Neuer Bärfuss des Grauens

Man kann dem SoBli (fast) alles verzeihen. Mit einer Ausnahme.

Wir tun mal so, als hätten wir noch nie etwas vom Büchner-Preisträger Lukas Bärfuss gelesen. Und wollen uns nur an der Sprachbeherrschung einer Literaturgrösse laben. Denn Literatur hat sicherlich auch auf dem Boulevard nichts mit Littering zu tun.

Wir werden gleich mit dem ersten Satz auf Moll eingestimmt: «Auch in diesem Jahr erwartet uns eine schwierige und traurige Weihnachtszeit.» Das erinnert zwar an den Beginn eines Schulaufsatzes, aber das steigert sich sicherlich noch.

Neue Position, gleicher Blick. (Bildzitat Screenshot SoBli).

Wir hoffen nicht umsonst, schnell wird das Dichterwort dunkel: «Wenn das Virus im Körper eskaliert, versagen oft die besten Methoden der Wissenschaft.»

Aber gut, auch Jean Paul war verdammt schwer zu verstehen. Nun legt Bärfuss eine Fährte aus, sozusagen ein Ariadnefaden, die ihn zum eigentlichen Thema führen soll. Man spricht da unter Literaturwissenschaftlern von einem Leitmotiv. Hier ist es das Erbgut. Das besimme auch, wie schwer die Corona-Erkrankung sei, weiss der Litterat. Um zu verallgemeinern: «Früher stehen alle vor der Frage, die das Erbe stellt.» Könnte da ein «oder später» fehlen? Aber vielleicht verstehen wir zu wenig von literarischer Verkürzung. Oder handelt es sich gar um eine Apokope? Also im weiteren Sinne, wohlgemerkt.

Wenn das Erbe an der Türe klingelt, oder so

Nun, welche frühe Frage stellt uns das Erbe? Das beantwortet der Dichter aus eigenem Erleben, denn auch sein Vater starb (nein, nicht an Corona, steht zu vermuten). Und hinterliess ein schweres Erbe, das leicht ausgeschlagen werden konnte.

Unser Beileid, aber wie geht’s mit dem Leidmotiv weiter? «Gebäude, die mit Asbest isoliert wurden, sind wertvoll und gleichzeitig tödlich giftig.» Ach was, wieso sollen sie denn wertvoll sein? Aber gut, nur nicht grübeln, riet schon Gotthelf, das wollen wir beherzigen. Denn jetzt kommt’s:

«Genau gleich wie gewisse Kunstsammlungen. In Zürich vergiftet eine einschlägige Erbschaft die Stadt, verseucht Institutionen und Beziehungen. Schöne, kostbare Gemälde machen die schlimmsten Verbrechen lebendig, Vertreibung, Raub und Genozid. Emil Bührle, ein Krimineller, raffte sein Vermögen aus Leid und Tod zusammen. Ein Schatz, der sich aus dem Verbrechen nährt, eine teuflische Mischung: Wer damit in Berührung kommt, ist auf immer krank und vergiftet.»

Hilfe, wir gestehen: Wir sind damit in Berührung gekommen. Wir waren schon im Kunsthaus, das hoffentlich nicht auch noch mit Asbest verseucht ist. Das ist nun ein Paukenschlag, ein Zornesblitz, darüber sollten wir Zürcher nun aber mal richtig nachdenken.

Falls wir dabei auf Abwege geraten, Bärfuss führt uns an die Wurzel des Grauens:

«Aber das geht nur, wenn wir gleichzeitig über das Allerheiligste nachdenken. Oh Privateigentum! Oh Sacerdotium der bürgerlichen Welt! Dir gehört unsere Verehrung und unser Vertrauen! Unangetastet stehst du in den Stürmen der Gegenwart!»

Aber leider – horribile dictu – Fremdwörter sind Glücksache. Sacerdotium, ist uns das peinlich, einen preisgekrönten Dichter zurecht weisen zu müssen, bedeutet Priestertum oder das Reich der geistlichen, kirchlichen Gewalt. Wahrscheinlich meinte Bärfuss Sanctuarium. Aber wer sind denn wir, beckmessern zu wollen. Nur, nicht nur Jean Paul beherrschte Latein

Aber zurück zum Text.Wir Kurzdenker dachten immer, dass es selbst in der Schweiz viele Möglichkeiten gibt, das Privateigentum anzutasten, bis hin zur Enteignung. Schön, dass wir von diesem Irrtum befreit werden.

Wem gehören die Wolken? Die Antwort kennt nur der Wind

Aber ein tief Blickender, selbst wenn das im SoBli geschieht, ist damit noch nicht auf dem Grund der Fragen angelangt: «Das Privateigentum ist heilig, also unerklärlich und unerklärbar. Was kann ein Mensch sein Eigen nennen?»

Denken wir kurz selber nach. Vernunft? Intelligenz? Logik? Sprachbeherrschung? Stringenz? Respekt? Anstand? Das kann hier alles nicht gemeint sein, will uns deuchen. Denn der Schriftsteller fängt ganz woanders an: «Unterschiedliche Güter weisen unterschiedliche Eigenschaften auf. Ein Grundstück ist nicht dasselbe wie ein Regenschirm oder eine Aktie.»

