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Kreidefresser und Angreifer

Die schon, wir nicht. Typisch Tamedia.

Eigentlich wäre das «Blick»-Debakel, das Walder-Desaster Anlass für Freude und Häme bei der Konkurrenz. Man könnte richtig Gas geben oder es ganz cool spielen. Wenn Könner am Gerät wären. Stattdessen schafft es Tamedia, in der Offensive kehrtum zu machen und in die Defensive zu verfallen.

«Was uns vom «Blick» unterscheidet», unter diesem Titel greift Fabian Renz in die Harfe. Der Leiter des «Bundeshausteams» von Tamedia ist bekannt als grosser Einordner der Welt. Er schreckt in seiner Eigenschaft als Besserwisser nicht davor zurück, das Schweizer Parlament zusammenzustauchen und mal kurz den Ständerat neu zu organisieren: «Das Ständemehr gehört abgeschafft, im Ständerat wären den Städten eigene Sitze zuzuhalten.»

Gut, der Mann ist nicht wirklich ernst zu nehmen, lustig wird’s tatsächlich, wenn er den Unterschied zwischen Tamedia und Ringier erklären will. Zunächst räumt er ein, dass beide Medienhäuser Interna aus der Regierung ausplauderten. Aber er sieht da einen bedeutenden Unterschied:

«Ein Grund für unsere Recherchen war das enorme Interesse unserer Leserschaft. Ein anderer Grund war der Informationsauftrag, wie wir ihn verstehen. Gerade eine Extremsituation, in der die Freiheit des Einzelnen massiv beschnitten wird, verlangt nach «lästigen» Medien: Es kann nicht ihre Aufgabe sein, die Regierenden möglichst ungestört schalten, walten und nach eigenem Gutdünken kommunizieren zu lassen.»

Das ist nun ein so extremer intellektueller Tiefflug, dass seine Flügel den Boden berühren. Die ersten beiden Behauptungen könnte genauso gut der «Blick» aufstellen. Und Tamedia als Beispiel «lästiger Medien»? Vertraut Renz wirklich so sehr auf das schnelle Vergessen seiner Leserschaft? Die unzähligen Jubel-Artikel, die strenge Forderung nach  Impfpflicht, die Beschimpfung von Corona-Skeptikern und sogenannten «Corona-Leugnern» als verpeilte Verschwörungstheoretiker, die angeblich rechten Populisten auf den Leim krochen, alles vergessen, Herr Renz?

Wie keifte sein Kollege Denis von Burg: «Besser wäre es, die eingeschüchterten sieben würden sich nochmals aufraffen und selbst in Impfbussen durchs Land reisen. Ueli Maurer ist es dem Land schuldig, jetzt in den SVP-Hochburgen auf Impftour zu gehen.»

Von Burg liebt martialische Worte. «Abwehr brechen, gefährlich, einschüchtern, Angst machen». Das gehört in eine Linie von verbalen Entgleisungen: «Zwingen, jeden erdenktlichen Druck machen, rücksichtslose Trödler, Bürgerpflicht». Das Vokabular des Totalitarismus. Oder wollen wir die Corona-Kreische Marc Brupbacher erwähnen, der mal kurz den Bundesrat für «übergeschnappt» erklärte, weil der nicht seinen brutalen Ratschlagen folgen mochte?

Aber zurück zu Kreidefresser Renz: «Fakt ist, und Laueners E-Mails bestätigen es: Über einen privilegierten Informationskanal zu Bersets Departement haben die Tamedia-Zeitungen nicht verfügt. Unsere Artikel basierten auf einer Vielzahl verschiedener Quellen.»

So wie alle Enthüllungen aus dem Hause Tamedia sich aus einer «Vielzahl von Quellen» speisen. Allerdings sind die meist anonym, was ihre Überprüfung etwas schwierig macht. Und von redaktioneller Unabhängigkeit kann bei Tamedia auch nicht wirklich die Rede sein, wo doch Boss Pietro Supino ungeniert im redaktionellen Teil für die Subventionsmilliarde für notleidende Medienclans warb – mit dem Hinweis auf die strikte Trennung zwischen Verlag und Redaktion. Jeder macht sich halt so lächerlich wie er kann. Und Renz kann.

Allerdings ist auch der «Blick» nicht viel besser:

Christian Dorer, Oberchefredaktor, kann einem langsam Leid tun. Hoffentlich bezieht er genug Schmerzensgeld. Denn zunächst musste er verkniffen schweigen, anschliessend eine Gaga-Stellungnahme von Ladina Heimgartner mitunterzeichnen. die zusammen mit Marc Walder alle journalistischen Standards im Hause Ringier tieferlegt.

Das konnte nicht das letzte Wort gewesen sein, also müssen sich Redaktion und Leserschaft weiteres Gewinsel anhören. Wer so schreibt, muss sich eine Sonnenbrille aufsetzen, damit man den schuldbewussten Blick nicht sieht:

»Die Blick-Redaktion verwahrt sich deshalb entschieden gegen diese Darstellung und weist die Unterstellungen in aller Form zurück. Richtig ist, dass die Blick-Redaktion unabhängig von Verlag und Konzern recherchiert und arbeitet. Sie hat keinerlei Weisungen von irgendwem erhalten, auch nicht vom CEO. Ebenso entschieden verwahren wir uns gegen die Unterstellung, wir hätten uns vom Innendepartement beeinflussen lassen.»

Es ist unverständlich, wieso Dorer (und nicht nur er) etwas dementiert, was offenkundig, bekannt und völlig klar ist. Wenn Michael Ringier, Frank A. Meyer, Marc Walder oder Ladina Heimgartner die Augenbraue heben, dann ist es die vornehmste Aufgabe aller Führungsfiguren, die richtigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Das gilt bei Tamedia für die Augenbraue von Pietro Supino, bei CH Media für die Augenbrauen aller Mitglieder des Wanner-Clans, im Reich der Südostschweiz für die Augenbrauen der Lebruments, und wer bei der NZZ nicht auf die Augenbraue von Eric Gujer achtet, macht etwas falsch.

Ach, wir wollen den Besitzer, Verleger, Herausgeber und Chefredaktor, die One-Man-Show Roger Köppel, nicht vergessen.

