Original und Kopie

Tamedia als Kopieranstalt der «Süddeutschen Zeitung».

Das Qualitätsmedium aus dem Glashaus an der Werdstrasse in Zürich hat zu vielem keine eigene Meinung. Das ist gut so, denn die verbliebenen Redakteure nerven häufig genug mit ihren Bauchnabelbetrachtungen und unqualifizierten und unerwünschten Ratschlägen.

Nun verfügt das Auslandressort angeblich über fünf Mitarbeiter. Vom Chef Christof Münger hat man am 1. Juli (immerhin 2023) das letzte Mal etwas gehört. Die «Teamleiterin Osteuropa» Zita Affentranger (von welchem Team eigentlich?) wechselt im Herbst zum «Echo der Zeit». Enver Robelli ist solange ruhig, wie es nicht etwas Lobendes über den Kosovo oder etwas Abfälliges über Serbien zu sagen gibt. Was für eine klägliche Performance.

Gut, dass man auch hier vieles aus München übernehmen kann und es ohne Eigenleistung hinter der Abo-Schranke verstauen. Allerdings nicht ohne ein paar klitzekleine, geschickte Veränderungen. So sieht das Original aus:

Und das hier macht die hochkompetente Tagi-Auslandredaktion draus:

Nun gibt es mit diesem Titel ein klitzekleines Problem. Diese Aussage steht nicht im Text von Michael Neudecker. Es gehört allerdings zu den Grundprinzipien des Handwerks, dass man einem Autor – wohl auch ohne ihn zu fragen – nicht einen Titel aufs Auge drückt,  der sich im Text nicht wiederfindet. Eigentlich müsste Neudecker eine Richtigstellung verlangen.

Zum Text des äusserst qualifizierten «UK-Korrespondenten» der «Süddeutschen» liesse sich noch einiges sagen. Neudecker war war «mehrere Jahre Redakteur im Sportressort sowie Chef vom Dienst im Ressort Gesellschaft & Wochenende. Von 2018 bis 2021 leitete er das Panorama-Ressort Print, Digital und Online. Hat in München Diplom-Sportwissenschaft mit Schwerpunkt Medien und Kommunikation studiert». Und seit Sommer 2021 darf er dermassen überqualifiziert den deutschen Standpunkt öffentlich vertreten, dass der Brexit ein furchtbarer Fehler war, den die versammelte Journaille so wenig vorhersah wie die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten. Und als Trottelbande vorgeführt zu werden, das vertragen Journalisten ganz schlecht.

Also geht Neudecker auf die ganz harte Tour mit der englischen Flüchtlingspolitik ins Gericht. Denn: «Der Umgang mit Flüchtlingen ist eine zentrale Frage in einer Zeit, in der Rechtspopulisten praktisch überall auf der Welt in Parlamente und Regierungen drängen.»

Das ist schon brüllend komisch. Die «drängen in Parlamente und Regierungen»? Per Faustrecht? Mit körperlicher Gewalt? So wie die Grünen und die Sozis in Deutschland in die Regierung «drängten»? Oder könnte es sein, dass die gewählt wurden? Hm.

Aber das ist erst die Einleitung. Nun geht’s los: «Die Signale, die die britische Regierung aussendet, sind bisweilen in ihrer Perfidität kaum zu ertragen … Den Tories geht es mit ihrer Flüchtlingspolitik nur um Stärke – nicht um Ethik.» Denn 15’000 «Menschen, die so verzweifelt sind, dass sie in einem Schlauchboot einen der gefährlichsten Seewege der Welt auf sich nehmen», sind dieses Jahr bereits illegal nach Grossbritannien gepaddelt.

Sie «sind keine Bedrohung für eine der größten Wirtschaftsmächte der Welt», weiss Neudecker. Um dann etwas sprunghaft fortzufahren: «Die Entscheidung, vorrangig die Frage zu behandeln, wie man Menschen von einer Flucht im Schlauchboot abhält, ist eine rein politische.» In Wirklichkeit sei es so, belehrt Neudecker die englische Regierung, dass «166 000 Asylsuchende auf Bearbeitung ihres Antrags» warteten.

In Deutschland zum Beispiel wurden in diesem Jahr rund 190’000 Asylanträge gestellt. Das ist ein Klacks im Vergleich zu den 745’000 im Jahr 2016. Die Bearbeitung dauert zwischen sechs Monaten und einem Jahr, es sind aber auch viel längere Wartezeiten möglich. Die grösste Anzahl der Asylbewerber kommt interessanterweise nicht aus der Ukraine, sondern aus Syrien. Aber Neudecker ist ja GB-Korrespondent, was soll er da von deutschen Asylzuständen wissen.

Noch wichtiger ist allerdings die Frage: wieso übernimmt einer der wichtigsten Meinungsmacher in der Schweiz einfach die Meinung eines übelgelaunten deutschen Korrespondenten? Die deutsche Sicht auf Grossbritannien ist eine völlig andere als die der Schweiz. Für die Schweiz ist Grossbritannien ein Bündnisgenosse gegen Übergriffigkeiten und rechtsimperialistische Anwandlungen der EU. Für Deutschland ist Grossbritannien ein Verräter an der europäischen Sache, ein Land, das den verbleibenden EU-Mitgliedern schmerzlich vor Augen geführt hat, dass es auch ein Leben ausserhalb der EU gibt.

Vielleicht wäre es an der Zeit, dass Münger sein Schweigeglübde aufhebt – bevor er mitsamt seiner Restredaktion eingespart wird. Denn es fehlen ja noch ein paar Milliönchen im Sparziel von Tamedia. Aber Oberchefredaktorin Birrer wird sicherlich weiterhin konsequent ihren Weg gehen, dass Qualität ihr oberster und wichtigster Massstab sei. Allerdings nur, wenn Verluderung, mangelnde Qualitätskontrolle, schweizerische Tiefflüge, unausgegorene Stellungnahmen und die konsequente Übernahme von Inhalten aus München als Qualität angesehen werden kann.

«Grossartiger Journalismus»

Heuchlerische Berichterstattung zur Fussball-WM der Frauen.

Von Thomas Baumann*
Was wurde die Fussball-WM der Frauen doch über den grünen Klee gelobt: «Ob Frauen oder Männer auf dem Platz stehen – egal», «Traumtor bleibt Traumtor – Es gibt keine Qualitätsunterschiede zwischen den Geschlechtern». Oder schlicht: «Darum ist diese WM einfach grossartig».

