Schlagwortarchiv für: Lukas Hässig

Das Schweigen der Belämmerten

Gibt es ausser Lukas Hässig noch Wirtschaftsjournalisten?

Da gibt es den Fall des ehemaligen Nestlé-Chefs Laurent Freixe. Der arbeitete 39 Jahre für den Nahrungsmittelkonzern mit dem vertrauenserweckenden Namen.

Neben seiner Tätigkeit fand Freixe allerdings immer wieder Zeit, auf Freiersfüssen zu wandeln. Das zweite Mal brach ihm das allerdings das Genick.

Lukas Hässig von «Inside Paradeplatz» spricht von einer «Mata Hari des Schweizer Food-Multis». Das etwas schiefe Bild sei ihm verziehen. «Corporate Casanova» für Freixe ist hingegen durchaus treffend.

Es ist so, dass wieder einmal IP als erstes Medium im Juli über diese problematische Liaison des Nestlé-Chefs mit einer direkten Untergebenen berichtet hatte.

Zunächst stritt Nestlé jegliches Fehlverhalten auf höchster Ebene ab, das habe eine interne Untersuchung zweifelsfrei bewiesen. Nachdem IP aber nachstocherte, wurde dann Bär & Karrer mit einer externen Untersuchung beauftragt.

«Ein Cover-up fürs Governance-Lehrbuch», kritisiert Hässig in seinem neusten Beitrag. Und rückt den eigentlich verantwortlichen ins Zentrum: Nestlé-VR-Präsident Paul Bulcke. Denn Freixe ist bereits dessen zweiter Fehlgriff in kurzer Zeit:

«Zuerst entwickelte sich Mark Schneider zum esoterischen Milliarden-Vernichter, dann entpuppte sich Freixe als Corporate Casanova

Das ist ziemlich blöd für einen Verwaltungsrat, zu dessen vornehmsten Aufgaben es gehört, die Geschäftsleitung mit fähigen und stabilen Leuten zu besetzen.

Blöd ist das auch für die übrigen Medien, die inzwischen hinterherhecheln. Tamedia vermeldet in ihrem Artikel immerhin: «Ende Juli berichtete der Finanzblog «Inside Paradeplatz» darüber, dass Freixes Beziehung zu einer Mitarbeiterin innerhalb der Firma für Gesprächsstoff sorge.»

Andere Organe, darunter «Blick» und NZZ oder CH Media, verklemmen sich jeden Hinweis auf den eigentlichen Urheber. Der wie im Fall Vincenz ein hohes Risiko einging.

Denn hätte sich seine aus internen Quellen gespeiste Story als Ente erwiesen, und anfänglich stritt Nestlé jegliches Fehlverhalten seines Chefs ab, dann hätte er mit teuren Schadenersatzansprüchen rechnen müssen.

Die Reputation des CEOs des Nahrungsmultis Nestlé. Die Reputation der Firma selbst. Alleine die Abwehr rechtlicher Schritte wäre teuer geworden.

Aber erst, als Nestlé publik machte, dass es seinen schnell verliebten CEO fristlos gefeuert hatte, sprang die übrige Journaille auf und wusste es im Nachhinein mal wieder schon immer.

Aber vorher? Ist da was? Schauen wir lieber mal, ob sich Hässig in die Nesseln gesetzt hat oder nicht, bevor wir uns auch mit dem Riesen anlegen. Der schliesslich als Inserent nicht ganz unbedeutend ist.

So die Haltung der übrigen Wirtschaftsjournaille. Nur Arthur Rutishauser fällt noch gelegentlich durch Sonderleistungen auf. Wie er sich an der verblichenen CS abarbeitet. Oder an der Migros zum 100., wo das Versagen einer ganzen Managergeneration den orangen Riesen ins Wanken gebracht hat.

Aber sonst? Nicht einmal eine kompetente Analyse der US-Zollpolitik kann der Schweizer Wirtschaftsjournalismus liefern.

Vorherrschende Meinung: da sieht man’s; wäre die Schweiz in der EU, wäre ihr das nicht passiert. Die hat schliesslich 15 Prozent herausverhandelt.

Bullshit, würde da Präsident Trump sagen. Zum einen musste die EU absurde Verpflichtungen eingehen, die weder sie noch die USA erfüllen können. Zudem stänkert Trump bereits wieder, dass ihm die EU-Digitalgesetze nicht passen und er deswegen neue Strafzölle erwägt.

Also nichts von Sicherheit und Stabilität durch überlegenes Verhandlungsgeschick.

Wirtschaft ist zentral wichtig für das Wohlergehen. Eine wache Wirtschaftspresse könnte einiges Unheil verhindern oder zumindest verantwortungslose und raffgierige Akteure etwas bremsen.

