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Jammern auf billigem Niveau

«Inside Paradeplatz» begrüsst einen neuen Mitautor.

Mark van Huisseling ist sonst eher dafür bekannt, dass er (Markenzeichen Nebensätze in Klammern) in der «Weltwoche» und anderswo die Schönen und Reichen und ganz schön Reichen und die Prominenten mit genau der richtig dosierten Menge an Ironie begleitet, die sie noch vertragen.

Da erzählt er auch gerne von seinen Autos, Sonnenbrillen und sonstigen Statussymbolen. Nun taucht er aber erstaunlicherweise als Autor bei «Inside Paradeplatz» auf. Obwohl zuvor noch nicht wirklich als Finanzspezialist aufgefallen, poltert er hier: «Lykke-Pleite: Gründer Olsen droht Strafantrag».

Für Leser, die mit Bitcoins und anderen Blockchain-Währungen nicht auf Du und Du sind: das ist so ein Krypto-Handelsplatz, wo man diese virtuellen Währungen handeln kann. Denn bei allem Faszinosum von Bitcoin & Co.: Die Anwendung im täglichen Leben ist eher beschränkt, die Hoffnung auf Währungsgewinne unbeschränkt. Und gerade hat doch Bitcoin die Marke von 100’000 Dollar durchstossen.

Wobei die einzige Wahrheit bislang in dieser Welt ist: Kryptowährungen sind für Leute, die «no risk, no fun» als Lebensmotto haben. Nun ist es gemeinhin so, dass der Gentleman und auch der Beobachter der High Society geniesst und schweigt. Oder aber leidet und schweigt.

Aber nicht so van Huisseling. Der drischt auf IP kräftig auf den Krypto-Opa Richard Olsen ein:

«Am Freitag vergangener Woche schloss Richard Olsen, Gründer und CEO von Lykke, seinen Krypto-Handelsplatz. Seither können Kundinnen und Kunden des Schweizer Unternehmens ihr Wallet, eine elektronische Brieftasche, nicht mehr öffnen.»

Das ist natürlich furchtbar für die Betroffenen, darauf muss die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit gelenkt werden, auch auf IP. Da jammert Mark (wir sind per du, wieso das hier ändern): «Man bekommt dann zwar recht als Gläubiger, aber kein Geld. Stattdessen einen Verlustschein, der sich zum Aufhängen über der Toilette eignet, beispielsweise.»

Ds ist ja schon furchtbar, aber Mark hat auch keine gute Meinung von unseren Strafverfolgungsbehörden: «Bei uns geht es darum, einen allfälligen Täter zu schützen, nicht seine Opfer, so sieht’s aus. Einige Geschädigte wählen deshalb einen anderen Weg, den sogenannten Strafantrag

Das hätte laut Mark den Vorteil, dass die Geschädigten direkten Zugriff auf das persönliche Portemonnaie von Olsen hätten.«Der Nachteil: Noch ist unklar, ob Olsen, ein Urenkel von Julius Bär, dem Gründer der Zürcher Privatbank, Geld hat (ein Steuerauszug von ihm wurde angefragt)».

Das ist ja alles ganz furchtbar für die Betroffenen, denen man höchstens vorwerfen könnte, dass sie zu blöd waren, die Handelsplattform, die ihre Kryptowährung verwaltet, genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn bei allen unbestreitbaren Vorteilen, die Kryptowährungen haben: wer bei einer Schweizer Bank Schweizerfranken deponiert hat, kann davon ausgehen, dass er einen Teilbetrag (oder den vollen Betrag bei Voranmeldung) problemlos in Cash ausgezahlt bekommt. Das ist bei Kryptos definitiv anders.

Aber zurück zu Mark. Irgendwo im Artikel outet er sich in einer seiner legendären Klammerbemerkungen:

«(Enthüllung: Ich bin Geschädigter sowie Mitglied einer Gruppe, die einen Strafantrag vorbereitet.)»

Dann wird Mark, der Demagogie aus eigener Betroffenheit nicht abgeneigt, noch richtig fies: «Die nachdenkliche Nachricht zum Schluss: In Amerika wurde ein Krypto-Plattformbetreiber mit Namen Sam Bankman-Fried wegen Taten, die teilweise vergleichbar sind, zu über zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt.»

Meine Güte, aus Verzweiflung ein Vergleich mit der US-Wildwest-Justiz, die absolut und in keiner Form auf die Schweiz übertragbar ist?

Disqualifiziert ihn das, einen anklägerischen Artikel darüber zu schreiben, wie ihm selbst Geld abhanden kam? Disqualifiziert ihn das, darüber zu schreiben dass er sich hübsche Extraprofite in einem volatilen Markt erhoffte? Disqualifiziert ihn  das, weil er offensichtlich in eigener Sache medialen Druck aufbauen möchte?

Ja, das disqualifiziert ihn und leider auch ein wenig IP, das dieses Selbstmitleidgejammer veröffentlicht.

 

Die CS als Spionage-Nest

Unvorstellbar, wenn diese Enthüllung der NZZ zutrifft.

Sicherlich, die alte Tante ist von einem Kläger angefüttert worden, der eine parteiische Sicht hat. Aber seine Klage in den USA, die er der NZZ zukommen liess, enthält Sprengstoff.

Er wirft kurz gesagt dem ehemaligen CS-Boss Tidjane Thiam vor, er habe ihn unter Benützung der entsprechenden CS-Infrastruktur ausspionieren lassen. Hintergrund sei, dass Thiam ein verborgenes Liebesverhältnis mit der damaligen Ehefrau (und heutigen Partnerin von Thiam) des Ausspionierten gehabt habe.

Erst 2019, als weitere Spionageaffären Thiams ans Licht kamen (was ihm letztlich den Job kostete), habe der Betroffene bei der CS nachgefragt, ob man auch ihm nachgestellt habe. Ihm sei versichert worden, dass das nicht der Fall sei. Aber der Mann liess, nach einem hässlichen Scheidungsverfahren mit seiner Frau, nicht locker. Und kam so in Besitz von Dokumenten, die eine solche Überwachung belegen.

Nun klagt der gehörnte Ehemann in den USA, weil ihm ausgehändigte Dokumente auf einem Microsoft-Server gespeichert waren. Das reicht für einen Gerichtsstand, und in den USA ist seine Forderung nach 15 Millionen Dollar Schadenersatz eher moderat – und für die UBS als Rechtsnachfolger der untergegangenen CS Peanuts.

Erschreckend ist aber, welche Unkultur in der CS hier zum Vorschein kommt. Die ganze Blase platzte, als «Inside Paradeplatz» enthüllte, dass der offensichtlich paranoide Thiam seinen abgesprungenen Starbanker Iqbal Khan so tölpelhaft überwachen liess, dass der das merkte. Der verantwortliche private Sicherheitsmann wurde als erster Sündenbock geopfert – und beging Selbstmord.