Also was soll der Quatsch, lieber Herr Dorer? Das haben Sie doch nicht nötig. Der «Blick» sei nicht via Marc Walder mit vertraulichen Informationen bedient worden? Der CEO habe die also wohlweisslich für sich behalten, sozusagen als süsse Geheimnisse im Giftschrank versorgt? Come on, you musst be kidding, wie der Ami da sagt. Dorer aber behauptet:

«Der Vorwurf ist nicht nur falsch, sondern geradezu ehrverletzend für die Redaktion. Und er lässt sich mit einem Blick ins Archiv einfach widerlegen: Blick war nicht regierungstreu, sondern nach bestem Wissen und Gewissen faktentreu.»

Faktentreu? Hatte «Blick» nicht den Wettbewerb ausgerufen, wer die höchste Anzahl Corona-Tote prognostiziert? Der Sieger lag dann bei über 100’000, inklusive zusammenbrechendes Gesundheitssystem, sich stapelnden Leichensäcken und Triagen vor den Notfallstationen. Faktentreu, my ass, wie der Ami sagt.

Aber Dorer hat noch nicht fertig: «Blick arbeitet nicht in einer hierarchischen Linie, in der der CEO etwas vorgibt. Blick arbeitet ausschliesslich nach journalistischen Kriterien, einzig den Leserinnen und Lesern, also Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, verpflichtet.»

Da verschlägt es selbst dem Ami die Sprache …

Richtig macht es hingegen CH Media. Redaktor Francesco Benini rührt kräftig in der Kacke und zitiert zu Hauf anonyme Quellen aus dem Hause Ringier, die sich über Marc Walder und seine Buddy-Wirtschaft echauffieren. Der suchte schon immer, angefangen bei der Witwe des Kampfsportlers Andy Hug, die Nähe von Prominenten. Das damalige Bonmot, dass Walder dem Begriff Witwenschüttler eine neue Bedeutung gebe, war noch scherzhaft gemeint.

Aber dann kamen mit ansteigender Bedeutung Walders andere Kaliber dazu. Pierin Vincenz, Sergio Ermotti, Andreas Meyer und natürlich Alain Berset. Schliesslich war Walders hysterische Reaktion auf die Pandemie im ganzen Haus bekannt. Und in all diesen Fällen sollen die Redaktionen völlig unabhängig, kritisch und ausschliesslich nach journalistischen Kriterien berichtet haben?

All das stellt Benini genüsslich in Frage und zitiert einen «Redaktor»: «Es ist offenkundig, dass unsere Glaubwürdigkeit leidet.» Das Offenkundige nicht sehen wollen, Realitätsverweigerung, das sind immer untrügliche Zeichen des Niedergangs.

Wo bleibt ein klärendes Wort des Verlegers Michael Ringier? Benini greift in die Vollen: «An der Jahrespressekonferenz, die im vergangenen Frühling in einem Saal des Zürcher Kunsthauses abgehalten wurde, sprach Michael Ringier von seiner Kunstsammlung, seinen bevorzugten Fernsehserien und davon, dass sein Privatkoch ihn und seine Frau jeweils auch ins Haus nach Südfrankreich begleite. Über die Publizistik des Hauses verlor er kein Wort.»

Und die NZZ? Sie ordnet ein, kommentiert gnadenlos und fordert gnadenlos: «Die Informationsaustausch-Affäre zwischen Alain Bersets Vorzimmer und dem Medienhaus Ringier muss ausgeleuchtet werden – bis in den dunkelsten Winkel

Die WeWo hingegen eiert herum, zwischen Berset-Bashing und Kritiker-Bashing. Schade.

Wo soll das alles enden? Sagen wir so: hat Friede Springer schon jemals daran gedacht, Mathias Döpfner zu feuern? Nicht, dass wir davon wüssten. Hat Michael Ringier schon jemals daran gedacht, Marc Walder zu feuern? Eher kratzt er mit seinem Schlüsselbund den Lack vom Aston Martin. Abgesehen davon, wer käme denn dann? Ladina Heimgartner? Da könnte Ringier auch gleich Vorwärts- und Rückwärtsgang verwechseln und den Vantage voll Rohr in die Garagenwand fahren.

Blöd, blind, «Blick»

Harte Zeiten für das kastrierte Boulevardmedium.

Es kommt knüppeldick für den «Blick». Zunächst macht sich der CEO und Mitbesitzer des Ringier-Verlags zum Deppen. In einer öffentlichen Veranstaltung verrät Marc Walder «ganz unter uns», dass er seine Redaktionen angewiesen habe, die Regierungen beim Kampf gegen die Pandemie konstruktiv zu unterstützen.

Sargnagel Nummer eins für die behauptete redaktionelle Unabhängigkeit und wichtiger Grund, dass die Subventionsmilliarde für reiche Medienclans an der Urne versenkt wurde.

Damals griff auch noch die Quotenfrau mit extrabreiter Visitenkarte ein. Ladina Heimgartner – wir holen tief Luft – ist Mitglied des Group Executive Board, Head Global Media, Head of Corporate Center und auch noch CEO der Blick-Gruppe. Sie bejubelte schon die «Verweiblichung» des «Blick», den Verzicht auf Blut, Busen und Büsis, auf den Sexratgeber, die Misshandlung des Logos.

Dann griff sie höchstpersönlich noch in die Tasten, als es längst klar war, dass die Steuermilliarde abschiffen würde. Unter völliger Wahrung der redaktionellen Unabhängigkeit machte sie sich mit einem Kommentar lächerlich. Darin behauptete sie doch ohne rot zu werden:

«Journalistinnen und Journalisten sind im Wissen um ihre Verantwortung der Gesellschaft und der Wahrheit verpflichtet. Es geht ihnen darum, Fakten ans Licht zu bringen und einzuordnen, damit sich die Leserinnen, Zuschauer, User ihre eigene Meinung bilden können.»

Das und die Floskel «Resilienz» sind ihre einzig bekannten Beiträge zur Förderung des Journalismus.

Besonders putzig wirkt dieser Kommentar im Nachhinein, weil währenddessen ein reger Austausch zwischen dem Departement Berset und Ringier-CEO Walder stattfand. Der dirigierte aus dem Homeoffice, voll von hysterischer Angst vor dem Virus, die wohlwollende mediale Begleitung und Antizipation der Entscheidungen des Bundesrats.

