Korrekt beknackt

Es darf gelacht werden, wenn der Tagi korrigiert.

Fehler sind menschlich, wo gehobelt wird, es kann alles passieren. Der Sprüche im Journalismus sind genug. Auch ZACKBUM bekennt sich zu einer bedauerlichen Schwäche, Namen im ersten Anlauf richtig zu schreiben. Von ärgerlichen Vertippern ganz zu schweigen.

Aber ZACKBUM vereinigt Verleger, Chefredaktor, Herausgeber, Bildredaktor, Textchef, Produzent, Autor, Faktenchecker  und einiges mehr – in einer Person. Aber leider haben wir kein Korrektorat.

Im Rahmen der Sparmassnahmen zur Qualitätsverbesserung hat Tamedia auch beim Korrektorat schwer abgeholzt. Das führt dann aktuell zu einer Häufung von brutal komischen Korrekturen, unter dem Titel «Korrekt».

Da hätten wir vom vergangenen Freitag diesen hier:

Der Zürcher Tagi weiss nicht im ersten Anlauf, dass der nicht unbekannte Politiker Jositsch für Zürich im Ständerat sitzt? Au weia. Hoffentlich verwechselt die Redaktion nicht nächstens Zwingli mit Calvin.

Am Mittwoch zuvor wusste der Tagi nicht, dass der berühmte Zürcher Künstler Mario Comensoli 1922 geboren wurde. Die Redaktion vermutete, es sei 1943 gewesen. Und vielleicht lebt Picasso noch, sicher aber Elvis.

Auch wenn es um den sensiblen Schneeflocken auf der Redaktion unliebsame Themen geht, schludert der Tagi. So musste er am 17. Juni einräumen:

Darunter, weil dieses Korrigendum auf der «Debatte»-Seite erschien, fordert das Blatt seine Leser auf: «Schreiben Sie Ihre Meinung». Für ein «uns» war dann leider kein Platz auf der Zeile. Was sich der Tagi wohl damit für einen Shitstorm einhandelte?

Lässt sich das noch steigern? Kaum, aber der Tagi macht auch Unmögliches möglich:

Lottozahlen ist nun eine echt heikle Sache. Denn es passiert gelegentlich, dass Lottospieler die Korken knallen lassen, weil sie meinen, den Jackpot geknackt zu haben. Dabei wurden sie nur Opfer einer schludrigen Redaktion.

Dieses «Korrekt» erschien ebenfalls letzten Freitag; auf der «Kehrseite», in sicherer Distanz zur Richtigstellung bezüglich Jositsch. Lässt sich das noch steigern?

Das ist nun eigentlich unmöglich, aber der Tagi …

Denn auch die korrigierten Zahlen, nun, das glaubt selbst einem seriösen Organ wie ZACKBUM keiner, daher der Beweis:

Wer findet den Unterschied? Richtig, die 8 hat sich beim Tagi in eine 6 verwandelt. Das dürfte nun weltrekordverdächtig sein. In einer peinlichen Korrektur der Lottozahlen nochmals eine falsche Zahl angeben, Wahnsinn.

Das ist nun Leserverarsche mit Anlauf. Damit hat sich der Tagi Häme kübelweise eingebrockt. Statt sich um Gendersternchen, inkludierende Sprache, die Abschaffung von Diskriminierungen aller Art, also um Themen zu kümmern, die der überwältigenden Mehrheit der Tagi-Leser so was von egal sind, könnte es die Redaktion vielleicht mit vereinten Kräften schaffen, die Lottozahlen beim ersten Mal, spätestens beim zweiten Mal richtig abzuschreiben. Es heisst doch «Die Zahl», «die Lotterie», «die Ziehung», also kann das doch gendertechnisch keine Probleme geben. Und es heisst «die Korrektur». Es heisst sogar die Korrektur der Korrektur, wobei hier das «der» keinesfalls ein männlicher Artikel ist, liebe Tagi-Schneeflocken …

 

Prioritäten setzen

Nirgendwo versagen die modernen Medien so wie hier.

Überthemen werden zum Selbstläufer. Keine Redaktionskonferenz seit mehr als einem Jahr, an der nicht gefragt wird: und was haben wir heute zur Ukraine? Das ist und bleibt die absolute Artikelschleuder.

Dann gibt es die Hoch-und-runter-Themen. Rammstein ist so eins. Bad News sind immer good news («Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen»). Good News sind no news; Staatsanwaltschaft hat Untersuchung eingestellt. Auch hier wird ein ganzer Teppich von Kollateralartikeln ausgerollt. Was sagen Groupies? Was sagen Experten über Groupies? Was sagt uns die Existenz von Groupies? Sind die Herrinnen ihres Willens? Ist ein Ja ein Nein? Oder umgekehrt? Wieso beisst Til Lindemann in einen Apfel? Was hatte Chris von Rohr im Schweizerhof zu suchen?

Auch hier beginnt alles mit der täglichen Frage: was haben wir heute zu Rammstein? Aber das vergeht. So wie die Frage: was haben wir heute zum U-Boot?, inzwischen untergegangen ist. Noch etwas Nachbearbeitung, wer ist dran schuld, wer warnte schon früh, Milliardäre und ihre Sucht nach Gefahr, aber auch das geht vorbei.

