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Kleine Medien-Show

Man gönnt sich ja nix: Wie reagieren die Medien auf die Walder-Bombe?

Eine grosse Münze in der Journalistenwährung ist der sogenannte Primeur. Schlichtweg: ich hab’s zuerst publiziert. Die neue Haarfarbe eines Popsternchens, das erste Foto eines neuen Autos – oder eine wirkliche Bombe.

Die Reaktion der Kollegen ist immer die gleiche: mit langen Zähnen und knirschend nachziehen. Aber zuerst abwarten, ob das wirklich die Runde macht.

Das war so, als die «Weltwoche» eine aussereheliche Affäre unseres Gesundheitsministers publik machte. Da herrschte zunächst tiefes Schweigen, bis dann die meisten Medien eine SDA-Meldung übernahmen. Versehen mit kritischen Kommentaren; Parteipolitik, Privatleben, unanständig, typisch Mörgeli halt.

Nun hat es einen viel näheren Einschlag gegeben. Ringier-CEO Marc Walder hat sich auf Video aufnehmen lassen, während er klarstellt, dass auf seinen Befehl hin Ringier-Medien weltweit die jeweiligen Regierungen bei ihrer Corona-Bekämpfung unterstützten.

Das ist im Fall Ungarns beispielsweise ausgesprochen putzig. Nun ist hier der Enthüller ein ehemaliger WeWo-Mann, federführend im Komitee gegen das Mediensubventionsgesetz, über das in etwas mehr als einem Monat abgestimmt wird.

Zudem hat er eine Kommunikationsagentur, arbeitet aber weiterhin als Journalist. Das sind natürlich alles kleine Hebelchen, um zwar über den Skandal berichten zu müssen, aber durchaus an Bote und Botschaft herumzumeckern.

Das tut beispielsweise der ehemalige NZZ-Medienjournalist Rainer Stadler: «Philipp Gut, der für den «Nebelspalter» und lokale Websites Marc Walders Aussagen skandalisierte, tritt als Journalist auf und betreibt gleichzeitigen Kommunikationsagentur. Er ist zudem Geschäftsführer eines Abstimmungskomitees gegen das Medienpaket. Der «Nebelspalter» verschweigt das. Solche Doppel- und Mehrfachrollen passen nicht zu einem unabhängigen Journalismus. Zumindest müssten sie offengelegt werden.»

Auch Tamedia setzt einen schrägen Ton

Das nennt man fokussieren auf das Wichtige. Tamedia setzt den Ton so: «Geleaktes Video: Ringier-Chef trimmte seine Medien auf Regierungskurs». Auch das befindet sich im Streubereich der Wahrheit. Das Video ist laut Aussage von Philipp Gut nicht geleakt, sondern war im Internet auffindbar. «Der Knaller ist ein Spätzünder», fährt Thomas Knellwolf fort, damit insinuierend, dass es bewusst kurz vor der Abstimmung über das Milliardensubventionspaket lanciert wurde.

Auch Knellwolf beschreibt weitere Zusammenhänge: «Nun beginnt die heisse Phase im Abstimmungskampf. Gut ist Geschäftsführer des Nein-Komitees. Zu den Mitgliedern des Komitees, das gegen mehr staatliche Unterstützung für die Verlage ist, gehören die Herausgeber von «Nebelspalter» und «Die Ostschweiz». Sie haben Guts Text in identischer Form wie auf der Komitee-Webseite veröffentlicht.»

Na und, kann man da nur sagen, na und? Knellwolf arbeitet für einen Konzern, der das Medienpaket lauthals unterstützt, weil er davon profitieren würde. Sein Text erschien in identischer Form in allen Tamedia-Kopfblättern.

«20 Minuten» referiert tapfer den Inhalt des Videos, um dann – Überraschung – Fachleute zu befragen. Zum Beispiel den «stellvertretenden Forschungsleiter am Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich». Hinter dem umständlichen Titel verbirgt sich ein Institut mit schwerer politischer Schlagseite.

Daher sagt der Stellvertreter auch: «Das Video alleine reiche als Beweis für einen solchen Eingriff jedoch nicht aus. Dafür müsste man etwa abklären, ob die angebliche Weisung Walders Einfluss auf die Chefredaktion und den redaktionellen Alltag gehabt habe.»

Dann stellt er noch eine kühne Vermutung in den Raum:

«Wenn kurz vor der Abstimmung zum Mediengesetz ein solches Video geleakt wird, könnte es sich auch um Abstimmungspropaganda handeln.»

Na und, kann man auch hier nur sagen.

Nau.ch schreibt hingegen ganz auf der vorsichtigen Seite: «Das Video hat bereits nach drei Tagen mit Abstand die meisten «Views» auf dem YouTube-Kanal des Referendumskomitees. Geschäftsführer des Komitees ist der Kommunikationsberater und Journalist Philipp Gut, der gemäss «Tagesanzeiger» das Video veröffentlicht haben soll.»

Nun, Gut hat als Autor in seinen Beiträgen das Video tatsächlich veröffentlicht, das ist kein Ergebnis einer tiefen Recherche von Tamedia.

Was machen CH Media und NZZ, die zwei anderen letzten Mitspieler im Tageszeitungsgeschäft? Nichts. Einfach mal nichts.* Die zumindest bestfinanzierte Mediengruppe in der Schweiz? Auch SRF schweigt.

Nur «Inside Paradeplatz», obwohl das ja nicht das zentrale Thema ist, nimmt kein Blatt vor den Mund:

«Die Medien nicht als Gegengewicht und letzte Kontrollinstanz der Befehlshaber einer Gesellschaft, sondern als Assistenten und Ermöglicher – so Walders Interpretation seiner Rolle.»

Dass die mediale Behandlung des Mediensubventionsgesetzes schwierig würde, weil sich ausser der NZZ-Redaktion alle grossen Medienhäuser dafür ausgesprochen haben und davon profitieren würden, war klar.

Aber was hier in der Berichterstattung über den Walder-Skandal passiert, übertrifft die kühnsten Befürchtungen.

Ist diese verhaltene, teilweise fiese Reaktion einfach auf Futterneid zurückzuführen? Ist es denkbar, dass so zurückhaltend und kritisch berichtet wird, weil CH Media und Tamedia klare Befürworter der zusätzlichen Milliardensubvention sind?