So oder ähnlich wurde man während zwei Wochen quasi im Tages-Rhythmus traktiert. Man las, dass die Mutter der Nationaltrainerin beim Startspiel so nervös war, dass sie gleich die ganze Wohnung putzte, erfuhr als nicht menstruierende Person allerhand Wissenswertes über den weibliche Zyklus und dass die SRF-Co-Kommentatorin Rachel Rinast angeblich einen Top-Job gemacht hat (eine kaum verhüllte Spitze gegen Sascha Ruefer, der einigen in die Wolle gefärbten Linken deutlich zu nationalistisch ist).

Weniger grossartig ist dagegen der gebotene Journalismus. So verwahrte sich Marcel Rohner in seinem Elaborat «Darum ist diese WM einfach grossartig» dagegen, dass die Leistung der Fussball spielenden Frauen mit denjenigen der Männer verglichen wird und verstieg sich gar zur Behauptung: «Nirgends in der Sportwelt werden Frauen so stark an Männern gemessen. Was auch heisst: Nirgendwo werden Sport treibenden Menschen die Kernkompetenzen ihres Berufs dermassen abgesprochen wie hier.»

Kernkompetenzen der Fussballerinnen…

Doch um welche Kernkompetenzen handelt es sich hier? «Verhaltens- oder leistungsbezogene Vergleiche» zwischen Männern und Frauen seinen «Blödsinn», belehrt uns der Journalist. Denn: «Die WM in Australien und Neuseeland steht für sich, und sie ist ein Fest.»

Der Grund: «Fussball ist einfach, er lebt von den Emotionen, das gilt für den Sport allgemein. Es kann noch so viel Perfektion dabei sein – was bewegt, sind die Momente, in denen aus gewöhnlichen Menschen Siegerinnen oder Verliererinnen werden. Die Frauen, die in Neuseeland und Australien Fussball spielen, liefern diese Emotionen. […] Momente wie diese machen diese WM grossartig

Heute, im 21. Jahrhundert, und nach diversen Frauenstreiks, versucht uns der Journalist also tatsächlich weiszumachen: Die Kernkompetenz der (Fussball spielenden) Frauen seien – «Emotionen». Nicht Leistung, nein, sondern: Emotionen. Eine solche Definition weiblicher Kompetenzen könnte direkt aus dem vorletzten Jahrhundert stammen.

Und was den Fakt angeht, dass in einem bestimmten Moment aus «gewöhnlichen Menschen Siegerinnen und Verliererinnen werden»: Das ist in keiner Hinsicht eine Kernkompetenz, sondern eine schlichte Notwendigkeit des Fussballspiels: Es können ja nicht alle Teams im Final stehen.

… und Inkompetenz des Journalisten

Was hingegen ist die Kernkompetenz des Sportjournalisten, der 2017 als Praktikant in der Tamedia-Sportredaktion begann und im Winter «auch über Skirennen» berichtet? Emotionen? Fachwissen dürfte es kaum sein, wie er mit folgendem abwegigen Vergleich zeigt: «Wenn Lara Gut-Behrami einen Riesenslalom gewinnt, sagt auch keiner: ‹Aber Odermatt wäre doppelt so schnell gewesen.›»

Im Ernst jetzt? Denn genau dazu gibt es belastbare Zahlen: Weil nämlich beim Weltcupfinale am 16. März 2023 in Soldeu (Andorra) Frauen und Männer denselben Super-G-Kurs befuhren, kann man die Zeiten auch entsprechend miteinander vergleichen.

Siegerzeit Odermatt bei den Männern: 1:23,91
Siegerzeit Gut-Behrami bei den Frauen: 1:26,70

Oder in Sekunden umgerechnet: 83,91 : 86, 70. Odermatt war also nicht etwa «doppelt so schnell» wie Gut-Behrami, sondern bloss gut drei Prozent schneller. Solche Dinge sollte eigentlich wissen, wer als Sportjournalist im Winter «auch über Skirennen» berichtet. Ausser seine Kernkompetenz sei: Emotionen – und nicht Fachwissen.

Die Luft ist draussen

Doch wie steht es eigentlich um die Fussball-WM nach dem Ausscheiden der Schweizerinnen – um dieses «Fest», um diese «grossartigen» Momente, wenn «aus gewöhnlichen Menschen Siegerinnen oder Verliererinnen werden»?

Denn im Gegensatz zur Vorrunde, wo nach den ersten beiden Spielen kaum jemand definitiv zu den Siegerinnen oder Verliererinnen gehörte – die Marokkanerinnen, die gegen Deutschland 0:6 untergingen und wie die sicheren Verliererinnen aussahen, qualifizierten sich und Deutschland schied nach der Vorrunde aus – geht es jetzt, in der KO-Phase, wirklich um alles oder nichts, müssen die Verliererinnen definitiv ihre Koffer packen.

Wäre es eine Fussball-WM der Männer, würde jetzt auf Teufel komm raus spekuliert: Über den Fuss von Neymar, die Wade von Messi. Doch hier – nichts dergleichen. Kaum sind die Schweizerinnen ausgeschieden, sackt die Berichterstattung zusammen wie ein Soufflée. Die Füsse und Waden der Fussballspielerinnen interessieren nicht – als würden sie nicht damit Fussball spielen.

Plötzlich interessieren auch die Emotionen nicht mehr, die Aufstellungen und taktischen Spielchen der Coaches ebensowenig. Eben noch in den Himmel gelobt, wird die Fussball-WM nun ignoriert – wie ein Fussball, aus dem die Luft entwichen ist und der zerquetscht in der Ecke liegt.

Der TA-Journalist schliesst seinem Artikel folgendermassen: «Momente wie diese machen diese WM grossartig. Und das ändern auch jene nicht, die sich dazu berufen fühlen, jeden Goaliefehler ins Internet zu schreien – nur weil er einer Frau unterläuft.»

Was ist schlimmer, als über Frauenfussball abzulästern? Was ist die völlige Verachtung, die völlige Negation? Totschweigen.

Oder genau das, was die Zeitungen jetzt, nach dem Ausscheiden der Schweizerinnen, machen. Eben noch «grossartig», ist diese WM fast über Nacht quasi inexistent geworden.