Im Nachgang zur Enthüllung der «Schweiz am Wochenende» zählte der «Tages-Anzeiger» ganze 180 Mailkontakte zwischen dem Kommunikationschef Bersets und Walder. Der behauptete nassforsch, es habe da höchstens so einen Kontakt pro Woche gegeben. Mehrere pro Tag wäre realitätsnäher.

Sowohl Kommunikationschef wie Bundesrat verweigerten die Antwort auf die Frage, ob in diesen Kontakten auch vertrauliche Informationen weitergeleitet wurden. «Inside Paradeplatz» hingegen wirft die Frage auf, ob die Vorabinformation, dass der Bundesrat wohl den Ankauf von Impfstoffen im Wert von 100 Millionen Franken beschliessen werde («klotzen, nicht kleckern») nicht börsenrelevant sei. Heikle Zusatzfrage.

Nun hat sich Bundesrat Berset auf das Allerheilmittel für alle Politikerbobos entschieden. Er habe von nix nix gewusst und im Übrigen sage er nix, er wolle sich ja nicht strafbar machen.

Seither ist die «Blick»-Gruppe ziemlich in der Bredouille. Die wenigen verbliebenen seriösen Journalisten fragen sich ernsthaft, ob man sie und ihre Arbeit überhaupt noch ernst nehmen kann. Zumal die betroffenen Organe seit Platzen des Skandals am Samstag über dieses und jenes berichtet haben. So vermeldeten sie den Rücktritt der deutschen Verteidigungsministerin oder dass Lehrer Angst vor Schülern haben.

Auch dass Salar Bahrampoori seine Hochzeitspläne verrate, ist eine Schlagzeile wert. Aber der «Blick»-Skandal? Informationspflicht an den Leser, Aufklärung, Rechtfertigung, Selbstkritik? Ach was, stattdessen zunächst Schweigen im Walde.

Denn zuerst musste natürlich die Führungscrew entscheiden, ob und wie man reagiert. Zunächst alle Optionen durchspielen, exklusive Rücktritt Walder. Und nach scharfem Nachdenken kam dann das Dreamteam Heimgartner und Dorer zur schlechtmöglichsten Lösung.

Wobei zu vermuten ist, dass Oberchefredaktor Christian Dorer gute Laune und Schwiegermuttertraum-Ausstrahlung weitgehend verlor, weil er diesen Schwachsinn mitunterzeichnen musste.

Denn in einem internen Mail am Montagmorgen, das natürlich sofort durchgestochen wurde, behaupten die beiden: «Blick wird unterstellt, dass wir zwei exklusive Beiträge durch die Kommunikation zwischen dem EDI und unserem CEO, Marc Walder, publizieren konnten. Dies ist falsch

Recherchen hätten ergeben, dass der Primeur über die Impf-Beschaffung aus Quellen der Politikchefin Sermîn Faki stamme. Eine weitere Vorabmeldung hätten der stellvertretende Politikchef und ein Bundeshausredaktor «recherchiert». In beide Beiträge sei CEO Marc Walder in keiner Weise involviert, zitiert «persönlich.com» aus der Mail.

Dann kommt’s nochmal knüppeldick: «Diese Klarstellung ist uns wichtig. Die Blick-Gruppe arbeitet unabhängig. Dass der CEO eines Medienunternehmens Kontakte zu Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung und Kultur pflegt, ist ein üblicher Vorgang. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf unsere Berichterstattung, wie auch der § 8 ‹Blick arbeitet unabhängig› im Redaktions-Manifest regelt.»

Wir wischen uns die Lachtränen aus den Augen und hören auf, prustend auf dem Boden zu liegen und um Gnade zu winseln.

Sagen wir mal so: Faki ist nun ziemlich unkündbar, ebenso die beiden anderen erwähnten Journalisten. Es wäre natürlich denkbar, dass die Vorabinformation über den geplanten Kauf von Impfmitteln in Multimillionenhöhe in Bern auf dem Silbertablett herumgebogen wurde, alle anderen Medien dankend ablehnten und nur Saki zuschlug. Es ist auch denkbar, dass Michael Ringier gelegentlich in die Türe seines Aston Martin tritt. Es ist denkbar, dass Walder diese Exklusiv-Information hatte, sie aber im Tresor für süsse Geheimnisse versenkte – so wie er den regen Mailverkehr mit Bersets Departement und die engen Kontakte mit dem Bundesrat nur aus rein persönlichen Motiven aufrecht erhielt. So von Glatzkopf zu Glatzkopf.

Dass sich aber erwachsene «Blick»-Journalisten  – von den übrigen Medien ganz zu schweigen – einen solchen Hafechäs anhören müssen, ohne das Gesicht zu verziehen (denn in gespannter Lage ist klar: wer mopst, fliegt), das ist schon ein starkes Stück.

Wenn man sich schon mehr als 48 Stunden Zeit nimmt, um scharf nachzudenken, dann müsste doch etwas Belastbareres herauskommen. Es wäre Zeit, sich mal wieder an die alte Journalistenregeln zu erinnern. Streite niemals etwas ab, was dann doch ans Licht kommt. Lieber hinstehen, einstecken, Entschuldigung sagen, Reue mimen, Zerknirschung heucheln – und abwarten. Denn es geht vorbei. Immer.

Aber wer noch so Öl ins Feuer giesst, ist selber schuld, wenn die Hütte dann lichterloh brennt.Auf jeden Fall ist Walder mit dieser Redaktionsmail der Gefahr eines erzwungenen Rücktritts nicht entronnen. Sondern wenn schon nährgekommen.

Walder? War da was mit Walder? Aber nein …

Ob wohl alle Autoren dieser Zeilen anlässlich der letzten Walder-Panne vor einem Jahr so abgehärtet sind, dass nicht eine leise Röte ihr Gesicht beim Lesen überzieht?

«Journalismus, wie Blick ihn macht, ist unabhängig von Einmischungen, von Regierungen, von Direktiven und selbst vom CEO. Nur von einem nicht: von gesellschaftlicher Verantwortung.Die Chefredaktion der Blick-Gruppe Christian Dorer, Steffi Buchli, Gieri Cavelty, Andreas Dietrich, Sandro Inguscio, Michel Jeanneret, Roman Sigrist»

Es wäre zum Herausprusten, wenn es nicht so peinlich und bedenklich wäre.

