Patient NZZ
Aus dem Falken wurde ein Spatz
Ähnlich wie im Sport gibt es auch im Verlagswesen drei Kategorien. Die erste Kategorie heisst Werbeumsatz, die zweite Werbeumsatz und die dritte Werbeumsatz. Ein Diplom gibt es für die Seriösesten, die Schönsten und die Tollsten.
Die NZZ hat kürzlich gleich zwei Diplome erhalten. In der Schweizer Leserschaftsstudie wurde ihr jüngst ein Wachstum von acht Prozent beglaubigt. Und im Medienqualitätsrating hat sie sich in «allen vier Qualitätsdimensionen verbessert».
Im Werbeumsatz sieht es hingegen düster aus. In der Kerngruppe hat sie 2019 über 9 Prozent weniger Werbeeinnahmen erzielt als im Vorjahr. Der Verlust beträgt fast 4,5 Millionen Franken. Und dies trotz VR-Mitglied und Werbefritze Dominique von Matt («Professor Dr. Dominique von Matt», wie der Geschäftsbericht betont).
Nicht mehr auf Augenhöhe
Früher galten NZZ und Tamedia als ebenbürtig, zumindest in der Wahrnehmung. Ein Blick auf die Zahlen relativiert diesen Eindruck. Die NZZ erwirtschaftete letztes Jahr in der Werbung 70 Millionen Franken. Bei der TX Group sind es über eine halbe Milliarde.
Es tut weh, mitanzusehen, was die NZZ alles unternimmt, dieser Abwärtsspirale zu entkommen. Sie lässt mittlerweile Werbung auf der Frontseite zu oder versucht, im Magazin der NZZaS Störwerbung unterzubringen, die den Lesefluss empfindlich stört.
Hilft alles wenig. Das sieht man auch an der Preispolitik bei den Inseraten. Für eine Standardanzeige (Breite: 56mm, Höhe: 73mm) verlangt sie nur 350 Franken (ohne MwSt). Die BaZ verlangt für das gleiche Inserat 714 Franken, die Berner Zeitung sogar 1498 Franken.
«Zu viel Werbung»
Früher, so geht die Kunde, sollen sich manche NZZ-Redaktoren über die viele Werbung im Blatt beschwert haben. Das war noch in der Zeit, als die Zeitung fünf Bünde hatte; nicht kümmerliche zwei.
PS: Auch bei den Abos verliert unser Patient erneut an Substanz. Aktuell verkauft er im Print nur noch 71‘861 Exemplare. Ein Verlust von 4000 im Vergleich zu 2019.
Das zeigt, wie wenig aussagekräftig die Total Audience und Mach Basic sind. Wirklich zählen würde eigentlich die verkaufte Auflage, nicht irgendeine Pseudo-Reichweite, die man sich online mit Aufregergeschichten holen kann, wie es die NZZ schön vormacht (wie viel die Werbeindustrie für die Klicks aus Deutschland langfristig berappen will, ist dann noch eine andere Frage). Und dann sähe es für die NZZ plötzlich nicht mehr so gut aus.