Wohl wahr, sagen wir da, ganz geplättet von so viel Weisheit, die kostenlos auf uns regnet. Apropos regnen, nun wird’s wieder dunkel wie bei Hölderlin im Turm: «Wem sollten die Wolken, der Regen und der Wind gehören? Das Wetter mag unterschiedlich sein, aber für uns alle gibt es nur ein Klima.»

Es bleibt ein Wechselbad der Gefühle, darf man einem Literaten vorwerfen, dass er etwas sprunghaft ist? «Wie man mit den Risiken der Vererbung umgeht, macht uns die Evolution vor, nämlich mit Sex.»

Muss man erst mal drauf kommen …

Hoppla, plötzlich nimmt uns der Dichter im Triebwagen der Evolution mit. Nicht ohne uns weiterer Erkenntnisse teilhaftig werden zu lassen: «Lebewesen können sich vegetativ, parthenogenetisch vermehren. Erdbeeren, Blattläuse und Bambushaie halten es so

Gut, dass wir das wissen. Aber, dadurch unterscheidet sich der wahre Literat vom Möchtegern, wir kehren zum Leitmotiv zurück, also zur Bührle Sammlung. Denn Sex teile das Erbgut durch zwei, weiss der Hobbygenetiker, dadurch werde das Risiko halbiert. Öhm, also bei nicht rezessiven Genen, die beide Elternteile aufweisen, nicht wirklich. Aber wir wollten doch nicht grübeln.

Die Lösung für die Bührle Sammlung? Teilen

Was, oh Dichter, was hat das nun mit der Ausstellung im Kunsthaus zu tun?

«Wenn es um Erbprobleme geht, lautet die Lösung also teilen. Heute wird das Vermögen aus der Erbschaft privatisiert, die Schulden und der Müll aber werden sozialisiert, und die Sammlung Bührle folgt genau diesem Muster. Die Öffentlichkeit übernimmt die Passiven, die Aktiven bleiben bei der Familie. Es ist im Interesse aller Beteiligter, dieses wertvolle und kontaminierte Erbe gemeinsam zu tragen.»

Das ist eine wunderbare Schlussfolgerung, eine eines Büchner würdige Übertragung von genetischen Erbvorgängen ins reale Kunstleben. War Büchner nicht angehender Arzt? Das ist doch sicherlich eine raffiniert versteckte Anspielung darauf.

Das muss es auch sein, denn – wir bitten um Nachsicht wegen unseres Unvermögens – bei der Bührle Kunstsammlung kann das ja nicht ganz stimmen. Ausser, die 203 Bilder im Kunsthaus Zürich wären Müll. Und welche Aktiven sollen denn bei der Familie bleiben? Weiss Bärfuss überhaupt, was der Unterschied zwischen Aktiven und Passiven ist? Eher nicht, will uns deuchen, aber wer sind wir denn.

Passiver Müll oder toxisches Erbe?

Wie soll denn nun, so zwischen Aktiven und Passiven, das wertvolle und kontaminierte Erbe gemeinsam getragen werden? «Es gibt Lösungen», weiss der Dichter. Nur verrät er die nicht. Wir hätten da in aller Bescheidenheit eine zu bieten: regelmässige Lesungen aus seinen Werken in der Ausstellung. Das vertreibt garantiert das Publikum, womit die Bilder nicht länger kontaminieren können.

Ex-Press XLIX: ganz unten

Blüten aus dem Mediensumpf.

ZACKBUM gibt zu: Wir sind nicht stark genug. Oder zu schwach. Nein, Fisherman’s Friend kriegen wir in jeder Geschmacksrichtung runter. Wenn’s sein muss, sogar in der hier:

Aber eigentlich wollten wir diesen Reigen hier, Ehre wem Ehre gebührt, mit «watson» beginnen.

Aber dann begannen wir, uns hier durchzuklicken:

Trotz der Einnahme von Fisherman’s Original wurde uns übel. Dann machten wir den Fehler, bei der Kulturjournalistin des Jahres Erbauung zu suchen:

Aber auch hier kamen wir nicht weiter als bis zu diesem Kotzbrocken:

«Romina war mein Lichtblick. Ich steh auf multipel operierte Gesichter. Erst da kommt nämlich der Mensch hinter dem eigentlichen Gesicht so richtig zum Vorschein

Es mag uns als Schwäche ausgelegt werden, aber wir haben beschlossen: nie mehr ein Text von Simone Meier. Nicht auf leeren Magen und erst recht nicht auf gefüllten.

Tastende Schritte nach oben

Wir wollen uns nun vorsichtig nach oben arbeiten. Als nächster Tritt auf der Leiter soll «20 Minuten» dienen. Da werden wir doch glatt schon ganz am Anfang in Versuchung geführt:

Aber, schluchz, die Winterhilfe hat dann doch keinen Franken gekriegt. Dafür haben wir eine frohe Botschaft für unsere Portugiesisch sprechenden Leser:

ZACKBUM denkt scharf darüber nach, diesen Service auch anzubieten. ZACKBUM durum cogitat de hoc quoque ministerio oblatum. Genau, wenn schon, dann natürlich gleich auf Latein. Wir nähern uns nun aber bereits dem ersten journalistischen Höhepunkt:

Kopf in Brot, Werbung und Werbung.