Löwe und Bettvorleger

Wenn Kindersoldaten Skandalgeschichten schreiben dürfen.

Es war eigentlich eine fantastische Boulevard-Story:

Alles drin, was es so braucht. Bekanntes TV-Format, das Wort «Bschiss», Teilnehmer fühlten sich «geprellt», es gebe «knüppelharte» Verträge. Und «Blick» deckt auf.

Da hat der «Ringier Journalistenschüler» Robin Bäni einen Treffer gelandet, schöner Einstieg in den späteren Beruf.

So schaute es einen Moment lang aus. Bis Roger Elsener, Mitglied der GL von CH Media und dort zuständig für die Sendung, zurückschlägt: «Der Gründer des Modelabels «Finelli», Khawar Awan, der im Text prominent vorkommt, hat sich im Anschluss an den Artikel selbst auf Social Media geäussert und sich vom Blick-Text distanziert. Ebenso Lukas Speiser, welcher als Löwe bei diesem Deal im Lead war.»

Das ist natürlich eher blöd, wenn der eigene Kronzeuge öffentlich aussteigt. Auch die angeblich «knüppelharten» Verträge seien «normale Protagonisten-Verträge», dämpft Elsener das Wording runter. Und überhaupt: «Boulevardjournalismus lebt von süffigen Geschichten. Ich sehe diesen Artikel nicht als «mediale Attacke». Eine weniger reisserische und sauberere Berichterstattung wäre hier angebrachter gewesen, ansonsten hätten sich ja nicht sowohl der Gründer als auch der Löwe vom Artikel distanziert.»

Nun könnte man sagen, dass Elsener das natürlich sagen muss, logo. Mal abgesehen von der Peinlichkeit, dass der Hauptzeuge der «Blick»-Anklage verlustig ging, es kann ja doch einiges oder vieles an den Vorwürfen dran sein.

Das könnte man solange meinen, bis man diesen Artikel liest:

Hoppla, was ist denn da passiert? Natürlich kann man nur bösartige, aber naheliegende Vermutungen anstellen. Denn es gibt verschiedene Methoden, mit denen ein Blatt eine Gegendarstellung oder gar rechtliche Balgereien vermeiden kann. Dazu gehört die Replik oder die Publikation eines freundlichen Artikels.

Es kann natürlich auch sein, dass der «Ringier Journalistenschüler» aus reinem Zufall über ein positives Beispiel aus der Sendung stolperte. Das ist für Menschen, die an eine Zusammenarbeit zwischen Weihnachtsmann und Osterhase glauben, unterstützt von Dornröschen.

Allerdings: das muss keinesfalls einen Karriereknick bedeuten. Im Gegenteil. Den zu den Grundvoraussetzungen einer Karriere als Boulevardjournalist gehört ein hohes Mass an Flexibilität. Also die Fähigkeit, jedes beliebige Ereignis so oder auch so sehen zu können. Und vor allem natürlich den Meinungen der Entscheidungsträger von Ringier zu folgen.

In diesem Sinne hat Bäni den Grundstein für eine potenziell grossartige Karriere gelegt.

 

Vorsicht ist die Mutter aller Dinge

Ausgerechnet das Krachbum-Blatt «Blick» dribbelt hier.

Natürlich musste auch die Zeitung mit dem Regenrohr im Logo den Tod des Models Tatjana Patitz mit nur 56 Jahren vermelden.

Allerdings will man sich da nicht auf die Äste rauslassen:

Sicher ist für den «Blick» nur, dass das Supermodel gestorben sei. In der Bildlegende heisst es noch vorsichtig «soll an Brustkrebs gestorben sein». Aber im Lead gewinnt der Autor zunehmend an Sicherheit und riskiert sogar ein Ausrufezeichen: «Brustkrebs!»

Für diejenigen, die’s aber immer noch nicht kapiert haben (was tief blicken lässt. für wie schlau der «Blick» seine Leser hält), beginnt der Lauftext mit der Ankündigung: «Supermodel Tatjana Patitz ist tot.» Anschliessend frönt der «Blick» der aus der Mode gekommenen Tugend, Tatsachenbehauptungen nur dann aufzustellen, wenn es zwei unabhängige Quellen dafür gibt:

«Die Deutsche sei am Mittwoch im Alter von 56 Jahren im US-Bundesstaat Kalifornien gestorben, teilte ihre Modelagentur in New York der Deutschen Presse-Agentur mit. Auch ihre deutsche Model-Vertretung in Hamburg bestätigte den Tod von Patitz

Hier herrscht dann wieder überkorrekt der Konjunktiv «sei gestorben», um dann aber doch dem Indikativ Platz zu machen «bestätigte» statt «habe bestätigt».

ZACKBUM ist verwirrt. Ist das nun plötzlich ein Anfall, absolut korrekten Journalismus betreiben zu wollen? Waren zwei Texter am Werk? Oder ist es einfach, das scheint einleuchtend zu sein, aber Genaueres wissen wir nicht, könnte es einfach Schlamperei sein?

Aber solange wir nicht mindestens zwei Quellen haben, die das bestätigen, sagen wir nix. Oder gut, wir machen’s so wie der Tagi, eine anonyme Quelle reicht auch; die kann man sich notfalls auch einfach erfinden. Also haben wir aus normalerweise gut unterrichteten Kreisen erfahren: ist die übliche Schlamperei.

 

Wo Welten klaffen

Wie behandeln Schweizer Medien die Gewaltorgien in Deutschland?

Der «Blick» brauchte drei Anläufe, um das unkorrekte Wort «Migranten» aus dem Titel zu kriegen. Zunächst steigerte er sich sogar zu «Migranten-Mob», dann wurde es ein gender- und hintergrundneutraler «Silvester-Mob».