Aber in der Schweiz? Eine One-man-Show.

 

Packungsbeilage: ZACKBUM-Redaktor René Zeyer publiziert regelmässig auf IP.

 

 

Wenn Journalisten über Journalisten schreiben …

… wird der «umstrittene Journalist» Lukas Hässig unfreundlich abgewatscht.

«Tim Wirth schreibt oft Portraits und Hintergründe. Für den «Züritipp» interviewt er zudem internationale und nationale Musikerinnen und Musiker.»

Also geradezu prädestiniert dafür, ein Porträt über den Finanzblog «Inside Paradeplatz» und seinen Herausgeber Lukas Hässig zu schreiben. Ist es das Geld wert, hinter der Bezahlschranke?

Erste Zweifel kommen schon bei der Spitzmarke auf: «Umstrittener Zürcher Journalist». Wer streitet denn um ihn; das ist ein unscharf-wolkiges Adjektiv, das insinuieren soll: zweifelhaft. Unflat bereits im ersten Wort. Es geht so weiter:

«Kontroverser Blog, 150’000 Klicks will der 60-Jährige pro Tag erreichen, der Ton ist dramatisch und gehetzt, er publiziert auch Halbgares und Verletzendes und wurde deshalb schon mehrmals eingeklagt und auch verurteilt. Er musste Entschädigungen bezahlen, Artikel oder Textstellen löschen und Gegendarstellungen publizieren. Wie oft, bleibt unklar, schwammige Trennung von Fakten und Meinungen auf «Inside Paradeplatz», auch männliche Politiker sagen, dass Hässig sie faktenfrei angegriffen habe.»

Eine hübsche Portion Häme, auch mit anonymen Quellen, dazu zitiert er Hässigs ehemaligen SoZ-Chefredaktor AndreasDuschdas») Durisch, der längst in die Beratung gewechselt hat. Oder entblödet sich nicht, ungeeignete Zeugen wie Jolanda Spiess-Hegglin oder das Mitglied ihres Beirats Martin Steiger zu zitieren, ohne dessen Interessensbindung auszuweisen.

Natürlich gibt es auch eine Portion Lob: «Seine investigativen Recherchen deckten bedeutende Skandale im Schweizer Finanzsektor auf.» Gleich abtemperiert: «Kritiker werfen dem Portal mangelnde Faktentreue sowie diskriminierende Berichterstattung vor

Dass angebliche weibliche Opfer weitgehend vor Gericht krachende Niederlagen erlitten, erwähnt er hingegen nicht.

Einen zentralen Punkt umfährt er geflissentlich: wie ist es möglich, dass Hässig als One-man-Show den Vincenz– Skandal aufdeckte, die Millionenentschädigung für den Ex-Novartis-Chef Daniel Vasella, um nur zwei Beispiele zu nennen?

Das hat zwei Gründe. Erstens schnarcht die Wirtschaftsredaktion von Tamedia vor sich hin, trotz des unermüdlichen Arthur Rutishauser. Zweitens wendet man sich zuerst an Hässig, wenn man Interna zu enthüllen hat. Weil man weiss, dass der Mann sich traut, die auch rauszuhauen. Obwohl er damit immer wieder existenzgefährdende Rechtshändel riskiert.

So wie beim Anlass des Artikels. Der rachsüchtige Kompagnon von Pierin Vincenz hat als Privatkläger die Staatsanwaltschaft mehrfach dazu gezwungen, eine absurde Ermittlung wegen einer angeblichen Verletzung des Bankgeheimnis wieder aufzunehmen. Das führte zu einer Razzia bei Hässig. Ein Schlag ins Wasser, denn sein Antrag auf Versiegelung des abtransportierten Materials hatte Erfolg.Auf den Kosten, wie auch in seinem epischen Streit mit der UBS, bleibt er jeweils sitzen. Wie sagt Hässig so richtig:

«Wenn ich eingeklagt werde, kann ich anfangen, 1000er-Noten rauszuschmeissen

Dass er allerdings in Überdehnung des Rechts auf freie Meinung seine Kommentarschreiber an der ganz langen Leine hält, was ihm schon schmerzliche Verluste bescherte, das sollte er besser in den Griff kriegen.

Ein Porträt ist immer seine subjektive Sache. Ein guter Porträtschreiber versucht, für den Leser ein möglichst realitätsnahes Bild des Porträtierten zu schreiben.

