeutig von Dorer. Der Superchefredaktor muss damals supernervös gewesen sein. In einer internationalen Studie fand man übrigens heraus, dass nervöses Lachen durch Nasallaute übertönt werden kann.

Zur zweiten Frage: Die Unterschrift hat zwischen 500 und 1000 Franken wert. Darauf deuten ähnliche Angebote auf Ebay. Wertmindernd ist allerdings der Verlauf des Schriftzugs (schräg) und die Unterlage («Blick»). Hätte Trump auf einem Baseball geschrieben oder auf eine Krawatte – das Autogramm hätte einen Wert zwischen 2500 und 5000 Franken. Noch wertvoller wäre das Ganze mit einem Satz unter dem Gekritzel: «Christian Dorer is great.» (7000 Franken), «Christian Dorer is a brillant writer and Chefredaktor from the Blick-Gruppe.» (10‘000 Franken) oder «Christian Dorer is a young man. He should drive more Postauto.» (50‘000 Franken).

USA: Demokratie geht anders

Welche Analyse liefern die Qualitätsmedien zu den USA?

Keine Bange. Ich werde weder mein Befremden über das Verhalten von Donald Trump ausdrücken. Noch meine gedämpften Hoffnungen, was Joe Biden betrifft. Und schon gar nicht in Lobeshymnen über die erste nicht-weisse Vizepräsidentin ausbrechen.

Das haben alle Qualitätsmedien bereits rauf und runter und quer und schräg durchgenudelt. Zu mehr als einer Mischung aus Schadenfreude und leichter Besorgnis, was man von Trump noch alles erwarten kann, zu mehr hat’s nicht gereicht. Nirgends.

Daher ein paar erschütternde Zahlen. Der gesamte Wahlkampf soll nach vorläufigen Schätzungen 14 Milliarden Dollar gekostet haben. Eine schier unvorstellbare Summe. Das brachte immerhin eine Wahlbeteiligung von knapp 67 Prozent. Das heisst andersrum, dass jedem dritten Stimmbürger diese historische Wahl, dieser Kampf zwischen Gut und Böse, schlichtweg an einem gewissen Körperteil vorbeiging.

The winner takes it all

Andererseits ist es wohl so, dass Joe Biden tatsächlich sogar das absolute Mehr der Stimmen geholt hat. Das spielt in den USA aber eigentlich gar nicht so eine grosse Rolle. Denn Hillary Clinton hatte auch mehr Stimmen als Trump vor vier Jahren erhalten. Aber das merkwürdige Wahlmänner-System der USA, wo der Kandidat mit 50,1 Prozent der Stimmen alle Wahlmänner eines Bundesstaat kriegt, sorgt dafür, dass die Stimmenmehrheit nicht entscheidend ist.

Und da gilt «the winner takes it all», versucht Trump nun noch verzweifelt, die Legitimität einzelner Ergebnisse in Frage zu stellen. Er stellt dabei die originelle Theorie auf, dass es legale Stimmen gebe, und nach denen habe er gewonnen, aber auch illegale, und mit denen wollen ihm die Demokraten den sicheren Sieg stehlen.

Zu den Absonderlichkeiten des US-Wahlsystems gehört auch, dass nicht etwa eine oberste Wahlbehörde das Ergebnis verkündet, sondern die grossen TV-Stationen arbeiten fieberhaft an Auswertungen, Hochrechnungen und Kaffeesatzlesereien, um möglichst als Erste den Gewinner der Wahlen zu verkünden.

Merkwürdigkeiten zuhauf

Das führt immer mal wieder zu bedauerlichen Fehlansagen:

Der gewählte Präsident Truman zeigt ein voreilige Schlagzeile.

Diesmal kann Biden allerdings stolz verkünden, dass er mit über 75 Millionen Stimmen so viele Wähler begeistern konnte wie noch kein Präsident vor ihm. Allerdings, mal wieder völlig im Gegensatz zu allen gewichtigen Prognosen der Qualitätsmedien, war es keinesfalls ein Erdrutschsieg, sondern auch Trump vereinte so viele Stimmen auf sich wie nur wenige gewählte Präsidenten.

