Schrotschuss-SVP

Warmlaufen für den Wahlkampf. Mit Fehlzündungen.

Es geht mal wieder um alles. Würde Constantin Seibt sagen, wenn er überhaupt noch etwas sagen oder schreiben würde. Um den Untergang der Schweiz oder ihr Überleben. Um Prosperität oder Elend. Um den Ausverkauf aller Werte oder ihre Bewahrung. Oder um die Luft rauszulassen: es geht um Wahlen.

Da werden überall noch die Kanonen justiert, erste Böllerschüsse abgegeben, um die Reaktionen zu testen. Die Jusos St. Gallen beschimpfen die später siegreiche SVP-Ständeratskandidatin mit unflätigen Ausdrücken wie «Kackscheiss». Da hält sich die Erregung der Mainstream-Medien in Grenzen.

Dann probiert es die SVP mir eher untaugliche Mitteln. Natürlich konnte sie der Versuchung nicht widerstehen, aus dem Foto von betenden muslimischen Armeeangehörigen im Kampfanzug etwas zu machen. Der erste Versuch war noch einigermassen harmlos. «Wer will, dass die Schweiz Schweiz bleibt, wählt SVP!» Ist im ersten Anlauf nicht schlecht, kann man aber noch daran arbeiten; etwas redundant, nicht wirklich knackig, leicht holperig.

Das schien auch der SVP aufgefallen zu sein, also legte sie nach: «Was kommt als Nächstes? Kinder-Ehen, Scharia-Gerichte, Steinigungen?» Das ist zwar nicht völlig aus der Luft gegriffen, in anderen europäischen Ländern gibt es bereits anerkannte Scharia-Gerichte. Das gab dann auch das gewünschte Hallo, und der SVP wurde die Glaubens- und Gewissensfreiheit um die Ohren gehauen. Die sie mit diesem Tweet allerdings auch nicht in Frage gestellt hatte.

Dann sah sich der Polterer vom Dienst bemüssigt, seinem Ruf nachzuleben: «So, jetzt ist die Armee definitiv verloren», behauptete SVP-Nationalrat Andreas Glarner. Dem Mann sollte man nahelegen, das mit Twittern einfach mal eine Weile zu lassen. Denn das war nun – um den Ausdruck «Kackscheiss» zu vermeiden – reiner Schwachsinn.

Natürlich heult dann Glarner auf, wenn er sich mit dieser Rüpelei der Jusos konfrontiert sieht:

In deren Shop gib es noch mehr Trouvaillen starker Sprüche:

Damit kann man ein starkes Zeichen im Sinne des Dummschwätzers Fabian Molina setzen, der mit seiner Teilnahme an einer unbewilligten Demo (mit Sachschäden) dafür sorgen wollte, dass «Züri stabil Nazifrei» bleibe.

Aber der absolute Liebling von ZACKBUM ist dieser hier; wir wären fast versucht, dafür 20 Franken aufzuwerfen:

Das ist eine schöne Imitation von Vergangenem, das nun nicht wirklich in eine strahlende Zukunft führte:

Oder möchten die Jusos damit andeuten, dass sie es mal wieder mit stalinistischen Methoden der untergegangenen UdSSR probieren möchten?

Man sieht: alle Parteien müssen noch etwas üben, bevor sie die Betriebstemperatur erreicht haben.

Xplain hat einiges zu erklären

Behörde, Datensicherheit, Widerspruch.

Zögerlich sind Bundesbehörden und Medien aufgewacht. Bei der privaten Sicherheitsfirma Xplain sind mehrere Millionen sensible Daten abhanden gekommen und waren zeitweise im Darknet einsehbar.

Mehr als 30 Schweizer Amtsstuben sind Kunden der IT-Firma aus Interlaken. Vertraulich sind dabei in erster Linie die Geschäftsbeziehungen. Wie wird eine solche Firma ausgewählt, wie wird ihr Sicherheitsstandard überprüft. Oder einfach gefragt: wie kann es offenbar russischen kriminellen Hackern gelingen, dermassen viele Daten abzusaugen und nach einem misslungenen Erpressungsversuch zu veröffentlichen?

Gleich sieben Kräfte wirft Tamedia in die Informationsschlacht. Die bringen so wertvolle Erkenntnisse an die Oberfläche wie die, dass die IT-Bude ihre Räumlichkeiten oberhalb einer Kebab- und einer India-Bude hat. Scharf recherchierte Erkenntnis: «Es duftet nach Tandoori Chicken und Döner mit scharf.»

Das war sicherlich insofern eine gute Nachricht, weil die dortige Einkehr im Rahmen des Spesenreglements von Tamedia gelegen haben dürfte. Aber obwohl es den Informationsbeschaffern sogar gelungen ist, mit dem  Gründer und CEO von Xplain zu sprechen, ergibt sich daraus nur: «Darüber kann Löwinger derzeit nicht sprechen.»

Worüber aber zu sprechen wäre, listet «20 Minuten» auf. Der neuste Datenskandal ist ein weiterer in einer langen Liste. Den Anfang machte «Insieme» im Jahr 2012. Korruption vom Feinsten, freihändige Vergabe von Millionenaufträgen, ungetreue Amtsführung. 120 Millionen Franken später zog der Bundesrat die Notbremse und beendete das Projekt.

Der bundeseigene Rüstungsbetrieb Ruag wurde ein Jahr lang ausspioniert, bis die angebliche Expertin für Datensicherheit vom Nachrichtendienst des Bundes 2016 darauf aufmerksam gemacht wurde; selbst hatte sie nix bemerkt.

2022 poppte das Milliardenprojekt für die Cybersicherheit der Armee auf. Es soll zwischen 800 Millionen und 3 Milliarden kosten, oder so. Es soll auch irgendwann fertig werden, zu unbekannten Kosten.

Zur Bearbeitung der Welle von Asylgesuchen nach Ausbruch des Ukrainekriegs beschaffte sich der Bund schnell ein Registriertool für 2,8 Millionen Franken. Freihändig, also ohne Ausschreibung. Und jetzt Xplain.

Dazu kommt noch das Datenleck bei den Corona-Krediten und der Skandal um die angeblich sichere Verschlüsselungstechnologie der Crypto AG.

Und jetzt Xplain. Neben vielem anderen kann man die Adressen von Bundesräten oder Top-Kadern einsehen, heikle Daten von Interpol, SBB-Datensammlungen über Kunden, Fahndungslisten, und, und, und.

Anscheinend soll sich die Firma in Absprache mit dem Bund geweigert haben, ein gefordertes Lösegeld zu bezahlen. Das alles ist sozusagen normaler Bestandteil des aktuellen Kampfes um Datensicherheit. Dabei gilt grundsätzlich: was von A nach B transportiert wird, kann auch abgegriffen werden.