Oder aber, das könnte es sein, man hat in diesen Verlagshäusern Schiss, dass auch mal ein Video auftauchen könnte, auf dem Tamedia-Boss Pietro Supino oder CH-Media-Clanchef Peter Wanner in aller Deutlichkeit sagen würden, dass es gar nicht gelitten wäre, wenn in ihrem Einflussbereich kritisch über die Steuermilliarde berichtet würde.

Diese Videos sind nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Bislang. Für den Fall: ZACKBUM ist auch in der Lage, Bewegtbilder in seine Webseite einzubinden

 

*Die NZZ hat inzwischen zum Zweihänder gegriffen auch CH Media und SRF berichteten. ZACKBUM liefert nach …

Es darf gelacht werden

Aufgabenstellung: Artikel, sinnlos oder unnütz. Es folgt die Qual der Wahl.

Vielleicht hätte ZACKBUM das Gegenteil als Kriterium verwenden sollen. Das wäre dann aber ziemlich schwierig geworden. So mussten wir uns in der Qual der Wahl für jeweils ein Beispiel aus dem überlebenden Mediensumpf entscheiden. Dafür kamen «watson», «20 Minuten», «Blick», Tamedia, CH Media, nau.ch, die NZZ und das glaubwürdigste Organ der Schweiz in die Kränze.

Ach, Rätselfrage? Also wirklich, bei dem Organ handelt es sich natürlich um die «Republik».

Der erste kaum schlagbare Knaller aus dem Hause «watson»:

Gleich zum ersten Beispiel im familientauglichen Quiz:

Die richtige Antwort ist natürlich C (Ich will ihn heiraten! Lebt er noch?). Haben wir gelacht, dass Stalin als «gut aussehender Hipster, äh Diktator» angepriesen wird. Zu solchen Geschmacklosigkeiten ist nur «watson» in der Lage, in der Tradition seiner Kulturjournalistin des Jahres Simone MeierJuden canceln»).

Hier kommt die Konkurrenz «20 Minuten»:

Ja, gut, es handelt sich um einen «Paid Post», was immer das sein mag, denn mehr als die Hälfte der Leser erkennt das nicht mal als Reklame. Dennoch hat dieser als Artikel verkleidete Werbetext irgendwie die Aura von strahlender Dummheit.

Wir holen den Dritten im Bunde des Trio infernal an Bord; den «Blick».

Eigentlich ist gegen die Tätigkeit der finnischen Lehrerin nichts einzuwenden. Nicht mal, dass sie schon längst beendet ist. Dennoch sei die schüchterne Frage gestattet, welchen Sinn es macht, eine ellenlange Story über eine Finnin ins Blatt zu heben, die in Syrien IS-Kinder unterrichtet. Aber vielleicht wollte der «Blick» seinen Lesern näherbringend, dass Finnisch sauschwer zu lernen ist. Als nicht indogermanische Sprache. Ach so, das kann man googeln.

Weiter geradeaus im Flachland, nau.ch:

Gemein, und niemand lacht über das zu knappe Decolleté von Carmen «Roooobert» Geiss. Auch ein Artikel, ohne den man sich nicht gut informiert fühlte.

Nun müsste es eigentlich senkrecht nach oben gehen, wir kommen zu Tamedia. Fürs Gegenteil sorgt allerdings der meinungsstarke Sandro Benini, auch bekannt als Ressorthopper:

Man darf ja die Namen Immanuel Kant oder John Stuart Mill verwenden, um sich einen gelehrten Anstrich zu geben. Man darf sich auch in semantischer Auslegung des Wortes «versehrt» versuchen. Aber wenn man andere Polemiker so in den Senkel stellt, obwohl man selbst mit dem Morgenstern unterwegs ist, wird’s sinnlos: wer Vergleiche zum Totalitarismus ziehe, sei «historischer Ignorant oder ein Brandstifter». Sagt Feuermann Benini.

Drüben bei CH Media schwingt Bruder Francesco Benini die Kommentarkeule:

Leider wird auch diese Meinung, was die Schweiz tun und lassen sollte, weder die Schweizer Regierung, noch Peking wahnsinnig interessieren; also verpufft sie völlig klang- und belanglos im Nichts. Aber schön, hat Don Francesco es allen gegeigt. Schade, dass er nicht NZZaS-Chef werden durfte.

Nun aber auf in die Höhe, wo noch tief über Inhalte und Titel nachgedacht wird, also zur NZZ:

Man könnte nun den Ausdruck Pferdefuss für einen Börsengang noch knapp durchgehen lassen. Aber für einen IPO-Boom? Man stelle sich einen Boom vor, und dann bastle man einen Pferdefuss dran. Dann gibt man auf und befördert den Titel ins Reich des Sinnlosen.

Aber, nun wird die Luft dünn und eisig in der intellektuellen Höhe, last and least die «Republik» in ihrer schönsten Form:

Schwurbler ist eigentlich ein abwertender Begriff für alle, die mit der offiziellen Corona-Politik nicht so einverstanden sind. Aber wir zitieren nur vier Sätze der schreibenden Schmachtlocke, die diesen Begriff auf eine neue Ebene heben:

«Das Haupt­beispiel ist der unsinnige Begriff der «Eigen­verantwortung», der zum Mantra des offiziellen Covid-Diskurses geworden ist. Jedes Vorschul­kind begreift, dass er unbrauchbar ist, um die realen Dilemmata der Epidemie­bekämpfung zu erfassen.» – «Die Selbstapologetik zeigt sich auch in der verblüffenden Einseitigkeit der ethischen Bedenken, die nun allenthalben ins Spiel gebracht werden.» – «Wir reden von Triage, aber wir legitimieren unsere Passivität.»

Wer das versteht, ist offenbar auch in irrealen Lamettata, äh, dilemmatisch in Dilemmata zu Hause. Tata, tatä.

Kühne Konstruktion

Die Wächtermedien hängen in den Seilen. Brauchen Staatsinfusion. Wieso eigentlich?