Im Repräsentantenhaus verloren die Demokraten Sitze, und im Senat sieht es nicht danach aus, dass sie die Mehrheit der Republikaner knacken könnten. Aber abgesehen davon: Die US-Stimmbürger hatten sich zwischen einem offensichtlich nur schon charakterlich nicht für dieses Amt geeigneten Präsidenten und einem bei Amtsantritt 78-jährigen Greis zu entscheiden, dessen Wahlkampfteam sich am meisten davor fürchtete, dass er zu viele seiner berüchtigten Aussetzer hat.

Wahlprogramme? Was ist das?

Wenn die erste Euphorie der Trumpgegner und die Wutausbrüche der Trump-Anhänger verraucht sind, wird sich wieder herausstellen, dass es vielleicht nicht noch schlimmer wird, aber auch nicht viel besser.

Wenn das das Personal ist, das die beiden grossen, traditionellen Parteien der USA für das Amt des mächtigsten Mannes der Welt aufstellen können, dann kann man nur sagen: armes Amerika.

Was Biden genau will, ist eigentlich genauso unerforschlich wie Trumps Pläne. Oder hat jemand irgendein Parteiprogramm, eine Auflistung der wichtigsten Anliegen gesehen oder gelesen? In der Form unterscheiden sich beide sicherlich, aber im Inhalt? Schwer zu sagen, mangels Inhalt.

Das Schlamassel wäre vermeidbar gewesen

Was hingegen die Fähigkeiten der Berater betrifft, muss man sich vor allem bei Biden Sorgen machen. Er hätte diesen ganzen Schlamassel einfach vermeiden können, wenn er wie Obama Florida gewonnen hätte. Das hat er versemmelt, indem er Verhandlungen mit Kuba in Aussicht stellte.

Während Trump genau wusste, was die Exilkubaner hören wollen und  weitere Sanktionen versprach. Resultat: über 70 Prozent der Hispanics in Florida wählten Trump.

Und haben wir schon das mittelalterliche Auszählungssystem erwähnt? Die in wildem Gezerre zwischen Demokraten und Republikanern immer wieder umgeänderten Wahlbezirke, die teilweise wie von einem Irren geschnitzt aussehen? Schon mal von gerrymandering gehört? Zu Ehren des ersten Politikers, der das machte: die Wahlbezirke so umgrenzen, wie es für seine Partei am günstigsten, für die andere am schlechtesten ist. Was solange hält, bis die andere Partei wieder am Gerät ist. Das führt dann zu solch absurden Wahldistrikten:

Kein Witz, sondern US-Wahlbezirke.

Und haben wir erwähnt, dass sich jeder Stimmbürger zuerst in die Wahllisten eintragen muss, was für viele Amis, mangels Ausweis, mangels Kenntnissen, schon mal nicht so einfach ist. Also Demokratie geht irgendwie anders.

 

Am deutschen Wesen …

Hubert Wetzel hat das wahre Problem der US-Wahlen erkannt.

Was geht uns die Meinung des Washington-Korrespondenten der «Süddeutschen» an? Leider viel, denn er ist auch der Washington-Korrespondent von Tamedia. Nun hat das grosse Verlagshaus theoretisch noch eine eigene Ausland-Redaktion.

Die macht sich auch klar bemerkbar. So trägt das neuste Dumpfstück von Wetzel im Newsnet den Titel «Trump täubelt». Hört sich doch immerhin schweizerisch an. Drüber steht «Analyse zu den US-Wahlen».

Im Original in der Münchner Zeitung traut man sich das nicht, hier handelt es sich um einen «Kommentar», denn Analyse kann man das wirklich nicht nennen. Aber in München hat man einen trumpistischen Titel gewählt: «So sterben Demokratien».

Was tut Tamedia für ihr Geld?

Was leistet die Schweizer Qualitätszeitung noch, um die happigen Abopreise zu rechtfertigen? Für ein Jahresabo Classic will das Haus immerhin 576 Franken pro Jahr, inklusive SoZ sind es dann 741 Franken. Da tut die Auslandredaktion alles, um für Qualität zu sorgen.