Sowohl die Verschlüsssler wie die Knacker rüsten unablässig auf, aber es bleibt die Tatsache bestehen, dass nicht einmal nur physisch gelagerte Daten vor Diebstahl sicher sind. Allerdings erhebt sich hier wieder einmal eine ganze Latte von Fragen.

In erster Linie: wieso die Unsitte von Behörden, Aufträge freihändig zu vergeben, obwohl es klare und eindeutige Vorschriften gibt, dass ab einer niedrigen Schwelle obligatorisch eine Ausschreibung zu erfolgen hat, niemals Konsequenzen hat. So bekam Xplain offenbar nach Gewohnheitsrecht mehr und mehr Aufträge in Millionenhöhe, ohne dass die Behörden in der Lage wären, deren Sicherheitsstandards zu überprüfen.

Erschwerend kommt hinzu, dass sensible Daten offenbar auf Servern von Xplain gelagert wurden, möglicherweise sogar in der Cloud. Auch wenn sie dort verschlüsselt sind, ist das natürlich eine laut ausgesprochene Einladung an Hacker.

Hacken ist dabei ein Geschäft wie jedes andere. Es geht um Aufwand und Ertrag. Hacker haben null Interesse, sich an mit allen Schikanen und modernsten Mitteln verschlüsselten Daten die Zähne auszubeissen. Sie nehmen sich immer Kandidaten vor, bei denen Schwachstellen zu vermuten sind.

Etwas anderes sind übrigens Hacks, von denen nicht zuletzt Tamedia immer wieder profitiert. Hier geht es um das Stehlen von Geschäftsunterlagen, die dann als «Papers» oder «Leaks» ausgeschlachtet und als Hehlerware veröffentlicht werden. Wobei die Motive der Hacker, die diese Datenseen gratis zur Verfügung stellen, immer im Dunklen bleiben. Genau wie die Kriterien der profitierenden Medien, nach welchen sie einzelne Personen medial ans Kreuz nageln – und andere nicht.

Diese Veröffentlichungen hatten bei den Profiteuren der Hehlerware noch nie personelle oder andere Konsequenzen. Genau so wird es nun wohl auch bei den schlampigen Bundesbehörden gehen, obwohl Alfred Heer, Mitglied der Geschäftsprüfungskommission, bereits «lückenlose und rasche Aufklärung» sowie personelle Konsequenzen gefordert hat. Abgesehen davon, dass er dafür das falsche Parteibuch hat – SVP – wird es höchstens zu ein paar Frühpensionierungen kommen.

Ob allerdings Xplain diesen Schlag überlebt, ist mehr als zweifelhaft.

Sonntags-Zumutung

ZACKBUM trifft die SoZ. Aua.

Es gab Zeiten, und die liegen noch nicht so lange zurück, da wäre so ein Cover als schlechter Scherz vom Tisch gefegt worden:

 

Ein für Tamedia-Verhältnisse sexistisches Aufmacherbild zu einem Thema, aus dem das Sommerloch so gross gähnt, dass man als Leser Schiss bekommt, hineingezogen und verschlungen zu werden.

Daneben gleich dem Zielpublikum noch eins in die Fresse: Benzin muss und soll doch teurer werden, verstärkte Beimischung von «Biotreibstoff» ist doch eine gute Sache, bis die Schweiz dann völlig CO2-frei wird.

«So wird der Garten attraktiv für Vögel», eine Wahnsinns-Schlagzeile – für die «Tierwelt». «Heisse Liebe, wie die Sonne unser Verhalten beeinflusst». Tut sie das? Und wieso wussten wir das die vergangenen 30’000 Jahre nicht?

Dann kommt eine Doppelseite nach der Devise: fällt der Redaktion trotz Kopfkratzen gar nichts ein, dann machen wir doch ein paar Statistiken. Die gelingen dann besonders gut, wenn man selbst und willkürlich die Auswertungskriterien festlegt. Dann kommt man auch zu Wunschresultaten:

Zudem weiss die SoZ: «Auf einer Skala von – 10 (links) bis + 10 (rechts) befindet er sich mit einem Wert von 10.0 am äussersten rechten Rand.»

Aber eigentlich hätte ihm die SoZ am liebsten eine + 11 gegeben …

Aber, oh Schreck, es ist immer noch Platz frei im Blatt, was tun?

«Der Sozialpsychologe untersucht»; solche Untersuchungen sind normalerweise der Rettungsanker im Boulevard, wo die absurdesten Korrelationen hergestellt werden. «Glatzenträger haben weniger Sex» oder so. Da will neuerdings die SoZ nicht abseits stehen, dabei ist es erst Anfang Juli. Wie sich das Blatt bis in den August durchhangeln will? Den zahlenden Leser erwartet ein echter Belastungstest.

Hat das Blatt noch etwas ausgelassen? Ja, natürlich, den Beitrag zu «wenn Wünschen helfen würde»:

Das wäre natürlich eine Weltsensation erster Güte. Worin besteht die denn? Wenn Aliens landen und uns neue, ungekannte Energiequellen schenken? Fast. Der GLP-Präsident Jürg Grossen ergreift die Chance beim Schopf, dass in der verzweifelten Suche nach Storys jede Furz-Idee punkten kann. Apropos, gegen seinen Vorschlag war die Furz-Idee von Peter Bodenmann mit den Solarpanels in den Alpen geradezu seriös und konkret.

Nach langfädiger Einleitung im Interview rückt Grossen dann mit seiner Furz-Idee heraus:

«Die sicherste Lösung für Saisonspeicher in der Schweiz ist die sogenannte Power-to-Liquidto-Power-Technologie. Sie funktioniert so: Statt als Gas speichert man den Strom in Flüssigtreibstoffen, die man im Winter wieder verstromen oder für den klimaneutralen Flug- und Schwerverkehr nutzen kann. Die heute bestehenden Tanklager würden reichen, um den für den Winter benötigten Vorrat zu speichern. Diese Treibstoffe sind vergleichsweise einfach zu handhaben.»

Selbst der SoZ fallen dazu aber eine ganze Reihe von Killerargumenten ein: «Diese Technologie steckt aber noch in den Kinderschuhen, ist nicht marktreif und bis jetzt ineffizient: 85 Prozent der Energie gehen verloren.»

Das räumt Grossen auch grossmütig ein: «Ganz so schlimm ist es nicht, aber die Technologie hat heute leider tatsächlich noch einen niedrigen Wirkungsgrad.» Aber: «Ich bin zuversichtlich, dass die Speicherung von Strom als Flüssigtreibstoff in den kommenden Jahren marktreif wird.»

Also schon wieder einer, der die Energieversorgung der Schweiz in einem Wolkenkuckucksheim betrachtet. Aber, sonst wäre es ja nicht die GLP, obwohl er eigentlich gegen AKW ist, hält sich Grossen auch hier alle Optionen offen: «Gegen eine neue Generation von Reaktoren, bei denen das Problem des radioaktiven Abfalls gelöst ist und die kein Sicherheitsrisiko darstellen, würde ich mich nicht wehren

Allerdings verrät er uns nicht, wie denn das Problem des radioaktiven Abfalls gelöst werden könnte.

