Schlagwortarchiv für: CH Media

Wahnsinniger Putin

Die Auslandchefs von CH Media und Tamedia: zwei traurige Gestalten.

Samuel Schumacher ist Ressortleiter Ausland bei CH Media. Der zweitgrösste Vertreiber von Tageszeitungen in der Schweiz leistet sich was. Nämlich eine Auslandredaktion, die aus zwei Nasen besteht. Also ein Häuptling und ein Indianer.

Die Welt ist ziemlich gross und bunt und kompliziert. Daher ist es sehr gut, dass sich die Aufmerksamkeit meistens auf ein, zwei Orte konzentriert. Genau, Stichwort Ukraine. Das hat wiederum den Nachteil, dass nach ein paar Wochen intensiv-oberflächlicher Berichterstattung so ziemlich alles gesagt ist, oder kommt jemand der Satz «die Lage spitzt sich dramatisch zu» unbekannt vor?

Da ist es erfrischend, wenn Schumacher Neuland betritt: «Wahnsinniger Putin». Das ist originell. Ex-KGB, Machtmensch, Diktator, aggressiv, Provokateur, das hatte wir alles schon. Aber «wahnsinnig», ergänzt durch «gefährliche Hetzrede», damit betritt Schumacher endgültig das weite Feld der verantwortungslos-bescheuerten Berichterstattung.

Da will Christof Münger von Tamedia nicht nachstehen.

Dieser Weltstratege weiss über die NATO: «Die Militärallianz bedroht Russland nicht», plus: «Auch hinter der sogenannten Osterweiterung der NATO steckte keine offensive Strategie.» Eine defensive Ausdehnung nach Osten, gegen alle Zusicherungen bei der deutschen Wiedervereinigung. Für wie blöd hält der Mann seine Leser?

Münger ist auch um Ratschläge nicht verlegen: «Auch die Regierung in Bern sollte die neue Realität anerkennen.» Wer sagt das? Ein «promovierter Historiker», den «Reportagereisen in den Irak, nach Haiti oder in den Kongo führten». Fantastische Voraussetzungen, um den Ukrainekonflikt zu analysieren.

Was macht der Mann sonst noch? «Zusammen mit seinem Team plant und produziert er den Auslandteil.» Das liegt etwa so nahe an der Wahrheit, wie wenn man den Truppenaufmarsch um die Ukraine als Frühlingserwachen bezeichnen würde. Münger nimmt alle Germanismen aus den von München angelieferten Ausland-Artikeln raus (wenn nicht ein Euro oder ein Parken stehenbleiben) und füllt sie unter neuen Titeln (meist schlechter als im Original) ab.

Als sein Beitrag zur verantwortungslos-bescheuerten Berichterstattung.

 

Nix Genaues weiss man nicht

Massenhaft Kundendaten von Schweizer Telco-Anbietern abgegriffen. Und?

Swisscom, Sunrise UPC und Salt: Kundendaten sind durch einen Hackerangriff erbeutet worden und werden nun anscheinend im Darknet angeboten.

Ist das schlimm, ist das typisch, ist das, weil der Dienstleister in den USA sitzt? Das wäre nun ein klassischer Fall, wie ein durchaus das breite Publikum betreffendes Ereignis von Qualitätsmedien angeschaut, analysiert und eingeordnet werden könnte.

Konjunktiv. Für Tamedia hat Jon Mettler den Fall übernommen und probiert die übliche Nummer: «Was müssen Kunden nun wissen». Plus etwas grossmäulig: «Wir liefern die Antworten auf die wichtigsten Fragen.»

In Wahrheit stellt er tatsächlich die wichtigsten – und naheliegenden – Fragen. Bei den Antworten sieht es schon schütterer aus. Bei dem gehackten Dienstleister soll es sich um die «US-Firma iBasis» handeln. «Das Unternehmen mit Sitz in Lexington (US-Bundesstaat Massachusetts) ist der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Es bietet internationale Dienstleistungen für Hunderte von Telecomanbietern auf der ganzen Welt an

Das liegt durchaus im Streubereich der Wahrheit. Allerdings wurde die 1996 gegründete Bude für VoIP-Dienstleistungen schon mehrfach weiterverkauft. 2007 schnappte sie sich KPN, die nationale Telefongesellschaft der Niederlande. KPN wurde damit einer der wichtigsten Aktionäre von iBasis. iBasis bedient übrigens mehr als 1000 internationale Telco-Gesellschaften und ist damit auf Augenhöhe mit AT&T und knapp hinter dem Weltleader Verizon. Allerdings hat iBasis keinerlei eigene Telefonnetze in Betrieb.

2009 ging’s dann andersrum, KPN kaufte iBasis auf und dekotierte die Firma von der Börse. 2019 schliesslich verkaufte KPN iBasis an den französischen Telco-Anbieter Tofane Global. Es handelt sich also heute wenn schon um eine französische Bude, keine amerikanische.

Wie immer etwas komplexer, als sich die Schulweisheit träumen lässt

Tofane Global wäre eine vertiefte Untersuchung für sich wert. Zurück zum Datenklau. Da iBasis nur Vermittlungsdienste anbietet, sind vor allem Verbindungsdaten internationaler Anrufe abhanden gekommen. Wer im Darknet die angebotene Hehlerware kauft, weiss dann also, von welchem Telefon wie lange mit welchem anderen über Landesgrenzen hinaus kommuniziert wurde.

Big Data sind immer interessant, vor allem auch für staatliche Nachrichtendienste, die zum Beispiel versuchen könnten, längere Telefonate zwischen der Schweiz und chinesischen Dissidenten herauszufiltern und zurückzuverfolgen.

Es ist allerdings die Frage, ob die grossen Geheimdienste der Welt nicht schon längst im Besitz all dieser Daten sind.

Die üblichen Fragen stellen sich – und bleiben unbeantwortet

Natürlich stellen sich hier die üblichen Fragen. Ist es gut, weltweite Dienstleister zu verwenden, was Schweizer Telco-Anbieter vulnerabel macht? Nun ist es allerdings so, dass solche Vermittlerdienste schnell, effizient und billig nur von wenigen Riesenbuden angeboten werden; kein Wunder, dass bei iBasis über 1000 Telco-Firmen ihre internationale Gesprächsvermittlung organisieren lassen.