Da er Herr der Beispiele zur Charakterisierung und der ausgewählten Zitate ist, kann er dem Bild einen Spin geben, eine Färbung. Wenn er ein schlechter Porträtschreiber wie Tim Wirth ist. Ein Lohnschreiber, der nie im Leben auf die Idee käme, ein kritisches Porträt über seinen Big Boss Pietro Supino oder über den geldgierigen Coninx-Clan zu schreiben.

Und seitdem der bei ZACKBUM auf der Shitlist stehende besinnungslose Gesinnungsschreiber Philipp Loser mit einer unsäglichen Rempelei gegen den Konkurrenten Hanspeter LebrumentDer Alte auf dem Berg») baden ging, er sich dafür entschuldigen musste und der Artikel gelöscht wurde, traut man sich auch nicht mehr an die Konkurrenz heran.

Ausser, sie heisst Hässig. Was bleibt da als Framing? Wilder Typ, frauenfeindlich, haut oft Halbgares und News aus der Gerüchteküche raus, hat’s nicht so mit den Fakten. Obwohl er da und dort einen Primeur landet.

Man könnte genauso unfundiert eine Lobeshymne auf Hässig anstimmen. Journalismus als Jahrmarkt der Beliebigkeit. Wie man ein gutes Porträt schreibt, das lernt man heute offenbar weder am MAZ noch bei einem «Kompaktkurs der Henri-Nannen-Schule». Die immerhin noch so heisst, während der Henri-Nannen-Preis (den auch der «Spiegel»-Fälscher Relotius gewann), inzwischen in «Stern»-Preis umbenannt wurde.

Aber das wäre eine andere Geschichte.

Packungsbeilage: ZACKBUM-Redaktor René Zeyer publiziert regelmässig auf IP.

«Republik»-Rabulistik

Die Zahlen-Akrobaten vom Rothaus sind unverbesserlich.

«Wachsen gegen die Wahrscheinlichkeit», flötet die «Republik» in ihrem Newsletter. Und behauptet: «Die Republik wächst weiterhin. Seit Frühsommer 2024 steigt Ihre Anzahl, liebe Verleger, stetig an.»

Diese Behauptung hat einen planwirtschaftlichen Charme. Denn auch da gab es den Plan – und die Wirtschaft und die Wirklichkeit. Im Dezember 2024 machte sich ZACKBUM lustig über die Zahlen-Akrobaten, die es niemals schaffen, widerspruchsfrei über ihre wirtschaftliche Lage Auskunft zu geben.

Ob es ein paar «Verleger» mehr oder weniger hat, ob mit Sonderaktionen und Billigangaboten die Abzahlen aufgehübscht werden oder nicht: die bittere Realität ist, dass die Retter der Demokratie nur deswegen noch Kuschelatmosphäre für 8000 Franken im Monat spielen können, weil zwei reiche Erben mit tiefen Taschen Rangrücktritt bei ihren Darlehen erklärt haben. Oder auf Deutsch: das Geld ist aller Wahrscheinlichkeit nach futsch, macht ja nix.

Und so kuschelig ist die Atmosphäre schon lange nicht mehr. Christof Moser, der Gründer: rausgemobbt. Sein Nachfolger: abserviert. Ein Starreporter so ruppig und ohne Anhörung rausgepfeffert, dass es im Nachgang richtig teuer wurde für die «Republik».

Währenddessen tendiert die journalistische Leistung gegen null. Der ehemalige Starschreiber Constantin Seibt hat sich in einem Jahr genau 14 Mal zu Wort gemeldet. Entweder mit Sprachdurchfall (Rekord: 47’500 A) oder ungewöhnlich knapp (Kurzstreckenrekord: 6000 A).

Richtig abgehoben wird es bei den Plänen. 33’000 Abos, das Wolkenkuckucksheim einer Expansion nach Deutschland, wo 100’000 Abos zu holen wären. Umsatzzahlen, die nie erreicht, aber behauptet werden. Angebliche Skandale, die zusammenfallen wie ein Soufflee in der kalten Luft der Wirklichkeit.

So geht’s munter weiter. Die Anzahl der Abos steige stetig an, mit dieser Behauptung verabschiedet sich die «Republik» in den Sommer. Nun ja, alleine im März 2025 verliessen 2800 «Verleger» das lecke Schiff. Von Januar bis Juni kamen 6400 Abos jeglicher Art hinzu. Währenddessen verliessen 5970 Zahler den Verlag. Ein Zugewinn von schlappen 430 Wildentschlossenen. Kann man als stetigen Anstieg verkaufen.

Die ausgewiesene Gesamtzahl dümpelt bei knapp 29’000 vor sich hin, selbst die einstmals als überlebensnotwendig behauptete Zahl von 30’000 scheint unerreichbar.