Wir fassen zusammen: Unter einem Brüller-Titel schrumpft die «sicherere, besserer und günstigere Lösung» auf den Vorschlag zusammen, eine völlig unausgereifte Technologie mit einem Wirkungsverlust von 85 Prozent als Garantie für die zukünftige Stromversorgung der Schweiz anzubieten. Wenn’s als Satire gemeint ist, kann man das so stehenlassen.

Schon kommen wir zum nächsten Brüller:

Das ist tatsächlich ein Skandal. Was Autor Cyrill Pinto aber zu erwähnen vergisst: die SoZ gehörte zuvorderst zu den Organen, die eine allumfassende Maskenpflicht und das sofortige Anlegen von ausreichenden Reserven, von Käufen, koste es, was es wolle, lautstark befürwortete und somit die Hysterie um das Maskentragen ankurbelte. Um dann kleinlaut und kleingedruckt einzuräumen, dass deren Wirkung inzwischen allgemein und selbst von damaligen Befürwortern bezweifelt wird.

Aber auch nur ein maskierter Hauch von Selbstkritik? Niemals.

Selbst für eine Sommerloch-Ausgabe ist dann dieser Artikel schon starker Tobak:

Nichts gegen Tiere, aber: muss sich mit solchen Meldungen der Aufenthalt des SoZ-Redaktors Cyrill Pinto in Cherson amortisieren? Und hat er von dort aus, während er mit einer Hand einem Hund die Ohren kraulte, den Artikel über die Maskenvernichtung geschrieben?

Aber immerhin, das Urgestein Martin Suter löckt noch etwas gegen den Stachel und gegen die Einheitsmeinung, die von der «Süddeutschen» in die Tamedia-Organe schwappt, dass das, was Trump getan habe, dann im Fall noch viel schlimmer sei:

Wie der Skandal um den Präsidentensohn zuerst ignoriert, dann kleingeschrieben wurde und wird, kein weiteres Ruhmesblatt für den einseitigen Blasenjournalismus, auch bei der fremdbestimmten Tamedia.

Im «Fokus» (kaum ein Gefäss ist dermassen auf den Hund gekommen wie dieses) versprüht die SoZ nun etwas Sozialneid:

Da muss es doch der urbanen, grün-woken Leserschaft der SoZ glatt die vegane Butter vom Vollkornbiogipfeli blasen. Okay, der Mediensprecher von «Renovate Switzerland» sieht das vielleicht entspannter und würde sich nie vor einem Ferrari auf die Autobahn kleben. Vor allem, wenn er zuerst damit hingefahren ist.

Einsamer Lichtblick ist wie meist Peter Schneider:

Auch Rico Bandle zeigt keine Scheu vor der Gefährdung seines Arbeitsplatzes, indem er begründet und belegt nachweist, wieso jegliche Behauptung, die SVP sei noch weiter rechts als die AfD, ins Reich der Fantasie gehört, bzw. eine polemische Propagandalüge ist, ein typischer Fall von Fake News.

In der «Wirtschaft» geht’s aber gleich wieder ins Sommerloch:

Eine völlig zeitlose Geschichte, die man gestern, heute oder morgen bringen kann; Newswert null. Dass sich die EU um ein Verbot bemüht, ist ungefähr so spannend wie der Farbe an der Wand beim Trocknen zuzuschauen.

Auch das Sammelgefäss (um es nicht Abfalleimer zu nennen) «Leben & Kultur» wartet mit News auf, ohne die wir problemlos durch den Sonntag kommen:

Meiner Treu, Jeff Bezos von Amazon hat sich für teures Geld scheiden lassen und eine viel jüngere Geliebte. Dass er deswegen muskulöser und breitschultriger als auch schon rumläuft, so what, kann man nur sagen. Aber wenn man auch hier verzweifelt eine ganze Seite füllen muss, was man halt nicht nur mit einem Riesenfoto des neuen Schwarzenegger schafft …

Es bleibt dem Leser auch hier nichts erspart: «8 Tipps für Restaurants mit sommerlichem Flair und lauschigen Freisitzen». Schlimmer ist eigentlich nur, wenn Christian Seiler schnippelfreie Tipps für verantwortungslose vegane Mamis mit Kleinkind im Arm gibt.

Geht’s noch blöder? Immer:

DER Schauspieler Pine lief KÜRZLICH nicht irgendwo, sondern in Mailand BARFUSS. Wahnsinns-News. Ob er auch keine Unterhosen trug oder fluchte, als er in einen Hundehaufen trat, ist leider nicht übermittelt. Das sind die Berichte, die wir dringend brauchen, wenn wir uns beim Gähnen den Unterkiefer ausrenken wollen (he, das wäre mal ein Nutzwert-Artikel: «richtig gähnen, wir liefern die Anlässe und die Anleitung»).

Schliesslich noch «Warum manche Menschen ständig zu spät kommen». ZACKBUM hat da eine schlagende Theorie: weil sie beim Lesen der SoZ oder des Tagi weggeschnarcht sind.

Immerhin, die Auto-Seite präsentiert diesmal nicht einen 300’000-Franken-Sportwagen, sondern den Togg. Hä? Na, den «SUV Togg T10X, das erste türkische E-Auto». Immerhin merkt der Autor kritisch an: «Ob man aber bei uns ausgerechnet auf einen türkischen SUV wartet, sei mal dahingestellt.» Das muss er so säuseln, schliesslich füllt er eine Seite damit. ZACKBUM hingegen kann kurz und knapp die richtige Antwort geben: nein.

Der schönste Brüller kommt aber ganz am Schluss; Reisen. Da schimpft zunächst Chris Winteler über durchaus sinnvolle Bestandteile eines Hotelzimmers:

Wieso er zum Beispiel die Bügelvorrichtung weghaben will, erschliesst sich nicht. Entweder kann Winteler auf Spesen seine Kleidung waschen und bügeln lassen, oder er hatte noch nie einen Geschäftstermin, bei dem ein knitterfreier Anzug und ein gebügeltes Hemd durchaus minimale Höflichkeit und Achtung dem Gesprächspartner gegenüber ausdrücken.

Aber das ist noch nicht der Brüller, der kommt vorher (oder nachher, denn als Sparmassnahme wird Reisen ja auf der letzten Seite angeteasert und sollte wohl rückwärts gelesen werden). Die exotische Reiseempfehlung ist diesmal Island. Toller Ökotourismus. Der Flug dorthin dauert auch nur vier Stunden. Flug? Aber ja, das ist doch bekanntlich auch für Klimakleber kein Problem, die fliegen sogar nach Mexiko oder auf die Malediven. Da darf doch der SoZ-Leser wenigstens den Hüpfer nach Island machen. Dauert bloss vier Stunden, ein paar tausend Flugkilometer, das lässt die Gletscher auf Island doch sicher nicht schneller schmelzen.