Da es sich eben nicht um Speicherung vieler personenbezogener Daten handelt, ist der potenzielle Schaden für 99 Prozent aller Betroffenen sehr überschaubar bis nicht vorhanden.

Es ist anzunehmen, dass iBasis seine Daten nicht mit einer Billig-Firewall aus dem Internet geschützt hat. Was bedeuten kann, dass der Angriff nicht von einem einsamen Hacker aus Lust und Laune durchgeführt wurde.

Ob es hier um das Abfischen von sensiblen Verbindungdaten geht und die Angebote des ganzen Datenhaufens im Darknet nur eine Vernebelungsaktion wäre, ist eine weitere interessante Frage.

Aber immerhin, Tamedia zeigt rudimentäre Ahnung vom Problem und vom Vorfall. Das kann man dem «Blick» nicht vorwerfen: «Die US-Firma iBasis ist Opfer eines Hackerangriffs geworden und könnte als Transporteur von Daten missbraucht werden, die Schweizer Betreibern gehören

Wer dazu «hä?» sagt, befindet sich ungefähr auf dem Wissensstand des zuständigen «Blick»-Redaktors.

Leicht hin und her gerissen ist für einmal die NZZ, das bringt sie mit Titel und Untertitel deutlich zum Ausdruck:

«Daten von Schweizer Telekom-Kunden wohl nicht von einer Cyberattacke in den USA betroffen. Kundendaten von Swisscom, Sunrise und Salt könnten missbraucht werden».

Auch dazu gibt es ein kräftiges «hä?».

Überraschende Kompetenz aus dem Aargau

And the winner is, verblüffend aber wahr: «US-Firma gehackt: Sind Kundendaten von Swisscom und Salt davon betroffen? Das US-Unternehmen iBasis ist Opfer eines Hackerangriffs geworden. Zu dessen Kunden zählen auch Schweizer Telekomanbieter. Bereits Entwarnung gegeben hat Sunrise UPC.»

Was CH Media hier abliefert, genauer Dario Pollice vom «News Service», entspricht ziemlich akkurat dem aktuellen Wissensstand. Sicherlich nicht um Hintergründe und Vertiefungen ergänzt, aber kein Gestocher im Nebel oder unverständliche Widersprüche wie bei der Konkurrenz.

Immerhin, es scheint auch ohne die Medienmilliarde noch da und dort kleine Lichtblicke zu geben.

 

 

 

Blütenlese

Erschütternd, was den Medien so alles einfällt nach der Niederlage.

Zunächst die strahlende Ausnahme. Die NZZ hatte sich als einzig Redaktion im Tageszeitungsmarkt gegen die Medienmilliarde ausgesprochen. Im Gegensatz übrigens zum NZZ-Verlag. Aber hier funktioniert noch das, was in den anderen Medienhäusern nur behauptet wird, aber nicht funktioniert: die Trennung zwischen Redaktion und Verlag.

Deshalb kann die NZZ souverän kommentieren:

«Das Medienpaket ist erfreulicherweise gescheitert. Nun geht die politische Debatte weiter. Sie sollte auch die SRG einbeziehen.»

Von hier an geht’s steil bergab. In der Niederlage sollte sich Grösse zeigen. Das geht bei der Verzwergung der Medien allerdings schlecht.

Für Tamedia wird Jacqueline Büchi als Kommentatorin vorgeschickt. Die fiel in der Vergangenheit mit unverantwortlichem, antidemokratischem Gerempel auf. «Maurer zündeln zu lassen, ist gefährlich», behauptete sie, «in trumpesker Manier flirtet er mit Verschwörungstheorien», behauptete sie wahrheitswidrig.

Schon damals überschätzte sie etwas ihre eigene Bedeutung und forderte streng: «Die Gesamtregierung muss Haltung zeigen und den Brandstifter in die Schranken weisen. Sonst riskiert sie ihre eigene Glaubwürdigkeit – und den Frieden im Land

Fast fünf Monate später können wir aufatmend feststellen: Der «Zündler» wurde nicht zurechtgewiesen, dennoch brach kein Bürgerkrieg aus in der Schweiz. Aber nach der Kanterniederlage im Kampf um Steuermilliarden für notleidende Verlegerclans sieht Büchi schon wieder Fürchterliches voraus:

«Tatsache ist, dass viele Aspekte unserer direkten Demokratie und unseres alltäglichen Zusammenlebens gefährdet sind, wenn unabhängige Informationen und eine gemeinsame Diskussionsbasis fehlen

Die natürlich nur Qualitätsmedien wie Tamedia liefern können, wo Qualitätsjournalistinnen wie Büchi schreiben.

Immerhin in etwas Selbstkritik übt sich Francesco Benini im Reiche CH Media: «Die Chefs grosser Schweizer Medienhäuser verhielten sich in einer Weise, als wollten sie das Paket unbedingt versenken, für das sie vehement plädierten.»

Das ist tapfer ausgeteilt. Allerdings erwähnt er dabei nur das grenzwertige Verhalten des Ringier-CEO Marc Walder und die Ankündigung von Tamedia, eine Sonderdividende auszuschütten. Wenn er für die Zukunft fordert, «sie sollten sich nicht so blöd anstellen wie bei ihrem Einsatz für das Medienpaket», dann könnte er auch seinen Ex-Vorsitzenden Pascal Hollenstein und seinen Besitzer Peter Wanner erwähnen. Aber bitte, Arbeitsplatzsicherung geht vor.

Noch schwerer hatte es Ringier mit seiner «Blick»-Gruppe. Verschiedene der sieben Zwerge aus der Leitungscrew hatten sich schon unsterblich lächerlich gemacht, herausragend «SoBli»-Chefredaktor Gieri Cavelty. Michael Ringier höchstpersönlich musste in die Tasten greifen, um seinen CEO Walder in Schutz zu nehmen. Als dessen zweites Malheur mit einer blöden E-Mail durchsickerte, verstummte Ringier. Walder sowieso.