Seither bemüht sich das ehemalige Boulevardblatt, dem Abflussrohr in seinem Logo alle Ehre zu machen:

Eine Fernanalyse der Schweizer Polizeibeamten-Präsidentin mit der überraschenden Erkenntnis, dass allgemein der Respekt abnehme und solche Zustände auch in der Schweiz möglich seien. Dann die politisch korrekte Meldung, dass immerhin «45 der 145 verhafteten Chaoten Deutsche» seien. Wie viele davon mit Migrationshintergrund, darüber schweigt das Rechercheblatt.

Aber immerhin, der meistens am Schreibtisch anzutreffende «Ausland-Reporter» Samuel Schumacher riskiert einen Karriereknick mit der klaren Aussage: «Nach allem, was bislang über die Ausschreitungen in Deutschland bekannt ist, handelt es sich bei einem signifikanten Teil der Täterschaft um junge, männliche Migranten

Wie eigentlich meistens bietet Tamedia das kläglichste Bild von allen Schweizer Bezahlmedien. Es lässt den völlig verpeilten Berlin-Korrespondenten der «Süddeutschen Zeitung» schwadronieren, der das Problem, dass fast ausschliesslich ein Migrations-Mob tobte, so schön- und wegschreibt, wie es halt nur einem Gesinnungsjournalisten einfallen kann.

Während er in einem ersten Artikel den «Migrationshintergrund» der Krawallanten noch völlig ausblendete, zieht er sich in einem zweiten hinter die Formulierung zurück: «Das deutsche Innenministerium jedoch verwies darauf, dass es noch keine Übersicht zu den Verdächtigen gebe

Das bringt sogar die gutmütigen Tagi-Kommentatoren in Wallungen, die überwiegend Klartext äussern und sich solche Schönschreibungen verbitten. Es ist mal wieder erbärmlich, wie ein Bauchnabel-Journalist an der Realität (und an seinem lesenden Zielpublikum) vorbeischreibt – und dass Tamedia das Geschwurbel unkommentiert stehenlässt.

Aber zum Gutmenschentum gehört auch eine gewisse Flexibilität. Plus ein Schuss Lächerlichkeit. Denn der Tagi legt nach: «ARD-Video befeuert Debatte über Nennung von Täter-Herkunft», berichtet das Blatt der korrekten Denkungsart. Damit ist gemeint, dass in der Hauptausgabe der deutschen «Tagesschau» der zugeschaltete Berlin-Korrespondent um eine klare Aussage zur Herkunft der überwiegenden Mehrheit der Chaoten und Gewalttäter herumstolperte: «Von den Tätern zu sprechen ist in solchen Kontexten immer ein bisschen schwierig», erklärte der Journalist im TV», referiert der Tagi.

Dann wird’s echt lustig. Die sich daraufhin in Deutschland entwickelnde Debatte, wie es mit der Nennung von Nationalitäten im Zusammenhang mit den Gewaltorgien in Berlin stehe, wird vom Tagi ausführlich dargestellt. Allerdings verliert das Tamedia-Kopfblatt kein Wort darüber, dass auch der eigene Spar-Korrepondent von der «Süddeutschen» anfangs kein Wort zu diesem Thema verlor und auch in der nachgeschobenen Story um das Problem Migranten-Mob herumeierte.

Ganz anders CH Media, die sich immer mehr als wohltuende Alternative zum Gesinnungsbrei aus dem Hause Tamedia positionieren. Beispielsweise im St. Galler «Tagblatt» darf Cornelie Barthelme kommentieren. Sie ist seit 20 Jahren Berlin-Korrespondentin für verschiedene Tageszeitungen und nimmt mit norddeutscher Zurückhaltung, aber auch Klarheit Stellung. Sie hat die Sachkompetenz einer Journalistin, die nicht erst seit gestern per Google von den Problemen weiss: «Gerade in Neukölln aber hatte schon in den Nullerjahren der damalige Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) vor dem Totschweigen der Probleme durch den hohen Anteil von Migranten gewarnt.»

Auch Barthelme schreibt Klartext: «Dass am 1. Januar noch nichts bewiesen ist, auch am 2. und am 3. vieles und das meiste über die Identität der Täter noch im Vermutungsbereich, dass also nicht in den Zeitungen steht, es handle sich ganz eindeutig um nicht-deutsche Gewalt, führt zu den ebenfalls üblichen Vorwürfen gegen Politik und Medien, hier solle gelogen und totgeschwiegen werden. Heraus ist bis Dienstag spätnachmittags aber nur, dass mindestens 103 der Festgenommenen wieder frei sind. In der öffentlichen Wahrnehmung passt das zur Forderung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nach Strafen «mit der ganzen Härte des Gesetzes» wie die Faust aufs Auge.»

Eine Steigerung nach oben ist hier höchstens noch in der NZZ zu konstatieren. Fatina Keilani, Redaktorin im Berliner Büro der NZZ, die alleine vom Namen her nicht wirklich sofort rassistischer Vorurteile verdächtigt werden kann, macht das, woran all die anderen Schweizer Journalisten (oder für Schweizer Organe schreibende deutsche Journalisten) nicht gedacht haben (oder sich nicht trauten): «ein forschender Spaziergang auf der Sonnenallee nach der Silvesternacht», überschreibt sie ihre Lokalreportage. Hier fanden die gröbsten Ausschreitungen des Migranten-Mobs statt.

Besonders ergiebig sind ihre Erkenntnisse nicht, aber auch ihr Bericht über Sprachlosigkeit, Ablehnung von Journalisten oder Verdrängung ist interessant. Sie begibt sich unerschrocken in ein «Albaner-Café» und reportiert: «Am Tresen steht eine junge, knochige Frau mit grossen Augen und eisigem Blick, mit der keine Verständigung möglich ist. Das Café war schon öfter Ziel von Razzien. Hier redet niemand mit der Presse.»

Kein Blatt vor den Mund nimmt im «anderen Blick» auch der Chefredaktor des NZZ-Büros in Berlin. «Wenn Politiker hilflos sind, aber entschlossen wirken wollen, dann kommen drei Mittel fast immer zum Einsatz: die Feststellung der eigenen Fassungslosigkeit, die scharfe Verurteilung und die Forderung nach einer Debatte», leitet Marc Felix Serrao seinen Kommentar ein.