Als nächstes liess Thiam seinen Sicherheitsgurt- und Stabschef Pierre-Olivier Bouée über die Klinge springen. Als sich dann herausstellte, dass Khan kein Einzelfall war, sondern Thiam (der natürlich von nichts wusste) auch seinen Personalchef überwachen liess, war dann Ende Gelände für den machttrunkenen Chef. Der natürlich keine Schuld bei sich selbst sah, sondern verbittert die Karte Rassismus spielte. Er als Schwarzer sei bei den weissen CS-Häuptlingen nie gut gelitten gewesen.

In erster Linie war es aber sein Versagen beim Umbau der CS, das ihn die Stelle kostete. Vielleicht ist er tatsächlich als möglicher nächster Präsident der Elfenbeinküste besser aufgehoben.

Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass erst Thiam einen ganzen Spitzelapparat in der CS installierte. Offenbar gehörte das schon lange zum Business as usual. Diverse Privatdetektive auf dem Platz Zürich lebten lange Jahre ziemlich gut von Aufträgen der misstrauischen Bank.

Nachdem schon ein kindischer Nachbarschaftsstreit zwischen Khan und Thiam öffentlich wurde, samt testosterongeschwängertem Rencontre bei einer Party, wo man die beiden offenbar nur knapp davon abhalten konnte, lautstarke Meinungsverschiedenheiten draussen körperlich fortzusetzen, wirft das alles ein schreckliches Licht auf die Zustände in der Chefetage.

Schon 2019, als die Spionageaffäre aufflog, hatte die CS ernsthafte Probleme. Laut dem aktuellen VR-Präsidenten der UBS war sie schon damals eigentlich nicht mehr alleine überlebensfähig.

Die Hütte brennt, es geht um die Zukunft der altehrwürdigen Credit Suisse, gegründet vom Schweiz Überunternehmer Alfred Escher. Alle Mann an Deck, es müsste dringlich eine Überlebensstrategie her.

Stattdessen fängt der Boss ein Techtelmechtel mit einer verheirateten Frau an, was zu einer hässlichen Scheidung führt. Danach verschwendet er Zeit und Energie drauf, seinem ehemaligen Nebenbuhler nachspionieren zu lassen. wie ein nicht freiwillig herausgegebener E-Mail-Verkehr belegt. Aber nicht nur das, solches Nachspionieren scheint bei der CS durchaus üblich gewesen zu sein.

Da wurde nicht ein einsamer Privatdetektiv engagiert, der wie weiland Sam Spade oder Philipp Marlowe ans Gerät geht. Sondern es gab offensichtlich eine entsprechende Infrastruktur in der Bank, wo Mitarbeiter weltweit (in diesem Fall unter anderem in Hongkong) in Marsch gesetzt wurden.

Lukas Hässig stellt mal wieder die richtigen Fragen:

«Wie konnte es so weit kommen, dass die Bank von Alfred Escher, das Kreditinstitut des stolzen Zürich, sich in einen Verschnitt aus DDR und Rumänien verwandelte?
Wie viel mehr Leute liessen die CS-Oberen beschatten, aus welchem Grund, bis wie weit oben in der Hierarchie wusste man davon? Waren Urs Rohner und Severin Schwan von der Roche, die zwei Kapitäne im VR, auch im Bild

Aber vielleicht funktioniert hier noch das Bankgeheimnis. Und die Versagerräte bekommen nicht noch mehr dunkle Flecken auf ihren weissen Westen.

Eine Meldung und ihre Geschichte

Wie fast immer: Lukas Hässig und sein «Inside Paradeplatz».

Ein Rollstuhlfahrer kommt zur ZKB Bülach und will ein Konto eröffnen. Dafür werden ihm einige Fragen gestellt, heutzutage läuft das unter dem Kürzel KYC, know your customer, kenne deinen Kunden. Könnte ja ein verkappter Terrorist sein. Ein Oligarch. Ein Händler von Blutdiamanten. Also wird der Schweizer gefragt, ob er Mitglied einer Partei sei. Ist er, findet aber, dass das die ZKB schlichtweg nichts angeht.

Da geht er die ZKB nichts mehr an: «Ohne Offenlegung könne sie ihm kein Sparkonto eröffnen, beschied sie (eine ZKB-Angestellte, Red.) dem Mann», zitiert Hässig aus dem Politblog «Die Tribüne» eines Ex-SVP-Kantonsrats.

Wäre eigentlich eine Story, der ein Qualitätsmedium unbedingt nachgehen sollte. Vor allem eines, das über eine riesige Lokalredaktion mit eigener Chefredaktion verfügt. Aber i wo, die sind wohl alle damit beschäftigt, Reise nach Jerusalem zu spielen.

Nur IP (und ZACKBUM) haben bei der ZKB nachgefragt, wie man sich denn das erklären könne. Und bekamen gleichlautende Antworten von der Medienstelle:

«Bei Eröffnung einer neuen Geschäftsbeziehung sind Banken aufgrund des Geldwäschereigesetzes regulatorisch verpflichtet, politisch exponierte Personen (PEP) zu erkennen. Darunter fallen Personen, die auf nationaler Ebene führende öffentliche Funktionen in Politik, Verwaltung, Militär und Justiz innehaben. Nicht relevant ist das Engagement als Parteimitglied ohne Führungsfunktion auf nationaler Ebene.»

Eigentlich sind PEP zum Beispiel der Potentat einer Drittwelt-Diktatur, zwielichtige Figuren wie Maduro oder x-beliebige Herrscher aus Afrika, Asien oder Lateinamerika. Aber könnte sich in einem behinderten Schweizer ein potenzieller Potentat und Drogenhändler verbergen? Das weiss man natürlich nie, und dann hilft für alles:

«Aufgrund des Bankkundengeheimnisses können wir den konkreten Sachverhalt nicht kommentieren. Sollte in einem Einzelfall eine missverständliche Formulierung gewählt worden sein, bedauern wir dies.»

Es scheint aber keine missverständliche Formulierung gewählt worden sein, sondern das Onboarding, wie man das auf Banglisch nennt, wurde schlichtweg abgebrochen, der potenzielle Neukunde abgelehnt.

Ist das die feine Art? Sollte so eine Bank mit Staatsgarantie einen Neukunden behandeln? Wäre es nicht eine Geste, die abgebrochene Kontoeröffnung fortzusetzen und dem Kunden zum Einstand ein Goldvreneli zu schenken? Plus ein Jahr Gebührenbefreiung?

Das würde sich die ZKB vielleicht überlegen, wenn es einem Massenorgan einfiele, auf die Geschichte aufzuspringen, die ja nicht nur für Hässig frei erhältlich ist. Aber ausser der WeWo (und ZACKBUM) macht das niemand.

Im Elendsjournalismus, wo ein angebliches ungebührliches Verhalten eines ETH-Professors mit unglaublichem Gezeter zelebriert wird, als sei hier ein neuer «#metoo»-Fall aufgetaucht.