Alain Berset, perfekte Gelegenheit, auf der Glatze Locken zu drehen. Mann und Werk, was hat er vollbracht, wo ist er gescheitert, was macht sein Liebesleben, lernt er nun ernsthaft fliegen, wer wird sein Nachfolger, was macht er eigentlich mit dem Rest seines Lebens? Aber auch das vergeht und verweht.

Aber nichts kommt an das Überthema heran, unter dem Stichwort «Ukraine» findet man in den letzten sechs Monaten in der SMD über 100’000 Treffer.

Es gibt aber auch Überthemen, die sehr stiefmütterlich behandelt werden, obwohl sie für die Schweiz von herausragender Bedeutung sind. Beispiel? Über die Credit Suisse sind in den letzten sechs Monaten etwas mehr als 27’000 Artikel erschienen, rund ein Viertel des Ausstosses bei der Ukraine.

Obwohl das einige behaupten, sind die Interessen der Schweiz durch den Ukrainekrieg nicht zentral berührt. Bleibt der Krieg lokal, sowieso. Wird er nuklear, ist es sowieso egal.

Aber selbst das Grounding der Swissair war Peanuts gegen das Schlamassel bei der CS. Selbst die Staatsrettung der UBS war im Vergleich harmlos – und gewinnbringend. Aber durch den Ausverkauf der CS zum Schnäppchenpreis an den Überdinosaurier UBS sind die Interessen der Schweiz zentral berührt. Selbst das Parlament hat das gemerkt und  eine PUK einberufen, das schärfste Instrument zur Aufklärung.

Insgesamt stehen 275 Milliarden an Staatsgarantien im Feuer, ungeheuerlich. Aber die Journaille verfolgt das nur mit mässigem Interesse. Das liegt einerseits an mangelnder Kompetenz. Wer sich erst durch die «Financial Times» darüber aufklären lässt, dass die Liquidierung von 16 Milliarden AT1-Anleihen per Federstrich der Bankenaufsicht FINMA international bei den Geprellten ein Riesengebrüll auslöst, sollte sich umschulen lassen. Wer sich ständig vom Einzelkämpfer Lukas Hässig abtrocknen lässt, hat seinen Beruf verfehlt.

Diese Fusion zu verstehen, ist sicherlich schwieriger, als sich gegen ein gesponsertes Abendessen auszusprechen. Aber mehr als drei Monate nach der Ankündigung der Fusion sind die meisten Fragen offen, haben die Schweizer Medien kaum etwas Eignes gebacken gekriegt, immer mit der löblichen Ausnahme Hässig und sein IP.

Seit wann bereitete sich die UBS auf die Übernahme vor? Welche (klägliche) Rolle spielen Bundesrat, Nationalbank und Bankenaufsicht? Wieso übernimmt der Steuerzahler Risiko ohne Entgelt? Wie hoch sind die Kollateralschäden durch diesen schwerwiegenden Eingriff in die Eigentumsgarantie? Wie kann es sein, dass der letzte CEO der CS zuerst von der UBS zur Konkurrenzbank wechselte, an der letzten GV der Bank abgewatscht und um sein Gehalt gebracht wird – um dann wieder ein warmes Plätzchen bei der UBS zu finden?

Das ist nur eine kleine Auswahl von Fragen, auf die die Schweizer Medien keine Antwort gefunden haben. Da zurzeit das Interesse von FT, «Wall Street Journal» und anderen ernstzunehmenden Wirtschaftsmedien nicht gerade riesig ist, macht eigentlich nur Hässig auf IP damit weiter, unangenehme Zusammenhänge auszuleuchten und unangenehme Fragen zu stellen.

Selbst die NZZ scheint mehr mit sich selbst und mit den Wirren um eine Nachfolge des Ex-Chefredaktors der NZZaS beschäftigt zu sein, als dass die Schreibkräfte sich auf das Thema «275 Milliarden im Feuer, na und?» kümmern würden.

Natürlich ist ein implodiertes U-Boot spannender als eine implodierte Bank. Natürlich kann man im gegendarstellungsfreien Raum der Ukraine immer wieder angeblich Neues behaupten. Natürlich ist eine Prozessbeobachtung bei Trump ergiebiger, weil man da problemlos von den US-Medien abschreiben kann. Aber eigentlich wären die Umstände, wie die CS verscherbelt wurde, für den Schweizer Leser und Steuerzahler entschieden interessanter. Wenn man sie ihm darbieten würde.

Multitalent Zander

Er schreibt und schreibt und schreibt.

Corsin Zander verantwortet als «diensthabender Redaktor alle sechs Wochen die Berichterstattung des Ressorts» Zürich Politik & Wirtschaft beim «Tages-Anzeiger». Daneben hat er noch genug Schreibkraft, um über einen «Femizid in Bergdietikon» zu berichten.

Aber am liebsten macht er das, was Journalisten am liebsten machen: meinen. Klar, dezidiert und gnadenlos: «Zu schweigen, wenn es heikel wird, ist feige.» Das wirft Zander vor allem der Zürcher Polizeivorsteherin Karin Rykart und Regierungsrat Mario Fehr vor.