Wir stellen die Gretchenfrage: Ist das Gebotene Fr. 6.40 wert? Sagen wir mal so: Am 6. Juli 1997 bekam man 104 Seiten für Fr. 2.80. Das war ein Seitenpreis von 2,7 Rappen. Der ist auf aktuell genau 10 Rappen hinaufgeschnellt, der Umfang auf 64 Seiten eingeschrumpft. Ist etwas mehr als die Hälfte den vierfachen Preis wert?

Das würde ja eine Verachtfachung der Qualität, des Inhalts, der komprimierten Fachkompetenz, des Nutzwerts, der Analysequalität bedeuten.

Auch da ist die Antwort einfach und klar: nein.

 

Wumms: Patti Basler

Der Beweis, dass SRF bei ihr richtig entschieden hat.

Bekanntlich hatte sich Basler ganz uneigennützig darüber beschwert, dass bei der Nachfolge für die mässig komische Sendung «Deville» keine weiblichen Comedians berücksichtig wurden. Sie kassierte dann sogar 700 Franken, um das nochmals zum Ausdruck zu bringen.

Dabei liegt der Grund doch auf der Hand: weibliche Spassmacher in der Schweiz sind noch schlechter als männliche.

Wer’s nicht glaubt, sollte sich ihren Auftritt in der Jubiläumssendung «30 Jahre Arena» anschauen. Ab 1.26 h beginnen die quälend-längsten 4 Minuten und 40 Sekunden, die das Schweizer Farbfernsehen jemals ausgestrahlt hat.

Denn Patti Basler führt das «Protokoll» der Sendung, soll am Ende eine lustige Zusammenfassung des Inhalts abliefern. «Moderatoren sind lauter Schnäbi.» Mit diesem Gag sorgte sie schon ganz am Anfang dafür, dass die Kamera nur gequält lächelnde Gesichter einfing. Stockend, obwohl sie vom Blatt ablas, holperte sich Basler dann weiter durch ihre Scherze, über die sie selbst eigentlich am meisten und am lautesten lachte.

Verständlich, denn wer lacht denn freiwillig über «sich beruhigen heisst auf Französisch Calmy-Rey». Oder über «Poulet im Chörbli», oder über «voll Rohr».

Eine Komikerin, die nicht komisch ist, ist eine Qual. Eine Komikerin, die stockend Nicht-Komisches vom Blatt liest, ist eine Zumutung. Eine nicht komische Komikerin, die stockend vom Blatt liest und mehrfach vergeblich auf Lacher wartet, ist eine Katastrophe. Wird das noch abgefilmt und ausgestrahlt, müsste der Zuschauer sein Geld zurückverlangen dürfen.

Oder sollte das allenfalls ein subversiver Beitrag zu «200 Franken sind genug» sein? Oder muss man SRF gratulieren, dass sie diese Spassbremse nicht häufiger ausstrahlt?

«Blick» ins Elend

Eigentlich könnte nur noch Dorer helfen.

Aber der ehemalige «Blick»-Oberchefredaktor ist in einer Zwangspause – ohne Wiederkehr. Und das hat der Leser davon:

Natürlich ist es die Aufgabe eines Boulevardblatts mit grossen Buchstaben, selbst wenn es kein Boulevardblatt mehr sein will, aber immer noch grosse Buchstaben verwendet, eine Mücke zu einem Elefanten aufzupumpen. Aber das will eben auch gekonnt sein. Hier hat der Armeechef der Ukraine einfach in einem Interview gesagt, dass ihm selbstverständlich neben vielem anderen auch die Wagner-Truppe Sorgen mache, wie man sein Englisch wohl eher übersetzen sollte.

Dann muss der Leser (aber auch die Leserin) ganz stark sein, «Blick» wird woke:

Das sagte die weltberühmte Autorin, Schauspielerin und Produzentin (wir kennen sicher alle ihren Film «Fikkefuchs») Saralisa Volm, und dann muss es ja stimmen. Allerdings: wollen wir das häufiger sehen?

Sie wird nach der altbekannten Devise interviewt: wir sind uns völlig einig, aber was wollten Sie eigentlich schon immer nochmal sagen? Zum Beispiel das:

«der Begriff Body Positivity übt schon wieder Druck aus. Er sagt: Du musst dich jetzt lieben. Finde dich toll. Akzeptiere deine Falten. Am Ende des Tages hatte ich oft das Gefühl, da soll mir wieder was verkauft werden, ein Kleid, eine Creme.»

So mäandert sich das Gequatsche weiter, gelegentlich unterbrochen durch ein «Wie meinen Sie das?» oder ein «Inwiefern?», ein «Was noch?» und schon wieder ein «Wie meinen Sie das?»; ganz originell ist auch «Wie?».

Drei Plus für «B+».

Dann endlich mal eine hübsche Schreckensmeldung:

Schliesslich ist der Kriegs-«Blick» für eine militärische Unterstützung der Ukraine, für Waffenlieferungen und für alles, was der Schweizer Neutralität diametral widerspricht. Daher unkt Daniel Ballmer, «Redaktor Politik», wunschgemäss und arbeitsplatzsichernd: «Die Deutschen dürfen keine Munition aus Schweizer Produktion an die Ukraine liefern. Dänemark darf keine Radschützenpanzer weitergeben, Spanien keine Flugabwehrkanonen. Die Schweiz macht sich derzeit keine Freunde in Westeuropa. Und könnte das schon bald zu spüren bekommen.»

Dass es in Europa immer weniger Freunde der Rechtsstaatlichkeit gibt, immer mehr unverschämte Kommentare dazu, dass sich die Schweiz, der Bundesrat an seine eigenen Gesetze hält, damit kann und muss die Schweiz leben.

Dann schmückt sich der «Blick», mangels eigenen Kapazitäten, mit fremden Federn:

Schöne Geschichte, nur: «Recherchen der «Schweiz am Wochenende» zeigen». Aber immerhin: diesmal wurde wenigstens nicht von FT oder Bloomberg abgeschrieben.