«An ihren Taten sollt ihr sie erkennen», heisst es in der Bibel. An ihren Taten – oder vielmehr an ihrer Ignoranz – erkennt man, was die hiesigen Sportjournalisten wirklich von der Fussball-WM der Frauen halten: Nämlich fast nichts. Und die ganzen Lobpreisungen ehedem waren bloss Schall und Rauch.

 

*Dieser Artikel erschien in der «Walliser Zeitung» und wird hier mit freundlicher Genehmigung übernommen.

«Brüllaffe» Schawinski?

Journalisten und ihre Marotten.

Die herausragendste und gleichzeitig unangenehmste Eigenschaft eines Journalisten ist: er nimmt übel. Er nimmt alles und sofort übel. Kritik an seinen Werken: ganz übel. Unbotmässige Reaktion auf ein Anliegen: übel. Widerspruch zu seiner Meinung: furchtbar übel. Die Wirklichkeit ist nicht so, wie er sie darstellt: so übel von der.

Ein Musterexemplar solcher Übelkeit wurde im kleinlichen «Klein Report» veröffentlicht. Da stellte ein namentlich bekannter Journalist, der eine ständig ergänzte Reihe von Abgängen in seinem Lebenslauf aufweist (auch bei ZACKBUM, nebenbei), Roger Schawinski ein paar Fragen zum Roshani-Skandal. Schawinski hatte die wohl umfangreichste und kompetenteste Analyse der Affäre mit dem Sachbuch «Anuschka und Finn, ein Medien-Skandal» vorgelegt.

Darin gab er Finn Canonica Gelegenheit zur Stellungnahme, der öffentlich völlig unter die Räder gekommen war. Zudem verarbeitete Schawinski die Erkenntnisse der internen und ausführlichen Untersuchungen, die fast alle Vorwürfe von Roshani als haltlos oder unbelegbar abgetischt hatten. Zudem wurde bekannt, dass in Wirklichkeit Roshani ihren Chef gemobbt hatte, indem sie sich – vergeblich – um seine Stelle bewarb.

Also genügend Indizien, um die These von einem Rachefeldzug einer enttäuschten Frau zu stützen, die öffentlich ihren Karriereknick – sie wurde von Tamedia gefeuert – erklären wollte.

Nun wird im nicht gezeichneten Bericht des «Klein Report» behauptet, seither seien «zum Nachteil Canonicas mehrere Ereignisse vorgefallen». Erwähnt wird eine Gerichtsentscheidung aus Deutschland, die eine Einsprache von Canonica abgeschmettert hat. Damit zeigt der Autor, dass er keine Ahnung von der deutschen Rechtssprechung hat. Wobei die dem Prozedere bei einer Schweizer Superprovisorischen nicht unähnlich ist. Aber Nichtwissen macht ja nichts.

Dann referiert der Autor den oberschwachen Artikel von Zoe Baches in der NZZaS. Er beweist, dass die Entscheidung des ehemaligen Chefredaktors Jonas Projer, ihn nicht zu bringen, völlig richtig war. Es wird behauptet, dass Roshani mit den «Gegenvorwürfen Canonicas nicht konfrontiert» worden sei. Dass sie – auf diverse Widersprüche in ihren Einlassungen und auf das Nichteinreichen angekündigter Unterlagen angesprochen – ihre Mitwirkung einstellte, das wird hingegen nicht erwähnt. Tatsachen vorenthalten, macht ja nix.

Nun kommt noch der abschliessende Höhepunkt. Der nicht namentlich genannte Autor fragte Schawinski um eine Stellungnahme an. Die gab der Profi ab. Aber da er Profi ist und weiss, was im Journalismus alles passieren kann, legte er fest, dass seine Antworten nur integral verwendet werden dürften. Die Antworten sind interessant und hier nachlesbar.

Aber der «Klein Report» quengelt: «Kein Medium druckt so eine Antwort ungekürzt ab.» Schon wieder falsch, aber falsche Tatsachenbehauptungen, na und?

Es fehlt noch der Aspekt «ich nehme übel». Hier ist er:

«Wer das (den integralen Abdruck, Red.) verlangt, ist natürlich kein Strauss. Vielleicht ein Brüllaffe

Wie bitte? Wieso soll Schawinski kein Strauss sein? Wieso ein Brüllaffe? Keine Manieren, kein Anstand, dafür sich öffentlich als beleidigte Leberwurst aufführen. Schamfrei und niveaulos. Peinlich für jedes Medium, das ihm noch Platz gibt. Was im Ernstfall auch teuer werden kann, weil der Autor nicht einmal Zahlen oder verbale Obsessionen im Griff hat. Das musste «Inside Paradeplatz» schon schmerzlich erfahren.

Auch einer, der hier keine Erwähnung mehr verdient.

 

PS (12. August 2023): Nachdem anfänglich das Foto eines Brüllaffen den Schmierenartikel zierte, hat das der «Klein Report» inzwischen mit einem Werbespot für Schawinskis Buch ausgetauscht. Sicherlich ganz freiwillig …

Wumms: Kurt W. Zimmermann

Der Altstar der Medienkritik im Hoch.

Das nennt man einen Volltreffer. In seiner Medienkolumne in der «Weltwoche» veröffentlichte Kurt W. Zimmermann Tabellen, mit denen er auf zwei Probleme hinweisen konnte. Das erste: SRF Meteo veröffentlicht regelmässig Prognosen, die bis zu acht Grad oberhalb der tatsächlich gemessenen Temperaturen liegen. Wobei alle Fehler ausschliesslich Ausreisser nach oben sind, niemals prognostiziert SRF Meteo zu niedrige Temperaturen.

Um dem Argument von Vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen, dass es halt schwierig sei mit Prognosen, vor allem, wenn sie die Zukunft beträfen, stellte Zimmi den Fehlprognosen die Vorhersagen von zwei Konkurrenten gegenüber. Den kleinen Anbieter Kachelmannwwetter und die internationale Benchmark Weather Channel. Und siehe da: die lagen viel näher im Streubereich der Wirklichkeit. Entweder Volltreffer oder so ein, maximal zwei Grad daneben. Nach oben oder nach unten natürlich.