Also wer bleibt noch: Ladina Heimgartner, die sich bereits mit einem völlig überflüssigen Leitartikel zur Lachnummer gemacht hatte, weil sie damit ohne Not die strikte Trennung zwischen Verlag und Redaktion ad absurdum führte, musst als CEO der «Blick-Gruppe» (um nur einen ihrer vielen Titel zu erwähnen) nochmals nachlegen und wird von der SDA zitiert: «Viele Leute läsen immer noch sehr gern Zeitungen. Diese blieben für die Demokratie wichtig, auch wenn sie vielfach kein Geschäft mehr seien, da Werbeeinnahmen zu grossen Internetkonzernen abflössen.»

Das sind Erkenntnisse von einer Tiefe und profunden Kennerschaft, die man erst mal sacken lassen muss. Während man sich die Lachtränen abwischt.

Geht’s noch schräger? Aber sicher, dafür ist «watson» immer zu haben. Hier fabuliert Peter Blunschi, «die Arroganz der «Grossen» war Gift für das Medienpaket». Schön für ihn, dass er nur ein «Kleiner» ist und daher auch auf die Komkurrenz einprügelt. Das sei allerdings «ein starkes Stück», wenn es der stellvertretende Chefredaktor des SoBli tue, der die «schlechteste Kampagne aller Zeiten» als Ursache für die Niederlage ausmache. Dabei aber «eigene Fehlleistungen grosszügig ausblendet. Gemeint ist das peinliche Video, in dem Ringier-CEO Marc Walder …» Tamedia ihrerseits habe sich mit der Sonderdividende bei gleichzeitigem Bezug von Kurzarbeitsgeld in die Bredouille begeben.

Und «watson»? Ach, ausser dass das Organ jeden Tag Fremdschämen provoziert, hat es sich wohl nichts zuschulden kommen lassen. Meint Blunschi, völlig frei von Selbstkritik.

Wir wollen diese kleine Blütenlese nicht ohne eine humoristische Note ausklingen lassen. Dafür greifen wir noch unterhalb von «watson» in die Mottenkiste. Dort schreibt «bajour»-Chefin Andrea Fopp:

«Wir von Bajour suchen jetzt aus eigener Kraft einen Weg in die Zukunft. Das ist ein Challenge

Aus eigener Kraft? Mit den geschenkten Millionen einer Pharma-Erbin, wäre ehrlicher. Wie soll denn diese «Challenge» gemeistert werden? «Wir von Bajour, Tsüri und Hauptstadt haben uns deshalb mit anderen Online-Projekten im Netzwerk Wepublish zusammengeschlossen, eine Vision von Bajour-Gründer Hansi Voigt.»

Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen, meinte Helmut Schmidt selig ganz richtig. Eine weitere Totgeburt von Voigt, wäre richtiger. Immerhin ist er auch dort «Geschäftsführer», als Fall-Back-Position, wenn «bajour» samt Fopp Geschichte ist.

 

 

 

 

Abgang Hollenstein

CH Media probiert’s per sofort ohne publizistische Leiter nach unten.

Pascal Hollenstein war laut Impressum die Nummer zwei bei CH Media. Über ihm thronte nur noch Peter Wanner, unter ihm werkelte der Oberchefredaktor Patrik Müller und alle anderen noch überlebenden Redaktoren und Chefs der unzähligen Kopfblätter.

Hollenstein stiess zu CH Media, als die NZZ Gruppe sich von ihren Regionalmedien trennte und sie in ein Joint Venture mit der AZ-Mediengruppe einbrachte, in der Wanner das Sagen hat. Damit endeten alle Karrierepläne von Hollenstein innerhalb der NZZ, wo er sich mehrfach Hoffnungen gemacht hatte, Chefredaktor der NZZaS zu werden. Das Schicksal blieb dem Blatt erspart.

Dafür durfte er «Leiter Publizistik» werden, in die Geschäftsleitung Einsitz nehmen und auch in einem «Publizistischen Ausschuss» neben Koryphäen wie Peter Hartmeier, Esther Girsberger und natürlich Wanner himself.

Furztrockener kann man nun aber einen Abgang nicht kommunizieren: Wanner und Hollenstein hätten sich «auf eine Aufhebung des Arbeitsvertrags verständigt. Über die Gründe wurde Stillschweigen vereinbart.»

Wenn das so weit oben in der Chefetage so passiert, hat’s gekracht, aber gewaltig. Da nützen auch die Krokodilstränen des CEO von CH Media nichts, der sich artig bedankt und hinzufügt: «Entsprechend kann ich den Weggang nur bedauern.»

Das Bedauern in den Redaktionen und bei der Leserschaft, die er schon mal als Milchkühe verunglimpfte, die man noch melken müsse, bis man sie zur Schlachtbank führe, dürfte sich in Grenzen halten.

Akzente nur bei einem einzigen Thema gesetzt

Auch sein unermüdlicher Einsatz als Büttel und Sprachrohr für eine hasserfüllte Kämpferin gegen Hass und Diskriminierung im Internet ist vielen unangenehm aufgefallen. Da ihm bei seinen Artikeln niemand widersprechen konnte, fantasierte er auch schon mal eine krachende Niederlage vor Gericht in einen Triumph um oder hielt sich nicht an gerichtliche Sperrfristen, um als Erster mit einer News herauszuplatzen.

Immer gut dokumentiert von seiner Quelle, was es ihm erlaubte, ungeniert aus Gerichtsunterlagen zu zitieren.

Wo da der Vorbildcharakter eines publizistischen Leiters abblieb? In letzter Zeit war er eher schweigsam geworden, bis er sich in einem «Leitartikel» nochmals für die Annahme des Medienpakets stark machte, die auch seinem Besitzerclan viele Millionen in die Taschen spülen würde.