Aber wenn alle Stricke reissen, es Sommer wird und niemandem nichts einfällt, dann gibt es immer noch den Nutzwert:

Dieser Beitrag ist doppelt wertvoll, denn er bietet auch noch Unterhaltungswert:

  • Du solltest die Pflege nicht vernachlässigen und das Auto regelmässig waschen und putzen. Dazu gehört auch die Prüfung von Reifendruck und -profil.
  • Kurzer Blick unter die Motorhaube: Solltest du offene Kabel, vor allem Zündkabel, sehen, ummantele diese mit Isolierband, um sie gegen Marderbisse zu schützen

Aber Vorsicht; wenn die offenen Kabel unter Strom stehen …

Pädagogisch wertvoll sind auch die Tipps, wenn trotz gewaschenem Auto und ummantelten Kabeln eine Panne passiert:

  • Zuerst Pannendreieck aufzustellen und Warnweste überziehen, um gesehen zu werden.
  • Auch ein Problem mit zu heissem Kühlwasser kannst du vorübergehend selber lösen. Halte an und öffne die Motorhaube (Vorsicht, heiss! Handschuh überziehen), damit die Wärme entweichen kann. Schaue unter dem Auto, ob irgendwo Flüssigkeit leckt.

Aber zurück zum Ernst des Lebens, also zu Frankreich:

Oder sie brennen es sich selbst rein. Wie auch immer, auf diese tiefschürfende Analyse muss man erst mal kommen. Dabei wandelt Samuel Schumacher, «Ausland-Reporter», auf den Spuren des Hausgespensts Frank A. Meyer: «Und wir fragen uns: Was ist da los in unserem Nachbarland

Also eigentlich fragen wir uns das nicht, weil wir wissen, dass das Problem Polizeigewalt mal wieder den Funken ins Pulverfass Banlieue geworfen hat. Dann eiert er sich durch längst Bekanntes, um zur naheliegenden Schlussfolgerung zu kommen, was die Folge der randalierenden Verlierer aus den Vororten ist: «Sie befeuern jene Kräfte, die dem Volk einfache Lösungen für komplexe Probleme verkaufen wollen. Marine Le Pen (54) und ihre Rechtspartei Rassemblement National werden sich freuen

Nun wieder ein Gutsch Nutzwert:

Hoppla, da steht ja verschämt «Präsentiert von Pasino.ch». Also eine bezahlte Werbung, die typenähnlich wie ein Artikel daherkommt.

Der Gottseibeiuns von Herrliberg hat auch einen Auftritt:

Aber oh Wunder, schwächelt der «Blick» auch hier? Es wird lammfromm ein Interview zusammengefasst, das der SVP-Doyen der «Schweiz am Wochenende» gab. Eigenleistung null, nicht mal ein kritisches Wort gegen Blocher. Das wird Meyer gar nicht gerne sehen.

Aber auch die ewige Frage «was haben wir zu Putin», findet ihre Antwort:

Behauptet ein «estnischer Regierungspolitiker». Und der muss es ja wissen. Dann wieder etwas für den kurzen Lacher zwischendurch:

Schliesslich noch der Absacker, und wir haben fertig:

Zunächst einmal muss man natürlich wissen, ob diese Möglichkeit überhaupt besteht. Ein untrügliches Zeichen (Vorsicht, zartbesaitete Leser):

Sollte man also in so was reingetreten sein und es fachmännisch als Wolfskot identifiziert haben, was tun? Nichts: «Sieht man einen Wolf auf mehr als 30 Meter Entfernung, muss man nichts Spezielles tun», sagt der Wolfexperte. Nun will der «Blick» aber noch – «drama, baby, drama» – etwas Gas geben: «Ein Wolf kann für den Menschen gefährlich werden, wenn er Tollwut hat

Huch. Blöd nur: «Es ist sei jedoch ausgeschlossen, in der Schweiz einem infizierten Wolf zu begegnen. «Die Krankheit ist in Westeuropa ausgerottet»», weiss der Wolfexperte, während «Blick» nicht weiss, ob es nun ausgeschlossen ist oder sei.

Wir halten es aber definitiv für ausgeschlossen, weiterzumachen. Augen zu und raus.

 

Recht für Reiche

Die Schweizer Rechtspflege ist am Verludern.

«Die Entscheidgebühr wird auf Fr. 4375.- festgelegt. Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.»  Die dahinterstehende Mühewaltung der Gerichtsschreiberin des Bezirksgerichts Winterthur: per copy and paste nochmals die Klageschrift wiedergeben. Dann die Vereinbarung einkopieren, mit der sich die beteiligten Parteien auf einen Vergleich geeinigt hatten und beantragten, das Verfahren abzuschreiben.

Gefolgt vom Stehsatz der Rechtsbelehrung und der Feststellung, dass nicht einmal eine Instruktionsverhandlung stattfinden werde, geschweige denn eine ordentliche Gerichtsverhandlung. Das alles unter der theoretischen Mitwirkung von zwei Bezirksrichtern.

Der Arbeitsaufwand für das Ausfertigen dieses Schriebs dürfte, selbst wenn die Gerichtsschreiberin einen schlechten Tag gehabt hätte, bei nicht mehr als einer Stunde gelegen haben.

Damit sich die Mühlen der Justiz überhaupt in Bewegung setzten, wird der klagenden Partei schon zuvor die Leistung eines Kostenvorschusses abverlangt. Ohne ist es inzwischen in einem Zivilverfahren unmöglich, auch nur den Versuch zu unternehmen, zu seinem Recht zu kommen.

Das Bezirksgericht Winterthur war dabei noch so menschenfreundlich, nur «die Hälfte der ordentlichen Gebühr» in Anschlag zu bringen. Die bemisst sich schlichtweg nach dem sogenannten Streitwert. Das ist eine fiktive Zahl, die vom Kläger recht willkürlich in den Raum gestellt werden kann.

Die Absicht dabei ist, den Beklagten – auch wenn der Prozess gar nicht stattfindet – empfindlich zur Ader zu lassen. Vorteil für den klagenden Anwalt – oder die Anwältin – ist ebenfalls, dass sich seine oder ihre Honorarnote nicht zuletzt nach dem Streitwert bemisst. Zusätzlich Geld schinden kann der Anwalt – die Anwältin –, indem sie eine ellenlange Klageschrift einreicht. Die umfasst schnell einmal 23 Seiten oder mehr (ohne Beilagen), für einen Pipifax.

Ein Anwalt verrechnet normalerweise pro Seite Schriftstück mindestens eine Stunde; mal 600 bis 800 Franken. Man rechne. Und dabei ist Aktenstudium, Mandantengespräch, Duplik und weitere Handlungen gar nicht inbegriffen. Alleine hier, obwohl es zu keinerlei ernsthaften Kampfhandlungen kam, dürfte die beteiligte Anwältin locker rund 50’000 Franken kassiert haben.

Sollte der Beklagte dann auch nur zum Teil eine Niederlage einstecken müssen, wird er nicht nur an den Gerichtskosten, sondern auch an den Anwaltskosten der Gegenseite beteiligt. Ganz abgesehen von dem Geld, das er für seinen eigenen Anwalt ausgeben muss. So kann sich ein Pipifax-Prozess ohne Weiteres zu einem finanziellen Totalschaden in der Höhe von Zehntausenden von Franken entwickeln.