Zunächst unterschätzte SRF Meteo das Problem sträflich. «Weltwoche», SVP, typisch, absurd, Wahlkampfgedöns. Denn Zimmi hatte auch insinuiert, dass es vielleicht der klimabesorgten SRF-Crew durchaus zu pass käme, wenn die Temperaturen immer viel zu hoch angekündigt werden.

Nachdem Oberwetterfrosch Thomas Bucheli das als Unterstellung und als «absurd vehement» zurückgewiesen hatte, meinte er offenbar, damit sei’s abgetischt. Als merkwürdige Erklärung führte er an, dass halt ein saukomplizierter Algorithmus, der die Prognosen berechne, bei Hitzewellen zum «Überschiessen» neige.

Anschliessend machte sich der «Tages-Anzeiger» lächerlich, indem er ausführlich die furchtbar schwierige und komplizierte Herstellung von Temperaturprognosen nachzeichnete und erklärte, dass jegliche Kritik an Fehlprognosen nur von Laien geäussert würde, die halt nicht drauskämen.

Zuvor hatte Bucheli endlich den Ernst der Lage erkannt und sich zu bester Sendezeit bei seinem Publikum zerknirscht für die Fehlprognosen entschuldigt. Ohne von seiner dünnen Verteidigungslinie abzuweichen, dass das halt wahnsinnig schwierig sei, man an einer Verbesserung arbeite, aber das dauere halt.

Sowohl Bucheli wie der «Tages-Anzeiger» schielten am grossen Elefanten vorbei, der hier im Wetterraum steht. Wenn das so wäre, wieso schaffen es dann die beiden Konkurrenten problemlos, viel genauere Vorhersagen zu liefern? Und wieso übernimmt SRF Meteo dann nicht einfach von denen die Prognosen? Problem gelöst.

Aber nicht mit Bucheli. Deshalb hat Zimmi in der «Weltwoche» nachgelegt. Mit einem «grossen Wetterquiz». Das ist echt lustig. Zimmi nahm die Prognosen von SRF Meteo vom nächsten Tag, verglich sie mit den dann tatsächlich gemessenen Temperaturen und hatte die «WeWo»-Leser eingeladen, auch Prognosen abzugeben.

Die Resultate sind ernüchternd, aber immerhin eine neuerliche kalte Dusche für die wohlbestückte und -bezahlte Wetter-Crew des Schweizer Farbfernsehens, das auch hier zeigt, dass es viel Geld für zu wenig Leistung verbrät:

Der Hammer ist diesmal Montpellier. Bucheli & Co. sagten schweisstreibende 38 Grad voraus. Die gemittelten Prognose der WeWo-Leser lag mit 32 Grad auch noch zu hoch. Denn es waren gemessene 28 Grad. Damit stellte SRF Meteo einen neuen Sommerrekord auf. 10 Grad daneben!

Zimmi hat noch weiter ausgewertet. Bei diesen fünf Destinationen sagte SRF Meteo zusammen 28 Grad zu hohe Temperaturen voraus. Dagegen lagen die Leser mit insgesamt 6 Grad Abweichung nach oben durchaus kompetent im Rennen.

Daher kommt Zimmi zu einer logischen Schlussfolgerung, bzw.:

«Unser Angebot deshalb: Die Weltwoche übernimmt den Wetterbericht von SRF gemeinsam mit ihren Lesern. Wir machen das zur Hälfte der Millionen, die für das fünfzehnköpfige Team von «SRF Meteo» plus Produktionskosten anfallen. Das TV-Wetter wird damit nicht nur deutlich billiger, sondern auch deutlich besser.»

Das wäre tatsächlich ein sinnvoller Beitrag, die Halbierungsinitiative schon im Vorfeld umzusetzen. Besser und billiger, was will man mehr?

Billiger Cédric

Billiger Jakob, SP-Stil.

Die SP Schweiz hatte es in jahrelanger, unermüdlicher Arbeit geschafft, den einstmals bedeutenden AZ-Ring (für «Arbeiterzeitung») ins Verderben zu führen. 1973 war’s schon vorbei mit der Stimme der Arbeiter, mit dem SP-Parteiblatt-Konzern.

Seither ist es der SP nicht gelungen, in irgend einer Form etwas Publizistisches auf die Beine zu stellen, das funktioniert, Leser interessiert oder gar Einnahmen generiert. Stattdessen wird ständig gegen reiche Kapitalisten gewäffelt, die sich Zeitungen kaufen könnten und damit die öffentliche Meinung manipulierten.

Wären genügend Leser an der Meinung der SP interessiert, wäre das doch auch eine tragfähige Basis. Die «Mitgliederzeitung Links» (sechsmal jährlich …) und «Abstimmungszeitungen», garniert unablässig mit Medienmitteilungen, das ist als kläglicher Rest übrig geblieben. Zudem drängen vor allem Partei-Co-Präsident Cédric Wermuth und der SP-Nationalrat Fabian Molina unablässig in die Medien, indem sie zu eigentlich allem sofort eine Meinung haben.

Parteichef Wermuth hat nun allerdings auch noch eine krampfhaft-originelle Idee. Er hechtet harmlose Opfer mit einem Bettelbrief an.

Zunächst eine kurvige Einleitung: «Gerade in einem Wahljahr sind kritische Medien von grosser Bedeutung. … Wir müssen wissen, welche Verbindungen die SVP zur AfD in Deutschland hat, wer die FDP finanziert ..

Gut gewählte Beispiele, man vermisst etwas die Berichterstattung über die Verbindungen von Molina zu Schwarzen Block oder zum Kosovo, oder über das Geeier der SP Bern, was die Offenlegung ihrer Spendeneinnahmen betrifft.

Aber gut, dann müsste Wermuth wohl die NZZ oder gar die «Weltwoche» empfehlen, und das brächte er natürlich nicht übers Herz. Allerdings muss er nun fremdgehen, mangels SP-Presse. Zunächst noch Staatstragendes: «Für mich steht fest: Kritische Medien sind das Rückgrat unserer Demokratie.» Also doch ein Lob auf die «Weltwoche»? Nein, kleiner Scherz: «Die linke Wochenzeitung WOZ ist ein Beispiel dafür.»