Camouflage

Die halbe Miete im modernen Journalismus.

Beginnen wir mit dem Paradebeispiel. Tamedia übernimmt einen grossen Teil seines Contents aus München. Von der Auslandberichterstattung bis zu Gedanken über Katzen des ehemaligen Münchner Oberbürgermeisters.

Ist allerdings Deutschland die Schweiz? Bayern der Kanton Bern? München wie Zürich? Nicht ganz, eher nicht. Also betreibt der Medienkonzern Camouflage, räumt die ß aus den Texten, schweizert ein oder schreibt um, was sich zu sehr nach Germanismen anhört. Werden die Texte dadurch besser, lesenswerter, kann man es verantworten, von einem Schweizer Publikum dafür Geld zu verlangen?

Probieren kann man’s.

Zwei Autoren der Süddeutschen Zeitung echauffieren sich, nachgedruckt von Tamedia, über angeblich raue Sitten im englischen Journalismus, inklusive Hacken von Mailaccounts. Dass das Gleiche in der eigenen Redaktion von der eigenen Chefredaktion getan wurde – Camouflage, kein Wort drüber.

Judith Wittwer wurde 2020 nach München in die Chefredaktion der SZ entsorgt. Seither tritt sie öffentlich kaum in Erscheinung, schwieg auch beharrlich bei der Plagiats-Affäre ihrer Stellvertreterin. Sie ist offenbar eine Camouflage-Chefin.

Ringier betreibt zusammen mit Tamedia (also mit Tx oder wie das im Moment heisst) monopolähnlich Homegate, Autoscout, Ricardo. Bewertung für einen Börsengang der Firma Swiss Marketplace Group (SMG) 3 Milliarden; bei Tx regnete es eine Sonderdividende rein (und killte die Subventionsmilliarde, nebenbei).

Aber zu viel Gier ist auch nicht gut. Wie «Inside Paradeplatz» als erster meldete, hat der Schweizerische Verband der Immobilienwirtschaft (SVIT) beschlossen, «keine Werbe-, Sponsoring- und sonstige Leistungsvereinbarungen mit der Swiss Marketplace Group AG und seinen Organisationen» mehr abzuschliessen, bestehende zu kündigen. Damit reagiert der SVIT auf freche Preiserhöhungen der SMG, die meinte: bei uns muss man inserieren, so what.

Nun bleibt als Hoffnung der Verlegerclans noch eine Neuauflage des Medien-Förderungsgesetzes, die ihnen dringend benötigte Kohle (so eine neue Yacht ist nicht billiger als ein neuer Privatflieger) in die Kassen spülen soll. Denn Qualitätsjournalismus kostet.

Liest man darüber etwas bei den vielen Kopfsalatblättern oder bei Ringier? Camouflage.

Der Lebrument-Clan in der Südostschweiz ärgert sich mit dem ewigen Radiopiraten Roger Schawinski herum. Der hatte dem siegessicheren Clan die lokale Radiokonzession vor der Nase weggeschnappt. Und gibt seinem neuen Sender den Namen «Radio Grischa», weil den die Lebruments mehr als 5 Jahre lang nicht mehr benutzt haben. Nun versuchen sie mit allen Mitteln, also vor allem mit juristischen Winkelzügen, Schawinski Kosten zu verursachen und den Sendestart zu verzögern. Liest man darüber etwas in ihren lokalen Monopolblättern? Camouflage.

Die «Weltwoche» veröffentlicht seitenlang ein Gespräch des Chefredaktors Roger Köppel mit Wladimir Solowjow. Der sei «der Superstar des russischen Polit-Fernsehens». Und darf nun ungebremst hanebüchenen Schwachsinn in der WeWo verbreiten. Camouflage: «Mit den Russen redet niemand. Das ist falsch. Als Schweizer muss man allen Seiten zuhören, sonst ergibt sich ein einseitiges Bild.» Allerdings hat Köppel das mit dem Zuhören etwas zu wörtlich genommen. Denn immerhin unterscheidet sich westlicher Journalismus von russischem doch dadurch, dass in Interviews manchmal kritische Fragen gestellt werden.

Aber gut, ein Text von Daniel Ryser wäre noch schlimmer, so ist alles relativ. Dafür hat’s in der gleichen WeWo einen von Tom Kummer. Sehr relativ …

Bislang war der Text eher traurig, daher ein paar Schmonzetten Solowjows zur Erheiterung:

«Ich bin die reinste Form eines Journalisten … Ihr (Europäer, Red.) tut uns leid … Europa führt wieder einmal Krieg gegen Russland, zum dritten Mal seit Napoleon und Hitler … Wir sagten Selenskyj, er solle aufhören, Menschen zu töten. Dann begannen wir unsere begrenzte militärische Operation … Gemäss den Verträgen, die wir unterzeichnet haben, war das zu 100 Prozent legal … Alles, was wir tun, tun wir auf der Grundlage des Völkerrechts, auf der Grundlage von Verträgen … Es spielt keine Rolle, wie lange es dauert. Wir werden gewinnen.»

Gut, ZACKBUM will ein Einsehen haben und das Zwerchfell schonen. Doch, ein Absackerchen geht noch; wie tickt eigentlich Putin? «Es geht ihm nicht um Geld. Nicht um Eigentum. Sie finden keine Korruptionsskandale. Die Russen sehen, wir er lebt, arbeitet, was er besitzt. Bei Putin geht es um Werte.»

ZACKBUM wälzt sich auf dem Boden vor Lachen, japst um Hilfe. Und bittet inständig: weniger Camouflage im Journalismus. Please. Bitte. пожалуйста.

«Köpft den Boten»-Rickli

Das ist nicht frauenfeindlich. Aber unfreundlich gegenüber der Regierungsrätin.

«Inside Paradeplatz» gebührt, wie bei so vielem, die Ehre, dass der Finanzblog zuvorderst dabei ist, wenn es um die Aufarbeitung des Skandals an der Herzchirurgie des Universitätsspitals Zürich geht.

IP hat aufrüttelnde Beiträge des damaligen Whistleblowers publiziert, der als Erster den Skandal meldete – und zum Dank dafür entlassen wurde. IP hat dem Herzchirurgen Paul Vogt das Wort erteilt, der versuchte, das unglaubliche Schlamassel aufzuräumen – und dafür übel intrigiert und gemobbt wurde. Der reputierte Herzchirurg sah sich im Sperrfeuer von Heckenschützen, die sogar eine Strafanzeige gegen ihn einreichten.

Vor Kurzem wurde er mit Pauken und Trompeten freigesprochen. Er benützte die Gelegenheit, nochmals darauf hinzuweisen, dass es am Unispital zu bis zu 150 ungeklärten Todesfällen kam. Weil sein Vorgänger ein Kardioband ausprobierte, dessen Wirkung mehr als zweifelhaft ist.