Natürlich, sie operiert zunächst mal alle ß aus dem Text und ersetzt sie eidgenössisch durch ss. Damit nicht genug; wenn Wetzel in München Donald Trump als «tobenden Vierjährigen» beschimpft, tut er das in Zürich mit einem «täubelnden Vierjährigen».

Alles andere, was Wetzel so von sich gibt, hat original den Weg in die Schweizer Qualitätszeitungen gefunden. Trump habe «offensichtlich» keine Ahnung, wie Wahlen in den USA funktionieren. Aber weil er «(zumindest rechtlich) volljährig» sei, ein Brüller, könne er bedauerlicherweise vor Gericht ziehen.

Wetzel steigert sich zum Crescendo

Damit lässt Trump eine «sehr toxische Mischung» tiefer und tiefer in die amerikanische Gesellschaft sickern, beobachtet Wetzel mit schreckgeweiteten Augen. Aber das ist noch nicht das Schlimmste: «Es wird das ohnehin schon brüchige Gewebe, das diese Gesellschaft zusammenhält, weiter zersetzen.» Und mit morschen Strukturen und Zersetzungen kennen sich die Deutschen schliesslich aus. Wetzel steht zwar schon auf den Zehenspitzen und fuchtelt warnend mit beiden Armen. Aber er kann noch einen drauflegen.

Jeder, der die Lügen Trumps «befördert oder toleriert», wird zum Totengräber der US-Wahlen, untergräbt das Vertrauen. Und wo soll das enden? «So sterben Demokratien», raunt Wetzel am Schluss unheilschwanger.

Wir sind erschüttert und beunruhigt. Die USA werden (noch) von einem täubelnden Vierjährigen regiert, der aber leider – nur rechtlich – volljährig sei. Er und seine Helfershelfer zersetzen das brüchige Gewebe mit ihrem Gift, und wenn das Gewebe kaputt ist, dann ist die Demokratie auf dem Totenbett.

Wieso hört den keiner auf Wetzel?

Muss man sich mal vorstellen, und keiner hat auf Wetzel gehört, der das seherisch prognostiziert, immerhin in Millionenauflage, wenn man alle mit seinen Weisheiten bedienten Kopfblätter zusammenzählt.

Was könnte da noch das Schlimmste verhindern? Sagen wir es, das dürfen wir in der neutralen Schweiz, wie es ist: die US-Wahlen sind ein solches Schlamassel, ein Desaster, weil den Amis deutsche Zucht, Ordnung und Zuverlässigkeit fehlt. Ihnen fehlen auch die deutschen Oberlehrer, die dem Lümmel im Weissen Haus schon erklärt hätten, wie das mit den US-Wahlen funktioniert.

«Ein Volk, ein Reich, ein …», öh, diese Lektion hätten die Deutschen dann aber doch vorzeitig abgebrochen. Vielleicht hätte sich auch der eine oder andere daran erinnert, dass die USA unter grossen Verlusten den Deutschen die Demokratie zurückbrachten, nicht etwa umgekehrt. Wobei sich die Deutschen mit allen Kräften dagegen wehrten.

Allen fehlt der strenge Ratschlag eines Deutschen

Vor allem aber, das steht nun fest, fehlt der US-Demokratie, ja dem gesamten gesellschaftlichen Gewebe, ganz zu schweigen von diesem Trottel im Weissen Haus, all dem fehlt der strenge, aber gerechte Ratschlag eines Deutschen. Der heisst natürlich Wetzel, Hubert, allzeit bereit. Ungebeten Beleidigungen auszuteilen, Ratschläge zu verteilen und überhaupt alles besser zu wissen. Denn am deutschen Wesen soll die Welt genesen.

Hoppla, das hiess ja ursprünglich «mag die Welt genesen», so tümelte 1861 der deutsche Dichter Emanuel Geibel. Würde Wetzel glatt mit beiden Händen unterschreiben. Der Dummschwätzer. Eine Peinlichkeit sondergleichen, eine Unzierde des Namens «Korrespondent». Das war früher mal einer, der mit Begabung, Recherche und Intelligenz versucht, den Menschen in seinem Heimatland zu erklären, wie es bei ihm in der Fremde zu und her geht, und warum. Zensuren und Ratschläge verteilen, das sollte eigentlich seit dem Ende der Kolonisation ausgestorben sein.

