Die NZZ in Klatschlaune

Wie viel Gossip verträgt sich mit einem gewissen Niveau?

«… sich gegenüber weiblichen Angestellten unangebracht zu verhalten, … gemäss Recherchen der NZZ, … laut Quellen der NZZ fühlten sich Betroffene belästigt …»

Die Zeiten sind noch nicht so lange her, wo bei der NZZ ein solches Stück mit zugehaltener Nase und spitzen Fingern im Abfalleimer gelandet wäre. Zu sehr Trash, zu sehr Unterleib, so unprofessionell, mit angeblichen Recherchen und angeblichen «Quellen» zu arbeiten.

Vor allem: «Von justiziablen Vorwürfen ist bis jetzt nichts bekannt, für Dorer gilt die Unschuldsvermutung.» Lucien Scherrer mausert sich immer mehr  zu einem Spezialisten für Klatsch und Tratsch und unbewiesene Behauptungen. Er tat das schon im Fall Canonica und behauptete auch dort, sich auf anonyme «Quellen» stützen zu können.

Anschliessend machte er eine Kehrtwende und haute die Medien in die Pfanne, die sich durch das Verbreiten von Lügengeschichten um ihre Glaubwürdigkeit gebracht hätten. Ohne ein selbstkritisches Wort zu verlieren. Dafür sprachen aber er und seine Co-Autorin Finn Canonica kurzerhand per Ferndiagnose die «charakterliche Eignung» für Führungspositionen ab und behaupteten, dass Roger Schawinski den ehemaligen «Magazin»-Chefredaktor «reinwaschen» wolle, obwohl der lediglich aus dem Inhalt des Untersuchungsberichts zitiert hatte.

Was das über seine eigene charakterliche Eignung aussagt, sei dahingestellt. Natürlich macht es aus Scherrers Sicht Spass, auf die Turbulenzen im Ringier-Verlag hinzuweisen; Marc Walder, Werner de Schepper, nun auch Christian Dorer, da ist Schadenfreude eine menschliche Regung.

An Zivilcourage gebricht es Scherrer hingegen sehr. Denn auch in seinem eigenen Hause gäbe es doch durchaus Anlass, mal ein paar kritische Bemerkungen über das Verhalten der Führungsspitze fallen zu lassen. Stichwort Claudia Schwartz. Scherrer könnte sich da gerne bei ZACKBUM bedienen, denn wir betreiben hier keinen Konzernjournalismus, sondern verteilen gerecht (wenig) Lob und (viel) Tadel an alle Seiten, je nach Verdienst.

Wieso es allerdings neuerdings im Feuilleton der NZZ einige Zeilen wert sein soll, Klatsch und Tratsch aus dem Hause Ringier zu verbreiten? Gerade das Feuilleton reifte noch unter René Scheu zu FAZ-ähnlicher Grösse. Nun ist es aber teilweise im Branchensumpf abgetaucht, wo gilt, dass Journalisten sich für nichts mehr interessieren als für andere Journalisten.

Es gibt nur noch ein Thema, das sie allenfalls noch mehr begeistern kann: der Blick auf den eigenen Bauchnabel. Vielleicht sollte die Führungsspitze der NZZ, in der Zeit, die sie ausserhalb eines österreichischen Wellness-Hotels verbringt, dafür sorgen, dass der Unterschied zu «Glückspost» oder «Bunte» erkennbar bleibt.

2 Kommentare
  1. René Küng
    René Küng sagte:

    Es ist wie bei der Polizei*
    dort fehlen anscheinend +/- 7’000 Polizisten.
    Kein Wunder, die mit Zivilcourage wurden geschasst, die mit etwas Selbstwertgefühl haben die Flucht ergriffen und die Verbliebenen haben sich dafür entschieden, ihre Familien weiter mit ‹Staats-Lohn› zu ernähren.
    Ich kann es verstehen.
    Fürchten müssen wir uns da eher, mit was da die Lücken aufgefüllt werden…..
    (die Terror-Spezialisten überlassen sowas nicht dem Zufall).

    Bei der NZZ wurde gemiloszt lange bevor TX gestrahmt hat…..

    *im Gesundheitswesen sieht’s trotz Applaus noch viel schlimmer aus.
    ‹Klatschen› könnte darum von geflüchteten Therapeuten in Bezug auf die ‹Medien› als zwanghafte Störung gedeutet werden. Masochistische Selbstzüchtigung – weil sie tief drinnen (unbewusst?) noch was spüren, fühlen, rumort, wie elendiglich sie sich selber und uns Tag für Tag betrügen müssen.

    Wir selber uns wohl auch, ohne Selbstverleugnung kann Frau Mann die neue Wirklichkeit kaum mehr gesund überstehen. Mir wird wohl zum Wochenende wieder mal ein Glas Rotwein empfohlen.

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  2. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Lucien Scherrer hat in Sachen Tratsch noch Luft nach oben, vielleicht kann ihm die Schlittler Flavia vom BLICK noch besser in das Genre einarbeiten. Er muss ja nicht gleich Föteli verschleudern!

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