Da weiss man wenigstens, wieso man für «20 Minuten» nix zahlt. Nun aber endlich mal ein Beitrag mit Tiefgang und Zukunft:

Hoppla, das ist ja ein «Paid Post». Das steht ja scheint’s für Werbung, aber so, dass es mehr als die Hälfte der Leser nicht merkt. Gibt es denn gar keine journalistische Eigenleistung, einen Mehrwert? Doch:

Hoffentlich setzt sich der Trend nicht im Tamedia-Glashaus durch …

Aber manchmal schaffen es selbst im Titel nicht alle Buchstaben ins Netz:

Kan doc i de Hekti ma passiere.

Nun, aber «nau.ch» wird doch sicherlich das Niveau höher legen.

Oh je, zwei Werbeartikel und daneben ein für 99,9 Prozent aller Leser völlig uninteressanter Beitrag über Bitcoin.

Aber gehen wir doch zu ernsthaften Themen über, zum Beispiel die Wirtschaft:

Hm, also das nennt man gemischte Nachrichten. Nur ist der Leser verwirrt: geht’s nun in Asien rauf oder runter? Lassen die Sorgen nach oder steigen die Befürchtungen? Das kann man halt so oder so sehen.

Wir klettern in die Höhe der Qualitätsmedien

Einer geht noch? Also gut, wir klettern in die Höhe der seriösen Berichterstattung, die unbedingt mit einer zusätzliche Milliarde Steuergelder subventioniert werden muss.

Beim Blatt mit dem Abflussrohr im Logo stimmen wenigstens Gewichtung und Mischung:

Nein, Moment, so ist’s noch besser:

Apropos Medienmilliarde, es geht doch nichts über eine objektive, ausgewogene und unabhängige Berichterstattung:

Werfen wir auch hier einen Blick (ha, wir Scherzkekse) in die Wirtschaft:

Kalter Kaffee, zwei dem Leser an einem gewissen Körperteil vorbeigehende Artikel plus Werbung.

Übrigens, kommt die Medienmilliarde, dann kann sich die Bildredaktion beim Bilderblatt «Blick» auch wieder ein aktuelles Foto eines Schweizer Kassenzettels leisten. Statt einer Aufnahme aus dem Euro-Raum und vom Jahr 2015:

 

Wir haben fertig. Und brauchen einen Kaffee fertig. Den wir durch die Maske schlürfen werden.

Bittere Wahrheit in der NZZ

Wie man die Misere der CS auf den Punkt bringt.

In der NZZ erschien ein ausführliches Porträt des Superstars Partners Group. Innert 25 Jahren  «stieg der Vermögensverwalter für Privatmarkt-Anlagen aus dem Kanton Zug zum europäischen Champion und SMI-Mitglied auf».

Das ist richtig. Gleich am Anfang bringt der Autor die unglaubliche Fehlentwicklung der einst stolzen Credit Suisse auf den Punkt::

«Als Marcel Erni, Fredy Gantner und Urs Wietlisbach in Zug 1996 PGR gründeten, bewerteten die Aktionäre die Credit Suisse mit 26 Mrd. Fr. Beim Börsengang im Jahr 2006 erreichte PGR eine Marktkapitalisierung von 1,7 Mrd. Fr. Die CS wies dannzumal einen Börsenwert von 91 Mrd. Fr. auf. Zurzeit bewerten die Aktionäre PGR mit 44 Mrd. und die CS dagegen sogar mit einigen Milliarden weniger als im Jahr 1996.»

Die aktuelle Marktkapitalisierung der konsequent heruntergewirtschafteten CS liegt bei 23,74 Milliarden Franken. Also es Bitzeli mehr als die Hälfte der Partners Group.

Eigentlich unfassbar, dass das CS-Management in dieser Zeit Milliarden eingesackt hat.

 

‘tschuldigung

Kleiner Lapsus, üble Methode.

Dominik Feusi ist wohl der aktivste Mitarbeiter des «Nebelspalter». Videos, Podcasts («Bern einfach»), Artikel, sehr aktiv auf Twitter.

Im Dialog mit Markus Somm beklagte er die Verfilzung der Schweizer Medienszene. Paradebeispiel: Da gebe es den Tamedia-Redaktor Fabian Renz. Und den Tilman Renz, Mitarbeiter in der Kommunikationsabteilung von Bundesrat Cassis.

So eine Verfilzung gehe natürlich nicht, kritisiert Feusi, denn das seien Brüder. Selbst wenn, also ob das tatsächlich ein Problem sein könnte? Ist es aber auf jeden Fall nicht, denn man kann, Überraschung, den gleichen Nachnamen tragen, ohne gleich verwandt zu sein.

Also stellte Tamedia-Renz klar:

«Tilman Renz und ich sind weder verwandt noch verschwägert.»

Feusi kriecht per Twitter zu Kreuze: «Tilman Renz ist nicht dein Bruder? Ich korrigiere das, bitte um Entschuldigung.»

So weit, so gut. Nun kommt aber die Erklärung: «Das sagte man mir bei Tamedia.»

Das ist eher fatal. Denn das ist echt die Recherchiermethode von Feusi? Der sich offenbar nicht einmal vorstellen kann, dass man ihn bei Tamedia auf den Arm nehmen möchte. Um dann zu sehen, wie er an die Wand fährt.