Was nicht schrumpft, ist die Payroll. 45 Nasen ruhen sich auf ihr aus, darunter ein «Head Growth Marketing», einer für «Community Support», ein «Projektleiter Klimalabor» (dem geht’s ungefähr so gut wie dem Klima), und gleich zwei teilen sich in die Chefredaktion. Dazu kommen 17 «regelmässige Mitarbeiter», darunter einer für die «Gesamtkonzeption». Dann hätten wir noch die Geschäftsführung, drei Nasen Overhead und den vierköpfigen Verwaltungsrat, den mal Roger de Weck präsidieren sollte.

Als der sich etwas genauer mit dem Thema Verantwortlichkeit eines VR beschäftigte, suchte er das Weite.

Geblieben sind alles in allem 70 bezahlte Ladies and Gentlemen und wohl auch einige beyond.

Nichts ist nebensächlich genug, um als Steckenpferd zu Tode geritten zu werden. Gibt es aber einen Anschlag auf die Pressefreiheit durch die Razzia auf den Finanz-Blog «Inside Paradeplatz», dann schweigt die «Republik». So wie die meisten Medien in der Schweiz lieber ihr Mütchen am «umstrittenen» Herausgeber Lukas Hässig kühlen, der im Alleingang diverse Skandale aufdeckte. Mehr als die 70 Cracks im Rothaus.

Vielleicht wäre es sinnvoller und ehrlicher, als ständig grosse Töne zu spucken, sich auf die Herausgabe einer Hauszeitung an der Langstrasse zu beschränken. Denn irgendwann sollte man diesem Leiden ein Ende machen.

Razzia bei „Inside Paradeplatz“

Eine gefährliche Justizposse.

Die Vincenz-Affäre klebt dem Herausgeber von IP wie ein Stück Hundekot an der Schuhsohle.

Neben vielen anderen Scoops enthüllte Lukas Hässig vermutlich krumme Geschäfte des gefallenen Raiffeisen-Stars Vincenz und seines Kompagnons Beat Stocker.

Das führte zur ersten Verurteilung eines führenden Bankers zu Knast. Sein Bundesgenosse kassierte sogar eine noch höhere Strafe. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig, weil sich hier eine weitere Justizposse entfaltete, verursacht durch einen überforderten Staatsanwalt und Sänger.

Die Staatsanwaltschaft eröffnete 2019 ein Verfahren gegen IP wegen vermuteter Verletzung des Bankgeheimnisses. Hand dazu bietet eine gemeingefährliche Verschärfung dieses Tatbestands aus dem Jahr 2015.

Wenn eine Grossbank wie die UBS unter gütiger Mithilfe des Bundesrats via Notrecht das Bankgeheimnis pulverisiert und tausendfachen Kundenverrat begeht, ist das kein Anlass für eine Strafuntersuchung.

Wie anders als aus mutmasslichen internen Quellen der Bank Bär konnte Hässig es wagen, diesen Skandal öffentlich zu machen.

Normalerweise ist es klar, dass das öffentliche Interesse an solchen Schwiemeleien genügt, um Strafuntersuchungen abzuklemmen.

Zudem ist es in diesem Fall völlig unklar, ob nicht eine Drittperson IP diese Informationen zur Verfügung stellte. Also sistierte die Staatsanwaltschaft 2021.

Dagegen erhob Stocker als Privat-Anzeigeerstatter Einsprache vor dem Obergericht. Und bekam Recht. Die Staatsanwaltschaft sistierte mit ausführlicher Begründung 2023 ein zweites Mal.

Stocker, mit dem Blick fürs Wesentliche, rekurrierte ein zweites Mal, wieder erfolgreich.

Im Herbst 2024 eröffnete die STA III erneut ein Strafverfahren.

Gedrängt von Stockers Anwalt verfügte sie im Mai 2025 eine Hausdurchsuchung von Hässigs Büro und seiner Wohung.

Das fand am 3. Juni statt. Hässig beantragte sofortige Siegelung der behändigten Unterlagen und Geräte.

Immerhin konnte er im Bericht lesen: „In der aufgeräumten Wohung konnten keine weiteren Sicherstellungen erhoben werden.“

Jahre nach der Aufdeckung des Skandals muss sich Hässig weiterhin mit dieser Zwängerei herumschlagen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ergebnislos enden wird.

Das kostet Geld, Zeit und Nerven. Und ist ein weiterer Skandal in dieser an Skandalen überreichen Affäre.

Packungsbeilage: René Zeyer publiziert regelmässig auf IP.

Jammern auf billigem Niveau

«Inside Paradeplatz» begrüsst einen neuen Mitautor.