Wenn ein Chefredaktor die Welt nicht versteht

Oder zumindest die Amis. Da muss Christian Dorer dann ganz streng werden, findet René Zeyer.

Der gleiche Kindskopf, der noch am WEF stolz mit einem vom Präsidenten handsignierten Trump-Cover des «Blicks» wedelte, ist nun richtig böse auf den US-Präsidenten.

Also eigentlich auf die Amis: «Wirklich kaum zu fassen: Die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger der USA will Donald Trump weitere vier Jahre als Präsidenten!» Man spürt förmlich, wie Dorer verzweifelt den Kopf schüttelt.

Die Hälfte! Diesen Trump! Vor vier Jahren lässt Dorer noch mildernde Umstände walten; da war es eine Protestwahl, und man konnte ja nicht ahnen, was dieser Vollpfosten dann alles im Weissen Haus anstellt. Aber inzwischen wisse man das doch, ist Dorer weiter fassungslos.

Dorer wagt einen Blick in den Abgrund

Dieser Präsident ist «ein Lügner», ein Spalter, der seine Bevölkerung zu «Hass und Verachtung aufstachelt, wo er nur kann!» Klima, Abrüstung? Interessiert ihn nicht. Corona? Ein Leugner der Gefahr.

Geht’s noch schlimmer? Doch, Dorer wagt den Blick in den Abgrund. Zu allem zu: «Die Hälfte der US-Bürger will einen Präsidenten, der grobschlächtig auftritt, der seine politischen Gegner zu Verbrechern erklärt und dem Konkurrenten ums Weisse Haus Betrug vorwirft, der mitten am Wahltag die Auszählung stoppen will.»

Das ist nun wirklich nicht zu fassen, aber warum, warum nur tun diese Idioten das? Sicher, weil sie rassistische Waffennarren sind, die an die Überlegenheit der weissen Rasse glauben. Aber gibt es wirklich so viele davon? Nein, erklärt Dorer, notwendigerweise knapp, denn er hat für «Blick»-Verhältnisse schon ziemlich viele Buchstaben verbraucht.

Dorers Hammererkenntnis

Aber immerhin, auf diese Hammererkenntnis, wieso denn so viele Trump wiederwählen, ist noch keiner gekommen: «Und das alles nur deshalb, weil dieser Mann versprochen hat, er mache «Amerika wieder grossartig»».

Meiner Treu, so einfach ist das dann doch, man muss nur den Blick fürs Wesentliche haben. Sich auch von Fassungslosigkeit und strenger Zurechtweisung nicht ablenken lassen. Und mannhaft ertragen, dass Trump zwar huldvoll signiert hat, aber weder er noch sonst ein Ami jemals den «Blick» gelesen hat.

Denn hätten sie das, sie würden sich schämen, in sich gehen, bereuen, niemals nie und nicht diesen Idioten wiederwählen. So ist das manchmal, die Geschichte müsste anders geschrieben werden, wenn man auf den «Blick» gehört hätte. Nur schon auf seinen Chefredaktor.

Was sind eigentlich seine Aufgaben?

Wobei: Wäre es nicht eigentlich die Aufgabe einer Redaktion, zuvorderst vom Chef, sinnvolle Erklärungen für ein Ereignis zu suchen? Ernsthaft der Frage nachzugehen, wieso Trump – im Gegensatz mal wieder zu allen Prognosen – knapp 50 Prozent der Stimmen gemacht hat, wäre das nicht seine Aufgabe? Statt die Trump-Wähler als Hirnamputierte zu beschimpfen, die so eine Schande fürs Amt wiederwählen wollen.

Die allesamt so bescheuert sind, dass sich einer nur ein Käppi auf seine kriminelle Frisur setzen muss, auf dem steht: «Make America great again», und schon hat er Millionen von Stimmen auf sicher. Muss man sich mal vorstellen; ist das bedenklich oder ist das bedenklich?

Wie kam Dorer auf den Chefstuhl?