Früher, ja, früher, da gab es noch die altmodische Methode der sogenannten Konfrontation. Also die banale Frage: Fabian (oder Tilman) Renz, hast Du einen Bruder, und wenn ja, wer ist das?

Aber heute ist auch nicht mehr das, was es früher mal war.

 

So trennt man sauber den Müll

Pardon, redaktionellen Inhalt und bezahlte Werbung. Eine Obduktion.

Wir hätten auch «watson», «nau.ch» oder «20 Minuten» nehmen können. Oder ein Beispiel von CH Media oder Tamedia. Aber keiner tanzt den Inserate-Rap so neckisch unbekleidet wie der «Blick».

Das machen wir doch am besten in Form eines Wettbewerbs. Zehn Beispiele vom Online-Auftritt des «Blick». Nicht vollständig, aber alle zum gleichen Zeitpunkt genommen. Wettbewerbsfrage: Wer findet alle bezahlte Werbung? Oder vielleicht, könnte einfacher sein, wer findet alle Eigenleistungen?

Ein Ratespiel für die ganze Familie. Selbstverständlich dürfen auch Schimpansen, Papageien oder Hunde teilnehmen. Es gibt keine Beschränkung durch IQ.

Frage 1:

Okay, das ist nur zum Aufwärmen …

Frage 2:

Schon schwieriger, gell?

Frage 3:

Der Schwierigkeitsgrad steigt …

Frage 4:

Wie viele bezahlte Inhalte? Einer, zwei oder drei?

 

Frage 5:

Eine Erholungsfrage …

Frage 6:

Es wird wieder schwieriger.

Frage 7:

Kein Stress, kann man rauskriegen.

Frage 8:

Nichts für Warmduscher.

Frage 9:

Tipp: rechts wird’s wärmer.

Frage 10:

Noch ein Dreierrätsel.

Frage 11:

Bonusfrage, denn Frage 10 ist verteufelt schwierig.

 

Das darf doch gesagt werden

Angeblich ein Slogan von rechten Hetzern. Aber in den verludernden Medien ist auch einiges möglich.

Dezent berichtet das St. Galler «Tagblatt»:

«So hat etwa die Co-Präsidentin der Operation Libero vergangene Woche in der SRF-Sendung «Club» die Frage aufgeworfen, ob wir als Mehrheit «in Kauf nehmen müssen, dass Menschen, die sich einer Impfung verweigern, ihre Mitmenschen gefährden, das Gesundheitssystem an den Anschlag bringen, Burn-outs beim Pflegepersonal und Schulschliessungen verursachen oder gar in einen Lockdown führen, welcher die Freiheit aller einschränkt». Nach dem Verursacherprinzip müssten diese Leute etwa die wirtschaftlichen Schäden tragen. 

Auch verschiedene Gesundheitspolitiker, wie etwa Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel, forderten, dass Ungeimpfte die Konsequenzen ihres «Nichthandelns» tragen und gegebenenfalls auf einen Platz auf der Intensivstation verzichten sollten.»

Nun darf im Rahmen der Meinungsfreiheit jeder (auch jede!) alles sagen, solange es sich innerhalb unserer Rechtsordnung bewegt. Zensur ist verboten, und ein IQ-Test muss auch nicht absolviert werden. Ebenso wenig eine Überprüfung des Alkoholpegels.

Verblüffend aber, dass jeder dumme Spruch eines verpeilten Impfgegners mit grossem Hallo durch die Medien geschleift wird. Diese beiden Ungeheuerlichkeiten hingegen werden so ein passant vermerkt.

Die «Operation Libero» zeichnet sich dabei durch ein speziell nassforsches Vorgehen ihrer Co-Präsidentin aus. Die scheint ganz allgemein unter einem Aufmerksamkeitsdefizit zu leiden. Nicht nur in kampffeministischen Kreisen würde ein solcher Auftritt auf dem Laufsteg der «Schweizer Illustrierten» eigentlich für hämische Kommentare sorgen.

Aber bei Frauen, die doch eigentlich auf der guten und richtigen Seite stehen, herrscht Beisshemmung. Auch wenn sie schon eine «Impfersatzabgabe» forderte und in Frage stellt, ob ein solches grobfahrlässiges Inanspruchnehmen der Impffreiheit in der Schweiz nicht sanktioniert werden müsste. Wer rauche, müsse doch auch Tabaksteuer bezahlen.

Im Übrigen ist Sanija Ameti für eine «differenzierte Impfpflicht». Logik ist nicht so ihre Sache, sonst würde sie selbst merken, wo ihre Analogie mit dem Rauchen hinkt. Der Konsum von Tabak ist kostenpflichtig, die freie Entscheidung, zu rauchen oder nicht, die ist gratis.

Honni soit, qui mal y pense.

Ähnlich schräg argumentiert auch SP-Nationalrat Fabian Molina, der eine Impfpflicht mit der obligatorischen Dienstpflicht für Männer vergleicht. Es ist bedauerlich, zu welchen öffentlichen Fremdschämaktionen der ewige Versuch von Politikern führt, in den Medien wahrgenommen zu werden.

