Ach, NZZ

Das Weltblatt spielt gross auf und schwächelt.

«Nach dem Alter zu fragen, ist diskriminierend.» Dass auch die NZZ in einem Interview mit einer Psychologin so einen Schwachsinn einfach stehenlässt, ist kein Ruhmesblatt. Dass es am 10. August die «zehn wichtigsten Bücher im Juli» anpreist, könnte auch im Tagi so stehen.

Ein weiterer Tiefpunkt ist die «Videoanalyse» zum Thema «Wie der Kreml Russland belügt – und warum Russen für den Krieg sind». Man habe 46 Reden «analysiert», erklärt eine etwas hektische Moderatorin. Dann betet sie so ziemlich alle Narrative herunter, also wolle sie beweisen, dass die Kreml-Propaganda von den einseitigen und unfairen westlichen Medien der Wahrheit entspricht.

«7 Millionen ukrainische Soldaten haben im Zweiten Weltkrieg» in der Roten Armee gegen Nazi-Deutschland gekämpft, weiss sie zum Beispiel. Aber wo seien die Nazis denn heute? Da spielt sie einen dummen Spruch eines russischen Propagandisten ein, dass man das Wiederaufkommen der Nazis in den Genen, im Blut spüre.

Dass in der Westukraine der Kriegsverbrecher und Kollaborateur und Nazi-Unterstützer Stepan Bandera in hohen Ehren gehalten wird, es blumenbekränzte Denkmäler von ihm gibt und Strassen nach ihm benannt sind, das vergisst sie zu erwähnen. Stattdessen hämt sie, dass Russland gar keine Beweise brauche, um das Vorhandensein von Nazismus in der Ukraine zu behaupten.

Das ist, mit Verlaub, ziemlich spiegelbildlich so schwachsinnig wie die Kreml-Propaganda. Wie so eine einseitige, inkompetente, oberflächliche Karikatur einer Analyse durch die Qualitätskontrolle der NZZ rutschen kann – peinlich.

Aber es gibt natürlich auch Lichtblicke. So schlägt Katharina Fontana in einem Kommentar einen Pflock für die «200 Franken sind genug»-Initiative zur Gesundschrumpfung der SRG ein. «Weniger Geld würde ihr guttun», dekretiert sie, die Initianden «liegen richtig». Offensichtlich hat ihr auch der paternalistische Ton des überbezahlten und überforderten SRG-Generaldirektors Gilles Marchand den Hut gelupft.

Der durfte in einem Ringier-Gefälligkeitsinterview behaupten, die Initiative sei «eine Attacke auf die Schweiz und ihre Vielfalt». Dagegen stellt Fontana: «Man muss nicht besonders kritisch sein, um sich an dieser Selbstüberschätzung der SRG und an den paternalistischen Floskeln zu stören.»

Auch der NZZ-Leser ist offenbar in erster Linie an Sex und Crime interessiert. Also zumindest an Crime, denn als «meistgelesen» wird der Artikel aufgeführt, der beschreibt, wie am K 2 Bergsteiger ungerührt an einem Sterbenden vorbeiklettern. Platz zwei: «Vier Jugendliche dröhnen sich in Zollikerberg mit Drogen und Medikamenten zu».

Aber die Auslandberichterstattung ist weiterhin um Längen besser als bei der Schweizer (also schweizerisch-deutschen) Konkurrenz. «Der Putsch in Niger bekräftigt das Scheitern der französischen Antiterror-Strategie» (und die verkrampfte Aussprache als «Nischee» das Scheitern der Sprachreiniger bei SRF).

Dann zeigt die NZZ auch, wieso sie in Deutschland zu einer ernsthaften Konkurrenz für die FAZ geworden ist. «Ach, die armen Clans – wie linke Populisten dem Staat die Zähne ziehen», ein deutlicher und nötiger Kommentar, wie schwach und hilflos die linke Politik auf die Tatsache reagiert, dass kriminelle Clans von Menschen mit Migrationshintergrund in immer mehr Stadtquartieren in Deutschland die Macht übernehmen.

Ein Erinnerung an den Massenmörder Rios Montt, einer der grausamsten Diktatoren Guatemalas, eine Erinnerung an die grosse Fotografin Lee Miller, die sich von der Geliebten und Muse Man Rays zu einer der bedeutendsten Friedens- und Kriegsfotografen weiterentwickelte. Nicht nur ihre Fotografien sind zeitlos; Autor Daniel Haas nimmt eine Ausstellung in Hamburg zum Anlass, einen Feuilleton-Text zu schreiben, von dem der Tagi-Kulturteil nur träumen kann.

Apropos, was Linus Reichlin «aus dem Leben italienischer Schosshunde» gemacht hat, ist eine Seite Feuilleton, die sich vor den grossen Vorbildern in den 30er-Jahren nicht zu verstecken braucht. Unterhaltsam, intelligent, witzig, sprühend, das ist ein Niveau wie von einem anderen Stern, wenn man es mit allem vergleicht, was sonst so in der Schweiz publiziert wird.

Also ist man manchmal verstimmt, manchmal begeistert von der NZZ. Ein Effekt, der sich bei den anderen Organen unter Beobachtung nur teilweise einstellt.

1 Antwort
  1. Frederic Davide
    Frederic Davide sagte:

    «Aber es gibt natürlich auch Lichtblicke. So schlägt Katharina Fontana in einem Kommentar einen Pflock für die «200 Franken sind genug»-Initiative zur Gesundschrumpfung der SRG ein. «Weniger Geld würde ihr guttun», dekretiert sie, die Initianden «liegen richtig». »
    Da muss man einmal mehr neidlos zugeben: Katharina Fontana bringt es wieder auf den Punkt! Diese Meinung wird nun allerdings nicht ganz einhellig geteilt, wie ich heute merken musste.
    Denn einmal mehr schiesst Jacqueline Badran auf Twitter, pardon, auf «X», der Latrinenwand im neuen Gewand, den Vogel ab. So twitterte Jay Badran ganz submarin mit der ihr eigenen, kernigen Interpretation von Wokenesse wörtlich auf «X»:
    «Frau #KatharinaFontana von der @NZZ
    sollte nicht nur zum Psychiater ihren Komplex behandeln lassen, sondern auch noch Deutsch lernen («beizustimmen»). Ihr solltet euch wirklich wieder ein Korrektorat leisten cc @Neuhaus»

    Wie (w)irr ist die gute Jay eigentlich mittlerweilen? Oder anders gefragt:
    Was ist der kürzeste Abstand zwischen zwei Fettnäpfe? 1 Badran.

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