Rykart sage trotz Aufforderung nichts zum «umstrittenen Polizeieinsatz beim feministischen Streik». Dabei würden doch Videos zeigen, «wie Polizisten brutal gegen Demonstrantinnen vorgegangen waren». Da vergisst Zander doch glatt den Konjunktiv vor Erregung.

Dann habe der Tagi über problematische Wohnverhältnisse von unbegleiteten asylsuchenden Minderjährigen berichtet. «Mario Fehr will dazu keine Fragen beantworten und schweigt.» Auf diese beiden Beispiele türmt Zander noch weitere.

Dann macht er sich zum Anwalt des Volkes: «Die Bevölkerung hat Anspruch darauf, dass die gewählten Politikerinnen und Politiker auch dann Auskunft geben, wenn sie in der Kritik stehen

Welche Ansprüche die Bevölkerung hat und ob ausser Zander wirklich jemand sauer ist, wenn Rykart und Fehr (und natürlich auch andere Politiker) nichts sagen? ZACKBUM weiss es nicht, Zander weiss es eigentlich auch nicht.

Aber auch er wirft mit Steinen, obwohl er buchstäblich im Glashaus sitzt, das alle naselang seinen Namen ändert. Das ist aber nicht das Schlimmste. Es gab doch einmal einen Protestbrief von 78 erregten Tamedia-Mitarbeiterinnen. Üble Zustände wurden kritisiert, Sexismus, Diskriminierung, demotivierende Arbeitsatmosphäre. Die Chefetage entschuldigte sich präventiv, zeigte sich betroffen, lobte die Neubesetzung von Stellen auf allen Hierarchiestufen mit mindestens 40 Prozent Frauen aus.

Und kündigte eine unerbittliche Untersuchung aller im Protestschreiben angeführten Beispiele an. Inzwischen hat der Frauenanteil in der Chefetage tatsächlich zugenommen, was nicht nur eine gute Nachricht ist. Aber was ist mit den Ergebnissen der Untersuchung? Konnte ein einziges Vorkommnis verifiziert – oder falsifiziert werden? Schweigen.

Warum musste Arthur Rutishauser als Bauernopfer seine Position als Oberchefredaktor aufgeben, die er tadellos erfüllt hatte? Schweigen. Wieso lässt Tamedia ihren ehemaligen Chefredaktor Finn Canonica im Regen stehen, wenn er von einer ehemaligen, rachsüchtigen und gefeuerten Mitarbeiterin öffentlich übel denunziert wird? Schweigen. Alleine, wenn sich Oberboss Pietro Supino angefasst fühlt, dann lässt er die Macht des Gesetzes über CH Media rollen.

Aber wie steht es denn nun mit den Vorwürfen von Roshani? Schweigen. Wen und wie viele wird es bei der aktuellen Sparrunde erwischen? Schweigen. Warum darf bei Tamedia jeder sein Steckenpferd reiten, sei das gendergerechte Sprache, das Niedermachen unliebsamer Konkurrenten und überhaupt jede Form von Bauchspiegelei? Schweigen.

Wie sollte Zander schreiben: Die Bevölkerung hat Anspruch darauf, dass die Geschäftsleitung von Tamedia Auskunft gibt. Oh, das würde er vielleicht schreiben, wenn nicht …

Entschuldigung Claudia Blumer und Rudi Bindella!

In einer Artikelserie über Claudia Blumer und Rudi Bindella habe ich deren Persönlichkeitsrechte verletzt. Dafür entschuldige ich mich erneut. Ausserdem sei hier festgehalten, dass Rudi Bindella und seine Tochter – anders als von mir behauptet – ein ausgezeichnetes Verhältnis zueinander haben. Die betreffenden Artikel sind gelöscht worden.

Zürich, im Juni 2023, René Zeyer

Das Ende einer Institution

Geht doch. Ein wunderbares Stück in CH Media.

ZACKBUM lobt gerne. Wir kommen nur so selten dazu. Daher ein grosses Bravo für Sabine Kuster. Ihr Artikel über das baldige Ende der Schweizer Traditionsmarke Stewi beweist, wie man aus einer trockenen Wirtschaftsmeldung ein kleines Bijou machen kann, ein funkelndes Stück beste Unterhaltung.

Vom Einstieg «Die Löcher im Boden sind überall, fast in jedem Schweizer Garten versteckt sich eins», über die Reflexion der Ursachen («Der Kult-Status von Stewi hat nicht gereicht, um die Firma über Wasser zu halten») bis zu haargenauen Beobachtungen: «Aber weder das Natel noch die Zyliss stehen so sehr für Schweizer Ordnung und Anständigkeit wie der Stewi: Natürlich machte es Sinn, die grossen Bettlaken an den hohen und langen äusseren Schnüren aufzuhängen und die Unterwäsche an den kurzen, innen liegenden. Andersrum wird es bis heute in einem anständigen Schweizer Haushalt in Blicknähe zum Nachbargarten kaum je gemacht

Dazu fein-ironische Bemerkungen, die lustig sind, sich aber nicht über jemanden lustig machen: «Ausserdem hat jeder Haushalt oft ein striktes Aufhänge-Regime: Im Viererhaushalt beispielsweise erhält jede Person ihre Seite, sodass die Wäsche effizient nach Person – sprich Kleiderschrank – abgehängt werden kann. Wer dies nicht beherrscht, dem wird das Kellertreppenfegen oder Kompostkübelleeren zugeteilt

Auch die Geschlechterfrage bleibt nicht aussen vor: «Oder wie viele Männer hängen heutzutage die Wäsche auf? Prozentual vermutlich doch mehr, als es aktuell Bundesrätinnen gibt.»