Auch eine Lobbyisten ist ganz vorne dabei

Ganz vorne dabei ist auch die Krankenkassenlobbyistin Humbel:

Alleine die Liste ihrer Interessensbindungen als Nationalrätin zählt 9 bezahlte Verwaltungs- oder Stiftungsratsmandate auf; darunter die Concordia, das Swiss Medical Network, die Reha Clinic AG, die Stiftung Vita Parcours, usw. Natürlich völlig unabhängig davon fordert eine christliche Politikerin der Mitte doch tatsächlich, dass Ungeimpfte allenfalls auf einen Platz in der Intensivstation verzichten sollten.

Dieser fundamentale Angriff auf das Solidaritätsprinzip in der obligatorischen Krankenversicherung wird weitgehend kommentarlos zur Kenntnis genommen und referiert. Ob ein alter Raucher eine Lungentransplantation bekommen sollte oder ein Alkoholiker mit Leberzirrhose ein neues Organ, das sind völlig berechtigte Abwägungen. Aber wegen der Inanspruchnahme eines Freiheitsrechts Sanktionen oder gar den Ausschluss von medizinischen Leistungen zu fordern, das ist eigentlich unerhört.

Getoppt wird das nur durch die Gleichgültigkeit der Medien, deren Erregungsbewirtschaftung auf andere Aussagen fokussiert ist. So nach der Devise: man kann sich ja nicht um alles kümmern. Vor allem nicht um Aussagen, die doch eigentlich deren vorgefasster Meinung über Impfmuffel entsprechen …

Es darf gelacht werden: Sohohonntag in den Medien

Die beliebte Quizfrage: würden Sie hierfür Fr. 17.40 ausgeben?

Das müsste nämlich der Leser hinlegen, der unsere drei Sonntagsblätter am Kiosk käuflich erwirbt.

Die «SonntagsZeitung» macht das, was man halt so tut, wenn ein Thema so ausgelutscht ist, dass inhaltlich eigentlich nichts mehr geht. Impfen? Schnarch. Triage? Gähn. Bundesrat? Dös. Himmel hilf, da braucht es den uralten Trick, die Ebene zu wecheln. Statt die x-te Corona-Koryphäe nun ein anderer Fachmann:

Der Psychiater über die Covid-Wut. So wie bei Jugendfragen unausweichlich die Allzweckwaffe Allan Guggenbühl zum Einsatz kommt, warnt hier Frank Urbaniok «vor den Folgen».  Fehlt noch etwas zum Leserglück? Natürlich, der unvermeidliche Cédric Wermuth. Der SP-Co-Chef weiss, dass man im Kampf um Aufmerksamkeit zuerst ziehen muss, schnell etwas äussern, und «provokativ» muss das auch sein.

Daher, gähn, zieht der Kämpfer gegen den Kontrollstaat ein Impfobligatorium in Betracht. Oder in der Originalformulierung: er fordert «rasch eine offene Debatte über Massnahmen wie G2 oder eine Impfpflicht». Das heisst nun genau nichts, aber Foto und Quote sind ihm sicher, was will er mehr.

Dann folgt ein Beitrag zum Thema «Paid Post». Laut der aktuellen Untersuchung der ZHAW sind bis zu 60 Prozent der Leser nicht in der Lage zu erkennen, dass die nächste Doppelseite ein bezahltes Inserat ist.

Zum Thema Ausland hat die SoZ einen besonderen Leckerbissen parat:

«Neukaledonien stimmt über seine Unabhängigkeit ab».

Himmel hilf, was interessiert das wohl den Schweizer Leser? Er ahnt aber: Autor Maximilian von Klenze ist ein Jungredaktor der «Süddeutschen Zeitung», von wo der Artikel stammt. Und die Teutonen sind immer noch etwas nachtragend, dass Frankreich bis heute so etwas wie ein Kolonialreich hat, während das Volk ohne Raum, das auch zur Sonne strebte, seine Kolonien im Versailler Vertrag weggenommen kriegte*.

Dass auch Symbolbilder Glücksache sind, zeigt die SoZ hier:

Was der grossartige Film «Falling down» mit Michael Douglas über einen durchrastenden kleinen Angestellten mit Corona zu tun hat, erschliesst sich wohl niemandem.

So viel kriegt man für 6 Franken.

Neuerdings probiert’s die NZZaS mit Sauglattismus:

Hat aber das Hörrohr nahe am Leser und führt mit Trara den Bund «2050» zum Thema Klimawandel weiter. Auch die NZZaS ist langsam verzweifelt, was man zum Thema Corona denn noch machen könnte. Aber dem Ingeniör ist nichts zu schwör:

Da sagt der Fuchs schon mal gute Nacht.

Einen besonderen Tiefpunkt setzt mal wieder Aline Wanner in der langsam peinlichen Medienkolumne. Als hätte es einen Rainer Stadler nie gegeben. Sie kritisiert die Medienmarotte, es immer wieder mit Spekulationen über mögliche Corona-Massnahmen zu probieren. Das käme bei «Tages-Anzeiger», «Blick» und «20 Minuten» vor, dort würde «mit einer merkwürdigen Mischung aus Katastrophenlust und  Regelsehnsucht» gemutmasst. Harsches Urteil: «Spekulationen sind Zeitverschwendung, sie bringen nichts ausser Angst und Aufregung».