Er hält mit klaren Zahlen dagegen:

«Die Gewalt mit Migrationshintergrund ist nicht unerwartet und plötzlich explodiert, wie die nun zur Schau gestellte Ratlosigkeit vieler Politiker insinuiert. Laut dem Bundeskriminalamt stellen Syrer, Afghanen und Iraker seit Jahren den grössten Anteil tatverdächtiger Zuwanderer in Deutschland, zuletzt lag er bei knapp 40 Prozent. Die Straftaten, um die es geht, sind vor allem «Rohheitsdelikte», also etwa Körperverletzung oder Raub.»

Er zögert auch nicht, Lösungsvorschläge anzubieten: «Was tun? Der erste Schritt wäre eine ehrliche Bestandsaufnahme. Die meisten Migranten und Deutschen mit Migrationshintergrund sind gesetzestreu; sie arbeiten und zahlen Steuern, und viele sind eine Bereicherung für das Land. Das bleibt wahr, wenn man zugleich feststellt, dass eine bestimmte Gruppe von Migranten ein immer grösser werdendes Problem darstellt. … Praktisch braucht es schnelle und abschreckende Strafen und eine Migrationspolitik, die die Interessen der Bevölkerung – der Einheimischen wie der gesetzestreuen Zuwanderer – in den Mittelpunkt stellt. Ganz konkret: Ein Land, das ein solches Problem mit jungen, ungebildeten Männern aus muslimischen Ländern hat, sollte aufhören, immer mehr von ihnen einwandern zu lassen.»

Aber davor schrecken seit 2015, seit den massenhaften Übergriffen auf der Kölner Domplatte, die meisten Politiker und die überwiegende Mehrheit der Medienschaffenden zurück. Also zieht Serrao das bittere Fazit: «Aber dazu wird es wohl nicht kommen. Schon die ehrliche Bestandsaufnahme hat in Deutschland kaum eine Chance. Dafür ist das öffentliche Gespräch über kriminelle Migranten zu verkorkst, zu angstbesetzt. Niemand will zu Unrecht als Rassist oder gar als Nazi gescholten werden, was hierzulande schneller als irgendwo sonst passiert. Also ist man lieber fassungslos. Oder man fordert eine Debatte, am liebsten «schonungslos» und mit «klarer Kante».»

Soweit sind die meisten Schönschreiben in der Schweiz nicht einmal. Dass aber das Verdrängen von Problemen, mit denen weite Teile der Bevölkerung konfrontiert sind, üble Auswirkungen hat und rechtsradikalen Brandstiftern wie dem AfD-Björn-Höcke Wähler und Zustimmung zutreiben – daher brandgefährlich ist –, zu dieser einfachen Erkenntnis sind all diese Schwurbler von Tamedia abwärts nicht in der Lage.

Fast wohltuend ist in diesem Kontext die «Republik». Ihr sind die Krawalle keinen einzigen Buchstaben wert.

Gute Vorsätze, Teil 1 «Blick»

Eine kleine Serie, wir starten mit dem Organ mit der Regenrinne im Logo.

Vielleicht ist ein Wunder geschehen, wahrscheinlicher ist aber ein Unfall in der Selbstzensur. Denn der «Blick», das einzige Boulevardblatt der Welt ohne Boulevard, scheint sich an alte Tugenden zu erinnern:

Sex sells, so ist das nunmal. Auch wenn die Themen nicht gerade taufrisch sind.

Doppelt gemoppelt hält besser:

Wenn wir den Begriff «Büsi» (wie in Busen, Blut, Büsis) weit fassen, kann man das hier gelten lassen:

Dann fehlt ja nur noch Blut, plus politisch unkorrekt. Wird geliefert:

«Jung, männlich, Migranten». Besser hätte das der Schweizer Urvater des Krachbum-Boulevards, Peter Übersax, auch nicht hingekriegt.

Will sich der «Blick» also wieder auf sein Erfolgsrezept zurückbesinnen? Mal schauen, wie lange dieser gute Vorsatz hinhält …

PS: Erste Zweifel sind erlaubt. Nachdem die Chefetage ihren Silvesterrausch ausgeschlafen hatte, griff sie schon mal leicht korrigierend in diese Titelschlagzeile ein:

Was einer aufmerksamen ZACKBUM– und «Blick»-Leserin nicht entgangen ist …

PPS: Inzwischen sind wir bei der dritten Version der Schlagzeile angelangt, endlich wieder politisch völlig korrekt: «Böller auf Polizisten geschossen, Rettungskräfte mit Feuerlöscher angegriffen. Silvester-Mob sorgte für Randale in Deutschland».

Kleine Quizfrage für Schlaumeier: welches Wort fehlt nun völlig? Nein, nicht «Eier» …

Geld wert? «Blick»

Teil zwei unserer kleinen Serie über Geld und Geist.

Wir haben ganz oben mit der NZZ angefangen, nun geht’s auf der Schaukel nach unten. Wir nehmen übrigens nur Bezahl-Tageszeitungen unter die Lupe, sonst müssten wir ja noch ein Wort zu «watson», «20 Minuten» oder nau.ch sagen.

Der «Blick» verlangt büezerfreundliche Fr. 2.80 am Kiosk. Dafür gibt’s dann 10 Seiten alles andere und 11 Seiten Sport, insgesamt 22 nun ja, durchaus bildlastige Seiten. Das ergibt einen Seitenpreis von knapp 13 Rappen. 3 Rappen billiger als die NZZ, dafür viel bunter.

Mit diesen Schlagzeilen über dem Bund will das Boulevard-Blatt zum Kauf reizen:

Etwas Politik, Frauen, Autos und Fussballer, soweit eine ausgewogene Mischung von Themen, die den «Blick»-Leser interessieren könnten.

Auf den Seiten zwei drei kommt nun relativ schwerer Stoff, die Bundesratswahlen. «Blick zeigt, was die Kandidierenden eint und was sie unterscheidet». Man beachte den woken und falschen Gebrauch des Partizips Präsens «Kandidierende». Das dürfte dem «Blick»-Leser nicht auffallen, der Inhalt eher auch nicht.

Dazu «Fachkräfte-Not», «CS-Aktie so tief wie nie» und «Raser müssen ein Jahr in den Knast». Aus dieser versteckten Meldung hätte der «Blick» früher die Titelschlagzeile gesaugt, aber da war er auch noch nicht woke, hatte noch kein angeblich weibliches Regenrohr im Logo und zeigte auf Seite drei auch noch leicht bekleidete Frauen.