Auf der anderen Seite: Man möchte auch mal wissen, wieso es Dorer auf den Chefstuhl der «Blick»-Familie geschafft hat. Da er offensichtlich ein intellektueller Kurzstreckenläufer ist, der ungeniert bekannt gibt, dass er vieles auf der Welt schlichtweg nicht kapiert und auch nicht kapieren will – hat er so auch diesen Stuhl erobert? Gibt es vielleicht fotografische Beweise, dass er zu seinem Vorstellungsgespräch mit einem roten Käppi erschien, auf dem stand: «I make «Blick» great again»?

Und deshalb wurde er dann auserkoren? Ist das beängstigend oder ist das beängstigend?

René Zeyer und Beni Frenkel haben sich zeitgleich mit Trump und Dorer auseinander gesetzt. ZACKBUM.ch hat entschieden, beide Texte zu publizieren. Zu wichtig ist das Thema. Ausserdem können wir uns keine Ausfallhonorare leisten, seufz.

US-Wahlen: Und der Sieger ist …

Auf jeden Fall weder das Wahlsystem noch die Medien.

Diesmal ist alles anders. Ausser ein paar Tieffliegern legte sich diesmal kein Journalist darauf fest, dass der gute, alte Joe Biden gewinnen werde, der Alptraum im Weissen Haus endlich zu Ende sei.

Aber sagen wir mal so: in den rund 2000 Artikeln, die die Mediendatenbank SMD in den letzten drei Tagen zum Thema «US-Wahlen» gezählt hat, muss man diejenigen mit der Lupe suchen, die einen knappen Ausgang prognostizierten.

Wohl aus der Hoffnung, dass nur ein klarer Sieg Bidens verhindern könnte, dass Trump Anlauf nimmt, das Resultat als gefälscht und sich selbst zum wirklichen Sieger zu erklären.

Es riecht nach Wiederholung des gleichen Fehlers

Es zeigt sich, was eigentlich wirklich zu erwarten war: Einen Kandidaten aufzustellen, gegen den selbst Ronald Reagan bei Amtsantritt ein Jungspund war, ist wohl keine so gute Idee gewesen. Das riecht streng nach einer Wiederholung des gleichen Fehlers. Als vor vier Jahren wirklich alle Beobachter und Analysten und vermeintliche US-Kenner sich einig waren, dass jeder gegen Trump gewinnen kann, selbst Hillary Clinton.

Aber die Wähler entschieden: lieber einen orange angemalten Knallkopf als die. Diesmal stellten die Demokraten einen Mann zur Auswahl, der bei Amtsantritt 78 Jahre alt wäre. Was bedeutet, dass er allerhöchstens die erste Amtszeit durchstehen könnte. Noch nie war eine Vizepräsidentin so nahe an der Präsidentschaft wie Kamala Harris.

Nur einen Herzschlag davon entfernt, heisst es in den USA; und wenn sie im falschen Moment mal «buh!» sagt, könnte der Herzschlag tatsächlich aussetzen. Das hat, unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe und politischen Ansichten der Kandidatin für die Vizepräsidentschaft, auch nicht geholfen.

Mittelalterliches US-Wahlsystem

Der Sieger ist auf keinen Fall das US-Wahlsystem. Schon bei der Wahl zwischen Bush Jun. und Al Gore musste das oberste Gericht die ewigen Nachzählungen in Florida stoppen und Bush Jun. per Gerichtsentscheid zum Sieger erklären. Was wohl nicht dem Wahlausgang entsprach.

Während selbst Venezuela, das nun nicht als Leuchtturm der Demokratie gelten kann, ein hochmodernes, elektronisches und schnelles Auszählsystem einsetzt, herrschen in den USA teilweise mittelalterliche Zustände.

Das fängt schon bei der Registrierung als Wähler an, hört beim ewigen Gezerre um die Festlegung der Wahlbezirke nicht auf, und sorgt schliesslich dank verlotterter Infrastruktur und asthmatischer Post dafür, dass im schlimmsten Fall auch nach Tagen noch kein Endergebnis vorliegt.

Erschwerend kommt hinzu, dass die US-Stimmbürger ja nicht direkt ihren Präsidenten wählen, sondern sogenannte Wahlmänner. Von denen gibt es 538, nach Bevölkerungsstärke auf die Bundesstaaten verteilt. Und da gilt wiederum das Prinzip: the winner takes it all. Also der Kandidat, der 50,1 Prozent der Stimmen geholt hat, bekommt alle Wahlmänner des Bundesstaats zugesprochen.