«Demokratie ist kostbar – und darf uns etwas kosten»,

stellte er noch fest. Dann fragte er rhetorisch: «Was sind wir bereit, für unsere direkte Demokratie zu bezahlen?» Dass er damit ein Junktim herstellte, dass nur die zusätzliche Subventionierung mit einer Milliarde Franken nicht etwa nur die Medien, sondern gar die direkte Demokratie retten würde – leicht verständlich war er nie.

Sicherlich ist auch Wanner der Auffassung, dass die Demokratie »uns» etwas kosten darf. Vor allem, wenn unsere Steuerfranken in die Taschen der Medienclans wandern. Allerdings ist Wanner auch der Auffassung, dass er sich einen Hollenstein nicht länger etwas kosten lassen will.

Eine kleine Verschlechterung für Hollenstein, eine grosse Verbesserung für CH Media.

Wirklich schmerzlich ist der Abgang aber für eine Zugerin, die einige Internetportale betreibt. Staatliche Unterstützung gestrichen, die Prozesse laufen schlecht, ein Lautsprecher ist verstummt, es bleibt nur noch Hansi Voigt. Und das ist nie eine gute Nachricht.

Die Quittung

Anteil Nein zum Mediengesetz legt «überraschend» kräftig zu.

Ein tapferer Edgar Schuler, sonst der Tamedia-Lautsprecher für ein kräftiges Ja, musste durch schlechte Nachrichten schreiben.

Das hat er – immerhin – recht objektiv hingekriegt, ohne ausfällig, weinerlich oder polemisch zu werden. Die Botschaft, die er zu verkünden hat, ist bitter genug:

«Die Ablehnung liegt jetzt bei 57 Prozent, 6 Prozentpunkte höher als in der ersten Umfragewelle.»

Einzig bei dem den Artikel begleitenden Foto konnte es sich die Bildredaktion nicht verkneifen,  Trychler in den Fokus zu rücken.

Allerdings umfährt Schuler – verständlich – die Ursachen für diese dramatische Entwicklung weiträumig. Er zitiert stattdessen, dass die Veranstalter der Umfrage mal wieder «überrascht» sind. So wie Meinungsumfrageinstitute allgemein, die häufiger bei engen Ergebnissen daneben liegen als richtig.

Das ist aber ein Nebenschauplatz, die grosse Frage, die Schuler nicht beantwortet, lautet natürlich: warum? Alleine die drei grossen Medienclans beschallen mit Tamedia, CH Media und Ringier über 80 Prozent des Tageszeitungsmarkts. Dort füllen sie aus zwei Küchen den gleichen Einheitsbrei in 36 Kopfblätter ab.

Man kann da von einem Fast-Medienmonopol sprechen; der Zwangsgebührensender SRG ist selbstverständlich in aller Staatsferne ebenfalls ausgesprochen für die Annahme des Medienpakets.

Ursache: Unfähigkeit in aller Öffentlichkeit

Nur: unfähiger, schwächer, blöder ist selten eine Abstimmungskampagne geführt worden wie die der Befürworter der Zusatzmilliarde für angeblich notleidende Medien. Ein verstolperter und unterirdischer Webauftritt des Ja-Komitees. Ein Plakatsujet, das so peinlich ist, dass es schnell wieder in der Versenkung verschwand. Eine «Club»-Sendung, in der eine völlig überforderte Moderatorin nicht verhindern konnte, dass drei Teilnehmer sich gegenseitig niederzubrüllen versuchten.

Falsch gewählte Kampfbegriffe (Meinungsfreiheit, Demokratie stärken), dann noch eine mehr als unglückliche Aussage eines Clanmitglieds über Weisungen an Redaktionen. Schliesslich der typische Beziehungssumpf; eine grüne Nationalrätin weibelt mit Hochdruuck für die Annahme, lobt vor allem die Förderung von Online-Medien – während ihr Gatte zufällig genau ein solches aus dem Boden stampft und finanziell so positioniert, dass es jede Menge Zusatzbatzeli geben könnte. «Hauptstadt» heisst das Teil.

Ursache: grobe Leserverarschung

Das alles sind aber noch Peanuts gegen das eigentliche Problem: die Leserverarschung. Man kann das leider nicht gewählter ausdrücken. Denn die Medienkonzerne haben den Irrwitz veranstaltet, dass für weniger Angebot mehr verlangt wird. Trotz allen beschönigenden Geräuschen fällt es jedem Zeitungskonsumenten auf, dass ihm sowohl vom Umfang wie vom Inhalt her eine dünnere Suppe in kleineren Teller serviert wird.

Zudem kann der Leser der «Basler Zeitung» feststellen, dass in der «Berner Zeitung» oder im «Tages-Anzeiger» die gleiche Brühe serviert wird. Das bemerkt auch der Leser des «Tagblatts», wenn er einen Blick in die «Aargauer Zeitung» oder die «Luzerner Zeitung» wirft.

 

Das kann man nicht als Beitrag zum Meinungspluralismus verkaufen. Das kann man nicht als Ausnützen von qualitätssteigernden Synergien verkaufen. Besonders peinlich ist das im Falle Tamedia, die immer grössere Brocken von der «Süddeutschen Zeitung» bezieht, bis hin zu Katzentexten eines ehemaligen Münchner Bürgermeisters.

Dass man da das deutsche ß durch ss ersetzt, parken durch parkieren, schweizert die deutsche Sauce auch nicht genügend ein. Wie der Teutone die USA, Putin oder China sieht, deckt sich meistens auch nicht unbedingt mit Schweizer Blickwinkeln. Von der EU ganz zu schweigen.

Also muss man zusammenfassend sagen, dass das Resultat wohlverdient und keinesfalls «überraschend» ist.

Fake News aus dem Bundesrat

Eine unglückliche Figur macht auch die zuständige Bundesrätin. Medienministerin Simonetta Sommaruga verkündet Mal um Mal, dass 75 Prozent der zustätzlichen Steuerfranken kleineren und lokalen Medien zugute käme. Ihr Bakom behauptet, dass in den letzten Jahren 70 Zeitungstitel eingegangen seien. Solche Fake News machen es den Gegnern einfach, den Sinn der Milliarde in Frage zu stellen.