Die Beherrscher des Tageszeitungsmarkts in der Schweiz führen ein marktwirtschaftliches Wunderwerk vor. Sie verlangen für entschieden weniger Content gleich viel Geld von ihren Kunden. Das ist so, wie wenn ein Detailhändler für einen halben Liter Milch gleichviel wie für früher einen ganzen verlangte. Sorry, aber diese Milch schmeckt viel konzentrierter.

Geschrumpfte Umfänge, gefeuerte Journalisten, zusammengestrichene Budgets, zusammengelegte Redaktionen: eine Agonie, ein Trauerspiel.

Erschwerend kommt hinzu, dass die (noch) überlebenden Mitarbeiter ihren Bedeutungsverlust mit lautstarker Kommentierung der Weltläufe kompensieren. Plus liebedienerische Übernahme der offiziellen Positionen in der Bekämpfung der Pandemie.

Damit ist das Elend noch nicht ausreichend beschrieben. Denn inzwischen sind Tamedia, CH Media und Ringier von Medienhäusern zu Gemischtwarenhändlern denaturiert. Verkaufsplattformen, Eventveranstalter, Betreiber von TV- und Radiostationen, Anbieter von Handelsplattformen, Internetaktivitäten allgemeiner Art, usw.

Ein moderner Medienkonzern.

Nur die NZZ setzt tapfer auf ihr Kerngeschäft: journalistischer Inhalt, möglichst hochstehend.

Wie jammern, ohne zu leiden?

Nun stecken die drei Grossverlage etwas in der Bredouille, wie sie denn eigentlich nachvollziehbar um weitere Staatsknete jammern können. Durch die gegenseitige Abhängigkeit unterstützt, ist es ihnen gelungen, ein zusätzliches Hilfspaket von einer satten Milliarde Steuergelder durchs Parlament zu bugsieren.

Dagegen wurde aber, dumm gelaufen, das Referendum ergriffen. Nach anfänglich überheblichem Ignorieren nehmen die Verlage nun Anlauf, Stimmung für ihr Anliegen zu machen: wir brauchen die Kohle, um weiterhin unsere Wächterfunktion in der Demokratie ausüben zu können. Denn Medien sind ja keine Joghurts; sie haben staatstragende Aufgaben, wird getrötet.

Das sei dahingestellt. Aber wieso sollte eigentlich der Steuerzahler eine ganze Milliarde locker machen, wo sich die grossen Medienhäuser in den letzten zehn Jahren im Milliardenbereich dumm und krumm verdient haben? Wo sie doch auch in der fürchterlichen und angeblich existenzbedrohenden Pandemie fröhlich Gewinne einfuhren?

Wo doch alleine durch die Ankündigung der Fusion der Handelsplattformen von Tamedia und Ringier der Aktienkurs zur Freude des Coninx-Clans durch die Decke schoss und alleine das neue Konglomerat locker einen Wert von über 3 Milliarden Franken hat?

Besonders bei diesen Plattformen ist es klar, dass ihr Erfolg im Print begann. Der «Stellenanzeiger» von Tamedia war legendär dick. Ebenso die Immobilien-, Auto- und sonstigen Anzeigenplantagen. Da musste kaum gewässert oder gedüngt werden, nur die Banknoten von den in den Himmel spriessenden Bäumen gepflückt.

Die Zauberformel gefunden?

Das marschierte alles ins Internet ab. Schliesslich krallte sich Tamedia den einzigen erfolgreichen Versuch eines Gratisblatts. Man hatte sogar als Drohkulisse die Lancierung eines eigenen Konkurrenzprodukts vorangetrieben, bis die Mannschaft kurz vor der ersten Publikation erfuhr, dass der Stecker rausgezogen wurde. Ziel erreicht, «20 Minuten» gehörte nun Tamedia.

Seither ist das Pendlerblatt weiterhin erfolgreich und profitabel. Kann aber bei den Subventionen nicht berücksichtigt werden. Das alles ist also etwas kompliziert. Jedoch nicht für Pietro Supino. Der hat nicht nur für Beschäftigung bei den Herstellern von Aussenbeschriftungen gesorgt. Sondern den Tamedia-Konzern so umgebaut, dass das mit der Steuermilliarde klappen sollte.

Kühne Konstruktionen.

Unabhängige Profitcenter ohne Quersubventionen, heisst die Zauberformel. Ringier sieht das übrigens ähnlich. Dass dem Profitcenter Tamedia die Einnahmen der Anzeiger fehlen, die mit den Printausgaben überhaupt erst gross wurden? Schon, na und?

Dass «20 Minuten» immer noch nett Kohle verdient, so what? Gehört nicht zu Tamedia, sondern ist ein eigenes Profitcenter. Und obwohl redaktionell und auch sonst durchaus Synergien genützt werden, für Tamedias Zentralredaktion und die am Hungertuch nagenden Ruinen der Redaktionen der Kopfblätter heisst es: Finger ab de Röschti.

Etwas sauberer aufgestellt ist das Wanner-Imperium. Der Geldschlucker «watson» wurde nicht in das Joint Venture mit der NZZ aufgenommen. Wahrscheinlich, weil die NZZ das nicht geduldet hätte.

Nicht nur Papier kann man aus Holz machen.

Keine Konzessionen, keine Finanzspritzen aus eigenem Sack

Ringier macht bei der «Blick»-Familie oder bei den überlebenden Medienprodukten auch keine grossen Konzessionen, was Finanzspritzen aus einkommensstärkeren Konzernbereichen betrifft. Selbst beim Lieblingsprojekt «Interview by Ringier» zählt man mehr auf «eine Partnerschaft mit Credit Suisse (Schweiz), IWC Schaffhausen und Volvo Car Switzerland» als auf völlige Unabhängigkeit.

Das alles macht die kühne Behauptung: wir brauchen Steuerkohle, sonst geht der Ofen aus, recht zweifelhaft. Nach einem Fehlstart darf man gespannt sein, was da den versammelten Schreibkräften und Schönschreibern und Konzernjournalisten so alles einfällt, um die Position ihrer Verlage zu verteidigen: Wir verdienen zwar super, aber jammern kann man immer.

Auch so kann ein Mediacenter aussehen. In Peking.

 

Sorry, sorry, so sorry

CH Media entschuldigen sich. Wieder und wieder. Und nochmal.