Diesem Urteil mag man zustimmen. Nur sei die Prognose gewagt, dass Scharfrichterin Wanner mindestens doppelt so glaubwürdig daherkäme, wenn sie auch Beispiele aus dem eigenen Hause erwähnen würde.

Weiter 6.50 sind ausgegeben.

Schliesslich noch der «SonntagsBlick», um die 17.40 komplett zu machen. Dröhnen auf dem Cover, so ist’s recht für den Boulevard.

Im Editorial dann geht Gieri Cavelty der Frage nach:

«Sind die Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht Nazis?» Echt jetzt?

Gerade im Boulevard wäre das ein Klassiker für die Antwort: «Nein.» Aber dann könnte Cavelty nicht zeigen, dass er sich Kenntnisse über das Verhältnis der Nazis zum Impfen angeeignet hat. Dabei half ihm – wir rufen bravo! – die Lektüre eines Buchs. Wir wollen die Spannung auf die Spitze treiben, zu welcher Antwort Cavelty nach mehr als 4000 Buchstaben kam – das sei hier nicht verraten.

Und sonst? Wer auf den folgenden Seiten des SoBli irgend etwas findet, das mit grösstem Wohlwollen nach Aktualität, Neuigkeit, Analyse oder Horizonterweiterung riecht, soll sich hier melden. Wir werden dann die nötigen Schritte einleiten.

Aber aufgepasst, auf Seite 38/39 lernen wir, dass Sarah und Jan «nachhaltig wohnen». Warum? «Wir wollen eine intakte Welt übergeben.» Das ist nett von ihnen, noch netter ist, dass das von «BKW präsentiert» wird. Genau, die vormalige Bernische Kraftwerke AG hat sich ein doppelseitiges Inserat gegönnt. Hinweis für die bis zu 60 Prozent SoBli-Leser, die das für den interessantesten redaktionellen Beitrag halten.

Ach, und das Gefälligkeitsinterview mit ZuccheroVielleicht war ich in einem früheren Leben Schweizer») ist kein Inserat. Also zumindest ist es nicht so gekennzeichnet. Hier mussten wir dann doch zu Seite 2 zurückblättern, weil wir schon vergessen hatten, ob die Befürworter der allgemeinen Impfpflicht nun Nazis sind oder nicht.

Während wir das herauszufinden versuchten, wir gestehen es errötend, sind wir dann allerdings weggeschnarcht.

 

*Red. Das geschah nicht scheibchenweise, wie hier ursprünglich stand. Nach einem Leserhinweis korrigiert.

Einmal Wappler, bitte

Die NZZaS versuchte, einen Wackelpudding an die Wand zu nageln.

Ein Interview mit Nathalie Wappler ist etwa so erkenntnisfördernd wie der Versuch, die «Tagesschau» zu interviewen.

Wappler versucht es immer wieder mit der gleichen Strategie. Leugnen, zurückfragen, dann wieder leugnen.

Die NZZaS konstatiert, dass die Sparnmassnahmen zu einer Qualitätseinbusse geführt haben, beispielsweise beim Flaggschiff von SRF, den Nachrichtensendungen. Verteidigungslinie eins von Wappler:

«Dass die Qualität der Sendungen ungebrochen hoch ist, wird uns regelmässig von unabhängiger Stelle attestiert.»

Wechsel von Defensivverteidigung zur Offensive: «Weshalb ist es aus Ihrer Sicht eine Qualitätsminderung, wenn ein Beitrag länger und vertiefter ist?»

Die NZZaS legt nach, dass sei nicht ihre Meinung, sondern Mitarbeiter hätten ausgesagt, dass sie ausdrücklich als Sparmassnahmen angehalten worden seien, Beiträge in Live-Schaltungen durch «längere Gespräche und Zusatzfragen in die Länge zu ziehen».

Nun geht Wappler etwas die Luft aus, also wird sie apodiktisch: «Das sind keine Sparmassnahmen.» Sondern das diene der «Vertiefung».

Wapplers ewig gleiche Taktik

Gleiche Taktik bei Fragen nach dem Abbau in der Kultur. Zuerst Gegenoffensive, dann halbes Eingeständnis: «Das mit dem Sparen ist ernst. Glauben Sie mir, ich hätte lieber neue Formate entwickelt und gleichzeitig die alten behalten. Das ging aber nicht.»

Die NZZaS hakt nach, dass Kultursendungen gestrichen wurden, ohne einen Ersatz zu präsentieren. Da versucht sich Wappler in absurder Logik: «Was soll ich entwickeln, bevor ich weiss, wie viele Mittel ich für die Weiterentwicklung habe?»

Das könnte man in einer ordentlichen Finanzflussplanung theoretisch hinkriegen, aber wieso auch. Dann setzt sie noch einen drauf: «Zu unserer Unabhängigkeit gehört auch, dass wir die Finanzen in Ordnung halten.»

Das muss man nun zumindest als nassforsch bezeichnen, bezüglich Finanzgebaren, Verzögerungen, Zusatzkosten beim Newsroom usw. spricht sogar der sonst um christliche Sanftmut bemühte Parteipräsident der «Mitte» Gerhard Pfister von einem «Saftladen». Aber das kratzt natürlich eine Wappler nicht.