Zu allem Unglück werfen sich dann noch Figuren wie Hansi Voigt für ein Ja in die Bresche. Selbst von einer reichen Pharma-Erbin ausgehalten, kritisiert er Milliardäre, die sich Medien halten würden. Selber eine Spur der Verwüstung hinterlassend, behauptet er, exorbitante Gewinne durch Artikel im Internet ausrechnen zu können. Und schliesslich beschimpft er die Befürworter des Referendums als «Freunde des Faschismus», auch wenn er dann zurückrudert.

Das ist sowieso der letzte verzweifelte Versuch, das Steuer noch rumzuwerfen. Auch die WoZ ist sich nicht zu schade, eine Verschwörungstheorie auszubreiten, dass rechte Verleger und Mitglieder des Refrendumskomitees beispielsweise das St. Galler «Tagblatt» kaufen wollten. Obwohl es nicht zum Verkauf steht, aber als Schreckgespenst muss es herhalten.

War wohl nix.

Die Medienclans müssten sich selbstkritisch fragen, welche Pfeifen denn in ihren Teppichetagen sitzen, die nicht mal in der Lage sind, die geballte Medienmacht für eine knackige Ja-Kampagne auszunützen. Die nicht mal in der Lage sind, viel Geld sinnvoll auszugeben.

Unabhängig davon, ob es ein Ja oder ein Nein absetzt: mit dieser Management-Crew sieht es dunkelschwarz oder blutrot aus für die Zukunft der Medienkonzerne in der Schweiz.

 

Tell tot?

Das Befürworterkomitee «Die Meinungsfreiheit» weibelt. Ohne Tell?

Leser von ZACKBUM wissen: Es gibt ein Abstimmungsplakat, das so bescheuert ist, dass es eigentlich verboten gehört:

Das wurde von geschäftsführenden Cracks der beiden Werbeagenturen Farner und Rod nichtsahnenden Medienhäusern aufs Auge gedrückt. Leider ist es so: wer sich das aufschwatzen lässt, ohne sofort Schadenersatz und Schmerzensgeld zu fordern, ist so unterbelichtet, dass jegliche Staatssubvention rausgeschmissenes Geld wäre.

Das Werbeverbrechen wird daher auch sehr zurückhaltend, um es höflich auszudrücken, sehr zurückhaltend plakatiert.

Nun gibt der «Verband Schweizer Medien» auch mit einem «Sondernewsletter» nochmals Gas. Denn nicht nur dank diesem abverheiten Werbegag sind die grossen Medienclans mit ihrer Medienmacht schwer in die Bredouille geraten. Eine als sicher im Sack geglaubte Abstimmung wird immer mehr zum nervenzerfetzenden Thriller und es ist durchaus möglich, dass ein paar Komiteemitglieder mit Pfupf das Unmögliche schaffen könnten: das Medienpaket versenken.

Dann wäre immerhin eine Steuermilliarde futsch, und wie Clanchef Peter Wanner kürzlich jammerte: dann würde CH Media in vier, fünf Jahren rote Zahlen schreiben.

Echt jetzt? Der Besitzer einer grossen Bude kündigt weinerlich an, dass man dann mal in die roten Zahlen rutschen werde? Das sei nur zu verhindern, wenn man Staatsknete reingeschoben kriegt, noch mehr als jetzt schon.

Völlig falsche Einstellung

Was ist denn das für eine Einstellung? Unternehmerisch tätig werden, um das abzuwenden? Das unfähige Management feuern und viel Geld sparen? Das Millionengrab «watson» zuschaufeln? Endlich mal den Ansatz einer Idee haben, wie man im Internet Geld verdienen könnte?

Ach was, wieso denn, Kohle kommt. Oder auch nicht. Aber das sollte Wilhelm Tell höchstpersönlich verhindern. Wir wollen nicht wissen, was dieses Schwachsinns-Plakat gekostet hat.

Aber, Wunder über Wunder, der VSM verschickt seinen «Sondernewsletter» zur Abstimmung. Sauber aufgebaut; Intro, Grafiken, Testimonials. Kein visuelles oder inhaltliches Glanzstück, aber solide.

Am Schluss kommt dann noch dieser hier:

So weit, so gut. Der Hinweis aufs «Komitee Die Meinungsfreiheit» geht in Ordnung. Obwohl der Name ebenfalls bescheuert ist. Die grossen Medienclans, die in den letzten Jahren ständig Kopfblätter aufgekauft haben und aus zwei Küchen insgesamt 36 Tageszeitungen mit der gleichen Sauce abfüllen, die sind die Totengräber der Meinungsfreiheit. Wenn schon.

Zum Fremdschämen. Und dann noch Hansi Voigt

Aber item, blöder Name, unglücklich kämpfendes Komitee, desaströse Kommunikation. Zum Fremdschämen. Seit sich auch noch Hansi Voigt auf die Seite der Befürworter geschlagen hat, kann man getrost Wetten über den Ausgang der Abstimmung abschliessen. Denn wer den im Lager seiner Gegner erspäht, weiss: ich gewinne.

Aber es gibt eine gute Nachricht: dieser NL wäre eine prima Gelegenheit gewesen, das Tell-Plakat weiter unter die Leute zu bringen. Nur: ist nicht. Kein Tell. Keine Mauer, die mit der Ausgabe der NZZ vom 1. August 1291 niedergehauen wird. Nichts. Tell ist tot.

Auch in der extra gebastelten und 8 Seiten umfassenden «Abstimmungszeitung» ist eigentlich alles enthalten, was auch im Newsletter verbraten wurde. Was auch etwas schlapp ist. Aber auch hier kein Tell. Absurd, aber wahr: Da gibt es ein Komitee. Da gibt es ein breites Bündnis vieler Medienhäuser. Und Organisationen. Allesamt Medienprofis.