Die journalistische Leiter nach unten bei CH Media hat endlich eine Lebensaufgabe gefunden. Pascal Hollenstein entschuldigt sich: «Wir haben korrigiert und um Verzeihung gebeten. Jetzt tun wir es noch einmal. In der Hoffnung, auf Gnade zu stossen.»

Himmels willen, was ist denn passiert? «Diese Grossmutter wird neue Chefin der Welthandelsorganisation», der Titel über einen Bericht über Ngozi Okonjo-Iweala. Nun ist die Dame schwarz, weiblich und stammt aus Nigeria. Drei Gründe, wieso das keine gute Idee war.

Es ergoss sich der übliche und sogar internationale Shitstorm über das Wanner-Imperium. Inklusive eines geharnischten Briefs von über 100 WTO-Diplomaten.

Hollenstein waltete das erste Mal seines Amtes: «Es tut uns Leid.» Auf Twitter und gedruckt entschuldigte man sich eins ums andere Mal. Und hoffte, damit die Affäre aus der Welt geschafft zu haben.

Aber, hoffentlich gibt das keinen Shitstorm, Okonjo-Iweala ist offenbar nachtragend. Nachdem das alles Ende Februar erledigt schien, engagierte sie kürzlich einen Genfer Anwalt, der nochmals eine Entschuldigungsorgie verlangte.

Es ist offenbar so, dass die WTO keine sonstigen Probleme als die Bezeichnung ihrer Chefin als Grosi hätte. Also machte CH Media das, was man schon gelenkig kann. Man veröffentlichte einen ellenlange Eloge auf die Leistungen der Dame – und entschuldigte sich nochmal.

Wir finden: das könnte Hollenstein doch einmal die Woche machen. Einfach so. Andere Institutionen halten sich einen Grüss-August oder einen Mann am Fenster. CH Media hat seinen Sorry-Hollenstein.

Ex-Press XLVIII: Titel

Blasen aus dem Mediensumpf. Heute das, was oben drüber steht.

Früher, ja früher war Titelsetzung eine Kunst für sich. Da wurde geschwitzt, geschraubt, gekünstelt, gescherzt und geliefert. Heute muss der Autor alles selber machen. Das merkt man. Ein Marsch durchs Titeltal der Qual.

Wir beginnen mit einem dunklen Titel, dessen Aussage sich dem Leser nur schwer erschliesst, obwohl  nau.ch doch Kurzfutter bieten will:

Abstimmung über oder Wahl von. Oder halt beides.

Sauer macht lustig.

Wir gehen in den Wilden Osten, zum St. Galler «Tagblatt». Wie bei allen Kopfblättern im Reiche CH Media darf der Chefredaktor eigentlich nix mehr. Ausser kommentieren. Das tut er dann auch fleissig. Eine verfängliche Lage ist bitter, da muss gehandelt werden. Rätselauflösungen bitte an ZACKBUM.

Bitter, verfänglich, aber es muss.

Auch die vereinte Kopfblattsauce aus Aarau lässt in verschiedener Hinsicht einiges zu wünschen übrig. Dativ ist inzwischen etwas für Könner, denn er geht den Weg des Genitivs … Am Aussterben, und wenn er schon mal angewendet werden muss, dann geht’s bei CH Media in die Hose.

Dem Vize eilt ein was voraus?

Der «Blick» hingegen weiss, was Zahlen wollen. Was sie brauchen, wie sie sich wohlfühlen, worunter sie leiden.

 

Oder brauchen nationale Massnahmen steigende Corona-Zahlen?

Regenrohr, sinnloser Strich, hochgestellt und drangeklebt. Der Logo-Unfall.

Die Dame unter dem Logo tut etwas Sinnvolles. Sie übersetzt eine Ansprache in Taubstummensprache. Aber was tut dieses völlig verunglückte Logo obendrüber? Man muss doch loslassen können, auch wenn’s schweineteuer war.

Auch die NZZ betreibt Titelsetzung nicht mehr als höhere Kunst. Aber immerhin wird der Begriff «blutter Oberschenkel» weiträumig umfahren.

Rocklänge als Konjunkturbarometer. Der Yeti der Wirtschaftsberichterstattung.

Überbordende Metaphern gefährden meistens die Sinnhaftigkeit eines Titels.

Wankende Riesen, Leuchttürme und Lokomotiven belasten die Aussage.

In erkenntnistheoretische Höhen begibt sich für einmal der «Tages-Anzeiger». Wie sehr wünschte man sich, dass der Titel eine selbsterfüllende Prophezeiung wäre. Denn wenn man schon nicht aufhören soll, wenn es am schönsten ist, was die Autorin als «schlechtes Rezept» paraphrasiert, womit sie wohl eigentlich Ratschlag meint: Wie wär’s mit Aufhören, wenn’s am schlimmsten ist?

Wohin besteht philosophisch gesehen der Unterschied zwischen Rezept und Rat?

Zugegeben, das zum Abschluss ist kein Titel, aber ein Foto, das durchaus eine Erklärung verdient hätte, was Tamedia leider unterlässt. Das Setting, wie man so schön sagt, ist klar. Links, das ist unser Aussenminister. Um ihn herum ist der absolut geschmacklose Prunk der Villa von Prinz Mansour bin Nasser bin Abdulaziz al-Saud. Rechts sitzt der Prinz mehr schlecht als recht auf seinem Stuhl. Aber: man beachte das, was unten unter dem Rock herauslugt.

Hatte der Prinz nur eine Socke zur Hand?

Oder plagen ihn Schweissfüsse? Gar die Gicht?

Verbittet er sich hier gerade einen lockeren Scherz von Cassis zu seinem Schuhwerk?

 

 

Darf man das?

Korrekt ist, wenn’s gegen die Unkorrekten geht. Auch unkorrekt.

Darf man Andrea Stauffacher (71), lebenslängliche Revolutionärin, «Krawall-Grosi» nennen? Das Blatt mit dem Regenrohr im Titel meint: ja.

«Es ist zwar überzogen, wenn die FPÖ zetert: «Österreich ist ab heute eine Diktatur!», aber immerhin weniger absurd, als wenn die SVP in der Schweiz davon schwafelt.» Patrik Müller von CH Media im Einsatz gegen Schwafler. Nur: schwafelt die SVP von Diktatur? Mit Ueli Maurer als Mitdiktator?