Aber da hatte er ja auch noch eine Auflage von über 375’000, während er aktuell angeblich bei leicht über 100’000 dahindümpelt. Aber das ist sicherlich der allgemeinen Print-Krise geschuldet, nicht dem Versuch, Boulevard ohne Boulevard, ohne Kanten, Volkes Stimme, Reizthemen und nackte Haut zu machen. Also sich völlig vom Erfolgsmodell zu verabschieden «Blut, Busen, Büsis».

Das kommt halt davon, wenn man das Management einer im Print völlig unerfahrenen Frau aus Quoten-Gründen überlässt, die ausser durch die fleissige Verwendung des Wortes «Resilienz» eigentlich noch durch nichts aufgefallen ist.

Aber auf Seite 4 endlich mal eine kleine Reportage mit Krachbum:

Aber gleich untendran riecht es nach eingeschlafenen Füssen: «Junge Erwachsene greifen immer häufiger zu Stichwaffen». Diese schreckliche Entwicklung wurde bereits von der Sonntagspresse abgefrühstückt. Aber ein Beispiel, noch ein Beispiel, dann der Aufschwung ins Allgemeine und Statistische, der «Experte» expertiert, fertig ist der Platzfüller.

Natürlich passt auf diese Doppelseite die Militärübung in der Schweiz bestens. Aber auch hier, seufz:

Der «Blick»-Käfer war einmal ein Markenzeichen des Blatts; für seine volksnahen und träfen Sprüche gab man sich ziemlich Mühe. War einmal …

Dann der unvermeidliche Blick ins Ausland. Man meint, das Aufatmen zu spüren, dass endlich einmal nicht die Ukraine und auch nicht der Iran Thema ist, sondern:

Ein paar Hundert von 1,4 Milliarden, um genau zu sein. Dann  wird’s einen Moment lang peinlich, oder eben auch nicht:

Wieso berichten denn die anderen Schweizer Medien nicht flächendeckend über diesen Event? Nun, wer sitzt denn am Steuer dieses Aston Martin? Nein, nicht Michael Ringier, der fährt immer das neuste Modell. Hier ist es Silvia Binggeli, und die ist ihres Zeichens Chefredaktorin der «Schweizer Illustrierte», die diesen Anlass veranstaltet und zufällig wie der «Blick» zum gleichen Verlagshaus gehört.

Womit wir beim Sport wären. Gelegenheit, ein Zeichen zu setzen:

Gelegenheit, einen nur schwer verständlichen Titel zu setzen:

Gelegenheit, noch einen schwer verständlichen Titel zu setzen:

Nun gesteht ZACKBUM, dass wir nicht so Männer des Sportes sind, also erweckt eigentlich höchstens das TV-Programm auf Seite 20 noch unser Interesse.

Aber auf die letzte Seite hat sich Klatsch und Tratsch geflüchtet, die sozusagen letzte Gelegenheit, Frauen zu zeigen. Weitgehend verhüllt, aber immerhin:

Die «Unternehmerin und Influencerin» Kim Kardashian, eine Stilikone, deren Geschmack über jeden Zweifel erhaben und die besonders stolz auf ihr recht ausgeprägtes Hinterteil ist, reitet auf der Welle der Empörung gegen eine Balenciaga-Reklame.

Aber immerhin, hier setzt der «Blick» ein Zeichen für die Frauen. Das Kind in der Reklame mitgezählt, sind es 8 auf einer Seite. Nur knapp schafft es «Comedian» Pete Davidson auch noch auf ein Bild, aber nur wegen eines «Liebes-Outing beim Basketball» mit Emily Ratjakowski. Wer beide nicht so kennt: macht nix, B-Model und B-Comedian. Eine Verzweiflungstat von Flavia Schlittler, zuständig für Tratsch und Klatsch.

Kassensturz: Für 13 Rappen pro Seite bekommt man ziemlich viel Druckfarbe serviert. Die Buchstaben, nun ja, sagen wir so: Anhänger des Tiefergelegten kommen hier auf ihre Kosten. Themenmischung, Überblick, Informationsgehalt, Einordnungen, Analysen, Welterkenntnis? ?

Blut, Busen und Büsis? ?

Boulevard-Kracher, Aufreger, Kampagnen, Mord und Totschlag, billige Vorwände, viel nackte Haut zu zeigen? Pfuibäh.

Damit dürfte 100’000 nicht das Ende der Fahnenstange sein. Es geht noch tiefer.

Wir sind nicht dabei

Der «Blick» versucht’s mal wieder mit einer Werbekampagne. Tut weh.

Soll man eine Agentur verwenden, die mit «a bigger bang for the buck» für sich selbst wirbt? Soll man eine Agentur beauftragen, die für die mehr als umstrittene Covid-Kampagne des BAG verantwortlich zeichnete? Soll man schliesslich eine Agentur nehmen, die zusammen mit Farner dafür sorgte, dass sich die Befürworter des Medienpakets lächerlich machten? Indem zur Schande der ganzen Werbebranche ein Wilhelm Tell mit einer Zeitung (!) eine Mauer kleinhackte, auf der «Fake News» steht?

Nun, die einzige Zeitung mit einem Regenrohr im Titel findet: ja, ich will – und engagierte Rod Kommunikation. Das hat sie davon:

Die Auflösung des Bilderrätsels:

Also die Gesellschaft versammelt sich massenhaft und trägt dabei eine riesige Pace-Fahne. Während hier hineingeblickt wird, schaut das Blöd-Blatt hier drauf:

Geht’s noch unverständlicher? Claro, null problemo:

Wer errät’s? Genau, das scheinen Schlittschuhfahrer auf der Suche nach Eis zu sein. Will man da wirklich dabeisein? Oder hier:

Neben diesem Blick in den leeren Nationalratssaal ist der hier aber der absolute Liebling von ZACKBUM:

Wenn der «Blick» auf den Rasen blickt, sieht er ein paar unscharfe Beine und rechts kollert ein Ball aus dem k heraus. Grossartig.

