Altes aus dem Abfallhaufen

Kommentare sind (meistens) eine Pest.

(Auch) die eigenen Leser – zumindest die Kommentatoren – beschimpfen, das ist vielleicht keine gute Idee. Muss aber sein. Es ist auch nicht wirklich eine Beschimpfung, sondern ein Seufzer.

Nicht nur ZACKBUM ist in langwierige, teure und nervige juristische Auseinandersetzungen verwickelt, weil mutige Kommentatoren – meistens im Schutz der Anonymität – so richtig vom Leder ziehen. Und der Betreiber der Webseite nicht sorgfältig genug darauf achtete, dass sich darin keine justiziablen Formulierungen befinden.

Geradezu todesmutig ist in dieser Beziehung Lukas Hässig mit seinem Finanz-Blog «Inside Paradeplatz». Dort verwandelt sich der Kommentarteil nicht allzu selten in eine Kloake*. Wer das liest, ist erschüttert. Weil man doch davon ausgehen kann, dass hier ein repräsentativer Querschnitt von Angestellten im Schweizer Finanzsektor kommentiert. Nicht zuletzt deshalb ist es wohl kein Wunder, in welch desolatem Zustand sich die Schweizer Banken befinden.

Die Quittung: Credit Suisse klagt ihn ein, was das Zeug hält. Für einige seiner Artikel, vor allem aber für viele Kommentare. Diese Klage überlebte sogar den Aufkauf der CS, man ist nachtragend. Zuletzt geht es dabei um die Wiederherstellung einer verletzten Ehre oder Persönlichkeit. Es geht einfach darum, Hässig mit den Gerichts- und Anwaltskosten fertigzumachen.

Inzwischen sind eigentlich alle Plattformen, die Kommentare zulassen, dazu übergegangen, alles zu moderieren. Also Geld dafür auszugeben, dass der schlimmste Schlamm, das Übelste, Widerwärtiges, Beleidigendes und Krankes nicht publiziert wird. Glücklicherweise ist das bei der Leserschaft von ZACKBUM nicht der Fall. Natürlich, kleines, schleimiges Kompliment. Ist aber so. Pro Monat muss vielleicht ein Kommentar, maximal zwei gelöscht werden. Gelegentliche Spam-Versuche können heutzutage problemlos durch Sperren der IP-Adressen abgewehrt werden.

ZACKBUM will hier nicht die bekannten Forschungsergebnisse wiederholen, was sich in Kommentarspalten abspielt, was die Motivation der Schreiber ist, wieso mindestens die Hälfte die eigene Meinung kundtun will, aber keinesfalls auf den Inhalt des Kommentierten eingehen.

Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt, der gewisse Hygienevorschriften bei den Kommentaren unabdingbar macht. Gleicht dort das Niveau mehr einer Wirtshausschlägerei kurz vor der Sperrstunde, bei der ein hoher Alkoholspiegel und nichtige Anlässe zu gröberen Beschädigungen von Mensch und Mobiliar führen, sind feinnervigere Kommentatoren abgeschreckt, die vielleicht wirklich interessante Beiträge leisten könnten.

Ein aktuelles, abschreckendes Beispiel ist leider «Weltwoche online». Recht trocken und korrekt veröffentlichte sie den Inhalt der Rede, die Selenskyj vor dem Schweizer Parlament halten durfte. Darüber ergossen sich (Stand Donnerstagabend) 332 Kommentare.

Einige Müsterchen (in Originalversion):

«Sauhund! – Sie wollen sich vorstraengeln zum klatschen, damit der Verbrecherstaat USA sie sehen kann. – Bundesrat Ständerrat sowie der Nationalrat hat unser Land ins jenseits Befördert. – parlament auflösen bevor sie noch mehr schaden anrichten können – Eine Schande für die Schweizer Landesvertreter. Mehrheitlich leider Landesverräter. Nur, bald ist Wahltag = Zahltag. Wir müssen denen endlich zeigen wer hier das Sagen hat! – Nun, wenn die erste Kinschal das dieses Bundeshaus pulverisiert, mit samt dem Inhalt, werde ich eine Flasche Prosecco öffnen und es feiern. – Drecksparlamentarier, vor euch soll man noch Respekt haben? Ihr Neutralitätsverräter und Verfassungsbrecher! – Standing ovations? Ich glaub’s nicht! Alle ab an die Front, ihr lieben Volksdiener. ich kann nur noch kotzen ab unseren erbärmlichen Parlamentariern – PFUI DEIBEL !!!! Schweizer, schämt euch. !!!!»