Ist die Weste des Knaben blutrot?

Die Leihgabe der Bührle Stiftung habe «sich nicht nur zum grössten PR-Desaster des Kunsthauses entwickelt, sondern erweist sich in Anbetracht der heftigen Gegenwehr von Historikerinnen und Kunsthistorikern auch als kolossaler strategischer Fehler. Die Verantwortung dafür tragen sowohl die Stadt- und Kantonsregierung, also Corine Mauch und Jacqueline Fehr, als auch der Direktor des Kunsthauses Christoph Becker und der inzwischen zurückgetretene Präsident der Kunstgesellschaft Walter Kielholz».

Darf man so auf die mitgefeierte Eröffnung des Neubaus eindreschen, wobei gleich noch das hier nachgeschoben werden musste: «Korrektur: Im obigen Beitrag wurde ausgeführt …» Will Tamedia, dass die wohl bedeutendste Sammlung impressionistischer Kunst den gleichen Weg geht wie diejenige des Schweizers Thyssen-Bornemiza, an der sich Madrid erfreut?

Darf man ausserhalb einer Skipiste dermassen Slalom fahren, wie es die NZZ tut? «Die Leihgabe der Stiftung Bührle ans Kunsthaus ist eben nicht nur ein Geschenk, sondern auch eine Verpflichtung. Für beide Seiten.» Das ist wohl wahr, aber kann man gleichzeitig bestätigen, dass Leihverträge vertraulich sind, hier aber Transparenz fordern? Nur dem Glauben schenken, was man schwarz auf weiss sehe, aber Behauptungen der «Republik» kolportieren, die noch nie selbstrecherchierte Vorwürfe erhob, die auch Bestand hatten?

Kann es sein, dass CH Media einen Artikel von Florian Schmidt-Gabain veröffentlicht und immerhin erklärt, dass der Anwalt mit seiner Kandidatur für das Präsidium des Kunsthauses scheiterte. Aber der darf unwidersprochen die alte Story eines Bildverkaufs von Max Emden an Bührle aufwärmen. Obwohl der Anwalt die Position der Bührle Stiftung kennen muss:

«Die Stiftung hat der Familie Emden 2012 die Ergebnisse ihrer Nachforschungen bei einem Gespräch in Zürich präsentiert und sie um eine Stellungnahme ersucht. Die ist bis heute nicht eingetroffen

Darf man das dem Leser vorenthalten?

Niederlagen sind Siege

Ob Sabotage, falsch angepackt oder einfach Versagen: Impfwoche schönschwätzen bei den Medien.

Wir können zuschauen, wie rund 100 Millionen Franken Steuergelder in den Abfluss gurgeln. So viel kostet die «Impfwoche». Gewinner sind eigentlich nicht in Sicht. Ausser der federführenden Werbeagentur, dem Konzertveranstalter und ein paar Künstlern, denen es egal ist, ob sie vor einer Handvoll Zuschauer spielen. Solange die Gage stimmt.

Echt bedenklich ist aber das Schönschreiben in den Medien. ZACKBUM-Redaktor René Zeyer verbrachte einige Jahre als Korrespondent auf Kuba. Inzwischen durch die Segnungen des Internets etwas aufgelockert, gab und gibt es dort legal ausschliesslich Staatsmedien.

Federführend ist die Parteizeitung «Granma». Die Grossmutter, benannt nach der Yacht, mit der Fidel Castro und eine handvolle Guerilleros landeten, um innert kürzester Zeit das Regime des Diktators Batista zu besiegen, kennt nur drei Arten von Nachrichten.

Das waren noch Zeiten.

Schlechte aus dem kapitalistischen Ausland, ganz schlechte aus den USA – und gute aus Kuba. Planübererfüllung, Erfolge, feste Absichten, revolutionärer Elan, Vertrauen in die Führung. Wenn etwas nicht ganz perfekt klappt: die Umstände, die USA, der Imperialismus, die Handelsblockade, Corona.

Man fragte sich Tag für Tag, wie das die vielköpfige Redaktion nur im Kopf aushält. Jeder dieser Schreiber lebte doch auch in der kubanischen Realität, die nun immer weniger mit ihrer schöngefärbten Darstellung auf geduldigem Zeitungspapier zu tun hatte. Man musste eine spezielle ideologische Verblendung oder reinen Opportunismus vermuten.

Kubanische Zustände in der Schweiz

Man hätte es aber nicht im Traum für möglich gehalten, ähnlichen Zuständen in der Schweiz zu begegnen. Konkret in der medialen Darstellung der «Impfwoche». Ohne Übertreibung ist jetzt schon absehbar: ein 100-Millionen-Flop. Keines der Ziele wurde erreicht, alle verfehlt. Die meisten Massnahmen entfalteten die Wirkung eines Knallfroschs, dem die Zündschnur feucht geworden war.

Die Konzerte, die Impfangebote, die Aufrufe, die ganze Kampagne: peinlich gescheitert. In der Realität. Aber nicht in den Medien.

Tapfer fabuliert eine «watson»-Reportage die Sache schön:

«Nein, es ist dieser in Stein gemeisselte Optimismus. Trotz allen Schwierigkeiten und Anfeindungen, trotz der schieren Aussichtslosigkeit des Unterfangens blicken auch hier alle voller Zuversicht nach vorne. Spritze für Spritze Richtung Ende der Pandemie. Und wenn es hilft, dann auch zwischen Billy-Regal und Köttbullar.»

Poetische Durchhalteparolen bei der Beschreibung von «Impf-Teams», die sehr, aber sehr viel Zeit haben, zusammen Kaffee zu trinken.

Aggressive Kampagne der USA gegen Friede und Stabilität auf Kuba …

SRF kümmert sich um die Erledigung von Widersprüchen. Dänemark, der gelobte Impfchampion in Europa, das Vorbild. 75 Prozent, davon könnte sich die Schweiz mehrere Scheiben abschneiden, da müssen wir auch hin. Und nun das: «Corona-Beschränkungen werden wieder eingeführt und es braucht ein Zertifikat für gewisse Aktivitäten.» Blöd aber auch, wie denn das? ««Ein Punkt bei den Corona-Impfungen ist, dass man das Virus unter Umständen trotzdem weitergeben kann», erklärt SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel.»