Schliesslich kennt Kuster auch die kleine Kunst der Schlusspointe, die auf den Anfang verweisen soll und noch einen kleinen Knaller bereithält:

«Wobei die Stewi-Löcher, die bleiben. Und natürlich das Wort. Schon 2017 sagte Stephan Ebnöther in einem Interview, die Jüngeren seien erstaunt, dass es eine Firma gebe, die so heisse wie der Stewi.
Was haben wir vergessen? Der Stewi taugt nicht als Karussell. Wir haben es vor Jahrzehnten schon ausprobiert.»

So etwas beglückt und zeigt, wie man mit nur drei Dingen grossartigen Journalismus herstellen kann. Ein Auge für ein gutes Thema. Schreibkraft. Und das Ziel, den Leser zu unterhalten, nicht zu belehren oder mit der eigenen Meinung zu belästigen.

Kann es denn ohne Kritik abgehen? Der Leser ahnt es. Der «Blick» vergibt das Thema mit einer News-Meldung und einem SDA-Ticker. Tamedia berichtet knochentrocken. Das «Zofinger Tagblatt» versucht’s mit einem etwas gewagten Titel: «Der «Wäschespinne» geht es an den Kragen». Und die NZZ? Schweigt vornehm und sagt sich: wann es berichtenswert ist, dass Stewi den Schirm zumacht, das bestimmen immer noch wir.

Flüssig, überflüssig

Weltrekord! In Banalitäten.

«Man könnte zum Beispiel gemeinsam einen Notfallplan erarbeiten, sollte es diesen nicht bereits geben.» Diese Erkenntnis und einige mehr vermittelt uns «20 Minuten» zur U-Boot-Tragödie beim Wrack der Titanic.

Falls Sie das nicht wussten: «An Orten, an denen es keine Fluchtmöglichkeit gibt, ist das Risiko, in Panik zu geraten, besonders hoch». Dieses Gefühl vermittelt der Artikel ziemlich gut, denn man ist von Banalitäten umzingelt. Allerdings hat der Leser eine Fluchtmöglichkeit.

Immerhin hat das Gratis-Blatt einen «Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie» aufgeboten. Der weiss auch dass eine «klassische Panikattacke» – wohl im Gegensatz zu einer nicht-klassischen – mit Todesangst verbunden sei: «Eine solche Attacke geht in der Regel nach fünf Minuten vorbei. Man muss sie in dem Moment aushalten.»

Tja, was bleibt einem in einem U-Boot auch anderes übrig. Hoffentlich halten sich die Insassen auch an folgende Erkenntnis: «Ganz wichtig sei, Ruhe zu bewahren. Denn: «Wer Angst hat, reagiert nicht rational und verbraucht mehr Sauerstoff.»»

Auch für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Insassen gerettet werden sollten, hat Onkel Doktor einen Ratschlag zur Hand: «Bei Menschen, die lebensgefährliche Situationen erlebt haben, können sogenannte Stressfolgeprobleme wie Angststörungen aufkommen.»

Da empfehle sich eine Therapie, rät der Doktor. Vornehmlich in seiner Privatklinik Hohenegg …

Ist halt schon blöd, wenn man die Story bis zum letzten Tropfen ausquetscht:

Als Präventivmassnahme gegen das drohende Sommerloch wird Ausquetschen sowieso zum Markenzeichen von «20 Minuten»:

Fehlt da nicht noch was? Natürlich:

Aber auch Dinge, die man eigentlich zu beherrschen meint, sind durchaus für Ratgeber geeignet:

Da bleibt noch knapp Platz für eine interessante Frage:

Nach dem Angriff der Killertomaten nun die Eroberung durch Secondhand-Sextoys. Den Schweizern bleibt auch nichts erspart.

Bei all dem Überflüssigen fragt man sich, ob «20 Minuten» schon vor dem Sommerloch als grosse Zeitvernichtungsmaschine in die Mediengeschichte eingehen will.

Whataboutism

Gegenfrage und Themenwechsel. Die Königsdisziplin der Betroffenen.

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Der Vergleich lag so nahe, dass ihm Simon Widmer von Tamedia nicht widerstehen konnte: «Analyse zum Titanic-.Tauchboot: die toten Migranten haben mehr Anteilnahme verdient». Ist das so? Weil sie mehr sind?