Die eigentlich wüssten, wie man eine Kampagne führt, die Volksseele richtig massiert, wie wichtig es ist, mit klarer Symbolik und Aussage in die Abstimmung zu ziehen. Also liess man ein Plakat entwerfen, drucken und gab auch dafür einen Haufen Geld aus. Um es stolz zu präsentieren – und anschliessend in der Versenkung verschwinden zu lassen.

Es braucht schon die geballte Fachkompetenz von grossen Medienhäusern, denen es immerhin um einen hübschen Anteil an einer Milliarde geht, um dermassen kläglich zu versagen.

Was muss denn noch alles passieren, damit die Clanchefs – Coninx-Supino, Ringier-Walder, Wanner-Wanner und Lebrument-Lebrument – einsehen, dass sie einen Haufen Geld sparen können, wenn sie den Overhead, die Teppichetage, das Verlagsmanagement mehr oder minder ersatzlos einsparen.

Denn eines ist sicher: schlimmer kann’s nicht mehr werden; diese Kampagne für das Medienpaket wird noch in Jahren Lachtränen verursachen. Schenkelklopfer und unkontrollierbare Kicheranfälle.

Ist’s die NZZ vom 1. August 1291?

Wendehals Hollenstein

Es ist ruhig geworden um die publizistische Leiter nach unten.

Das letzte Mal wandte sich Pascal Hollenstein am 31. Dezember an seine Völker. Nun ja, an die Schweizer Bevölkerung. Mit nachdenklichen Worten zum Jahreswechsel.

Dabei griff er tief in seinen historischen Fundus und erinnerte an ein englisches Plakat von 1938: «Keep calm and carry on», Ruhe bewahren und einfach weitermachen. Damals stand England vor dem Eintritt in den Zweiten Weltkrieg.

Eine Nummer kleiner hat’s Hollenstein nicht. Auch er ruft seinen Lesern zu: «Goodbye 2021. Welcome 2022. And: Keep calm and carry on.»

Da geht er und geht und geht. (Screenshot als Bildzitat)

Das hat er sich selbst zu Herzen genommen; seither ist er verstummt und verzehrt sein üppiges Gehalt in tiefer Kontemplation über die Zeiten und die Weltläufe.

Nur auf den Social Media ist er ab und an aktiv. Wohl damit sich niemand in der Illusion wiegt, er sei endgültig schreibfaul geworden. Natürlich ist ihm da das Hemd näher als die Hose, denn verschreckt weist er auf einen Artikel in der WoZ hin:

Sachen gibt’s, die sind zu irre …

Gemach, hier rührt die WoZ aus ein paar launigen Bemerkungen eines Verlegers und eines PR-Mannes eine wahre Verschwörungstheorie zusammen. Denn der Abstimmungskampf um die Medienmilliarde für reiche Verlegerclans geht in die heisse Phase.

Da ist es immer gut, von üblen rechten Plänen zu berichten, die freie Presse zu übernehmen und zu knechten. Immerhin, wenn das dazu führte, dass Hollenstein in den vollständigen Ruhestand geschickt würde …

Auf der anderen Seite ist es ja merkwürdig, dass er sich so für das «Tagblatt» und überhaupt die Regionalmedien einsetzt.

Wir zitieren ZACKBUM vom August 2020: «Gegen aussen neigt der «Leiter Publizistik» von CH Media zum Salbadern. In gesalbten Kommentaren säuselt er, «man möchte all jenen danken, welche auch dieser Zeitung ihr Vertrauen schenken». Zugleich ist er ein unerschrockenes Sprachrohr für Jolanda Spiess-Hegglin; man erinnert sich, bei einer Feier 2014 geriet einiges ausser Kontrolle.

Allerdings würden sich doch manche Leser von Produkten aus dem Hause CH Media wundern, wenn sie wüssten, wie sich der feine Herr intern über sie äussert.

Da spricht er nämlich von der «Luzerner Zeitung» und ihren Regionalausgaben von CH Media als «Abfallprodukt». Diese «alte Milchkuh» müsse man noch solange melken, bis die Leser ausgestorben seien. Und auf keinen Fall den Abopreis senken, obwohl der Inhalt immer dünner wird. Denn die Gewohnheitsleser würden klaglos zahlen. Und wenn sich das Produkt nicht mehr rentiert, dann sei es Zeit, diese Milchkuh zur Schlachtbank zu führen.

Diese abschätzigen Bemerkungen machte die Leiter coram publico, worauf sie von verschreckten Zuhörern an die Öffentlichkeit gebracht wurden.

Apropos, auch seiner Funktion als Büttel von Spiess-Hegglin geht Hollenstein nicht mehr wirklich nach. Ihre Streiterei um Gewinnherausgabe gegen Ringier vor dem Kantonsgericht Zug ist ihm keine Träne und keine Zeile mehr wert …

Hilfe, mein Papagei onaniert!

Diesmal zum Thema: Schon wieder tritt ein VR-Präsident der Credit Suisse ab. Ho, ho, Horta.

Die SDA formuliert mit der Zurückhaltung, die sich für eine Newsagentur gehört. Daher übernehmen viele Medienorgane (Pluralismus, Vielfalt) den SDA-Ticker und ergänzen da und dort.

Daher kann zum Beispiel das Fachblatt «Handelszeitung» die Meldung mit «sda/mbü» zeichnen. Sieht doch gleich viel kompetenter aus.

Etwas geheimnisvoller lautet der Autorenname bei der Meldung von srf.ch: «srf/lin;harm». Ähnlichkeiten mit der SDA-Meldung sind sicherlich rein zufällig und nicht beabsichtigt. Das gilt auch für watson.ch, wo eine Salome Woerlen in die Tassen gegriffen hat. Philipp Löpfe ist auch immer unpässlich, wenn’s wo kracht.

«Cash» online vertraut hingegen auf den Wirtschaftsticker AWP, ebenfalls nicht auf eigene Kräfte. CH Media beschallt via seine 21 Blätter die Deutschschweiz einheitlich mit einem Artikel von André Bisseger, der sich seinerseits auf «Material von der DPA» stützt.