In einem viel grösseren Ausmass ist gerade Lukas Hässig vom Finanzblog «Inside Paradeplatz» mit diesem Problem konfrontiert. Bei ihm umfasst die Klageschrift sagenhafte 265 Seiten. Alleine, was ihn die Antwort seines eigenen Anwalts kostet, der zu jedem einzelnen Punkt Stellung nehmen muss …

Ob damit der Rechtsprechung, der Durchsetzung des Rechts, dem Rechtsstaat gedient ist? Diese Kosten beruhen auf einem Beschluss des Zürcher Obergerichts vom September 2010, in dem es nach freiem Ermessen, also willkürlich, eine Gebührentabelle aufstellte. Die richtet sich nicht etwa nach dem Aufwand des Gerichts, sondern schlicht und einfach nach dem Streitwert. Ein vermögender Kläger kann also schon hier den Hebel ansetzen, um seinen Gegner auf jeden Fall finanziell zu schädigen:

Wenn der Kläger den Streitwert auf 100’000 Franken hochschraubt, ergibt sich laut Gebührenordnung ein Betrag von 7950 Franken, plus 800 Franken, macht 8750 Franken.

Das ist noch gar nichts. Bei einem Streitwert von über einer Million, was beispielsweise im Immobilienbereich schnell einmal erreicht ist, beträgt die Gebühr bereits 30’750 Franken. Sollte es auch hier zu einer Einigung kommen, sollte ein Vergleich abgeschlossen werden, bevor das Gericht überhaupt tätig werden muss, kassiert es für sein Nichtstun dennoch 15’375 Franken.

Das ist keine Rechtsprechung mehr, sondern ein Skandal. Gegen diese Willkür ist jede Gegenwehr sinnlos. Selbstverständlich könnte man gegen eine solche Zumutung vorgehen. Das einzige Resultat wäre aber, dass man noch mehr Geld ausgegeben hätte, ohne dass sich an der gesalzenen Rechnung etwas geändert hätte. Denn solche Gebührenordnungen sind sakrosankt und wie die Zehn Gebote in Stein gemeisselt.

Recht kann nie vollständige Gerechtigkeit herstellen. Aber eine Rechtspflege, die aus Überlastung exorbitante und durch nichts zu rechtfertigende Gebühren erhebt, pervertiert das Recht.

Wumms: David Sarasin

Der Tagi-Redaktor verlangt Unterwürfigkeit vom zahlenden Gast.

Sarasin wurde schon während der Pandemie verhaltensauffällig und senkte das ohnehin tiefe Niveau des Tagi spürbar.

Nun versucht er sich in seiner eigentlichen oder vermeintlichen Kernkompetenz und schreibt über Restaurants. Genauer, über die Gäste. Also über uns. Anlass ist der Sommerlochkrieg, der zwischen Personal und Gästen ausgebrochen ist. Das Personal beschwert sich über diejenigen, die seinen Lohn zahlen, die Besucher meckern an den Tellerschleppern herum.

Sarasin hat nun eine ganz originelle Idee:

Da stellt er eine kühne Behauptung nach der anderen auf: «Nur weil wir Geld bezahlen, dürfen wir nicht den Anspruch stellen, man solle uns gefälligst freundlich behandeln. Man muss etwas zurückgeben.» Auf diesem Irrweg galoppiert er ungebremst weiter:

«Zunächst hilft es, seine Anspruchshaltung zu entschlacken … Man muss sich erst bewähren … Die Lösung ist nicht, dass die anderen sich ändern, sondern wir uns.»

Wie bitte? Dass man in einem Schnellimbiss oder in der Tagi-Kantine (ausser, man darf in der Chefetage speisen, aber das dürfte Sarasin nicht vergönnt sein) tatsächlich keine sonderliche Freundlichkeit des Personals erwarten darf, versteht sich von selbst.

Wer aber zu zweit mit etwas Alkohol schnell einmal 150 oder 200 Franken im Lokal liegenlässt, muss sich ganz sicher nicht von Sarasin sagen lassen, dass man keine Ansprüche stellen dürfe oder sich zuvorkommende und freundliche Bedienung verdienen müsse. Schliesslich legt der höfliche Schweizer sogar noch Trinkgeld drauf, obwohl das seit Jahren inbegriffen ist.

Das ist halt der Unterschied. Hat ein Redaktor einen schlechten Tag, so wie hier Sarasin, belästigt er den Leser dennoch mit seinem Geschreibsel und erwartet sogar Geld dafür. Und denkt sich vielleicht: dass ich mal was Brauchbares schreibe, das musst du, Leser, dir erst verdienen.

Selbstverständlich dürfen wir als zahlender Gast erwarten, dass wir für anständige Preise nicht nur anständiges Essen, sondern auch ebenbürtige Bedienung bekommen. Sonst kann man ja gleich zu McDonald’s gehen. Wenn der Kellner, Pardon, der Kellnernde, wenn das «Frolein» (strenger Diskriminierungsverdacht) meint, seine Aufgabe erschöpfe sich darin, ein paar Teller von der Küche zum Gast zu tragen, sie irgend wann auch wieder abzuräumen und grundsätzlich auszustrahlen, dass der Gast als unangenehm störendes Element in einem ansonsten geregelten Leben empfunden wird, dann hat er (oder sie) den Beruf verfehlt.

Selbstverständlich kann man erwarten, dass der Brotnachschub nicht stockt, Wein nachgeschenkt wird, das Essen innert nützlicher Frist und geniessbar auf den Tisch kommt. Dass man nicht zu lange vor abgegessenem Geschirr sitzen muss, auch der vorbeieilende Kellner immer Zeit für einen Kontrollblick hat, ob es dem Gast auch an nichts mangelt.

Sonst könnte man ja gleich zu Hause kochen. Eine völlig falsche Vorstellung hat Sarasin, wohl mangels Erfahrung, auch von gehobenen Hotels:

«Man kann das in 5-Stern-Hotels erleben, wo man lediglich genügend hinblättern muss, damit einem die Angestellten die Wünsche von den Lippen ablesen. Zwar fühlt man sich dabei erhaben wie ein König, aber da Sie und ich und alle anderen, die wir kennen, keine solchen sind, fühlt sich das auch falsch an.»

Nein, das fühlt sich völlig richtig an, weil das der Sinn von Bewirtung und Beherbergung ist. Wo es darum geht, den Gast sich nicht als König fühlen zu lassen, sondern ihm Wohlbehagen und Wohlergehen zu verschaffen. Da das auch personalintensiv ist und qualifizierte Fachkräfte bedingt, ist das eben nicht ganz billig. Wem’s zu teuer ist, sollte es halt lassen, es besteht ja kein Luxuszwang.

Natürlich hat das Personal das Recht, einen unflätigen oder unverschämten Gast zurecht zu weisen oder notfalls sogar rauszuschmeissen. Wer sich aber anständig benimmt, hat anständige, freundliche, zuvorkommende Bedienung zu erwarten, wofür er schliesslich zahlt, nicht etwa der Kellner ihn.