Auch auf die Frage, wieso SRF nicht von den drei TV- und sechs Radiosendern ein paar streiche, die Konzession fordert nur insgesamt fünf, versucht es Wappler mit einer Gegenfrage: «Wieso soll ich in einer Welt mit immer mehr Medienkanälen ausgerechnet Kanäle streichen?»

Knappe Replik der NZZaS: «Weil Sie sparen müssen, um Geld für neue digitale Projekte zu haben.» Da macht Wappler den Wackelpudding: «Die heutigen Sender laufen ja gut.»

Abgesehen davon, dass das sehr relativ ist; wo ist hier der Bezug zur Frage? Im weiteren Verlauf des Interviews verwendet Wappler diesen Trick wieder und wieder.

Antworten auf Fragen, die nicht gestellt wurden

Kritische Fragen an einen Bundesrat? «Sagen Sie mir, wo nicht.» Interne Unruhen und viele namhafte Abgänge? «Erklären Sie mir das mit den vielen Abgängen, bitte.» Die NZZaS erklärt mit langer Namensliste. Darauf Wappler: «Ich finde es immer schade, wenn Kolleginnen und  Kollegen das Haus verlassen.»

Das mag ja so sein, nur war das nicht die Frage. «Wir sind immer noch ein attraktiver Arbeitgeber», die NZZaS kontert mit einer Mitarbeiterbefragung, in der desaströse 54 Prozent SRF als attraktiven Arbeitgeber bezeichnen. Kühle Antwort:

«Eine derart grosse Transformation ist mit Irritation verbunden.»

Natürlich ist es einer Chefin unbenommen, ihre Politik, ihre Entscheidungen und deren Auswirkungen zu verteidigen. Aber dermassen realitätsfern, abgehoben, arrogant und uneinsichtig, das ist bedenklich. Das riecht nach überspielter Unsicherheit. Nach leichtem Angstschweiss. Nach Hilflosigkeit, Prozesse zu lenken und zu verstehen, Keine schöne Sache für die Mitarbeiter bei SRF.

Guten Morgen, Gutmensch

Wer Betroffenheitsorgien veranstaltet, sollte Vorbild sein.

Selbst der hartgesottenen Sandro Benini wirkte etwas nah am Wasser gebaut bei seiner Beschreibung einer Sause im Schauspielhaus zum Thema Seenotrettung im Mittelmeer: «Stummes Entsetzen im Publikum».

Roger de Weck fand – wie meist – gültige Worte:

«Es geht nicht, Menschen ertrinken zu lassen.»

Diesen Satz wollen wir in seiner Allgemeingültigkeit so stehen lassen. Wir finden aber, dass man nicht nur solche Sätze sagen muss, sondern auch danach leben.

Zwar soll es kein richtiges Leben im falschen geben, aber wer erinnert sich schon noch an Adorno. Also muss man sich einen Morgen des stumm Entsetzten so vorstellen: Der Fair Trade Kaffee aus nachhaltigem Anbau hilft ihm nach dem Schlummer, in die Gänge zu kommen. Natürlich hatte er sein müdes Haupt auf zertifizierte Baumwolllaken gelegt; Matratze und Decke sind aus Hanf, beziehungsweise Bambusfaser; niemals käme das Ergebnis einer gerupften Gans in Frage.

Auf ein Bettgestellt wird verzichtet, denn diese nur aus nachhaltigen Materialien gebauten Dinger sind dann doch richtig und wirklich teuer.

Zum Frühstück gibt’s zwei Tofuscheiben, darauf ein Vegiburger, der von einem Spiegelei gekrönt wird. Selbstverständlich Freilandhaltung aus der Region. Da darf sich das Huhn noch kurz von jedem einzelnen Ei verabschieden. Der Schredder für männliche Küken läuft ganz leise im Hintergrund, sein Geräusch wird übertönt von einer Endlosschleife mit Chopins Trauermarsch.

Garstiges Wetter, das Richtige für die Schuhe aus veganem Lederersatz. Als Fahrzeug kommt natürlich nur das Velo in Frage, was denn sonst. So sollte das sein, wenn nicht nur Betroffenheit geheuchelt wird, sondern tatkräftig im Kleinen und im Persönlichen etwas unternommen würde.

Es sollen rund 200 Zuschauer im Zürcher Schauspielhaus stumm entsetzt gewesen sein. Wie viele von denen wohl am nächsten Morgen so in den Tag einstiegen?

 

Sicher ist die Unsicherheit

Glücklich sind die Einfältigen und Einfachen im Geist. Aber wie weiter in unsicheren Zeiten?

Wer schon immer wusste, dass die Vernunft siegt, kann sich beruhigt zurücklehnen. Angeblich haben wir nun doch alle Voraussetzungen, um dieser Pandemie ein für alle Mal den Garaus zu machen.

Wer nicht in der Lage ist, seine Hirntätigkeit dermassen herunterzufahren, macht sich Sorgen. Nicht unbedingt um die medizinischen Entwicklungen, auch nicht um einen möglichen Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Wirklich besorgniserregend ist etwas ganz anderes, was in all den Hunderten von Berichten und Kommentaren kein einziges Mal thematisiert wird.