Ach was, und deshalb sollen sich in der Schweiz dank der Impfwoche möglichst viele impfen lassen? Nun, da helfen nur die ewig gleichen Horrorprognosen:

««Die Zahl der Ungeschützten und ihr Ansteckungsrisiko sind entscheidend.» Laut aktueller Schätzung des BAG seien etwa eine Million Erwachsene ungeschützt. «Das kann, wenn sich alle infizieren, noch einmal Tausende Menschen in die Spitäler bringen.»»

Gelenkiger als ein Parteiorgan im Wendehalsen 

Treffen die nicht ein, ist man inzwischen gelenkiger als ein Parteiorgan, wenn es mal wieder mit der Planerfüllung nicht geklappt hat. Besondere Aufmerksamkeit wurde Afrika zu teil. Einstellige Impfquoten, trümmeliges Gesundheitssystem, Massensterben mit Ansage. Und nun das:

«Das Wunder von Afrika. Alle erwarteten eine Katastrophe und sprachen von einem «zynischen Live-Experiment»: Doch der Kontinent kam bisher glimpflich durch die Pandemie. Eine Nachricht, die guttut.»

Die SoZ wird fromm und glaubt an Wunder. Dabei handelt es sich bloss um eine weitere, krachende Fehlprognose. Aber zurück in die Schweiz.

Auch CH Media bemüht sich, möglichst gute Miene zum peinlichen Schauspiel zu machen. Der Reporter muss zwar launig beschreiben, wie Kälte und gähnende Leere seine Reportage begleiten. Aber, als alter Profi weiss er, dass der Schluss hängen bleibt: «In Zürich ist etwas ausgebucht, zum ersten Mal auf dieser Reise. Im Verlauf des Tages kam es zu Szenen, wie man sie sich im ganzen Land erhofft hatte: lange Schlangen, und zwar vor dem Impfdorf im Zürcher Hauptbahnhof. Allerdings gehören die Wartenden nicht zum primären Zielpublikum. Der Grossteil will nicht die erste Impfung. Sondern den Booster. Am Abend leuchtet über dem Impfdorf eine Anzeige, «Booster-Impfungen ausgebucht».»

Da hilft nur nur noch Poesie …

Sonst hilft wohl nur noch beten: «Katholiken für die Impfung: “Chance, weiterhin Solidarität zu leben”», titelt kath.ch mit frommem Gottvertrauen. «zentralplus» sieht es etwas nüchterner: «Luzerner Impfwoche startet verhalten». Aber auch hier werden Erfolgsmeldungen zusammengekratzt: «Deutlich erfolgreicher verläuft die Kampagne des Impftrucks. Dieser war am Montag in Malters, wo sich 136 Personen haben impfen lassen.»

Richtig genial ist aber die Schlussfolgerung, zu die der Kommentator von Tamedia kommt:

«Wir sollten erst jene impfen, die wollen»

Bevor wir diese impfen, die nicht wollen. So blöd hätte nicht mal «Granma» kommentiert. Aber vielleicht sollte er sich bewerben.

Impfwoche! Spritz dir eins!

Wir leben im Paradies der pluralistischen Medien. Und glauben an den Weihnachtsmann.

Der Bund wirft ein paar Millionen Steuergelder auf, um mal richtig vorwärts zu machen mit dem Impfen. Impf dir eins, dann gibt’s Raclette. Nimm den Impfbus. Booster dir eins. Einen hübschen Teil der Millionen gibt der Staat für Medienkampagnen aus. Endlich mal wieder Inserate satt in den Tageszeitungen.

Fotos der grossartigen Webseite «Kim looking at things».

Das alles hat natürlich überhaupt keinen Einfluss auf die objektive, ausgewogene, alle Meinungen widerspiegelnde Berichterstattung. Niemals. Ehrenwort. Strikte Trennung von redaktionellem Inhalt und Werbung. Hand aufs Herz und treuer Blick nach oben. Publireportage? Paid Content? «In Zusammenarbeit mit»? «Diese Reisereportage wurde unterstützt von»? Diese Produkte hat unsere Beauty-Redaktorin für Sie ausgewählt, äh, wurden ihr gratis zugesteckt?

Nun ja, wir wollen da den Fünfer gerade sein lassen. Nicht nur der Coninx- oder Ringier- oder Wanner-Clan muss ja von was leben. Seine Angestellten auch. Aber wenn’s ernst wird, wenn es um Leben oder Tod geht, dann besinnen wir uns doch auf alle journalistischen Anstandsregeln, oder nicht?

Oder nicht.

Weil das Thema wirklich nervt, das Panoptikum der ausgewogenen Berichterstattung der drei grossen Medienhäuser plus NZZ im Dreisprung kurz vorgeführt. Achtung, nur für stärkere Nerven. Bei Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Der kann zwar auch nicht helfen.

Wir fangen irgendwo an, denn zwischen oben und unten ist bei dem Thema Corona schwer zu unterscheiden.

So ausgewogen berichtet der «Blick» übers Für und Wider der Impfung.

Testimonial eines reuigen Sünders, kommt immer gut.

Testimonial aus berufenem Mund, kommt auch gut.

 

Wir queren den Mediensumpf Richtung Tamedia.

Corona-Kreische Marc Brupbacher muss seinen Ruf verteidigen.

Impfmuffel und Trödelkantone. Gute Wortwahl ist alles.

Auch «20 Minuten» greift objektiv in die Debatte ein.

Wir haben diese Anglergummistiefel an und kommen daher trockenen Fusses zu CH Media.

Nehmt das, ihr trödelnden Impfstoff-Zulasser in der Schweiz.

Sachbeschädigung, dann der nächste Sturm aufs Bundeshaus?

«Beantworten Fragen» ist etwas euphemistisch formuliert. «Machen Ansagen» wäre wohl besser.

Nun noch der Aufschwung in die Höhe der intellektuellen Kühle, also zur NZZ.

Oh, auch hier wird mit Testimonials gearbeitet.

Gib uns das tägliche Grauen. Nimm das, du verstockter Impfgegner.

Endlich, der philosophische Diskurs in Widersprüchlichkeiten.