Hält Widmer einer fühllosen Gesellschaft den Spiegel vor, blicken wir in eine teilnahmslose Fratze? Auch Adrian Kreye von der «Süddeutschen Zeitung» macht sich seine Gedanken: «Über die vermutlich 500 Flüchtenden, die vor Griechenland starben, weiß man nur wenig.» Dabei sei es «das Sinnbild des herzlosen Nordens , der nicht bereit ist, die Menschen zu retten, die aus dem Süden vor Krisen wie Krieg, Klima oder Armut fliehen mussten, an denen der Norden oft Mitschuld hat».

Ähnlich sieht das auch Widmer: «Das Schicksal der superreichen Titan-Passagiere treibt viele mehr um als der Tod von Hunderten Migranten.» Interessante Beobachtungen von zwei Mitmachern. Zwei Journalisten. Über die U-Boot-Tragödie erschienen in den letzten sieben Tagen 684 Artikel. Über die Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer im letzten Monat ganze 31. Also beklagen die beiden etwas, woran sie selber mitbeteiligt sind.

Denn statt zu klagen, hätten sie ja den toten Flüchtlingen im Mittelmeer mehr Aufmerksamkeit verschaffen können. Stattdessen fällen sie moralische Werturteile über etwas, woran sie selber schuld sind.

Daraus entsteht dann dieser unsägliche Whataboutism, wofür es kein adäquates deutsches Wort gibt. Diese Leiter kann man beliebig hinaufsteigen. Wieso gibt es im vergangenen Monat über 15’000 Meldungen zur Ukraine, lediglich 522 zum Sudan? Findet denn dort kein Krieg statt, mit Massakern, Verwüstungen, Flüchtlingen, Elend, Misere?

Und whatabout die 10’000 Kinder, die jeden Tag an Hunger oder leicht heilbaren Krankheiten sterben? Ein Massenmord, wie Jean Ziegler nicht müde wird zu betonen.

Und whatabout die Millionen Menschen in Armut, im Elend, die Ausgebeuteten, Erniedrigten, Geknechteten, Versklavten, die Kinderarbeiter ohne Zukunft, die Sweat Shops, wo die T-Shirts all der besorgten Gutmenschen genäht werden, die in der Schweiz jährlich ein Trinkgeld für nachhaltig hergestellte Kleider ausgeben?

Während aber Kreye sich wenigstens allgemein Gedanken über das Missverhältnis in unserer Aufnahmefähigkeit von Tragödien macht, fordert Widmer ultimativ «mehr Teilnahme». Ohne das allerdings begründen zu können. Das Problem fällt ihm selber auf, also versucht er es mit untauglichen Hilfskonstruktionen: «Vom missglückten Tauchgang des Titanic-Tauchbootes lassen sich über den Fall hinaus nur wenige Lehren ziehen.» Das mag so sein. «Beim Schiffsunglück im Mittelmeer stellt sich hingegen eine ganze Liste an juristischen, politischen und moralischen Fragen.» Auch das mag so sein.

Was für Lehren will Widmer daraus ziehen? Am Schluss wird’s absurd: «Und selbstverständlich bleibt zu hoffen, dass alle Titan-Passagiere doch noch lebend geborgen werden können. Doch dieselbe Anteilnahme haben auch die Flüchtlinge verdient, die in der vergangenen Woche ertrunken sind

Welche Anteilnahme haben nun die Flüchtlinge verdient? Die Hoffnung, dass auch sie noch lebend geborgen werden könnten? Nein, sie sind tot, wie die Besatzung des U-Boots, wie man inzwischen weiss. Anteilnahme ist nicht das Gleiche wie Lehrenziehen. Abstrakte Anteilnahme ist wohlfeil, die Forderung danach ist geradezu schäbig, wenn sie ein Journalist äussert, der Bestandteil der Erregungsbewirtschaftung um das U-Boot ist. Statt sich an seine Redaktionskollegen zu wenden, erhebt er gegenüber der Öffentlichkeit den Mahnfinger. Dabei liest und diskutiert die doch nur, was ihr Widmer, Kreye und Kollegen servieren.

Widmer ist auch schon ganz woanders. Er erklärt den Lesern die abgeschriebenen Wirren um ein Kindermädchen in Kolumbien. Statt den Schicksalen der ertrunkenen Flüchtlinge nachzugehen.

Heinrich Pestalozzi soll gesagt haben: «Wohltätigkeit ist das Ersaufen der Gerechtigkeit im Güllenloch der Gnade.» Dazu passt:

Anteilnahme ist das Ersaufen der Abhilfe im Güllenloch der Gefühlsduselei.

Wumms: Jan Böhmermann

Letzter Auftritt des Brachialkomikers.

Trost für Mike «Arschloch, Kristallnacht» Müller. Jan Böhmermann schlägt regelmässig alles an Geschmacklosigkeit. So macht er aus der deutschen FDP eine «Lindner/Lehfeldt-Bande» und präsentiert ihre Exponenten im Stil eines Fahndungsplakats aus den dunklen Zeiten der RAF, der Baader-Meinhof-Gruppe.