Wunderbar, aber na und? Jetzt kommt’s: «Deshalb haben wir auch sofort zugesagt als uns die Leute von der WOZ fragten, ob wir unseren Unterstützer:innen und Mitgliedern (sic!) ein Sonderangebot unterbreiten möchten.»

Abgesehen von der Frage, wer sich eigentlich hinter dem Pluralis Majetstatis verbirgt: Genosse Cédric als billiger Jakob? Der lockt nämlich damit, dass es beim Abschluss eines Jahresabos der WoZ noch ein Riesenguetzli obendrauf gebe: «Wer jetzt über den Link unten eins löst, bekommt ein Vierteljahr geschenkt oben drauf

Das ist nun spendabel von der WoZ, aber was steuert die SP eigentlich dazu bei? Kein T-Shirt, kein Käppi, kein Kleber (gut, etwas heikel), kein Flyer? Aber wer einen Medienkonzern in den Sand setzt, ist auch heute nicht sonderlich gut aufgestellt, Auf der Webseite der SP findet man unter den Begriffen Poster oder Wahlkampfmaterial nix, bei Flyer diesen Brüller: «Wir planen den Druck von Info-Flyern für Stimmberechtigte, die mit Politik nicht allzu viel am Hut haben, aber unsere Werte teilen. Unterstützt du diese Massnahme mit einer Spende?»

Man könnte auch für einen «Klimaschutz-Flyer» spenden, aber damit ist das aktuelle Angebot bereits erschöpft. Denn wer will noch das «Bestellformular für Flyer der SP MigantInnen» vom Juni 2020 ausfüllen. Oder den «Flyer «Ja zur Asylgesetzrevision»» von 2016 bestellen?

Dumm auch: das «Sektionshandbuch 5 «Wahlkampf»» wird gerade «überarbeitet». Ist ja auch noch eine ganze Weile hin bis zu den Wahlen im Oktober …

SP und die Medien. Wenn das Helmut Hubacher noch hätte erleben müssen. Ein Trauerspiel sondergleichen.

Wumms: Swissaid

Bundespräsident besucht Kolumbien. Swissaid ist dort. Na und?

Bundespräsident Alain Berset hat Kolumbien einen Staatsbesuch abgestattet. Schliesslich ist die Schweiz indirekt an den Friedensverhandlungen der Narco-Guerillas mit der kolumbianischen Regierung beteiligt. Und eine weitere Terroristen-Gruppe hat gerade in Havanna ein Friedensabkommen unterzeichnet.

Ausserdem interessiert sich der Bundespräsident natürlich für die kolumbianischen Frauen. Nein, Scherz, er hat auch Entwicklungshilfsprojekte besucht und die Bedeutung der Stärkung der Zivilgesellschaft unterstrichen.

Wunderbar, Swissaid ist seit 1974 in Kolumbien und verballert dort pro Jahr 1,355 Millionen Franken, unterstützt von der Bundesbehörde Deza. Also hat Berset doch sicher im 75. Jubiläumsjahr von Swissaid die Gelegenheit genutzt, eines der «sechs laufenden Projekte» dort zu beehren, das würde doch Swissaid sicherlich auch mehr Renommee gegenüber kolumbianischen Behörden geben.

Aber: im Reiseprogramm fand sich kein Hinweis darauf. Eine Nachfrage beim EDA ergab dann: «Der Besuch eines Projekts von Swissaid ist im sehr dichten Programm dieser Reise nach Kolumbien nicht vorgesehen.»

Hoppla. Da solche Reisen immer minutiös vorbereitet werden, lässt das nur einen Schluss zu: das EDA findet die Projekte von Swissaid dermassen uninteressant, dass sich ein Besuch gar nicht lohnt. Das spricht Bände.

Ach, NZZ

Das Weltblatt spielt gross auf und schwächelt.

«Nach dem Alter zu fragen, ist diskriminierend.» Dass auch die NZZ in einem Interview mit einer Psychologin so einen Schwachsinn einfach stehenlässt, ist kein Ruhmesblatt. Dass es am 10. August die «zehn wichtigsten Bücher im Juli» anpreist, könnte auch im Tagi so stehen.

Ein weiterer Tiefpunkt ist die «Videoanalyse» zum Thema «Wie der Kreml Russland belügt – und warum Russen für den Krieg sind». Man habe 46 Reden «analysiert», erklärt eine etwas hektische Moderatorin. Dann betet sie so ziemlich alle Narrative herunter, also wolle sie beweisen, dass die Kreml-Propaganda von den einseitigen und unfairen westlichen Medien der Wahrheit entspricht.

«7 Millionen ukrainische Soldaten haben im Zweiten Weltkrieg» in der Roten Armee gegen Nazi-Deutschland gekämpft, weiss sie zum Beispiel. Aber wo seien die Nazis denn heute? Da spielt sie einen dummen Spruch eines russischen Propagandisten ein, dass man das Wiederaufkommen der Nazis in den Genen, im Blut spüre.

Dass in der Westukraine der Kriegsverbrecher und Kollaborateur und Nazi-Unterstützer Stepan Bandera in hohen Ehren gehalten wird, es blumenbekränzte Denkmäler von ihm gibt und Strassen nach ihm benannt sind, das vergisst sie zu erwähnen. Stattdessen hämt sie, dass Russland gar keine Beweise brauche, um das Vorhandensein von Nazismus in der Ukraine zu behaupten.

Das ist, mit Verlaub, ziemlich spiegelbildlich so schwachsinnig wie die Kreml-Propaganda. Wie so eine einseitige, inkompetente, oberflächliche Karikatur einer Analyse durch die Qualitätskontrolle der NZZ rutschen kann – peinlich.

Aber es gibt natürlich auch Lichtblicke. So schlägt Katharina Fontana in einem Kommentar einen Pflock für die «200 Franken sind genug»-Initiative zur Gesundschrumpfung der SRG ein. «Weniger Geld würde ihr guttun», dekretiert sie, die Initianden «liegen richtig». Offensichtlich hat ihr auch der paternalistische Ton des überbezahlten und überforderten SRG-Generaldirektors Gilles Marchand den Hut gelupft.

Der durfte in einem Ringier-Gefälligkeitsinterview behaupten, die Initiative sei «eine Attacke auf die Schweiz und ihre Vielfalt». Dagegen stellt Fontana: «Man muss nicht besonders kritisch sein, um sich an dieser Selbstüberschätzung der SRG und an den paternalistischen Floskeln zu stören.»