Ist es jemandem noch nicht schlecht? Selbstredend sind all diese Kommentare von feigen Wäfflern verfasst, die sich hinter einem Pseudonym verstecken und nicht einmal wissen, dass man sie über ihre IP-Adresse identifizieren könnte.

Immerhin einen kleinen Lichtblick-Kommentar gibt es. «Das Niveau der WW und ihrer Anhänger ist ja schon absolut unterirdisch!»

Ds ist nun auch etwas pauschal, aber angesichts dieser Ladung Jauche verständlich. Unverständlich ist hingegen, wieso die WeWo das zulässt. Damit senkt sie tatsächlich das Niveau bis auf den Nullpunkt. Da anonyme Belferer meistens feige sind, ist auch nicht zu befürchten, dass ohne diese Bedürfnisverrichtung mit amoklaufenden Schützen zu rechnen wäre.

Eigentlich gibt es zwei einfache Abhilfen für all das. Erstens, der Kommentar wird nur publiziert, wenn er von einem verifizierten Absender stammt, der mit seinem richtigen Namen dahintersteht. Zweitens, für die Benützung der Plattform wird bezahlt. Viele Kommentarschreiber haben das Gefühl, es sei ihr unveräusserliches Menschenrecht, öffentlich ihren Senf absondern zu dürfen, und krähen sofort lautstark Zensur, wenn man sie daran hindert. Das ist ein Irrtum.

*Packungsbeilage. René Zeyer publiziert gelegentlich auch IP und auch bei der «Weltwoche». 

9 Kommentare
  1. peter weilharter
    peter weilharter sagte:

    Peter Weilharter
    29752 Sayalonga
    Camino Carraspite 112
    wenn klein geschrieben bin’s, denk ich, meist Meinereiner (ab und an auch was untergriffig, wenn provoziert)

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  2. Karl Warth
    Karl Warth sagte:

    Ein Recht auf Kommentieren gibt es nicht, das stimmt. Die Verlage wollen allerdings eine lange Verweildauer auf ihren Seiten und auch Interaktion ist gewünscht. Sie betreiben die Foren also nicht einfach aus Goodwill, schon gar nicht bei aufwendiger Moderation, die durchaus Geld kostet.
    Die schlimmsten Foren sehe ich eher bei Tages-Anzeiger. Da werden faktisch pointierte Kommentare gecancelt, die nicht zum Artikel passen aber reihenweise NS-Vergleiche zur SVP freigeschaltet, zum Teil ohne jeden Zusammenhang zum Thema des Artikels.
    Vielleicht bräuchte es andere Plattformen. Klarnamen sind nicht unproblematisch, gerade in unserem gegenwärtigen medialen Klima, in dem alles rechte und bodenständige geächtet wird.

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    • Karl Warth
      Karl Warth sagte:

      PS: Anhand dieser Kommentare hier und der immer mal wieder aufblitzender Kritik an der Moderation in den Tages-Anzeiger-Kommentaren, wäre es evt. mal hochinteressant, eine Innenansicht eines Tagi-Moderators zu lesen…Was sind die Vorgaben? Was unverzeihlich? Sind das externe Dienstleister? Oder macht das der Tagi inhouse😂? Es würde mich brennend interessieren.
      Die Moderation der Weltwoche betreibt übrigens durchaus Korrespondenz über gecancelte Kommentare (Sry, auch ich haue regelmässig daneben). Näheres weiss ich nicht, aber der externe Moderationsdienst ist durchaus zugänglich und wirklich höflich. TA verschanzt sich hinter Standartantworten. Man kann IP und WW in Zweifel ziehen deswegen, In meinen Augen ist es gut und gesund, dürfen sich da auch Gefrustete äussern. Sie sind nicht weniger gefrustet und verbittert, wenn ihre (und meine) Äusserungen gecancelt werden. Im Gegenteil.