 

Zusammenfassung

Das ist eine durchaus repräsentative Auswahl aus der nordkoreanischen Meinungspresse. Pluralistisch, vielfältig, widersprüchlich, Für und Wider darstellend. Mit Platz für abweichende Meinungen. Damit könnte sogar Kim der Dickere leben.

Ho, ho Hollenstein

Der Lautsprecher von Jolanda Spiess-Hegglin hat wieder seines Amtes gewaltet.

Diesmal hat Pascal Hollenstein keine Sperrfrist gebrochen, um als Erster über neue Entwicklungen in der unendlichen Geschichte von Rechtshändeln berichten zu können. Er gibt einfach wieder, was ihm zugesteckt wurde, allerdings, so viel Qualität muss bei einer journalistischen Leiter nach unten sein, schräg und falsch.

Das Bundesgericht hat Massnahmen wieder in Kraft gesetzt, die vom Zuger Obergericht aufgehoben worden waren. Es geht um den Streit über ein noch nicht veröffentlichtes Buch einer Tamedia-Journalistin zum Thema feuchtfröhliches Zusammensein bei einer Zuger Politikerfeier.

Eine erste Instanz hatte zuerst superprovisorisch, dann als Massnahme der Autorin des Buchprojekts verboten, diverse Themenbereiche der Feier zu behandeln, bei der es zu intimen Kontakten über Parteigrenzen hinweg kam. Denn die daran Beteiligte mutmasst, dass die Journalistin ihre Persönlichkeitsrechte verletzen könnte.

Unerhörter Eingriff in die Pressefreiheit

Ein bedenklicher Eingriff in die Pressefreiheit, der von jedem anständigen Journalisten aus Prinzip scharf verurteilt werden müsste. Ausser, man gibt sich als Sprachrohr von JSH hin, betreibt nebenbei noch Konzernjournalismus (CH Media gegen Tamedia) und profitiert davon, alle nötigen Informationen brühwarm durchgestochen zu bekommen. Natürlich entsprechend parteilich gefärbt, denn das Bundesgericht selbst hat keine Medienmitteilung herausgegeben zu seiner vorsorglichen Massnahme.

Also behauptet Hollenstein:

«Bundesgericht stoppt umstrittene Passagen in geplantem Buch über Jolanda Spiess-Hegglin».

Für eine solche Verdrehung würde jeder Volontär streng gemassregelt, vielleicht sogar mit dem Ratschlag bedacht, sich einen anderen Beruf zu suchen. Denn davon steht kein Wort in der Verfügung.

Der einzige Sinn dieser Massnahme ist zu verhindern, dass einer von zwei möglichen Entscheide des Bundesgericht durch Fakten präjudiziert werden könnte. Denn ein Urteil steht noch aus. Stützt das oberste Gericht den Entscheid der Vorinstanz, dann kann das Buch erscheinen. Fällt es einen gegenteiligen Entscheid oder weist es den Fall wieder zurück, hätte die Möglichkeit bestanden, dass das Buch zwischenzeitlich erschienen wäre.

Damit wäre dann dieses mögliche Bundesgerichtsurteil «gegenstandslos» geworden, wie der Jurist so schön sagt. Und das wollen die obersten Richter natürlich nicht.

Ist Juristenfutter, aber eigentlich leicht verständlich. Wenn man will. Aber Hollenstein will natürlich nicht, also behauptet er den Unsinn, dass das Bundesgericht «umstrittene Passagen» gestoppt habe.

Von Unsinn zu Verdrehung

Das ist schon deswegen Unsinn, weil es noch gar keine Passagen gibt, die deswegen auch nicht umstritten sein können. Was hier als «Etappensieg» für JSH verkauft werden soll, ist nichts weiter als die verständliche Absicht des Bundesgerichts, keine seiner möglichen Entscheidungen durch die Macht des Faktischen präjudizieren zu lassen. Daher kommt diese Massnahme auch nicht überraschend; noch viel weniger kann man aus ihr auf ein mögliches Urteil schliessen.

Kein Grund, die Korken knallen zu lassen.

Auf noch viel dünneres Eis begibt sich Hollenstein, wenn er fröhlich aus der Eingabe der Anwältin von JSH zitiert. Die behauptet nämlich unverdrossen, dass bereits ein Manuskript vorliege und schon Verlagen angeboten worden sei. Zudem ginge daraus hervor, zitiert Hollenstein aus der Schrift der Anwältin:

«Der Inhalt sei, so eine in der Rechtsschrift zitierte Quelle, «brutal», stellenweise «diffamierend und herablassend». Jolanda Spiess-Hegglin würde «vom Manuskript hart getroffen; auch ihre Familie bleibe nicht verschont»

Aber damit ist Hollensteins Feldzug noch nicht beendet: «Haben Tamedia-Mitarbeitende also hinsichtlich Existenz und Inhalt des Buches Justiz und Öffentlichkeit gegenüber Falschbehauptungen aufgestellt?» Diesen Verdacht lenkt Hollenstein auf die Autorin und den Oberchefredaktor von Tamedia.

Als Feigenblatt legt er drauf, dass das vom Anwalt der Autorin «bestritten» werde. Es ist zudem so, dass JSH damit bereits vor Obergericht baden ging, es schenkte diesen Behauptungen keinen Glauben. Alleine schon deswegen, weil die Identität dieser «Quellen» nicht offengelegt wurde. Eigentlich ein juristisches Unding, angebliche Belege vorzulegen, ohne deren Urheber zu identifizieren.

Stellungnahme? Aber nicht bei Hollenstein

Auch damit begibt sich Hollenstein ausserhalb primitivster journalistischer Benimmregeln. Er zitierte zwar kurz aus der Stellungnahme des Tamedia-Anwalts zuhanden des Gerichts, hielt es aber in der Eile und Hitze des Gefechts nicht für nötig, den persönlich angegriffenen Tamedia-Journalisten die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Nur einer könnte ihm Einhalt gebieten …

Hollenstein ist in dieser Sache Wiederholungstäter, der sich nicht als Vorbild für seine Redaktoren eignet. Höchstens als abschreckendes Beispiel. Seine bisherigen Untaten sind auf ZACKBUM schon ausführlich – und unwidersprochen – dargelegt worden. Aber offenbar lebt auch Hollenstein nach dem Prinzip: ist der Ruf erst ruiniert …

Natürlich bekam er Gelegenheit, zu diesem Artikel Stellung zu nehmen. Auch hier ist er Vorbild für Anstand und Fähigkeit zur Debatte: keine Antwort.