Tick, tick, Ticker

Bluewin.ch, das zu den einschaltstärksten News-Plattformen in der Schweiz gehört, lässt es bei der abgespeckten SDA-Version bewenden. «nau.ch» vertraut ausgewogen auf DPA und SDA.

Der «Blick» hingegen bietet immerhin drei eigene Kräfte auf. Den Noch-Wirtschaftschef Guido Schetti, Daniel Kestenholz und Ulrich Rotzinger hauen fast 5000 A ins Netz.

Und der zweite Grosskonzern der gepflegten Eigenleistungen und des Qualitätsjournalismus? Tamedia braucht zunächst mal eine Schrecksekunde, bis dann – gekonnt ist gekonnt – der SDA-Ticker von «chk» verwedelt, Pardon, veredelt wird. Leider ist das Kürzel im Impressum nicht ausgewiesen.

Natürlich lässt die NZZ einen Redaktor ans Gerät, der aber auch nicht viel mehr als die SDA zur Erkenntnis beitragen kann. Wie immer erfrischend ist hingegen Lukas Hässig auf «Inside Paradeplatz»*, da wird die gesamte CS-Führung, insbesondere der für die Personalpolitik zuständige Severin Schwan, kräftig abgewatscht.

Prioritäten setzen

Nun ist es vielleicht ein wenig bedeutender für die Schweiz, was mit ihrer zweitgrössten Bank, «too big to fail», also notfalls dem Steuerzahler aufs Portemonnaie fallend, passiert. Im ersten Anlauf bis Montagmittag haben die vielfältigen Medien – ohne alle Kopien extra hinauszuzählen – rund 75 Artikel zum Thema publiziert. Die meisten stützen sich dabei auf die Gerüste von Nachrichtenagenturen im Abonnement.

Am gleichen Tag erschienen fast doppelt so viele Meldungen – 141 – zu Novak Djokovic. Obwohl der bereits abgereist ist und die Affäre weitgehend beendet. Nimmt man die Zeit seit Beginn des Schlamassels, gibt es fast 3000 Treffer zu ihm in der Mediendatenbank SMD.

1347 beschäftigen sich im weitesten Sinn – inklusive Börsenmeldungen – mit der CS. Das nennt man eine glasklare, kompetente Prioritätensetzung.

Einordnung, Analyse, Auswahl, die wenigen verbleibenden Kräfte werden dafür benützt, wichtige Themen schwergewichtig zu behandeln. Die CS ist ein sehr schwergewichtiges Thema.

Kleines Problem: ausser, es wird richtig saftig, ziehen Wirtschaftsthema viel weniger als knallige Skandalstorys. Und auch bei Tamedia sitzen die Journalisten in ihren Verrichtungsboxen und werden an der Anzahl Klicks gemessen, die ihr Online-Ausstoss generiert. An nicht viel mehr.

Schlampiges als Qualität verkauft

Das hat mit Anpassung an moderne Zeiten viel, mit Qualitätsjournalismus wenig zu tun. Abnehmende Bedeutung und mangelnde Kompetenz wird mit Meinung, mit Kommentar ersetzt. Am liebsten in den gegendarstellungsfreien Raum hinein, und da bieten sich die Probleme eines serbischen Tennisspielers in Australien ideal an.

Die Probleme einer ehemaligen Schweizer Traditionsbank mit einem portugiesischen Tennisfan eher weniger. Bei seinem schlampigen Umgang mit Quarantäne- und Corona-Regeln wurde zwar auch gemotzt und sogar sein Rücktritt gefordert. Aber dann ging man wieder zur Tagesordnung über, die gesamte Dimension des Problems der CS zeichnet höchstens der Einzelkämpfer Hässig ab und an nach.

Denn, merke: auch die grossen Medienclans müssen ihren Finanzhaushalt bei einer Bank regeln. Kleines Geheimnis, die Alternative Bank ist’s nicht …

*Packungsbeilage: René Zeyer publiziert gelegentlich auf «Inside Paradeplatz».

 

 

 

Filzball-Mopser

Blütenlese der Schweizer Qualitätsmedien.

Das Thema ist weltbewegend. Darf ein Tennisspieler nach Australien einreisen oder nicht? Hat er alle Bedingungen dafür erfüllt – oder ist er ein arroganter Sack, der meint, wenn die Nummer eins des Tennis kommt, dann winke man ihn einfach durch?

Als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt, haben sich die Schweizer Qualitätsmedien darauf gestürzt. Über 1200 Treffer für den Namen Djokovic in den letzten Tagen.

Dabei haben sich die drei grossen Medienclans schlichtweg blamiert. Die Fachkoryphäen des Filzballs, die Spezialisten für Serbien und Serben waren sich einig: Der Mann rennt in ein «Fiasko» (SoZ). Er spielt «Russisches Roulett» (CH Media). Die «Chefredaktorin Sport» des «Blick» wusste: «Die Pointe in der Aussie-Open-Geschichte ist, dass Djokovic am Flughafen festsass und offenbar das Land wieder verlassen muss.» Nun rettet Steffi Buchli nur ein vorsichtiges «offenbar» vor der völligen Peinlichkeit.

Garniert wurde die objektive und nur der Wahrheit verpflichtete Berichterstattung mit demagogischen Fotos und der ganzen Latte von Vorurteilen, die man gegen Serben im Allgemeinen und Djokovic im Speziellen auffahren kann.

Gewichtung, Ausgewogenheit, Fachkompetenz, sorgfältige Abklärung der Hintergründe? Hinweis darauf, dass es insgesamt 26 Anträge auf Ausnahmebewilligungen für die Turnierteilnahme gab, die grösstenteils auch zur Einreise führten?

«Und täglich grüsst der Drama-King», verballhornte die «Blick»-Fachkraft den Titel eines schönen Films, der das nicht verdient hätte.

Ein Vollpfosten aus dem Hause Tamedia sah schon den «tiefen Fall eines grandiosen Tennisspielers» voraus, eines «Schwurblers» auch, der eine «grosse Narrenfreiheit» geniesse. Und die Serben? «Wer in diesen Tagen die serbische Krawallpresse liest, der wähnt sich kurz vor einem Weltkrieg.»