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      • K. Meyer
        K. Meyer sagte:

        Ich war Tagi-Abonnent und das mit den nicht veröffentlichten Kommentaren und der tendenziösen Zensur kann ich nur bestätigen. Während Corona kam ich z.B. auch mit anständig verfassten und nur ansatzweise kritischen Einwürfen nicht durch. Beleidigende Kommentare im Stil von Schwurbler, Covidioten, Flacherdler usw. waren hingegen massenhaft zu lesen. Die Weltwoche ist in dieser Hinsicht um einiges souveräner auch wenn sich hier zeitweise tatsächlich Abgründe auftun. Zudem: Im Tagi lese ich zwar richtige Namen, aber die kann man sich selbst aussuchen. Ein Hans Huber dort ist nicht glaubhafter als ein Wilhelm Tell in der WW.

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  3. Reto Studer
    Reto Studer sagte:

    Nur falls Sie es vergessen haben: man nennt das Meinungsfreiheit. Das gilt immer, ob es Ihnen jeweils nun passt oder nicht.

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  4. Robert Müller
    Robert Müller sagte:

    Grundsätzlich richtig. Es wird oft primitiv und gehässig. Aber immerhin lassen Weltwoche und IP auch Kommentare zu die nicht der redaktionellen Stossrichtung entsprechen. Die stehen den von Ihnen im Artikel erwähnten Ausfällen übrigens in nichts nach. Davon können z.B. Tagi-Leser nur träumen. Hier wird einfach hauptsächlich das publiziert was ideologisch passt, mit ein paar Quoten-Ausnahmen vielleicht. Ist das die bessere Lösung für einen potentiell interessanten Meinungsaustausch?

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  5. A.S.
    A.S. sagte:

    Genau so ist es! Viele Kommentarschreiber sind wirklich nicht Leute mit denen man sich gemein machen möchte, darum lasse ich dann (trotz meines Geltungsdrangs!) das Kommentieren. Das gilt, ganz exemplarisch für WeWo und Tagi. Was der Wewo die lange Leine, (oder keine?), die locker bis zum Güllekasten reicht, ist dem Tagi die Ponyhof-Tagespo ( Tagesanzeigergesinnungspolizei), seine Zensurabteilung, die besonders seit Corona rigide auf potentielle Schneeflockenzerstörung oder gar neutrale Berichterstattung reagiert. Fast alles scheint dem Tagi-safe-space zur Kommentierung etwas heikel zu sein: die Sicht der «anderen Seite», die Zusammenarbeit von Ukro- und US-Oligarchen, Ursula v.d. Leychens BDM-Schwung und Nonchalance im Umgang mit Steuergeldern, die Gefühle von das Holzer und offensichtlich der Hinweis auf die eigene Annabellisierung (gell Hr. Brunner!?).

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  6. Christoph Müller
    Christoph Müller sagte:

    Nichts gegen das «Rausfiltern» von Kommentaren, sofern die Filterkriterien bekannt sind und auch entsprechend kommuniziert werden. Es gibt aber auch Plattformen (der Tagesanzeiger sticht hier besonders heraus), da wird vor allem mit einem nicht öffentlich kommunizierten Filter (fast) alles eliminiert, was nicht ins linke/woke Weltbild passt.

    Für den unbedarften Leser der Kommentarbereiche wird damit der Eindruck erweckt, dass die Mehrzahl der Kommentarschreiberinnen und Kommentarschreiber auf der gleichen Linie sei. So wird also ein «Konsens» konstruiert, wo gar keiner existiert. Es ist dabei egal, ob es um Klima, Corona, Gender oder sonst ein Thema geht. Die «Twitter Files» lassen grüssen ( https://twitter.com/mtaibbi/status/1598822959866683394 )

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  7. H.R. Füglistaler
    H.R. Füglistaler sagte:

    Tja sehr schwierig. Entweder man will Presse- und Meinungsfreiheit oder man will Zensur.
    Auf welcher Seite die Medienkonzerne stehen erleben wir tagtäglich.

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