Zu den Abgebildeten gehörte auch der ehemalige «Spiegel»-Chefredaktor Stefan Aust, der seinerseits auf der Todesliste der RAF stand. Launiger Text Böhmermanns: Sie würden wegen «Beteiligung an staatsfeindlichem Aktivismus, Bildung einer kriminellen Vereinigung, gemeinschaftlicher Vorbereitung schwerer staats- und menschheitsgefährdender Straftaten gesucht».

Es gab dann sogar, wie immer, verpeilte Intellektuelle, die das eine zulässige Satire fanden. Auch über den türkischen Machthaber Erdogan war Böhmermann mit einem «Spottgedicht» hergezogen: «Ziegenficker, Fellatio mit 100 Schafen, Präsident mit kleinem Schwanz», wer sich diese Sudelei nochmals vollständig reinziehen will, bitte sehr.

Das Problem von Krachwumm-Komikern ist immer: sie müssen ständig einen drauflegen, sonst wird’s langweilig. Aber wie, wenn man schon alle Grenzen des Anstands und guten Geschmacks überschritten hat?

Einer geht immer, dachte sich wohl Böhmermann:

Das muss man zweimal lesen:

«Sandra Maischberger lädt Nazis in ihre Talkshow ein, damit Nazis nach der Machtergreifung Sandra Maischberger auch ihre Talkshow einladen.»

Original-Orthografie.

Zum Verständnis: Maischberger hatte in ihre Talkshow unter anderen den «Zeit»-Chefredaktor Giovanni di Lorenzo, die TV-Moderatorin Pinar Atalay und den Publizisten Wolfram Weimer eingeladen. Alle nicht wirklich im Verdacht, Nazis zu sein.

Thema der Sendung waren die miesen Umfragewerte für die deutsche Regierungskoalition und das Hoch (fast 20 Prozent) der AfD. Dazu diskutierten dann FDP-Fraktionschef Christian Dürr – und der AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla. Unvorstellbar für den Antidemokraten Böhmermann, dass in einer Sendung über die AfD auch ein AfD-Vertreter zu Wort kommt.

Wenn das aber ein Nazi sein soll, dann wären ja rund 20 Prozent der Deutschen, die zurzeit AfD wählen wollen (im Osten sogar bis ein Drittel in einzelnen Bundesländern) alles Nazis.

Dann wollte sich – laut Böhmermann – Maischberger bei denen ranschmeissen, denn die planten schon wieder eine Machtergreifung.

Nach der es immerhin noch Talkshows und Maischberger gäbe. Diese Nazikeule, dieser Vergleich, diese antidemokratische Haltung, diese Denunziation machen Böhmermann zum grösseren Feind der Demokratie und der Meinungsfreiheit, als es die AfD jemals werden könnte.

Ist das ein unappetitlicher Stinkstiefel, der nebenbei mit diesem geschmacklosen Vergleich alle wirklichen Naziopfer verhöhnt. Letzter Auftritt Böhmermann bei ZACKBUM; hoffentlich nimmt sich das ZDF daran ein Beispiel. Denn Böhmermann ist auch ohne Machtergreifung unerträglich.

Armes Rammstein

Alles nur geträumt? Tom Kummer will in Bern gewesen sein.

Früher hatten seine Storys bei der «Weltwoche» wenigstens einen Warnhinweis als Packungsbeilage: «Basierend auf wahren Begebenheiten». Oder auf Deutsch: kann so gewesen sein, muss aber nicht.

Wenn man bei einer Reportage nicht weiss, was erlebt und was erfunden, erschwindelt, halluziniert, gedichtet ist, wieso soll man sie dann noch lesen? Also stellte ZACKBUM die Lektüre von Kummertexten als Zeitverschwendung ein. Schlimm genug, dass die «Weltwoche» ihren kostbaren Platz darauf verschwendet.

Nun will Kummer beim Konzert von Rammstein in Bern gewesen sein und schreibt darüber. Das hat – was immer man vom Sänger und von der Musik und den Texten halten mag – die Band nicht verdient. Schon im Lead türmt Kummer Geschwurbel aufeinander: «Überwältigungskunst, deutsche Seele, Richard Wagner, «Blade Runner», Friedrich Nietzsche».

Hier beschleicht einen zum ersten Mal der Verdacht: ist Kummer eine KI? Oder hat er einen Chatbot diesen Text schreiben lassen?

Denn genauso schwülstig geht’s weiter: «Deutsches Bombergeschwader, Heimatkrieg, Bern brennt!» Interessant, dass solche Beschallung ermüdend langweilig sein kann, obwohl der Autor atemloses Stakkato imitieren will. «Hier ist jetzt alles möglich. Auch der Untergang», fabuliert Kummer. Jeglicher Reporterstolz ist bereits untergegangen.

Sieht er aber anders: «ich denke bereits ein wenig wie vielleicht der deutscheste aller Komponisten, Richard Wagner». Denken wie Wagner? Auf eine solche Sottise muss man erst mal kommen. Einzig gesicherte Tatsache ist: so hat Wagner nie gedacht.

«Filmästhetik von Leni Riefenstahl … ewige Strahlkraft der Nazi-Ästhetik, die im Pop nie verschwunden sei … Schlachtenszenen aus «Herr der Ringe»… Bomben fallen! Das Feuer breitet sich jetzt aus … jene vorderste Front, wo in einem wahren Krieg der Fleischwolf beginnt.»