Nichtsdestotrotz war Herzchirurg Maisano am Verkauf der Herstellerfirma beteiligt, die für 700 Millionen einem US-Multi aufs Auge gedrückt wurde. Der zahlte allerdings nur 300 Millionen und hielt die zweite Tranche zurück – wegen offensichtlicher Mängel des Produkts.

Also ein veritabler Skandal übelster Art. Die Spitalleitung versuchte krampfhaft, den Deckel draufzuhalten. Die oberste Aufseherin über das Spital ist Natalie Rickli. Vogt hatte alle zuständigen Stellen bereits kurz nach seinem notfallmässigen Antritt als neuer Leiter im Jahr 2020 über diese Häufung von Todesfällen informiert.

«Er würde nicht den Kopf hinhalten für die vielen Verstorbenen in der Zeit seines Vorgesetzten», schreibt IP. Nach dem Prozess, also 2024 (!), hat sich die Spielleitung dazu bequemt, nochmals eine Untersuchung einzuleiten. Vielleicht wird sie endlich klären, wann Gesundheitsministerin und Regierungsrätin Rickli über den Skandal im Bild war. Auf jeden Fall schickte ihr Vogt im März 2022 ein langes Mail mit vielen Informationen und dass bei bestimmten chirurgischen Eingriffen unter Maisano die Mortalitätsrate auf 13 Prozent hochgeschnellt war, jenseits von Gut und Böse.

Aber:

«Auf einen Online-Bericht zum Prozess und den dort von Vogt geäusserten 150 Toten meinte ein Sprecher von Ricklis Gesundheitsdirektion:
Es würde sich um „alte Geschichten“ handeln, die der Tages-Anzeiger „immer wieder aufwärmt und die allesamt erledigt“ seien.»

So weit, so schlecht. Wird Rickli nun endlich aktiv? Oh ja. Sie verklagt «Inside Paradeplatz». Der solle seinen Bericht löschen, widrigenfalls 10’000 Franken Genugtuung spenden. Dafür hat sich Rickli der Dienste der einschlägig bekannten umtriebigen «Medienanwältin» Rena Zulauf versichert. Die hat bereits mit recht durchwachsenem Erfolg Jolanda Spiess-Hegglin (in einem Punkt gewonnen, alles andere verloren) oder Patrizia Laeri (an zwei Gerichten gleichzeitig in der gleichen Sache geklagt) vertreten.

IP wirft zudem noch die Frage auf, wieso eigentlich weder Spital noch Uni am exorbitanten Verkaufserlös des Cardiobands beteiligt wurden, wie das üblich ist. Die Institutionen behaupten, «dass sie keinen Anteil an der Erfindung und Entwicklung des Cardiobands von Maisano bis zu dessen lukrativen Verlauf gehabt hätten».

Dem stellt Lukas Hässig eine Aussage des damaligen CEO des Unispitals entgegen, der verkündete im Jahr 2016: „Am USZ entwickelt wurde beispielweise auch das Cardioband.

Während also Hässig am Ball bleibt und das macht, was die Mainstreammedien grösstenteils verschnarchen – nämlich immer wieder auf einen längst nicht aufgearbeiteten Skandal hinzuweisen, hat Regierungsrätin Rickli, statt sich endlich um ihre eigentliche Aufsichtspflicht zu kümmern, nichts Besseres zu tun, als IP einzuklagen.

Und wer berichtet über diesen Skandal im Skandal? Tamedia? Ach was, anderes zu tun, Stichwort Frauenstreik, Stichwort Pride. CH Media? Nö, kä Luscht. Immerhin die NZZ moniert: «Es ist ein Vorgehen, das den gewohnten Rahmen sprengt. Eine Regierungsrätin ergreift rechtliche Schritte gegen einen Journalisten

Auch wenn Hässig bei einem Datum ein Fehler unterlaufen ist: angesichts dieser ungeheuerlichen Vorwürfe gegen das Unispital wegen einer angeblichen «Persönlichkeitsverletzung» der Regierungsrätin mit Steuergeldern (Zulauf ist teuer) auf  den One-man-Blog vorzugehen, das ist jämmerlich.

 

Zufälle gibt’s

Die NZZaS lässt sich inspirieren.

Anders ist es nicht zu erklären, dass die hochgeschätzte Zoé Baches einen Artikel über die US-Knüppelbande OFAC schreibt. Das «Office of Foreign Assets Control» (Assets mit s bitte, liebe NZZaS) sorgt dafür, dass sich die ganze Welt an US-Sanktionen zu halten hat.

Das geht ganz einfach. Eigentlich gelten US-Gesetze nur in den USA. So wie Schweizer Gesetze in der Schweiz. Aber damit US-Gesetze auch in der Schweiz gelten, gibt es den Riesenknüppel US-Dollar. Der gehört den USA, und wer ihn benutzt, wer in den USA Geschäfte macht, wer Geschäfte macht, in denen US-Produkte vorkommen, wer in Richtung USA niest, ist fällig. Denn ein Entzug der Möglichkeit, mit Dollar zu handeln, bedeutet – vielleicht von ein paar abgelegenen Einsiedler-Tätigkeiten abgesehen – den sofortigen Exitus jedes Unternehmens. Und wer als Privatperson auf die über 12’000 Einträge umfassende OFAC-Liste kommt, ist auf milde Gaben seines Freundeskreises angewiesen. Alle Bankkonten werden gesperrt, nichts geht mehr.

Das alles weiss ZACKBUM, weil das (und noch viel mehr) am 26. April ein ausführlicher Artikel auf «Inside Paradeplatz» erklärt hat. Es dürfte nun keine Autoreneitelkeit sein, wenn sich daraus die Frage ergibt, wie weit sich die NZZaS davon motivieren liess, rund zwei Wochen später einen Artikel über «Uncle Sams sehr lange Arme» zu publizieren.

In dem haarklein erklärt wird, was das OFAC ist und was es kann. Angereichert um die Mitteilung eines «Beobachters, der anonym bleiben will», dass OFAC-Büttel regelmässig in die Schweiz reisen, um auch hier nach dem Rechten zu schauen. Das verwundert ja nicht wirklich, so sass in der Credit Suisse jahrelang ein US-Anwalt, um deren Wohlverhalten nach der Riesenbusse im Steuerstreit zu überprüfen. Und sicherheitshalber macht das der gleiche Anwalt neuerdings bei der UBS. Was jeweils Multimillionen kostet, denn hier muss der Kontrollierte auch noch den Kontrolleur bezahlen.

Das Monster UBS kann noch so gross ein, ein Dinosaurier, der die ganze Schweiz erschüttern würde, fiele er um, aber selbst dieser Dinosaurier hat Schiss vor dem OFAC und den langen Armen der USA. Denn mit dem Knüppel US-Dollar und der Atombombe ISDA Master Agreement können die USA jede Bank innert 48 Stunden in die Knie zwingen.