Typisch für diese -itsch. Unzivilisiert, aggressiv, grössenwahnsinnig, gefährlich halt.

Nun ist ZACKBUM  kein grosser Fan der Fähigkeit, einen Filzball so über ein Netz zu dreschen, dass er anschliessend wieder rechtzeitig runterkommt. Auch das Dreigestirn Federer, Nadal und Djokovic lässt uns ehrlich gesagt kalt.

Aber an diesem Beispiel wird wieder etwas schmerzlich bewusst: wer so berichtet, kann nicht im Ernst behaupten, Qualität abzuliefern. Wer so berichtet, kann nicht im Ernst begründen, wieso seine Tätigkeit mit einer weiteren Steuermilliarde unterstützt werden sollte.

Wer dermassen den Ball ins Aus geschlagen hat, schlichtweg mit Analyse, Prognose und Darstellung kreuzfalsch lag, könnte einfach mal kurz schweigen oder – das aber niemals! – einräumen, schwer danebengelegen zu haben.

Aber wenn die Realität, dieser Schlingel, sich nicht so benimmt, wie sie der Journalist gerne sähe – Pech für die Realität. Wie kommentiert ein weiterhin hyperventilierender Tamedia-Qualitätsjournalist das Urteil eines australischen Richters? «Wie ein Schlag ins Gesicht.» Von wem? Na, vom betroffenen Journi natürlich, von wem sonst. Das tut aber ein australischer Richter nicht ungestraft:

«Der Weltranglistenerste ist zum Symbol der Egozentrik, der Uneinsichtigkeit, der Ungleichheit und zu einem weltweiten Anführer der Impfgegner geworden.»

Aber nein, Tamedias René Stauffer ist ein Symbol der Uneinsichtigkeit geworden, nur interessiert das die Welt glücklicherweise nicht sehr. Während sein Kollege dank der dortigen Medien Serbien am Rande des Weltkriegs sieht, prognostiziert Stauffer nun, dass das Urteil «brandgefährlich für Melbourne und Australien» sei. «In der Stadt drohen nun Tumulte … Sollte er tatsächlich als Spieler in die Rod Laver Arena schreiten, ist ein Aufruhr garantiert.»

Statt Serbien am Rande des Weltkriegs nun Australien am Rande des Bürgerkriegs. Huch.

Und sollte das nicht passieren, ist Stauffer einfach nochmal stinkbeleidigt und muss ganz fest mit der Wirklichkeit schimpfen.

Zum Üben gibt es im Tennis Ballmaschinen. Die spucken eine Filzkugel nach der anderen aus, bis das Reservoir leer ist. Wir empfehlen für die drei Redaktionen eine Anschaffung. Besonders überzeugt hat uns dieses Modell, denn ein «eingebauter Sensor stoppt den Ballwurf sofort»:

Sportredaktor (Ersatzmodell).

So wie ein eingebauter Sensor die nun wie begossene Pudel dastehende Rechthaber und Besserwisser in drei Schweizer Qualitätsmedien zum Nachmopsen und anschliessendem Verstummen gebracht hat.

Punkt, Satz, Sieg

ZACKBUM wird noch zum NZZ-Groupie. Aber nur punktuell.

Bei all den Ausflügen in tiefste Niederungen des Kampagnenjournalismus tut eine Stimme der Vernunft einfach gut.

In der Affäre Djokovic – darf ein Tennisspieler in Australien Tennis spielen – haben sich die drei Schweizer Medienkonzerne Tamedia, CH Media und Ringier bis auf die Knochen blamiert.

Sie haben diese nebensächliche Story zu einem Grosskampf über Impfschwurbler, arrogante Serben und Grössenwahn aufgeblasen. Sie haben alle niederen Instinkte bedient und mit Fotos gearbeitet, wegen deren demagogischen Gehalt sie man den Bildredaktoren um die Ohren hauen sollte.

Dass ein paar Amoks – auch aus niederen persönlichen Gründen – voll auf die Kacke hauten, ist nicht mal das Problem. Sondern dass das alle Kontrollinstanzen durchlief – ohne Einspruch.

Vor diesem Hintergrund ist es beruhigend, dass ein Kommentator in der NZZ noch Mass und Mitte kennt. Nachdem wir uns schon beim grossen Vorsitzenden Eric Gujer rangeworfen haben, wollen wir auch hier ein paar Kernsätze unkommentiert zitieren, weil die einfach nicht nur elegant formuliert, inhaltlich richtig, sondern auch wohltuend unaufgeregt sind.

«Man kann von Novak Djokovic halten, was man will. Man kann seine Weigerung, sich impfen zu lassen, für sein gutes Recht sehen oder als Dummheit. Man darf sich zurecht fragen, warum so ein Aufsehen gemacht wird um einen Typen, der sich allein dadurch auszeichnet, dass er gelbe Bälle besser über ein Netz schlägt als andere Menschen.»

«Es geht darum, dass es eine australische Ausnahmeregelung gibt, laut der ungeimpfte Spieler ans Tournier nach Melbourne reisen können. Novak Djokovic ist ungeimpft. Aber Djokovic hat die Ausnahmebedingungen erfüllt – das haben zwei unabhängige Kommissionen befunden.»

«Als die Grenzschutzbehörden Djokovics Visum annullierten und ihn in Auslieferungshaft steckten, twitterte Premierminister Scott Morrison: «Regeln sind Regeln – vor allem, wenn es um unsere Grenzen geht. Niemand steht über diesen Regeln.» Das war billigster Populismus.»

«Für die brusttrommelnden Politiker heisst das: «Gesteht euch ein, dass ihr euch verschätzt habt.»

Ihnen bleibt nur, das Australien Open am Fernseher zu schauen – und ganz fest zu hoffen, dass Djokovic das Tournier nicht auch noch gewinnt. Sonst haben sie neben dem Schaden auch noch den Spott.»

Um es im Tamedia-Jargon verständlich für die übrigen Journalisten auszudrücken: diese Sätze sind Schläge ins Gesicht dieser Schreibnulpen.