Von einem zahlenden Gast in einem Restaurant zu verlangen, dass der sich ein selbstverständliches Verhalten des Personals erst verdienen müsse, ist bedenklich. Nein, schlimmer: es widerspiegelt genau die Haltung der Tagi-Redaktoren gegenüber ihren Lesern.

Kein Wunder, dass das Blatt am Abserbeln ist. Denn wer Gäste oder Leser erziehen will, eine bezahlte Dienstleistung mit Forderungen und Ansprüchen belädt, der hat auch seinen Beruf verfehlt.

Wumms: Max Küng

Alle haben was zu Rammstein gesagt. Nein, einer fehlte noch.

Zäh ist er, das muss man ihm lassen. Seit 1999 verziert Max Küng die Seiten des «Magazin». So ziemlich alles hat er überstanden. Selbst die Zweitverwertung eines Werbetextes für einen Möbelhersteller. Das verzieh ihm Finn Canonica grosszügig.

Jede Woche eine Kolumne über irgendwas, elegant geschriebener Quark. Tiefes Schweigen aber zum Roshani-Skandal. Natürlich, seine gesammelten Werke erscheinen bei Kein & Aber. Das wäre aber auch kein Grund, auf Anstand und Zivilcourage zu verzichten. Doch Feigheit ist natürlich arbeitsplatzsichernd.

Dafür meint Küng, auch er müsse noch sein Scherflein zum Rammstein-Bashing beitragen. Spät kommt er. Andere Organe wie der «Blick» befinden sich bereits auf dem ungeordneten Rückzug und löschen die ersten Schmierenartikel, weil sie dazu gezwungen werden.

Jetzt hat’s auch Küng gerafft: «Unser Kolumnist fand die deutsche Band schon immer doof.» Schön, dass wir das nun wissen. Aber immerhin, zuerst gibt’s ein Lob. Dieses Zitat von Tom Kummer ausgraben, das ist eine Trouvaille: «Die ‹Weltwoche›, wo sich Kolumnisten ohne Scham, Konvertiten ohne Gedächtnis und Belehrer ohne Grenzen besonders gut verbreiten.» Der Berufsfälscher hatte eben schon immer zu allem eine Meinung, problemlos auch ihr Gegenteil.

Was unterscheidet Küng von Kummer? Der erste Buchstabe des Nachnamens nicht. Ansonsten gilt: Kummer fälscht, Küng kopiert.

Dann muss ZACKBUM aber die Formulierung «elegant» zurücknehmen, denn das hier ist eine sprachliche Geröllhalde: «Die Sympathien zur deutschen Band bröckeln, es ist ein Rammsteinschlag à la Brienz im Gange.» Aua.

Dann zitiert Küng ein paar ausgewählt flache Strophen von Rammstein, um zu belegen, dass die Band ganz doof sei. Nur hat der Lyriker Lindemann auch anderes vorgelegt, was in der NZZ auf einem ganz anderen Niveau gewürdigt wurde.

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, wusste schon Gorbatschow. Aber das «Magazin» ist dermassen aus allem gefallen, aus der Zeit, aus jedem Anspruch, aus jedem Qualitätslevel, dass es auf einen Quatschtext mehr oder weniger auch nicht ankommt.

Nach schnippelfreien Rezepten für verantwortungslose vegane Mamis, was kann man da noch erwarten? Vielleicht den Ratgeber «wie betätige ich einen Lichtschalter richtig», oder «selber atmen, die zehn besten Tipps». Oder «wie man alle 164 Gender sprachlich richtig inkludiert». Oder «desavouiert, feige, unanständig, heuchlerisch, aber nie um einen besserwisserischen Ratschlag verlegen – na und

Allerdings ist Küng erst 54 Jahre alt. Mindestens zehn Jahre muss er noch durchhalten. Aber ob das der Leser aushält?

Wenn der Tagi rechnet,

dann verrechnet er sich. Vor allem beim Steckenpferd alternative Energie.

Es ist bekannt. Tamedia ist ein strammer Befürworter der Energiewende. Weg von AKW. Kohle- oder Gaskraftwerke sind des Teufels, die Zukunft liegt in erneuerbaren Energien. Also Wasser, Sonne, Wind. Da darf jeder dilettieren, von der Chefredaktorin abwärts.

Gleich drei Fachkräfte widmen sich der Frage: «Geht die Lampe aus?» Aber gemach: «So kann die Schweiz die Energiewende schaffen: 5 Szenarien zur Stromversorgung von morgen im Vergleich.»

ZACKBUM nimmt erfreut zur Kenntnis, dass es Marc Brupbacher gelungen ist, einen Moment seine Aufmerksamkeit von den anhaltenden Gefahren durch Corona abzuwenden. Das ist sicherlich eine gute Nachricht – zumindest für ihn.

Allerdings: so sehr, wie er sich bei der Pandemie von der Realität verabschiedete, so lustig lebt er mit den Mitautoren Martin Läubli und Patrick Meier im Wolkenkuckucksheim der Energieherstellung aus Luft und Liebe.

Natürlich nicht ganz, aber fast. Richtig ist: «Die Schweiz will bis 2050 unter dem Strich die CO2-Emissionen auf Null senken.» Ab dann sollen keine fossilen Treib- oder Brennstoffe mehr verwendet werden. Das ist eine Ansage, reines Wunschdenken.

Wie schon Peter Bodenmann schmerzlich erfahren musste, klafft zwischen Wunsch und Wirklichkeit der Stromerzeugung und Speicherung ein Abgrund, der tiefer ist als der Walensee. Alle Fantasien, dass in den Alpen mit Photovoltaik die Stromlücke geschlossen werden könnte, die durch die Abschaltung der AKW entsteht, sind widerlegter Unsinn.

Es ist müssig, die Argumente zu wiederholen; anderslautende Berechnungen werden durch Wiederholung auch nicht richtiger. Es bleibt die Tatsache bestehen: Jeder Fachmann weiss, dass es ohne Kernkraftwerke nicht geht. Und jeder Fachmann weiss, dass wir nicht nur die bestehenden Kernkraftwerke brauchen, sondern weitere zwei bis drei bauen müssen.

Es bleibt die Tatsache bestehen: Windenergie wird nicht mehr als 1 Prozent der Stromerzeugung bestreiten. Grosse Anlagen mit Solarpanels – ob in den Bergen oder auf Hausdächern – werden die Winterstromlücke niemals schliessen können.

Es bleibt die Tatsache bestehen: zur existierenden Stromlücke werden durch die Schliessung der AKW weitere 20 TWh dazukommen. Wärmepumpen und Ausbau der Elektromobilität: weitere 20 TWh. Wie soll überschüssiger Sommerstrom gespeichert werden? Völlig offen, abgesehen von Absurd-Szenarien wie Pumpspeicherwerke und die Verwendung von Wasserstoff.