So zitiert die NZZaS einen älteren Artikel der deutschen «Welt», auf einen Hinweis zu IP verzichtet sie aber schamvoll. Vielleicht ist auch sie sauer, dass die One-Man-Show Lukas Hässig mehr Primeurs raushaut als die immer noch vielköpfigen Wirtschaftsredaktionen der sogenannten Qualitätsmedien.

Allerdings ist es dann doch etwas befremdlich, dass im ganzen Artikel von Baches nur «anonyme Beobachter» vorkommen, dazu «Befragte, die bestätigen», was auch ein «Vertreter einer grossen international tätigen Bank» tut (was das wohl für eine Bank ist?). Dann gibt es wieder «Befragte», oder aber «niemand will hier offiziell Stellung nehmen», auch «das Seco will nicht konkret Stellung nehmen», selbst die FINMA gebe sich «verhalten», worauf nochmals ein «Befragter» zu Wort kommt, schliesslich räumt gar «ein Vertreter einer Behörde» etwas ein.

Auch das ist nicht gerade eine Glanzstunde der Wirtschaftsberichterstattung.

 

Rehash vom Rehash

Wenn Tamedia kopiert, was die «Süddeutsche Zeitung» kopiert …

Österreichische Medien kümmern sich natürlich hingebungsvoll um den Fall des Wunderwuzzi, der mit einem primitiven Ponzi-Schneeballsystem auch ansonsten zurechnungsfähige Anleger hereinlegte. Gerade hat die «Bild» saftige Details aus einem Enthüllungsbuch publiziert, dass der deutsche Milliardär Klaus-Michael Kühne dem Blender René Benko den Stecker zog.

Dafür liess er ihn nach Hamburg fliegen und in seinem Luxus-Restaurant Fontenay Platz nehmen. Nach zehn Minuten beendete Kühne das Gespräch und stand abrupt auf. Benko mailte ihm hektisch hinterher, worauf er von Kühne den Todesstoss erhielt: «Es tut mir leid – das Vertrauen ist zerstört, und ich habe Herrn Gernandt gebeten, Ihnen meinen Wunsch nach Rückabwicklung unserer Beteiligung an der Signa Prime Selection AG anzuzeigen.» So machen das die wirklichen Big Boys.

Das hat höheres Unterhaltungspotenzial – und wurde von «Inside Paradeplatz bereits am 23. April genüsslich ausgebreitet.

Medien wie die «Kronenzeitung» oder der «Standard» haben sich insbesondere in die Liechtenstein-Connection  von Benko verbissen, wo der ein paar Millionen an Notgroschen in Stiftungen verstaut hat und auch wahre Goldlager unter anderem in der Fürstenbank LGT bunkerte. Das alles ist längst bekannt und auch schon von der «Welt» beschrieben.

Kein Grund für die «Süddeutsche Zeitung», am 23. April nicht mit einem Rehash von all diesem Bekannten aufzuwarten, unter dem Titel «Wo René Benko sein Geld versteckt hat». Inhaltlich nix Neues, ausser einem grossartigen Quote eines ungenannten Liechtensteiners, der «einmal politische Verantwortung trug» und sagt: «Es wäre schön, wenn wir wenigstens einmal bei einem internationalen Finanzskandal aussen vor wären.»

Aber dafür sind nicht nur die Untreuhänder in der fürstlichen Räuberhöhle Liechtenstein zu geldgierig.

Es muss auch Geldgier sein, dass Tamedia seinen Lesern den lauwarmen Kaffee der SZ nochmals aufgewärmt zwei Tage später serviert:

Eigenleistung null. Pardon, die Spitzmarke «Signa-Pleite» wurde um «zieht Kreise» ergänzt. Da sieht man doch, es lohnt sich, eine eigene Auslandredaktion zu beschäftigen.

Immerhin wurde der Artikel nicht hinter der Bezahlschranke versteckt. Was ihn aber nicht weniger peinlich macht.

 

Todes-Falle Unispital: Anatomie eines Skandals

Paukenschlag von Herzchirurg Paul Vogt im Gerichtssaal, mit 150 Toten und „kriminellen“ Taten: Affäre Maisano muss neu beurteilt werden.

Von Lukas Hässig*

Der Skandal um Francesco Maisano, den Herzchirugie-Chef am Zürcher Unispital (USZ) mit Pfusch-Implantaten und 340-Millionen-Reibach, wird zum Krimi mit Netflix-Potential.

Auslöser ist Maisano-Nachfolger Paul Vogt. Der fuhr heute (Freitag) im Gerichtssaal schweres Geschütz gegen das USZ und seine Exponenten auf.

150 Patienten seien von 2016 bis 2020 unter fragwürdigen Umständen ums Leben gekommen.

n jener Herzchirurgie, wo unerprobte Herz-Produkte an Kranken ausprobiert worden seien und ein „unethisches und kriminelles Verhalten“ geherrscht habe.

Vogts Vorwürfe haben Gewicht. Der langjährige Hirslanden- und USZ-Chefarzt geniesst hohes Renommee, sein Wort zählt.

Er machte klar: Patienten seien in der Herzchirurgie zu Schaden gekommen, alles andere sei „schlicht gelogen“.

Für die Abrechnung mit den USZ-Chefs wählte Vogt einen Saal des Zürcher Bezirksgerichts, wo er alles sagen durfte, weil er selber als Beschuldigter vor den Schranken der Strafjustiz stand.

Vogt nutzte das Recht des Angeklagten – zu seinen Gunsten. Die Richterin liess den Mediziner frei reden. Am Ende sprach sie ihn auf ganzer Linie frei.

Es sei dem Herz-Arzt Unrecht zugefügt worden, eine „politische Intrige“ seiner Gegner könne nicht ausgeschlossen werden.

Der Fall um Maisano und all jene, die den Italiener mit seinen Geschäftsinteressen und Interessenkonflikten bis heute schützen, erhält eine dramatische Wendung.

Allen voran für die oberste Zürcher Gesundheitspolitikerin Natalie Rickli. Die SVP-Vorzeigefrau mit Bundesratsambitionen kennt das ausufernde Dossier in- und auswendig, seit es 2020 auf ihrem Tisch landete.

Gemacht hat sie … nichts. Hätte es dafür noch einen Beweis gebraucht, so lieferte sie ihn heute, an diesem fürs USZ und für Zürich historischen Tag, gleich selbst.

Ihr Sprecher meinte nämlich auf die Frage, was die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich als USZ-Oberaufseherin nach Vogts im Tages-Anzeiger prominent gebrachten Vorwürfen unternehme:

„Wenn Sie den Artikel genau lesen, dann stellen Sie fest, dass es sich um alte Geschichten handelt, die der Tages-Anzeiger immer wieder aufwärmt und die allesamt erledigt sind.“

Schnee von gestern – so Ricklis Mann für die Kommunikation. Der fuhr fort: „Falls Sie den Eindruck haben, dass es etwas Neues gibt, fragen Sie bitte beim USZ nach.“

Das tat schon die NZZ, sie brachte die Position des USZ. Man habe alles untersucht und dabei „keine Gefährdung von Patienten“ gefunden, zitierte sie eine Sprecherin des Spitals.