Jeder, der wirtschaftliche Verantwortung trägt oder schon einmal etwas davon gehört hat, weiss, dass es immer Flexibilität und Anpassungsfähigkeit braucht, wenn ein Geschäftsmodell die Zeiten überleben will. Aber es gibt ein potenziell tödliches Gift, das lähmt und tötet: Unsicherheit.

Es ist ein alter Scherz, dass Prognosen über die Zukunft schwierig sind. Es ist eine alte Erkenntnis, dass ein gedeihliches wirtschaftliches Wirken auf zwei Grundvoraussetzungen beruht. Rechtssicherheit und Handlungssicherheit.

Rechtssicherheit bedeutet, dass nicht plötzlich die Spielregeln geändert werden, gar noch rückwirkend. Unternehmerische Entscheidungen haben normalerweise ein Pay Back von sieben Jahren. Also eine heutige Investition sollte sich in dieser Zeit amortisiert haben. Wenn alles gutgeht. Muss nicht sein, daher spricht man auch vom Unternehmerrisiko.

Aber Staaten, die über längere Zeit Rechtssicherheit garantieren können, denen geht es normalerweise gut. Auch hier können sowohl politisch wie gesellschaftlich jede Menge Fehler gemacht werden. Aber wenn diese Rahmenbedingung stimmt, dann ist die wirtschaftliche Entwicklung belastbar. Und, man mag das mögen oder nicht, das Wohlergehen der Teilhaber einer Gesellschaft hängt vom ökonomischen Unterbau ab. Nicht vom Herumgehampel im intellektuellen Überbau.

Die zwei Triebkräfte der Prosperität

Eine robuste Wertschöpfung ist zunächst einmal die Grundlage für alle Debatten um Umverteilung. Denn auch umverteilt kann nur werden, was zunächst produziert wurde. Ausser, aber das geht mittelfristig nie gut, man ersetzt Wertschöpfung durch Geldschöpfung.

Die zweite Voraussetzung heisst Handlungssicherheit. Mit allen Unwägbarkeiten der Zukunft hilft es beispielsweise bei einem Investitionsentscheid, wenn es Anlass zur Hoffnung gibt, dass in sieben Jahren die Anfangsinvestition wieder hereinkommt. Weil mit keinen gravierenden Veränderungen zu rechnen ist.

Die geschichtliche Erfahrung zeigt, dass Staaten, die Rechts- und Handlungssicherheit garantieren, prosperieren. Kommt dazu noch ein gut ausgebautes Bildungssystem und eine belastbare, moderne Infrastruktur, hohe Subsidiarität und genügend Partizipationsmöglichkeiten in gesellschaftlichen Prozessen und Entscheidungen, dann ist dieser Staat ziemlich gut unterwegs. Noch ein Sprutz Innovationskraft, möglichst wenig natürliche Ressourcen (die stürzen das sie besitzende Land meistens ins Elend), und schon sprechen wir von der Schweiz.

Nun ist ein solcher Zustand allerdings nicht unumkehrbar. In der Geschichte gab es Reiche, die viel länger Bestand hatten als der moderne Kapitalismus, der sich in seiner vergleichsweise kurzen Existenz schon zweimal beinahe selbst in die Luft gesprengt hätte. Und ein beinahe tödliches Kräftemessen mit einer gesellschaftlichen Alternative überstand.

Ohne Antagonist kein Fortschritt

Auch hier gilt der alte Satz: Konkurrenz belebt das Geschäft. Dass nach dem Zweiten Weltkrieg im Westen die sogenannten Sozialstaaten entstanden, wäre ohne die Konkurrenz durch die vermeintlichen Arbeiter- und Bauernparadiese nicht möglich gewesen.

Der Wegfall dieses Antagonisten hat bis heute verheerende Auswirkungen. Vom Ende der Geschichte wurde fantasiert, von der Unbesiegbarkeit des Kapitalismus. Bis die Finanzkrise 2008 das Vertrauen nachhaltig erschütterte. Bis allen klar wurde, dass wir vorher in einer bipolaren Welt lebten, inzwischen aber in einer multipolaren.

Was die Finanzkrise fürs Wirtschaftssystem war, ist die Pandemie für den geistigen Überbau. Ein Rückfall in längst überwunden geglaubte Verhaltensweisen. Debattierunfähigkeit, emotional gesteuerte Rechthaberei.

Schlimmer noch: statt vorhersehbarer und Sicherheit gebender Regierungspolitik wildes Rudern, hektisches Hyperventilieren. Welcher Geschäftsmann weiss heutzutage, welchen Rahmenbedingungen er morgen ausgesetzt ist?

Nicht nur Betreiber von Restaurants haben keine Ahnung, ob und wie sie die nächsten Wochen und Monate überleben werden. Das gilt für eine Vielzahl von Geschäftsmodellen. Bislang werden die gravierenden Auswirkungen mit Geld zugeschüttet. Aber Fiatgeld kann keine Wertschöpfung ersetzen. Wertschöpfung ist nur mit stabilen Sicherheiten möglich.

Also wäre es sinnvoll und dringend, mal über solche Fragen öffentlich nachzudenken. Doch dazu bräuchte es die entsprechenden Denker von Format. In den Mainstream-Medien finden sie nicht statt. Gibt es sie überhaupt noch?