Immer unverständlicher wird allerdings, wieso Besitzer Wanner diesem Treiben weiterhin zuschaut.

Fragen, nur fragen

Eine der übelsten Verirrungen im Journalismus ist der Frage-Titel.

Jürg Ramspeck, man erinnert sich vielleicht, beendete seine grosse Karriere als Kolumnist beim «Blick». Was er dort schrieb, war nicht wirklich der Rede wert. Aber: in all seinen vielen Kolumnen gab es niemals einen Frage-Titel.

Das ist ein rhetorischer Kniff, fast immer gefolgt von inhaltlicher Leere. Nehmen wir zwei Beispiele aus unserer Lieblingsskriptüre. «Antikörpertests sind plötzlich salonfähig – aber warum?» Tja, lieber Tagi, gute Frage. Weil’s den Salons so passt?

Zunächst einmal gilt: «Fachleute haben hingegen ein gespaltenes Verhältnis zu diesen serologischen Tests.» So ist der Fachmann, auch die Fachfrau, immer gespalten in seinen (ihren) Verhältnissen. Der Artikel beantwortet dann so ziemlich jede Frage, die man zu Antikörpertests niemals stellen wollte. Ausser einer: «aber warum?»

Vielleicht sollte Tamedia sich ein Beispiel im eigenen Haus nehmen, denn «20 Minuten» ist da ganz entschieden: «Antikörpertests sollen weitere Lockerungen ermöglichen».

Damit ist Tamedia aber noch nicht ausgeschossen: «Ist grünes Anlegen sinnvoll – oder nur lukrativ für die Bank?» Gute Frage, aber hier kommt schon die nächste, wirklich gewichtige:

«Ist die Pandemie im Frühling zu Ende?»

Neben der Frage, ob es kommendes Wochenende regnet oder die Sonne scheint, handelt es sich hier um ein Thema von brennendem Interesse. Aber auch hier wird die Frage – blöd aber auch – nicht wirklich beantwortet.

Denn schon im ersten Absatz schrumpft die hoffnungsvolle Oberzeile «Rückkehr zur Normalität» auf Normal-Null: «Es ist ein Hoffnungsfunke. Nicht der erste im Verlaufe der schier endlosen Corona-Krise. Lukas Engelberger, der Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektoren-Konferenz, sagt jetzt: «Ich bin optimistisch, dass wir ab dem nächsten Frühling die Corona-Krise hinter uns lassen können.»»

Aber die Unsitte des Fragetitels kommt in den besten Gazetten vor: «Begibt sich die Schweiz in eine gefährliche Abhängigkeit von ausländischen Cloud-Anbietern?», stellt die NZZ bang in den Raum. Die klassisch liberale Antwort: jein, vielleicht. Also schon. Aber doch nicht so richtig.

Geht da noch einer? Sicher: «Axel Springer – Angriff der «New York Times» auf einen Konkurrenten?» Ja was denn sonst, dumme Frage, muss man das Intelligenzblatt zurechtweisen.

Ganz raffiniert geht hingegen CH Media vor; die verpacken eine Frage in ein Zitat unseres Gesundheitsministers: «Die Frage einer Aufhebung des Zertifikats stellt sich». Wunderbar, denn eine Frage stellen, das bedeutet natürlich nicht, sie zu beantworten. Einfacher sollte aber diese Frage sein: «Waren «einige tausend» oder «über 50’000» in Bern

Mit unseren heutigen modernen Methoden könnte es eigentlich möglich sein, die Anzahl Demonstranten am Samstag in Bern auf die Nase genau zu zählen. Aber leider:  «Klar ist auch: Am Ende ist die Frage nicht nur eine politische, sondern auch eine technische – grosse Menschenmengen präzise zu schätzen, ist schwer.» Och, die im Titel gestellt Frage ist zu schwer. Gut, wer nur beschränkt schreiben kann, kann natürlich noch weniger zählen, logo.

Die «Republik», das ist sie sich schuldig, wirft die Frage in den leeren Raum: «Ist das Schlimmste bald vorbei?» Wohl nicht, denn zurzeit sieht es so aus, als ob die «Republik» dieses Jahresende sogar ohne Bettelaktion und die Drohung, sich zu entleiben, überstehen wird.

Aber die Frage: «Fast 250 Millionen bestätigte Ansteckungen, fast 5 Millionen Todes­fälle im Zusammen­hang mit dem Virus: So lautet die nüchterne weltweite Bilanz zur Corona-Pandemie, die uns seit bald zwei Jahren in ihrem Bann hält. Es fällt nicht leicht, diese Zahlen einzuordnen. Ist das viel, ist das wenig?»

Ja, rund 20’000 Buchstaben später weiss man: kann man so oder so oder auch anders sehen. Aber immerhin, das Artikelende der «Republik» ist originell:

«Zum Schluss diesmal ein ausdrücklicher Hinweis: Haben wir in unserem globalen Überblick ein wichtiges Land vergessen? Oder eine wichtige Begebenheit in einem Land übersehen? Teilen Sie es uns im Dialog­forum mit.»

Wir senken das Niveau nur unwesentlich und schliessen mit ein paar Fragen aus dem «Blick»: «Überzeugt dieser Totimpfstoff auch die Skeptiker?» Aber leider, schluchz, wird auch diese Frage nicht beantwortet. Im Sport sollte sich «Blick» doch auskennen: «Drohen dem FCZ jetzt sogar Punktabzüge?» Aber ach, obwohl die versammelte «Fussball-Redaktion» am Gerät ist, bekommt man statt einer Antwort nur eine weitere Frage eingeköpfelt: «Und warum nicht auch Punktabzüge?» Genau, warum nicht ist immer eine gute Formulierung.

Schliesslich, das ist natürlich unvermeidlich, fragt sich auch das Blatt mit dem Regenrohr im Titel: «Ist die Corona-Pandemie im Frühling vorbei?»

Oder wenn nicht, dann im Sommer? Im Herbst? Immer wieder? Nie? Fragen über Fragen und die Antworten kennt nur der Wind.