Auch der NZZ-Leser ist offenbar in erster Linie an Sex und Crime interessiert. Also zumindest an Crime, denn als «meistgelesen» wird der Artikel aufgeführt, der beschreibt, wie am K 2 Bergsteiger ungerührt an einem Sterbenden vorbeiklettern. Platz zwei: «Vier Jugendliche dröhnen sich in Zollikerberg mit Drogen und Medikamenten zu».

Aber die Auslandberichterstattung ist weiterhin um Längen besser als bei der Schweizer (also schweizerisch-deutschen) Konkurrenz. «Der Putsch in Niger bekräftigt das Scheitern der französischen Antiterror-Strategie» (und die verkrampfte Aussprache als «Nischee» das Scheitern der Sprachreiniger bei SRF).

Dann zeigt die NZZ auch, wieso sie in Deutschland zu einer ernsthaften Konkurrenz für die FAZ geworden ist. «Ach, die armen Clans – wie linke Populisten dem Staat die Zähne ziehen», ein deutlicher und nötiger Kommentar, wie schwach und hilflos die linke Politik auf die Tatsache reagiert, dass kriminelle Clans von Menschen mit Migrationshintergrund in immer mehr Stadtquartieren in Deutschland die Macht übernehmen.

Ein Erinnerung an den Massenmörder Rios Montt, einer der grausamsten Diktatoren Guatemalas, eine Erinnerung an die grosse Fotografin Lee Miller, die sich von der Geliebten und Muse Man Rays zu einer der bedeutendsten Friedens- und Kriegsfotografen weiterentwickelte. Nicht nur ihre Fotografien sind zeitlos; Autor Daniel Haas nimmt eine Ausstellung in Hamburg zum Anlass, einen Feuilleton-Text zu schreiben, von dem der Tagi-Kulturteil nur träumen kann.

Apropos, was Linus Reichlin «aus dem Leben italienischer Schosshunde» gemacht hat, ist eine Seite Feuilleton, die sich vor den grossen Vorbildern in den 30er-Jahren nicht zu verstecken braucht. Unterhaltsam, intelligent, witzig, sprühend, das ist ein Niveau wie von einem anderen Stern, wenn man es mit allem vergleicht, was sonst so in der Schweiz publiziert wird.

Also ist man manchmal verstimmt, manchmal begeistert von der NZZ. Ein Effekt, der sich bei den anderen Organen unter Beobachtung nur teilweise einstellt.

Der Elefant und die Hitze

Tamedia taucht in neue Tiefpunkte ab. Hitzschlag?

Das ist mal eine Ansage. Das Qualitätsmedium «Tages-Anzeiger» erklärt gaaaanz laaangsam, wieso die SVP mal wieder falsch liegt. «Wissenschaftsredaktor» Martin Läubli nimmt den Mund ziemlich voll: «Wir zeigen auf, warum keine Absicht hinter den zu hohen Temperaturen sein kann und warum Wettervorhersagen zwar immer besser werden, aber keine exakte Wissenschaft sein können.»

Um sich das entsprechende Wissen anzueignen, vermeldet er in der Autorenzeile stolz, sei er seit 2000 im Dienst der Klimaforschung unterwegs. Dafür «besucht und verfolgt er die internationalen Klima- und Umweltkonferenzen». Wir hoffen fürs Klima, dass er das mit dem ÖV und ja nicht mit dem Flugzeug tut.

Aber wie auch immer, ein Fachmann. Der erklärt nun in sechs Punkten länglich und breitlich, welche Daten SRF Meteo für seine Prognosen verwende, was solche Modelle machten, dazu ein Beispiel, ist noch Luft nach oben, und schliesslich: «Was kann man aus der Wetterdebatte lernen?»

Das würde den Leser brennend interessieren. Daher lässt Läubli hier seine ganze Sachkomptenz auf ihn niederregnen (hm, falsches Bild). Die Meteorologen hätten in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht. Aber:

«Doch nach wie vor ist es nicht möglich, für jeden Punkt auf der Welt und auch in der Schweiz eine absolut präzise Wettervorhersage zu machen. Und das wird vorläufig auch so bleiben. Und wenn ein aufgeregter Tourist eine viel tiefere Temperatur misst, als die Wetter-App angibt, so muss er sich bewusst sein: Sein Standort entspricht nicht unbedingt jenem Gitterpunkt, für den das Modell die Daten errechnet hat

Nimm das, du dummer SVP-Tourist, kann doch nicht so schwer sein. Muss man doch kapieren. Oder nicht?

Oder nicht. Läublis Aufklärungsversuch ist eigentlich brüllend komisch. Denn da schreibt einer umfangreich, gelehrt und hochkompetent einen Artikel, dessen intellektuelles Niveau ungefähr auf Zimmertemperatur liegt. Wenn es sich um ein gut gekühltes Zimmer handelt.

Denn er erzählt dem Leser so ziemlich alles, was der so genau gar nicht wissen wollte. Nur tut er dabei so, als ob er den Riesenelefanten im Raum nicht sehen würde. Man könnte damit direkt einen Slapstick-Kurzfilm drehen, wo Läubli in einer Wetterzentrale herumirrt, auf Bildschirme starrt, wichtig an Hebeln rumspielt, 3-D-Gittermodelle durch den Raum fliegen lässt – und den Riesenelefanten ignoriert, obwohl er gelegentlich sogar über dessen Rüssel stolpert.

Der Riesenelefant materialisiert sich in einer einfachen, aber entscheidenden Frage. Aber ausgerecht die stellt Läubli weder, noch beantwortet er sie.

Sie lautet:

Wenn das alles so wäre, wie Läubli umfangreich behauptet, wieso ist es dann sowohl dem kleinen Kachelmannwetter wie dem grossen Weather Channel möglich, regelmässig sehr präzise Wetterprognosen für Orte auf der ganzen Welt abzuliefern? Wieso täuschen sich die beiden höchstens mal um ein halbes oder um ein Grad nach oben oder nach unten? Während SRF Meteo sich regelmässig und konsequent und immer nur nach oben täuscht? Um bis zu 7 Grad, was nun doch ein Fehler im 20-Prozent-Bereich ist?