Was wohl Kummer vom wahren Krieg weiss? Wohl so viel wie von Wahrhaftigkeit. Dafür schwurbelt Kummer hemmungslos alles durcheinander: «Es ist jene magische Stelle, von wo aus Helmut Rahn im alten Wankdorf beim WM-Finale 1954 mit dem linken Fuss das Tor schiesst, das heute noch ein Zeichen des Aufbruchs nach dem verlorenen Weltkrieg und den Entbehrungen der Nachkriegszeit gilt.»

Während Kummer wie Wagner denkt und wie ein Irrwisch schreibt, muss nun auch noch Nietzsche dran glauben. Der ist im Banalduktus nie weit: «Er hätte seine wahre Freude an Rammstein gehabt.» Weiss Kummer, der nun wohl auch wie Nietzsche denkt. Aber eigentlich ist er ja an einem Konzert. Oder auch nicht. Weiss man’s? «Es regnet gerade K.-o.-Tropfen – so jedenfalls sieht’s aus, als der Anführer eine Wasserflasche ins Publikum wirft und einige Mädchen auf die Knie fallen, um die Flasche kriechend aufzuspüren.» Check, sagt man da in Kummers Wahlheimat, auch dieser Punkt ist abgehakt.

Aber es ist mal wieder Zeit, beliebig Namen regnen zu lassen. «Goethe, Brecht und KraftwerkTheodor Fontane und die Gebrüder GrimmWilhelm Busch.» Ob da die KI wieder mal mit den Namen deutscher Autoren gewürfelt hat? Wieso ist ihr dann nicht «Dichtung und Wahrheit» eingefallen? Ist doch von Goethe. Hätte Nietzsche auch gefallen. Wagner wollte es vertonen. Busch zeichnen. Alles wahr.

Aber nun schlüpft Kummer aus dem Kopf von Wagner, Nietzsche und wem auch immer. Dafür in den Kopf von Konzertbesuchern: «Es sind auch ältere Menschen darunter, die aussehen, als hätten sie sehr viel Zeit mit Videospielen verbracht, wo sie in Rollen von folternden und tötenden Figuren geschlüpft sind.»

Nun ist Kummer auf Betriebstemperatur: «Die Wankdorf-Frauen, die mich einkreisen, fordern jetzt den totalen Krieg.» Obwohl er an einem Rammstein-Konzert ist, hat er nicht kapiert, wo der Unterschied zwischen künstlerischer Provokation und kunstloser Geschmacklosigkeit liegt.

Aber he, Kummer ist nicht einfach ein normaler Besucher: «Schliesslich gibt’s auch im Wankdorf einen Backstage-Bereich, konnte mich selbst davon überzeugen.» Natürlich gibt’s den, nur: wenn Kummer das behauptet, ist man geneigt, an seiner Existenz zu zweifeln.

Aber leider ist er immer noch nicht fertig, er muss ja noch zur Apotheose kommen, zum Erhabenen, wie das Nietzsche im wagnerischen Sinne mit den Worten Fontanes und in den Zeichnungen von Busch sagen würde. Oder so: «Die deutschen Bomber sind nach Bern gekommen, um uns mit Stechschritt und Poesie, Brachialität und Innerlichkeit, Feuer und Detonationskringel zu unterhalten.»

Das mag ja sein. Aber sie haben vergessen, Kummer Stadionverbot zu erteilen. Oder sie haben es gemacht und er war gar nicht dort. Oder er hat’s Konzert verpasst. Man weiss es nicht. Aber man weiss, dass dieser Text unerträgliches Hypern ist, ein abschreckendes Beispiel dafür, was herauskommt, wenn ein Nichtkönner versucht, New Journalism und Gonzo zu kreuzen. Und Gonzo konnte höchstens Hunter S. Thompson, aber auch der nicht immer.

 

Wolkig, sehr wolkig

Altes Wasser in neuen Schläuchen beim Tagi.

Man habe dies und das geändert, gibt die Redaktion stolz bekannt. Also schauen wir mal, ob jemand wirklich bereit ist, für dieses Produkt Fr. 4.60 auszugeben.

Denn im Gegensatz zur Meinung vieler Redaktoren ist die Welt und das Publikum nicht auf ihre Meinung angewiesen oder kann sich ein Leben ohne gar nicht vorstellen. Sondern die Frage ist ganz einfach: bekommt der Konsument genügend Gegenwert für sein Geld?

Beginnen wir mit einem Quervergleich. Wir drehen das Rad der Zeit 25 Jahre zurück. Wie sah denn die Ausgabe des «Tages-Anzeiger» am 22. Juni 1998 aus?

Damals bekam der Konsument satte 75 Seiten geliefert. Für Fr. 2.20 Kioskpreis. Und heute? Heute sind es noch 32 Seiten. Das war damals ein Seitenpreis von rund 3 Rappen. Heute sind wir bei 14,5 Rappen pro Seite. Also fast eine Verfünffachung. Dafür ist der Inhalt dann sicherlich auch fünfmal besser, dichter, kompakter, einfach mehr Qualität. Na ja:

Heute haben wir Anrisse, Anrisse und nochmal Anrisse auf der Front. Plus eine mässig lustige, dafür riesige Karikatur und ein mässig interessanter Artikel als Rehash über die Folgend es angekündigten Rücktritts von Alain Berset.