Allein diese Aussage ist Zündstoff pur.

Für die eigene Untersuchung ab Anfang 2020 hatte die USZ-Leitung die Zürcher Kanzlei Walder Wyss mandatiert.

Maisanos Behauptung, es habe „keine unmittelbare Gesundheitsgefährdung“ bestanden, sei „zu relativieren“, schrieben die Anwälte im Ergänzungsbericht i.S. Projekt Neptun“.

Weiter steht im Dokument, das mit „STRENG VERTRAULICH“ gekennzeichnet ist und vom 23. September 2020 datiert:

Die „fehlende Erwähnung des nicht (mehr) verankerten Teils des Cardiobands“ habe „eine erhöhte Gefährdung (z.B. mit Blick auf einen etwaigen Folgeeingriff bewirken“ können.

Weiss die USZ-Leitung nicht mehr, was in ihren selbst bestellten Berichten steht?

Oder versucht sie auch jetzt noch, nach dem heutigen Paukenschlag durch Spitzen-Herzarzt Vogt, die Causa Maisano schönzureden?

Sicher ist: Das USZ war in der Zeit von Maisano zur Todes-Falle geworden – mit 150 verstorbenen Patienten, deren Ableben Fragen aufwarf.

Wie konnte das passieren? Wer trägt dafür die Verantwortung? Und was wurde bis heute unternommen, damit das USZ wieder sicher wird?

Ins Haus gelassen und bis zuletzt die schützende Hand über Maisano gehalten hatte Gregor Zünd.

Der CEO des Unispitals war stolz auf seinen aus Italien eingewechselten „Star“. Der brachte im Rucksack neuartige Implantate für die Reparatur am Herzen mit, sogenannte Cardiobänder.

Was kaum einer wusste: Sie stammten aus Maisanos eigener Unternehmung, der Valtech. Die wollten Maisano und seine Partner rasch verkaufen.

Dafür brauchten sie Patienten, denen sie ihr Cardioband einpflanzen konnten. Sie fanden sie, indem sie ihnen die neue Methode als gute Sache ans Herz legten.

In der Folge kam es zu Tragödien, Maisano und Co. hingegen wurden reich.

Ihr „Exit“ mit Verkauf an den US-Multi Edwards spülte als 1. Tranche enorme 340 Millionen Dollar in die eigene Kasse.

Gregor Zünd hatte für den Reibach kräftig die Werbetrommel gerührt.

Eine Weltneuheit, posaunten seine Marketing-Leute nach dem Premiere-Eingriff hinaus. Dass das Promovideo manipuliert war und die das Cardioband haltenden Schrauben bald schon aus dem Gewebe flogen:

Dazu gabs dann keinen Ton.

Im 2020, als ein Whistleblower Zünd über diesen und weitere Vorgänge unter Maisano und seine Gefährten ins Bild setzte und die Walder Wyss-Anwälte sie nicht aus der Welt schaffen konnten, kams zur Trennung.

Von beiden, also Maisano und dem Whistleblower.

Der Herz-Chef wurde aber nicht etwa mit Schimpf und sogar Klagen in die Wüste geschickt, sondern er durfte unter Abgesang von Lobeshymnen von dannen ziehen.

Der Whistleblower jedoch wurde mit dem Recht drangsaliert.

Die Affäre hatte da bereits zu hohe Wellen geschlagen, als dass man sie einfach hätte aussitzen können. Köpfe mussten rollen.

Einer tat es: jener von Spitalrats-Präsident Martin Waser.

Der ehemalige Zürcher Stadtrat, der sich einst von einem später verurteilten Chefbeamten einen Transporter des Abfuhrwesens der Stadt zum Sondertarif aushändigen liess, räumte seinen Sessel.

CEO Zünd blieb – mit dem Segen seiner höchsten Chefin, Natalie Rickli. Um die Wogen zu glätten, brauchte es nun noch das Plazet der Legislative.

Eine Subkommission USZ kam zum Einsatz, geführt von Arianne Moser, einer Freisinnigen, die später mit einer Raiffeisen-Karriere zu reden gab.

Dass der Fall derart explodiert sei, führten Moser und ihre Kommissions-Gspänli auf ein Zerwürfnis zweier Alphas zurück: Klinikchef Maisano gegen Leitender Oberarzt und dann Whistleblower.

Nötig sei im Übrigen mehr Macht für den CEO des USZ. Für Zünd.

Ausgerechnet.

Der hatte zig Affären zu verantworten, von Bauaufträgen für einen vorbestraften Immobilien-Entwickler bis zu USZ-Millionenaufträgen für die deutsche Fresenius Medical.

Beim deutschen Multi sass Zünd im VR.

Flankenschutz bei der Reinwaschung von Maisano erhielt Mosers Subkommission vom Online-Edel-Magazin Republik.

Das Medium mit den vielen Köpfen und den raren, dafür langen Texten vertauschte die Rollen. Maisano der Gute, der Whistleblower der Schlechte.

Die Journalisten bezogen sich auf das Gericht, das der Whistleblower angerufen hatte, weil er seine Entlassung nicht akzeptieren wollte.

„Das Spital trennte sich von zwei Hauptexponenten des Konflikts, mit dem einen einvernehmlich, mit dem anderen im Streit“, so die Republik.

„Es durfte dies tun, so die Auffassung des Verwaltungsgerichts: weil es um das Wohlergehen der Patientinnen gegangen sei. Und weil gerade bei Herzoperationen kein Risiko eingegangen werden dürfe.“

Der Whistleblower, also der Warner vor möglichem Pfusch und Gier durch Maisano, habe das „Wohlergehen“ der Patienten mit seinem Verhalten ebenso gefährdet wie sein Vorgesetzter.

Die Version des Hahnenkampfs als Ursache des tödlichen Klimas in der Zürcher Herzchirurgie hatte sich ein für allemal durchgesetzt.

Heute steht diese Interpretation als das da, was sie war, seit sie von FDP-Moser, Republik, Zünd, Waser und implizit auch von Regierungsrätin Rickli in die Welt gesetzt worden war:

Als komplette Schimäre.

Die Zeche zahlte der Whistleblower mit seinem Ausscheiden aus dem Arztleben. Neu politisiert er für die SVP im Schwyzer Kantonsrat und führt Unternehmen im Medizinalbereich.

Verlierer ist auch das US-Unternehmen Edwards Lifesciences.

Ein Gerichtsurteil hat gezeigt, dass die Umsätze mit dem für Hunderte von Millionen gekauften Cardioband kaum messbar sind.