Und wenn das halt daran liege, dass SRF leider, leider nicht die Kohle hat, vernünftige Prognosen einzukaufen, aber im Inland von Hand und wahnsinnig akkurat vorhersagt, wieso liegt es dann auch in Genf um vier Grad daneben, natürlich nach oben?

Läubli hätte sich die ganze Mühe der Erklärung sparen können, wie weltweite Wetterprognosen zustande kommen und wie furchtbar schwierig das sei. Dass es niemals möglich sein wird, für jeden Punkt der erde eine präzise Temperaturvorhersage zu machen, geschenkt.

Darum geht es doch gar nicht. Sondern um den Elefanten im Raum. Elefant? Was für ein Elefant? Ich sehe keinen Elefanten, stammelt Läubli, der Klimawissenschaftler. Nicht mal mehr das kriegt Tamedia auf die Reihe, ohne sich unsterblich zu blamieren.

Swissaid wird ranzig

Lustige Zufälle gibt’s aber auch.

ZACKBUM-Redaktor René Zeyer veröffentlicht gelegentlich auf «Inside Paradeplatz», dem munteren Finanzblog von Lukas Hässig. Meistens zu Wirtschaftsthemen. Unlängst einen Beitrag über die Schweizer Entwicklungshilfsorganisation Swissaid, die in diesem Jahr ihr 75. Jubiläum feiert.

Wer die (meist sinnlose) Tätigkeit von Entwicklungshelfern, die in erster Linie sich selbst helfen, kritisiert, bekommt Gegenwind. Das ist normal. Aber auf den Beitrag «Swissaid verdient goldene Nase mit Gold-Bericht» gab es nicht nur die übliche Anzahl von wäffelnden Kommentatoren, sondern auch eine Reihe von – natürlich anonymen – Kritikern, die nicht nur den Inhalt hemmungslos- und argumentelos beschimpften, sondern ganze Lobesarien über die verdienstvolle Tätigkeit von Swissaid, die durchaus angemessenen Saläre (monatelang 10’000 Fr. pro Monat für Jungspunde für «Recherchen») und die bedeutsame Wichtigkeit dieses Goldreports sangen. Auch rund 600’000 Franken Jahresgehalt für eine vierköpfige Geschäftsführung wird als durchaus angemessen verteidigt.

Das ist nun interessant – und verdächtig. Vielleicht sind sich diese Kommentatoren nicht bewusst, dass sie zwar feige unter Pseudonym schreiben können, aber über ihre IP-Adresse lokalisier- und identifizierbar sind. Darüber ist schon so mancher gestolpert, der meinte, völlig unerkannt an einer kleinen Kampagne teilnehmen zu können, was ihm von seinem Arbeitgeber nahegelegt wurde.

Das ist natürlich haltloser Vermutungsjournalismus, also genau das, was auch in den Mainstreammedien immer mehr um sich greift. ZACKBUM könnte sich nun noch auf mindestens zwei voneinander unabhängige Quellen berufen, die aber natürlich aus Gründen der Arbeitsplatzsicherheit anonym bleiben müssen. Aber solchen Quatsch lassen wir; das überlassen wir so Qualitätsorganen wie der «Zeit», CH Media oder Tamedia.

Aber ins Bild passen könnte es schon. Denn auf journalistische Anfragen reagiert Swissaid wie eine Auster. Man habe sich entschlossen, auf Fragen von René Zeyer nicht mehr zu antworten, wurde auf einen ausführlichen Fragenkatalog – unter anderem über die üppigen Gehälter der staatlich subventionierten Swissaid – zurückgerotzt.

Auch bei IP gilt: anonym macht mutig. Da wäffeln Leute mit dem Namen «IP am Ende», «Realist», «Zené Reyer», «Zackbum auch dramatisch!!» oder «Denus». Interessant ist, dass es auf ZACKBUM (meistens) entschieden gesitteter zugeht, obwohl auch hier anonyme Kommentare zugelassen sind. Pro Monate fallen vielleicht zwei oder drei der Zensurschere zum Opfer, weil sie juristisch Anstössiges enthalten, nur auf die Person zielen oder nichts zur Sache beitragen. Ja, das ist ein Lob der Leserschaft …

Ist schon interessant, wie sich eine Stiftung verhält, die vom Staat und von Spendern am Leben gehalten wird  und sich das Wort «Transparenz» ganz gross auf die Fahnen geschrieben hat. Offenbar, um etwas damit zu wedeln, ohne es ernst zu meinen.

Schlammlawine

Tamedia nimmt sich «Auf1» zur Brust.

Es ist immer hilfreich, wenn der Leser schon durch Titel und Lead eingestimmt wird auf das, was er erwarten darf:

Falls er dennoch Zweifel haben sollte, hilft eine knackige Karikatur. Alles klar: «Rechtsextreme und Impfskeptiker» wollen in die Schweiz expandieren und zudem auch gleich «eine Revolution». Oder anders dargestellt: eine üble braune Schlammlawine ergiesst sich aus dem TV wie eine Überschwemmung.

Gleich drei Tamedia-Schreibkräfte braucht es, um den in Österreich beheimateten Internet-TV-Sender «Auf1» fertigzumachen. Anielle Peterhans hat sich von der Volontärin zur «Reporterin beim Nationalen Recherchedesk Tamedia» hochgearbeitet. Nicole Fäs existiert schlichtweg nicht im Impressum, vielleicht hat sich Nicolas Fäs dieses leicht durchschaubare Pseudonym zugelegt – oder das Geschlecht gewechselt. Adrian Panholzer ist «stellvertretender Leiter des Videoteams». Das hat nun unbestreitbar mit bewegten Bildern zu tun, womit er sicherlich qualifiziert für diese Hinrichtung ist.

Es geht um «Auf1» mit Chefredaktor Stefan Magnet, der Onlinesender sei «zum Leitmedium für Verschwörungsideologien im deutschsprachigen Raum geworden», wissen die drei. Schlimmer noch: «Auf1 berichtet von der Corona-Impfung als «Gen-Experiment», von «Bolschewisten» und «Globalisten» – eine Bezeichnung, die von extremen Rechten als antisemitischer Code genutzt wird.»

