Und er schreibt doch
Pascal Hollenstein ist im Jahr 2022 angekommen. Auch das noch.
Vielleicht als Reaktion auf unsere besorgte Frage, ob er sich für 2022 vorgenommen habe, sein voluminöses Gehalt bei CH Media schweigend zu verzehren, hat sich die Leiter nach unten zu Wort gemeldet.
Zum Thema – Überraschung – «neues Mediengesetz». Dazu ist Hollenstein Köstliches eingefallen: «Demokratie ist kostbar – und darf uns etwas kosten». Pluralis majestatis nennt das der Lateiner. «Uns» ist hier der Steuerzahler; dass auch Hollenstein zwar zahlen würde, gleichzeitig aber kassieren, das wäre dann wohl zu komplex für die Darstellung.
Schon, aber auch Hollenstein?
Besonders am Herzen liegt Hollenstein das Regionale. Da geht er zunächst in die Weiten der USA, wo zeitungslose Regionen «news deserts» hiessen, Nachrichtenwüsten. Das löse dann so etwas aus:
«Der versuchte Sturm des Kapitols hat gezeigt, wohin das führen kann.»
Ein etwas kühner Zusammenhang. Aber die USA sind bekanntlich weit und weit weg. Zurück in die Schweiz: «Wie sollen Bürgerinnen und Bürger an der Urne entscheiden, wenn sie über ihren Kanton oder ihre Gemeinde nur noch Bruckstückhaftes erfahren? Oder gar absichtlich mit Fake News in die Irre geleitet werden?»
«Bruckstückhaftes»? Es ist halt so: holprige Gedanken äussern sich häufig in holpriger Sprache. Hollenstein kann auch Entwarnung geben: «Noch ist es nicht soweit. Zumindest in der Deutschschweiz gibt es noch in jedem Kanton eine oder gar mehrere Tageszeitungen.»
Genau; in der Ostschweiz gibt es zum Beispiel das «Tagblatt». Und das «Tagblatt», und die Kopfblätter des Tagblatts. Die alle die in Aarau angerührte Einheitssauce aus dem Hause CH Media servieren. Ganz lokal, versteht sich.
Weil die das so toll machen, hat die Alternative «Die Ostschweiz»* das «Tagblatt» online bereits abgetrocknet. Nur: CH Media würde satt an der Zusatzmilliarde abkassieren, sollte das Medienpaket am 13. Februar angenommen werden. «Die Ostschweiz» bekäme keinen Rappen.
Dennoch fragt Hollenstein rhetorisch: «Wie viel ist uns die unabhängige Versorgung mit Information im ganzen Land wert?» Dann macht er noch ein Junktim der speziellen Art: «Was sind wir bereit, für unsere direkte Demokratie zu bezahlen?»
Echt jetzt? Die Medienmilliarde diene der unabhängigen Infoversorgung? Sie müsse so gesehen werden, dass es eine Zahlung für die direkte Demokratie sei? Das sagt der Gleiche, der schon mal Printtitel als Milchkühe abqualifizierte, die noch gemolken werden müssten, bevor man sie zur Schlachtbank führe.
Das sagt der zweitoberste Vertreter eines Verlags, der wohl Bahnbrechendes dabei geleistet hat, die Regionalberichterstattung auszuhungern, wegzusparen, zu marginalisieren, einen Exodus von Lokaljournalisten zu provozieren.
Man kann versuchen, den schwindenden zahlenden Lesern jeden Bären aufzubinden, auf den man lustig ist. Aber den Konsumenten dafür zahlen zu lassen, dass er verscheissert wird, das kann als Geschäftsmodell auf Dauer nicht gutgehen.
In Wirklichkeit ist’s ganz einfach. Es gibt ein Bedürfnis nach Qualitätsberichterstattung, gerade im Lokalen. Wer das erfüllt, also die Nachfrage mit einem adäquaten Angebot deckt, hat Erfolg und besteht auch ohne Staatshilfe. Wer das nicht tut, ist zum Untergang verurteilt. Auch mit Staatshilfe.
Begleitet er seinen Untergang noch mit Heuchelei, beschleunigt er ihn nur.
*Packungsbeilage: René Zeyer publiziert regelmässig bei «Die Ostschweiz».
Den Lokaljournalismus ungebremst an die Wand fahren und dann plötzlich ein Herz zeigen, wenn das grosse Geld lockt. Brillant, wie jemand zu solcher Bigotterie fähig ist, ohne vor Schamröte zu leuchten.
Einmal die Woche landet hier die Gratis-Ausgabe der bz von CH-Media im Briefkasten.
Snapshot vom 19. Januar: Bund 1 mit dem üblichen Mantel, Bund 2 «Region Basel-Stadt, Baselland, Schwarzbubenland» mit dürftigen 1.5 Seiten Baselland. Nix da mit Berichten über Gemeindeversammlungen. Bund 2 wird noch gefüllt mit 2 Seiten Todesanzeigen, 3 Seiten Sport aus aller Welt ausser aus dem Baselbiet. Die Leser aus dem Schwarzbubenland werden mit 1 Spalte abgespiesen. Insgesamt bietet die 32-seitige bz 5 Seiten «Region».
Märlistunde mit Hollenstein vom «Regionalen», das ihm am Herzen liegen soll. Die Faken sehen anders aus. Ob dieses Blatt als 71. Zeitung verschwindet, who cares.
Dank den teuer bezahlten Todesanzeigen, mogeln sich diese ausgedünnten Zeitungen durch den mies abgebildeten (regionalen) Alltag.