„In the past three years, Cardioband’s global annual net sales ranged from approximately $2.76 million to $4.93 million, falling significantly below the net sales target in the Merger Agreement of $650 million.“

Diese jährlichen Verkaufserlöse, aufgeführt im Richterspruch vom 12. Dezember 2023, lagen weit weg von dem, was Maisano und Co. den Käufern in Aussicht gestellt hatten:

Bei nicht einmal 1 Prozent des Versprochenen.

Die Edwards-Chefs verweigerten denn auch die 2. Tranche des vereinbarten Preises für die Valtech von 350 Millionen Dollar, was zum Streit mit den Verkäufern führte.

Am Ende gab das Delaware-Gericht Edwards Lifesciences recht.

Spätestens da war klar, dass die ganze Valtech mit ihrem Cardioband nicht viel mehr als Show war – und Opfern, die darob ihr Leben verloren.

Doch Maisano, der wie vom „Beobachter“ später enthüllt nicht einmal einen echten Doktortitel erworben hatte, blieb unbehelligt. Das Mailänder San Raffaele-Spital nahm ihn bei sich auf.

Prüft das Unispital jetzt, nachdem das Delaware-Gericht Maisanos Cardioband endgültig entzaubert hat, Strafanzeige gegen ihren Ex-Vorzeige-Chirurg?

„Wir haben die hinter dem genannten Urteil stehenden Sachverhalte analysiert und sehen von Seiten USZ keinen weiteren Handlungsbedarf“, meinte ein Sprecher des Spitals vor Monatsfrist.

Auch die anderen zentralen Figuren im Drama bleiben unbehelligt.

Maisanos Schirmherr Gregor Zünd dürfte zum eigenen Abschied im 2023 einen goldenen Fallschirm von einer halben Million erhalten haben; dies nach Verlusten ohne Ende.

Spitalrats-Präsident Martin Waser geniesst sein Rentnerleben mit üppiger Beamten-Pension; er dürfte noch knapp wissen, wie man USZ buchstabiert.

Am besten geht es Arianne Moser, Maisanos Weisswascherin.

Kaum sass sie nicht mehr im Kantonsrat, schon wählte sie der USZ-Verwaltungsrat unter Waser-Nachfolger André Zemp in den Verwaltungsrat der ZüriPharm.

Das ist die verselbständigte ehemalige Kantonsapotheke, die neu als Aktiengesellschaft dem Unispital angehängt ist.

„Ich bin seit vergangenem Mai nicht mehr Mitglied des Kantonsrates (bei den letzten Erneuerungswahlen nicht mehr angetreten) und habe entsprechend seit dem Frühjahr keinerlei politische Aufgaben in diesem Bereich“, so Moser.

„Daher ergibt sich kein Governance-Thema.“

Moser, die mit ihrem Mann eine Consultingfirma leitet und von Medikamenten so viel Ahnung hat wie eine Tantra-Masseurin von Neurochirurgie, kriegt von jener Organisation Prestige und Geld, der sie in grösster Not zu Hilfe geeilt war.

Zürich, diese Weltstadt der Eidgenossenschaft, wie es effektiv operiert.

Dieser Artikel erschien zuerst auf «Inside Paradeplatz»; mit freundlicher Genehmigung des Autors.

«Republik» zusperren, Part I

Der Skandal um die Maisano-Reportage ist der letzte Zwick an der Geissel.

Als der Herzchirurg Paul Vogt vor ZACKBUM-Redaktor René Zeyer sass und in ruhigem Ton Ungeheuerliches über das Unispital Zürich erzählte – aber um Vertraulichkeit bat –, blieb selbst dem abgebrühten Journalisten die Spucke weg.

Vogt war gerade notfallmässig als Chef an die Herzchirurgie berufen worden und fand dort skandalöse Zustände vor. Rund 150 Patienten waren unter fragwürdigen Umständen ums Leben gekommen, sein Vorgänger Francesco Maisano – der aber nicht einmal einen richtigen Doktortitel besitzt – habe an Patienten eine eigene Erfindung, ein Cardioband ausprobiert. Das funktionierte nicht, aber er brauchte Erfolgsmeldungen, um den Hersteller, an dem er beteiligt war, profitabel an ein US-Unternehmen zu verkaufen.

Das gelang und sollte 340 Millionen Franken in die Taschen spülen. Intern beklagte Vogt «kriminelle Taten» und drohte damit, an die Öffentlichkeit zu gehen. Maisano wurde entsorgt – offiziell mit Dank verabschiedet –, und der wohl grösste Skandal des an Skandalen nicht armen Unispitals nahm seinen Lauf.

Denn Maisano hatte Seilschaften und Unterstützer höheren Orts, die mit ihm einig waren, dass man diesen Skandal unbedingt unter dem Deckel halten sollte. Es begann ein Intrigen- und Drecksspiel; der Whistleblower, der die unglaublichen Zustände der Spielleitung gemeldet hatte, wurde gefeuert, gegen ihn und Vogt wurden falsche Anschuldigungen erhoben und in die Medien gestreut.

Auch die «Weltwoche» spielte dabei eine klägliche Rolle, aber am schlimmsten war die «Republik». Das Organ der arroganten, bösartigen Gutmenschen liess sich wie journalistische Kindergärtner einseifen und veröffentlichte unter voller Namensnennung einen Schmierenartikel gegen den Whistleblower, der für immer in den Schrein widerlicher journalistischer Fehlleistungen gehört.

«Zürcher Herzkrise»: Der Whistleblower war ein «massgeblicher Akteur des Konflikts»», so dröhnte das Organ der Besserwisser unter voller Namensnennung:

Das war aber nur ein «Update», zuvor hatte das Schmierenblatt eine ganze Trilogie auf die «Zürcher Herzkrise» gegossen; insgesamt über 134’000 A Halbgares und Halbwahres und Angefüttertes. Dafür wurde die «Republik» dann unter anderem vom Presserat gerügt und musste knirschend eine Gegendarstellung des «Tages-Anzeigers» abdrucken – eine der Keimzellen einer späteren Racheserie gegen Tamedia.

«Die Medien spielen dabei eine unrühmliche Rolle», behaupten die drei «Rechercheure» Philipp Albrecht, Dennis Bühler und Brigitte Hürlimann, meinen damit aber natürlich nicht sich selbst. Statt zu recherchieren, liessen sie sich von «besorgten USZ-Angestellten» aufs Glatteis führen und übernahmen deren anonyme Anschuldigungen gegen den Whistleblower. Dass der am Schluss von allen Vorwürfen freigesprochen wurde, was soll’s, damit lässt sich doch die «Republik» keine schöne Skandalstory kaputtmachen. Schliesslich zitieren sie eine ganze Latte von Vorwürfen genüsslich, um dem Whistleblower dann Gelegenheit zu geben, sie «als haltlos, absolut falsch, fakten­widrig und durch nichts belegt» zu bezeichnen. Das ist doch objektiver Journalismus.