Trump konnte noch nie eine Niederlage wegstecken

Also starren nun alle darauf, wer zuerst 270 Elektoren erreicht; der hat dann gewonnen. Im Prinzip. In der Realität gab es ja, um aus all den Massen von Analysen und Vorhersagen die Luft rauszulassen, nur drei Varianten.

Einer der beiden siegt über jeden Zweifel erhaben. Da setzten eigentlich alle auf Biden, keiner auf Trump. Oder es wird knapp, aber Trump hat die Nase vorn. Schliesslich Variante drei, es wird knapp, aber Biden hat die Nase vorn.

Da dürfte es dann aufgrund der Persönlichkeitsstrukturen unterschiedliche Reaktionen der Kandidaten geben. Hat Trump die Nase vorn, dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach Biden das Resultat akzeptieren. Aber wie sieht es im umgekehrten Fall aus? Trump ist bekanntlich ein ewiger Verlierer, der noch nie eine Niederlage wegstecken oder akzeptieren konnte.

Krachende geschäftliche Bauchlandungen noch und noch, gescheiterte Pläne noch und noch, undurchsichtige Lügengebäude noch und noch, selbst eine Hautfarbe und eine Frisur, für die sich jeder normale Mensch schämen würde: Das alles reicht nicht, um einen typischen New Yorker Immobilienhai kleinzukriegen.

Einer der ältesten Tricks der Demagogie

Also griff Trump schon im Vorfeld der Wahlen, als sich abzeichnete, dass es knapp werden würde, zu einem der ältesten Tricks der Demagogie. Er stocherte ohne Belege in der Frage herum, welche Fälschungsmöglichkeiten es bei den Wahlen gebe, vor allem bei der Briefwahl. Das liess er immer wieder mal fallen, begleitet von dunklen Andeutungen, dass er das Resultat nur akzeptieren werde, wenn er gewonnen hätte.

Und schwups, schon kann er heute sagen: Ich habe schon immer gesagt, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht. Sollte er dennoch auf die nötigen 270 Wahlmänner kommen, kann er sagen: trotz all diesen schmutzigen Tricks habe ich gewonnen. Reicht es nicht, dann kann er sagen: Das ist Beschiss, fake, die wollen mir den Sieg stehlen. Den Gang vors oberste Gericht hat er vorsichtshalber schon mal angekündigt.

Ich bin ein Star, keiner holt mich hier raus

Und dann? Bei allen Checks and Balances, Kontrollen und Machtbalance in der US-Verfassung, die selbst eine Amtsenthebung vorsieht, einen Fall konnte sich bislang keiner vorstellen: Was ist, wenn ein amtierender Präsident das Wahlresultat nicht akzeptiert, von Fälschung spricht und ein juristisches Sperrfeuer eröffnet?

Während er im Weissen Haus sitzt und sagt: Soll mal einer versuchen, mich hier rauszuholen. Im Ernstfall habe ich den wohl besten Kommandobunker der Welt, und mein roter Knopf funktioniert bekanntlich. Und dann?

Trump ist Trumpf

Glaskugeln glühen: Einer wird gewinnen. Nur: wer?

Gut, Corona ist schwer vom Spitzenplatz der Berichterstattung zu vertreiben. Aber langsam nimmt der Endspurt zu den US-Präsidentenwahlen an Geschwindigkeit auf.

Nachdem vor vier Jahren die gesamte Bande von angeblichen US-Kennern, Spezialisten, Analytikern, Politkorrespondenten krachend danebenlag, weil sie noch bis in die Wahlnacht hinein Hillary Clinton als Siegerin hochjubelten, herrscht diesmal gedämpfte Vorsicht.

In den vergangenen vier Jahren merkte man zwar der Berichterstattung über Trump deutlich an, dass deutschsprachige Journalisten ihm niemals verzeihen, dass er sie mit ihren Wahlprognosen lächerlich gemacht hatte.