Wie kann die Schweiz die Energiewende schaffen? Nicht mit den «wenn Wünschen helfen würde»-Szenarien des Tagi. Sondern indem die Schweiz noch viel mehr Strom im Winter importieren muss als schon jetzt. Nicht nur, dass sie sich damit auf Gedeih und Verderb ausländischen Stromproduzenten ausliefert. Der wirkliche Brüller ist dabei, dass sie Strom aus AKW, aus Kohle- und Gaskraftwerken importiert.

Die sogenannte Energiewende findet also wenn schon so statt, dass die Schweiz ihre CO2-Emissionen exportiert. So wie wir unseren Schrott und Müll in Afrika und Asien abladen. Aber das wollen Brupbacher und Co. natürlich nicht wahrhaben. Auch auf diesem Gebiet versagt der Tagi krachend.

Quo vadis, NZZaS?

Journalisten sind intrigant. Aber dumm.

Jonas Projer hatte von Anfang an einen schweren Stand. Von der Konkurrenz wurde er schon vor Amtsantritt niedergeschrieben. Tamedia-Konzernjournalist Andreas Tobler wusste sofort, dass er für das Amt nicht geeignet sei. Die «Republik» veröffentlichte ein dermassen hämisches Porträt, dass sogar die eigene Leserschaft in Kommentaren lautstark gegen so viel niveaulose Polemik protestierte.

Auch intern murmelten viele: Der TV-Mann kann doch gar nicht schreiben. Abgesehen davon, dass auch einige NZZaS-Redaktoren ihre liebe Mühe damit haben: muss ein Chefredaktor auch nicht können.

Dann tropften immer wieder Interna aus dem Redaktionsleben heraus, durchgestochen von intriganten Mitarbeitern. Dieser und jener habe wegen Projer gekündigt, keiner wolle mit ihm wirklich zusammenarbeiten, er habe aus unerfindlichen Gründen Storys gekippt. Wie es wirklich war, konnte Projer natürlich nicht richtigstellen, Redaktionsgeheimnis, Fürsorgepflicht für Untergebene.

Zudem musste er einige Beleidigte massregeln, die sich selbst Chancen auf den Posten ausgerechnet hatten, dazu Querschläger aus der leitenden Etage entsorgen. In diesen Brummton hinein sollte er zudem dafür besorgt sein, den digitalen Auftritt zu verbessern, neue Themengebiete zu erobern.

Eigentlich eine Mission impossible. Bei nüchterner Betrachtung hätte Projer das Angebot wohl ablehnen sollen, es war die Chronik eines angekündigten Todes. Aber bei «Blick»-TV ging es auch nicht richtig voran; das lag nicht an Projer, sondern war halt typisch Ringier. ZACKBUM könnte Namen nennen, müsste dann aber wohl ein Crowdfunding für Prozesskosten machen.

Im Gegensatz zur Redaktion des «Magazin», die bis heute zu feige ist, sich zum Roshani-Skandal zu äussern, soll dann eine Fraktion der NZZaS-Redaktion mit einem Schreiben an den VR der NZZ gelangt sein, in dem sie ihr Unwohlsein über Projer ausdrückte.

Wohlwissend, dass der VR-Präsident, der federführend Projer zur NZZ geholt hatte, nicht mehr im Amt war. Das Ende war absehbar.

Journalisten sind intrigant, beschäftigen sich am liebsten mit sich selbst und finden eigentlich alle anderen – ausser sich selbst natürlich – recht unbeholfen bis unfähig. Neben recherchieren und schreiben gehört zu ihrer Lieblingsbeschäftigung das Meckern und Müllern über andere, vor allem über Vorgesetzte, in erster Linie über den Chef.

Nun haben sie’s nach zwei Jahren Pickeln geschafft: Projer ist weg. Den wenigen Intelligenteren dürfte aber schon beim Schlürfen des ersten Prosecco die klamme Idee den Hals hoch gekrochen sein: und jetzt? Was nun?

Natürlich träumen einige Traumtänzer von der zweiten Chance, nun selbst auf den Chefsessel klettern zu dürfen. Die werden sie vielleicht sogar kriegen, denn ein Quartett zuoberst kann ja keine Dauerlösung sein, sondern nur ein Signal, dass es keiner von denen werden wird.

Woran aber alle, die Projer unbedingt weghaben wollten, nicht dachten: er war die Brandmauer gegen das Mutterhaus. Gegen den Big Boss. Gegen God Almighty. Gegen Eric Gujer. Denn der hatte vor der Installation Projers – Projekt «Seeblick» – einen ernsthaften Anlauf genommen, das kleine gallische Dorf NZZaS völlig seinem Einflussbereich anzugliedern.

Damals stiess er auf Widerstand – und dann auf Projer. Daher war völlig klar: solange Projer auf dem Chefsessel der NZZaS sitzt, bleibt die Redaktion weitgehend autonom (ausser dem Sport, aber was soll’s). Damit wurde die NZZaS zunehmend zum Exoten, nachdem Tamedia und Ringier die ebenfalls zuvor unabhängigen Sonntags-Redaktionen eingemeindet und in den gemeinsamen Newsroom gepfercht hatten.

Das alles wurde wie immer als Synergie und Stärkung und Blabla verkauft, war aber nichts anderes als eine weitere Sparmassnahme. Und genau das blüht nun auch der Redaktion der NZZaS. Womit es dann heissen würde: Schlacht gewonnen, Krieg verloren.

All die Wichtigtuer, Ressortleiter, Autoren, die vor Bedeutung kaum geradeaus laufen können, werden dann zu kleineren Würstchen degradiert, die noch rationierten Senf verteilen dürfen. Keine lustigen Spesenrechnungen mehr, keine wichtigen «bin da an einer grossen Recherche, bitte die nächsten Wochen nicht stören» mehr, keine Lustreisen mehr, kein bayerisches «mir san mir»-Gefühl mehr.

Statt einem neuen Chefredaktor wird es noch einen «Redaktionsleiter» geben, der Mann am Fenster fürs Administrative – wie bei den unzähligen Kopfblättern von CH Media und Tamedia, nur dürfen die dort noch den Namen «Chefredaktor» entwürdigen.

Von Gujer ist bekannt, dass er nicht viel von Kuscheln und Sich-lieb-Haben als Führungsprinzipien hält. Und auch ziemlich klare Vorstellungen hat, wie man die Welt sehen sollte, was wichtige Themen sind – und was vernachlässigt werden kann. Die Pflege von Hobbys und Gärtchen ist ihm auch ein Greuel, sogar ein Gräuel.

Womit nun die kurz triumphierenden Mobber in der NZZaS bereits wie die begossenen Pudel dastehen. Zumindest die intelligenteren, die sich natürlich wie meist in der Minderheit befinden.