So geht’s dann auch auf den Seiten zwei und drei weiter. Ein mässig interessanter Kommentar der Chefredaktorin Raphaela BirrerDas ist für die SP ein gefährlicher Zeitpunkt»), ein überdimensioniertes Foto eines Berset, der in New York auf einem Randstein sitzt (x-mal verwendet, Gähnfaktor 10), plus ein mässig interessanter Text der beiden Koryphäen Philipp Loser und Markus Brotschi. Selbst wenn man mit der Corona-Politik Bersets nicht einverstanden war: das hat er nicht verdient.

Auch auf Seite 4 ist der Tagi monothematisch; die möglichen Nachfolger. Ein mässig interessanter Text mit Altbekanntem von Charlotte Walser (die schon die Front bestreiten durfte), Markus Häfliger und Iwan Städler.

Seite 6 ist dann die Lieblingsseite der Journalisten: «Meinungen». Allerdings: alles Leihmeinungen. Peter Burghardt von der «Süddeutschen Zeitung» wirft sich für den ungeratenen Sohn des US-Präsidenten Biden in die Bresche, als wäre er dessen Wahlkampfleiter: «Kein Vergleich mit den Taten Trumps». SZ-Autor Arne Perras wirft immerhin ein Schlaglicht auf den Krieg im Sudan («Die Gleichgültigkeit wird sich für Europa rächen»). Und schliesslich fordert Damian Müller (Luzerner FDP-Ständerat) «klare Signale in der Asylpolitik». Der Tagi selbst bleibt hier meinungslos.

Eine schlappe Seite Wirtschaft, eine Seite Börsenkurse, eine Seite Ausland, Doppelseite Ukraine-Krieg. Dann nochmal Ausland, Simon Widmer regt sich darüber auf, dass das verschollene Tauchboot mit 5 Insassen mehr Aufmerksamkeit erziele (unter anderem beim Tagi) als die Flüchtlingstragödie im Mittelmeer.

Der «Zürich»-Teil macht mit der abgehangenen Story «Zürichs Ländereien in Deutschland» auf; hoffentlich bleibt da noch etwas für später, wenn man alle Sommerloch-Artikel jetzt schon verballert. Seite 16 präsentiert die «Wochen-Hits» der Migros, immerhin hoher Nutzwert.

Sport ist halt Sport, dann kommt «Kultur & Gesellschaft», das Sammelgefäss für alles Übriggebliebene, neu auch Reisen und so weiter. Ein Interview mit einer englischen Bestsellerautorin von einer Münchner Autorin der SZ, schon wieder Eigenleistung null. Dann das Nachtreten von Andreas Tobler gegen den Ex-Chefredaktor der NZZaS, ein entsetzlich peinliches Stück.

Autoseite, Rätsel, Wetter und schliesslich noch «Wissen»: «So erkennen Sie, ob Hagel droht». Und tschüss. Das waren bereits die 32 Seiten.

Kann man nun sagen, dass sich der fünffache Seitenpreis im Vergleich zu 25 Jahre zurück lohnt? Kann man wohl nicht sagen. Kann man sagen, dass sich dieser Seitenpreis dafür lohnt, dass vieles, allzu vieles von der SZ in München übernommen wird, inklusive deutsche Meinungen? Kann man wohl nicht sagen.

Kann man sagen, dass die Strategie – weniger Inhalt, weniger Eigenleistung für deutlich mehr Geld – zukunftsträchtig ist? Kann man nicht sagen. Kann man sagen, dass weitere Millioneneinsparungen zu einer deutlichen Qualitätsverbesserung beitragen werden? Kann man sicher nicht sagen.

Kann man sagen, dass nach der Corona-Peinlichkeit, der Ukraine-Einseitigkeit, die kritiklose Akklamation der Klimapolitik die Glaubwürdigkeit des Tagi steigern wird? Kann man nicht sagen.

Kann man schliesslich sagen, dass die Mischung aus Häme gegen Konkurrenten und das Totschweigen eigener Skandale in eigenen Glashaus bei den Lesern gut ankommt? Kann man nicht sagen. Kann man sagen, dass das Aufdrängen der eigenen Meinung (wenn sie mal dürfen) so vieler Redaktoren, das Herumreiten auf einer angeblich gendergerechten Sprache, obwohl das der überwältigenden Mehrheit der Leser!Innen** schwer an einem gewissen Körperteil vorbeigeht, die Leser-Blatt-Bindung erhöht? Kann man nicht sagen.

Was kann man dann über den Tagi noch sagen? Bis zum Skelett abgemagert, will er Haut und Knochen exorbitant teuer verkaufen. Das kann nicht gutgehen. Nicht nur diejenigen, die der nächsten Sparrunde zum Opfer fallen werden, sollten sich schon jetzt nach einer neuen Stelle umschauen. Die Schlaueren tun das schon längst.