Das findet auch die Resilienz-Queen Ladina Heimgartner, diesmal in ihrer Funktion als «CEO der Blick-Gruppe»: «Der Blick hat Kraft und Grösse und berichtet über alles, was die Menschen bewegt. Die Sujets unterstreichen dieses breite Spektrum an Themen, die wir von allen Seiten beleuchten und informativ wie unterhaltend auf den Punkt bringen.»

Daraus muss man schliessen, dass Heimgartner, die schon die verunglückte Neugestaltung des Logos toll fand, auch für diese Geldverschwendung verantwortlich zeichnet. Berichten wir doch offen, was uns bewegt. Wenn’s ein Schuss in den Ofen wird, dann sagt diese Fachfrau: Ich bin dabei.

Ruhe. Trauer!

Wer diese Meldung belächelt, hat kein Herz.

ZACKBUM war unsicher, ob «Blick» noch irgend eine Ähnlichkeit mit einem Boulevard-Medium hat. Aber mit einer Meldung hat das Blöd-Blatt alle Zweifel beseitigt. Besser kann Boulevard nicht sein.

Denn alle Zutaten sind in dieser Story. Eine alternde (Alter geheim) «Jetset-Lady». Eine Exklusiv-Meldung (die sonst keiner haben will). Ein Todesfall (tragisch). Eine trauernde Hinterbliebene («wie soll ich das bloss verkraften?»).

Leser, zückt die Taschentücher, es darf geheult werden. Schämt euch nicht, so reagierten die Tennisgötter Federer und Nadal, als sie diese schreckliche Nachricht vernahmen:

Welche tragische Kunde erfuhren sie in diesem Moment? Nun, wir können die Tränendrüsen der Leser nicht länger schonen:

Ein Nackthund! Was ist denn geschehen? Hier zunächst ein Bildzitat aus besseren Zeiten:

Nackthund Murphy (unten im Bild) habe ihr «einmal ihren Salat vom Tisch weggegessen», schluchzt Dillier dem «Blick» ins Hemd. Aber was ist denn geschehen, was dieses Traumpaar (dem die übrigen Restaurantgäste sicherlich gerne beim gemeinsamen Mahl zuschauten) auseinanderriss?

Die Dillier-Fan-Postille weiss exklusiv Genaueres: «Nachdem ihr geliebter Murphy Anfang Jahr einen Schlaganfall erlitten hatte, kümmerte sich die Jetset-Lady mit viel Herzblut um seine Pflege. Nun ist der mexikanische Nackthund im Alter von 14,5 Jahren gestorben.»

Das ist nun auch für behaarte Hunde noch kein Alter, daher ist die Trauer verständlich, auch wenn der Vergleich etwas gewagt erscheint:

«Zuerst stirbt die beste Queen der Welt, dann der beste Hund. Ich weine nur noch

Gibt es denn wenigstens Trost? «Am Tag nach dem Tod war Dilliers Freund Josef (37) aus Hamburg (D) angereist. «Die beiden waren ein Dreamteam. Murphy lag immer bei ihm, wenn er da war», so die Jetsetterin.»

Aber natürlich hat der Salat-Esser eine Lücke hinterlassen, die schmerzlich klafft: «Auch wenn Murphy gestorben ist, ist er für Dillier nicht ganz weg. «Er wird nicht nur tief in meinem Herzen immer bei mir sein – um den Hals trage ich ein Ketteli mit seiner Asche drin.» Trotzdem leidet die Society-Lady vor allem morgens noch immer unter dem Verlust ihres Kleinen. «Ich bin noch immer perplex, wenn er am Morgen nicht zu mir ins Bett zum Kuscheln kommt», sagt sie. «Normalerweise hat er nachts immer in meinem Arm gelegen und wollte am Morgen schmusen. Jetzt ist er weg.»»

Das mag den angereisten Freund Josef etwas trösten; er muss das Lager nicht länger mit Murphy teilen und darf nachts in den Armen der «Jetsetterin» liegen und vielleicht, aber nur vielleicht sogar am Morgen mit ihr schmusen.

Wir neigen das Haupt in stummer Trauer und werden an Nackthund Murphy denken, wenn wir das nächste Mal einen Salat verspeisen.

Fürs Falsche demonstrieren

Eine Meldung und ihre Geschichte.

In Prag haben nach offiziellen Schätzungen rund 75’000 Menschen an einer Demonstration teilgenommen. Und niemand schaut hin. Niemand? Doch, zunächst muss man dem «Blick» ein Kränzlein winden:

Zwar die Anzahl leicht tiefer gelegt, und gleich mit der Meinung eines Gegners der Veranstaltung garniert, statt vielleicht eine Forderung oder Position der Demonstranten wiederzugeben. Aber immerhin.

Es ist auch nicht so, dass diese gewaltige Manifestation in den Medien nicht zur Kenntnis genommen worden wäre:

Allerdings fällt hier auf, dass ausschliesslich Medien aus Deutschland versammelt sind. In der Schweiz haben immerhin die SDA, nau.ch und bluewin.ch berichtet. Wenn wir allerdings das Augenmerk auf unsere grossen Qualitätsmedien richten, dann sieht die Berichterstattung so aus:

Tamedia, CH Media, NZZ: nichts. Mattscheibe. So zumindest der Stand am Montagmorgen.

Ob das daran liegt, dass Plakate getragen wurden, auf denen stand: «Das Beste für die Ukraine und zwei Pullover für uns»? Ob das daran liegen mag, dass eine beeindruckende Menschenmenge der Meinung Ausdruck gab, dass die Tschechei die Ukraine gegen Russland unterstütze, schon 400’000 Flüchtlinge aufnahm, aber nichts für die Unterstützung der eigenen Bevölkerung tue, die unter steigenden Energiepreisen leide?

Der tschechische Ministerpräsident verurteilte natürlich die Demonstration: «Es ist klar, dass es auf unserem Territorium russische Propaganda und Desinformationskampagnen gibt und manche Personen einfach darauf hören.»

Sollte es in der Schweiz zu ähnlichen Unmutsäusserungen kommen: wetten, dass das dann auch die Position der sogenannten Leitmedien sein wird? Die sich aber vorläufig in vornehmes Schweigen hüllen. Denn was es wert ist, berichtet zu werden, das bestimmt immer mehr die ideologische Scheuklappe, weniger die Wirklichkeit.