In diesem Schwarzweissjournalismus muss es einen Guten geben, das ist der «Klinikdirektor Maisano»; ihm gegenüber habe sich das Unispital als «illoyale Arbeit­geberin» erwiesen. Das Gegenteil ist knapp richtig; die Spitalleitung tat alles, um möglichst den Deckel auf dem Skandal zu halten.

Der wirkliche Held in dieser Geschichte war und ist ein anderer. Man sollte zu Vogt vielleicht noch wissen, dass er als Gründer der Eurasia Heart Foundation seit vielen Jahren ehrenamtlich in Osteuropa, Asien und Afrika Herzoperationen durchführt. Dass er zu den kompetentesten und unerschrockenen Kritikern der  Pandemie-Bekämpfung in Europa gehört. Durch politisch-ideologisch begründetes Ignorieren medizinischer Fakten sei Europa zum weltweiten Pandemie-Zentrum geworden, kritisierte er schon 2020.

Nun hat der renommierte Herzchirurg Vogt den Prozess gegen sich selbst (Auswirkung einer weiteren haltlosen Anschuldigung in diesem Intrigensumpf zum Schutz Maisanos und seiner Vorgesetzten) benützt, um öffentlich schonungslos mit den damaligen Zuständen abzurechnen. Der Prozess endete letzten Freitag, wie der gegen den Whistleblower, mit Freispruch auf ganzer Linie. Mehr noch; die Richterin sagte in aller Klarheit, dass Vogt Unrecht zugefügt worden sei, « eine «politische Intrige» seiner Gegner könne nicht ausgeschlossen werden.

Das ist vornehmes Juristendeutsch für: die Staatsanwaltschaft musste zwar von Amts wegen eine Untersuchung aufnehmen, aber das Ganze stinkt zum Himmel und sollte einzig den tadellosen Ruf von Vogt beschmutzen.

Auf den mit Nachbeben über 150’000 A in der «Republik» steht kein Wort über die eigentlichen Hintergründe dieses Skandals, auch bis heute kein Wort zu diesem Urteil oder der Rede Vogts. Irrer berichtete nur Konservendosen-«Blick». Der vermeldete zwar den Freispruch für einen «Ex-Herzchirurgen», auf den eigentlichen Skandal und die Rede Vogts ging das Dünnblatt aber mit keinem Wort ein. Vielleicht ein neues Tätigkeitsgebiet für «Republik»-Journis.

Der Skandal reicht hinauf bis zur Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli. Involviert sind der mit goldenem Fallschirm abgesprungene  CEO des Unispitals Gregor Zünd, dazu der damalige Spitalratspräsident Martin Waser*, plus Marianne Moser. Der typisch Zürcher Filz halt. Zünd lag schon im September 2020 ein streng vertraulicher Untersuchungsbericht der Kanzlei Walder Wyss vor (das die Recherchiergenies der «Republik» nicht auftreiben konnten oder wollten).

Dort steht eine nur leicht verklausulierte Bombe: «… unvollständige Dokumentation des Operationsergebnisses» könne «... eine erhöhte Gefährdung (z.B. mit Blick auf einen etwaigen Folgeeingriff) bewirken».

Denn das wahre Problem, dass den Flaschen der «Republik» völlig entgangen war, bestand darin: dieses Cardioband funktionierte nicht richtig, es löst sich gelegentlich in seine Bestandteile auf, es gefährdete sogar Patienten. Aber das hätte die Verkaufsverhandlungen gefährdet, also mussten stattdessen Triumphmeldungen her.

So gelang es, die Herstellerfirma mit Maisanos Beteiligung für sagenhafte 350 Millionen Dollar an den US-Multi Edwards zu verkaufen. Die Verkäufer fantasierten von Jahresumsätzen von über 650 Millionen Dollar. Aber in Wirklichkeit, wie Gerichtsakten erweisen, lag der Umsatz bei höchstens knapp 5 Millionen, worauf sich Edwards weigerte, die zweite Zahlungstranche auszulösen. Das Gericht gab dem Multi recht, das Herzband ist ein Flop.

Vogt beklagt unwidersprochen, dass es vor seinem notfallmässigen Eingreifen am Unispital zu «kriminellen Handlungen» kam und 150 Patienten unter dubiosen Umständen verstarben. So schreibt «Inside Paradeplatz»: «Er machte klar: Patienten seien in der Herzchirurgie zu Schaden gekommen, alles andere sei „schlicht gelogen“.» Dass die Übersterblichkeit signifikant höher als in vergleichbaren Spitälern lag, ist unbestritten.

Aber ansonsten wollen alle Beteiligten am liebsten nur eins: Schwamm drüber, Ruhe, vorbei. Was sagt das Unispital zu «Inside Paradeplatz», der damals, gefolgt vom Tagi, den Skandal publik machte? «Wir haben die hinter dem genannten Urteil stehenden Sachverhalte analysiert und sehen von Seiten USZ keinen weiteren Handlungsbedarf.»

Was sagt der Sprecher von Rickli zum «Tages-Anzeiger»? «Wenn Sie den Artikel genau lesen, dann stellen Sie fest, dass es sich um alte Geschichten handelt, die der Tages-Anzeiger immer wieder aufwärmt und die allesamt erledigt sind.»

Aufgewärmte, alte Geschichten, dass an einem Zürcher Spital 150 Patienten unter dubiosen Umständen starben, dass an einigen von ihnen ein nicht erprobtes und fehlerhaft funktionierendes Cardioband ausprobiert wurde, dessen Schrauben rausflogen und das unzählige Notnachoperationen nötig machte?

Dass sich alle Verantwortlichen klammheimlich davonschleichen wollen und nicht mit dem Mut des Herzchirurgen Vogt rechnen, wohlan. Aber dass die «Republik» nicht einmal hier die Grösse hat, auf ihre damalige Fehlleistung hinzuweisen, das schlägt dem Fass die Krone ins Gesicht.

Wäre es der einzige «Republik»-Skandal, wäre er einfach peinlich. Aber er ist (nicht der letzte) Höhepunkt in einer ganzen Reihe von Skandalen, von angeblichen Primeurs, Aufdeckungsstorys, Anklagen, Behauptungsartikeln, die etwas von Anfang an gemein hatten: die kamen grosstönend und grossspurig daher, behaupteten Ungeheuerliches – sprangen als Löwen des kompetenten Recherchierjournalismus hoch – und landeten als räudige Bettvorleger.

ZACKBUM veröffentlicht im Folgeartikel einen unvollständigen Auszug aus dieser Liste der Schande.

Zusammen mit dem Maisano-Skandal der «Republik» reicht es nun zur Forderung: sperrt das Blatt endlich zu; finanziell pleite (also korrekter überschuldet und nur durch Forderungsverzicht vor dem Gang zum Konkursrichter bewahrt) ist es sowieso schon. Nun ist es auch noch moralisch-ethisch bankrott. Worauf also warten?

*Nach Leserhinweis korrigiert.