«Blick» wagt eine klare Prognose

Vor allem der «Spiegel» setzte sich das hehre Ziel, diese Gefahr für die Menschheit wegzuschreiben. Leider bislang vergeblich. Wie es sich für das Organ der Vereinfachung und Entschleunigung gehört, wagt alleine der «Blick» eine klare Ansage: «Biden wird gewinnen!», legt sich der «USA-Korrespondent» Nicola Imfeld fest.

Zu dieser seherischen Prognose aus dem fernen San Diego qualifiziert ihn sicher sein Praktikum in einer Sportredaktion und ein MAZ-Diplomjournalismuslehrgang. Mehr braucht’s heutzutage nicht, um USA-Korrespondent zu werden.

Der «Spiegel» hingegen, nach Fehlprognose, Relotius und überhaupt etwas gehemmt, hält sich in der Titelstory bedeckt: «Was von Trump bleibt – selbst wenn er gehen muss». Das ist mal eine ausgewogene Schlagzeile.

Corona bleibt unangefochten auf Platz eins

Über 800 Einträge verzeichnet die Datenbank SMD beim Stichwort Trump in den letzten drei Tagen. Corona bleibt allerdings unangefochten: 5400 Treffer im gleichen Zeitraum.

Schlimmes raunt allerdings das Newsnet aus dem Hause Tamedia: «Es bedarf nur eines Auslösers für eine Explosion». «20 Minuten» schaut genau hin: «Fans von Trump verfolgen in Texas Joe Bidens Wahlkampfbus», was aber zu keiner Explosion führte. «Cash online» konzentriert sich auf das Wesentliche im Leben: «Corona-Welle und US-Wahlen werden für Börsen zur Zitterpartie».

Und was macht «watson»? Blöde Frage, ein Listical natürlich: «Wegen dieser 45 Momente werden wir Donald Trump nicht so schnell vergessen.» Die «Süddeutsche» klagt: «Monströser, schärfer, unerbittlicher». Was interessiert uns das in der Schweiz? Nun, weil Tamedia seine Auslandberichterstattung dort abschreibt …

Kleine und grosse Glaskugeln

Einfach machen es sich auch die Blätter aus dem Hause CH Media: «Trump rechnet mit spätem Wahlergebnis und «chaotischem Durcheinander»», übernehmen die nicht nur den Artikel, sondern gleich auch den Titel von der SDA. Wozu zahlt man (noch) ein Abonnement bei der Nachrichtenagentur.

Erfrischend klar positioniert sich, wie ihr Schwesterblatt in der Schweiz, auch die «Bild am Sonntag»: «Trumps Chance nur noch bei 10 Prozent». Die müssen vielleicht eine Wunderglaskugel haben, mit Prozentzahlen, Wahnsinn.

Wie meist über der Sache steht dagegen das Haus NZZ. So berichtet die NZZaS: «Der Optimismus stirbt zuletzt. Unser Reporter besuchte 38 US-Staaten. Seine Erlebnisse passen nicht zum Klischee des polarisierten Trump-Amerika». Er machte also das, wofür Reporter und Korrespondenten eigentlich da sein sollten.

Immerhin ein Blatt macht Journalismus

Statt in ihren Büros in Washington oder New York eine aus der immer noch hochklassigen US-Presse abgeschriebene Analyse nach der anderen rüberzuschicken, statt die ewig gleichen Waffennarren, Rassisten und Evangelikalen beim Jubeln für Trump zu beobachten, versucht hier einer herauszufinden, wieso Trump auch nach vier Jahren über eine feste Wählerschaft von mindestens 40 Prozent der US-Stimmbürger verfügt.

Das ist eigentlich die Aufgabe der Medien. Uns über Realitäten zu informieren, die zwar weit weg sind, aber uns sehr interessieren. Zum Beispiel darüber, was hinter den Klischees eines orange angemalten Knallkopfs oder eines senil zur Präsidentschaft tappernden ewigen Verlierers steht.

Immerhin ein Organ in dieser Presseschau bemüht sich darum. Besser als keins, aber ein weiteres Armutszeugnis für den ärmlichen, zu Tode gesparten Journalismus, der noch knapp zwei Themen auf einmal bewältigen kann. Beide aber nur gefangen im Klischee. Als Verstärker und Lautsprecher der Meinung, die beim jeweiligen Publikum vermutet wird.