Womit alle Schreckensbegriffe zusammen wären. Es wird noch schrecklicher: «Jetzt will Magnet neu auch ein Studio in der Schweiz und in Italien eröffnen.» Wie es sich im Qualitätsjournalismus gehört, wurde Magnet die Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Jedoch: «Einen ausführlichen Fragenkatalog – etwa zu seinen journalistischen Standards – lässt er jedoch unbeantwortet. Was die Frage nach seinen Beziehungen in die Schweiz aufwirft. Und: Welche Regeln eigentlich im Netz gelten

Wieso das Nichtbeantworten eines Fragenkatalogs diese Fragen aufwerfe – das muss das süsse Geheimnis dieser drei Logikgenies bleiben.

Da er sich nicht äussern will, wird als Quelle das «Investigativnetzwerk Correctiv» bemüht. Das «schrieb im April, Stefan Magnets eigene Verbindungen zur Rechten und zur extremen Rechten seien «umfassend dokumentiert»». Das ist nun lustig, denn «Correctiv» selbst steht ständig in der Kritik – wegen schlampigen Recherchen, einseitigen Darstellungen und nötigen Korrekturen an den angeblichen Korrekturen. Ausgerechnet so eine Plattform gegen einen «Extremisten-Sender» anzuführen, nun ja.

Die drei von der Ideologietankstelle Tamedia haben auch die Gesprächspartner von «Auf1» durchforstet – und haben den Gottseibeiuns jedes anständigen Tamedia-Mitarbeiters gefunden: «Sogar Alt-SVP-Bundesrat Christoph Blocher trat im August 2022 bei Auf1 auf und sprach über seine Neutralitätsinitiative. Er sagte im Interview, die Schweiz werde durch die Übernahme der Sanktionen gegen Russland «in den Krieg gezogen», und Brüssel habe zu viel Macht in Bern. Auf Anfrage dieser Redaktion sagt er, er könne sich an dieses Interview nicht mehr erinnern. Jedoch gebe er allen ein Interview, ohne dass er sich mit dem Sender identifizieren müsse – «selbst dem ‹Tages-Anzeiger›»

Es wird aber noch lustiger. Die folgende Kritik könnte auch durchaus eine Selbstkritik sein: «Zwar teilen Alternativmedien nur selten komplett frei erfundene Nachrichten. Dafür legen sie aber die Fakten nach ihrem Geschmack aus, verknüpfen diese mit Spekulationen und verbreiten einzelne Verschwörungserzählungen.» ZACKBUM will Tamedia nun nicht unterstellen, es verbreite Verschwörungstheorien. Aber das Auslegen von Fakten nach Gusto ist dem Organ sicher nicht ganz fremd.

Auch die Auswahl des «Fachmanns» ist bezeichnend für Tamedia. Zu Wort kommt «Martin Steiger, ein Anwalt für Recht im digitalen Raum». Der Beirat von «Netzcourage» schwieg vornehm, als der Gründerin und Geschäftsführerin dieser Plattform für den Kampf gegen Hass im Internet nachgewiesen wurde, dass sie selbst hasserfüllt an einer Kampagne gegen eine unliebsame Journalistin beteiligt war. Aber hier ist er in seinem Element. Er «beobachtet einen zunehmenden Einfluss von Alternativmedien in der Schweiz. «Auch weil hierzulande die SVP als etablierte Partei immer gern mal wieder gegen die etablierten ‹Mainstream-Medien› Stimmung macht. Das stärkt die alternativen Angebote zusätzlich.»»

Wunderbar, damit wäre eine Verbindung zwischen dieser braunen Schlammlawine und der SVP hergestellt. Dann arbeitet Anwalt Steiger mit Unterstellungen: «Die Vorgehensweise dieser Medien sei sehr geschickt. «Sie kommen pseudoseriös daher, bewirtschaften aber bei näherem Hinsehen die immer gleichen Themen mit fragwürdigen bis haltlosen Argumenten.» Sie formulierten ambivalent, arbeiteten mit Anspielungen oder stellten Behauptungen als Fakten in den Raum – «ihnen wirklich rechtlich etwas vorwerfen kann man normalerweise aber nicht», sagt Martin Steiger.»

Genau diese Methode wendet er hier selbst an, was aber weder ihm noch den drei Koryphäen von Tamedia auffällt.

ZACKBUM hat sich (noch) keine Meinung zu «Auf1» gebildet. Eine oberflächliche Visionierung des Angebots löste nicht unbedingt Begeisterung aus. Jeder Leser oder Zuschauer sollte sich selbst ein Bild machen, wenn es ihn danach gelüstet.

Was aber Tamedia hier abgeliefert hat, ist eine Seite Schlamm. Vorverurteilung, Behauptungen, gestützt auf trübe Quellen. Es ist die Karikatur der Aufgabe eines Qualitätsmediums. Dem Leser die Grundlagen für ein eigenes Urteil liefern. Zum Beispiel erklären, wieso dieser Sender offenbar eine zunehmende Einschaltquote hat. Weil sich Aluhutträger, Verschwörungstheoretiker und Rechtsextreme ungehemmt vermehren? Oder vielleicht, weil die Mainstream-Medien, inklusive Tamedia, immer mehr zweifeln lassen, ob sie ihrem Informationsauftrag wirklich mit der gebotenen Professionalität nachgehen?

Statt eine solche voreingenommene Hinrichtung zu schreiben, die an dem TV-Sender nun kein einziges gutes Haar lässt, ihn in Bausch und Bogen niedermacht: wie wäre es mal mit einem Sprutz Selbstreflexion, wie ein solches Schlammbad beim Leser ankommt, der nicht von vornherein zur Gesinnungsbubble der Autoren gehört?

Es ist immer wieder und unermüdlich die gleiche Idiotie. Zur FDP und zur SVP «FCK NZI» sagen, jede Position rechts von der eigenen als faschistisch denunzieren, Trump, die AfD und alles Rechte wegschreiben wollen – statt sich inhaltlich damit auseinanderzusetzen, wieso diese Exponenten und Parteien solchen Zulauf haben –, das nützt doch nichts. Im Gegenteil, wer so argumentenfrei angerempelt wird, erweckt Neugier, bekommt Zulauf.

Dabei gäbe es an «Auf1» sicherlich inhaltlich einiges zu kritisieren. Aber dafür müsste man sich eben etwas vertiefen und argumentieren. Das sind die beiden Schwachstellen der Qualitätsjournalisten von Tamedia.