Mark van Huisseling ist sonst eher dafür bekannt, dass er (Markenzeichen Nebensätze in Klammern) in der «Weltwoche» und anderswo die Schönen und Reichen und ganz schön Reichen und die Prominenten mit genau der richtig dosierten Menge an Ironie begleitet, die sie noch vertragen.

Da erzählt er auch gerne von seinen Autos, Sonnenbrillen und sonstigen Statussymbolen. Nun taucht er aber erstaunlicherweise als Autor bei «Inside Paradeplatz» auf. Obwohl zuvor noch nicht wirklich als Finanzspezialist aufgefallen, poltert er hier: «Lykke-Pleite: Gründer Olsen droht Strafantrag».

Für Leser, die mit Bitcoins und anderen Blockchain-Währungen nicht auf Du und Du sind: das ist so ein Krypto-Handelsplatz, wo man diese virtuellen Währungen handeln kann. Denn bei allem Faszinosum von Bitcoin & Co.: Die Anwendung im täglichen Leben ist eher beschränkt, die Hoffnung auf Währungsgewinne unbeschränkt. Und gerade hat doch Bitcoin die Marke von 100’000 Dollar durchstossen.

Wobei die einzige Wahrheit bislang in dieser Welt ist: Kryptowährungen sind für Leute, die «no risk, no fun» als Lebensmotto haben. Nun ist es gemeinhin so, dass der Gentleman und auch der Beobachter der High Society geniesst und schweigt. Oder aber leidet und schweigt.

Aber nicht so van Huisseling. Der drischt auf IP kräftig auf den Krypto-Opa Richard Olsen ein:

«Am Freitag vergangener Woche schloss Richard Olsen, Gründer und CEO von Lykke, seinen Krypto-Handelsplatz. Seither können Kundinnen und Kunden des Schweizer Unternehmens ihr Wallet, eine elektronische Brieftasche, nicht mehr öffnen.»

Das ist natürlich furchtbar für die Betroffenen, darauf muss die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit gelenkt werden, auch auf IP. Da jammert Mark (wir sind per du, wieso das hier ändern): «Man bekommt dann zwar recht als Gläubiger, aber kein Geld. Stattdessen einen Verlustschein, der sich zum Aufhängen über der Toilette eignet, beispielsweise.»

Ds ist ja schon furchtbar, aber Mark hat auch keine gute Meinung von unseren Strafverfolgungsbehörden: «Bei uns geht es darum, einen allfälligen Täter zu schützen, nicht seine Opfer, so sieht’s aus. Einige Geschädigte wählen deshalb einen anderen Weg, den sogenannten Strafantrag

Das hätte laut Mark den Vorteil, dass die Geschädigten direkten Zugriff auf das persönliche Portemonnaie von Olsen hätten.«Der Nachteil: Noch ist unklar, ob Olsen, ein Urenkel von Julius Bär, dem Gründer der Zürcher Privatbank, Geld hat (ein Steuerauszug von ihm wurde angefragt)».

Das ist ja alles ganz furchtbar für die Betroffenen, denen man höchstens vorwerfen könnte, dass sie zu blöd waren, die Handelsplattform, die ihre Kryptowährung verwaltet, genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn bei allen unbestreitbaren Vorteilen, die Kryptowährungen haben: wer bei einer Schweizer Bank Schweizerfranken deponiert hat, kann davon ausgehen, dass er einen Teilbetrag (oder den vollen Betrag bei Voranmeldung) problemlos in Cash ausgezahlt bekommt. Das ist bei Kryptos definitiv anders.

Aber zurück zu Mark. Irgendwo im Artikel outet er sich in einer seiner legendären Klammerbemerkungen:

«(Enthüllung: Ich bin Geschädigter sowie Mitglied einer Gruppe, die einen Strafantrag vorbereitet.)»

Dann wird Mark, der Demagogie aus eigener Betroffenheit nicht abgeneigt, noch richtig fies: «Die nachdenkliche Nachricht zum Schluss: In Amerika wurde ein Krypto-Plattformbetreiber mit Namen Sam Bankman-Fried wegen Taten, die teilweise vergleichbar sind, zu über zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt.»

Meine Güte, aus Verzweiflung ein Vergleich mit der US-Wildwest-Justiz, die absolut und in keiner Form auf die Schweiz übertragbar ist?

Disqualifiziert ihn das, einen anklägerischen Artikel darüber zu schreiben, wie ihm selbst Geld abhanden kam? Disqualifiziert ihn das, darüber zu schreiben dass er sich hübsche Extraprofite in einem volatilen Markt erhoffte? Disqualifiziert ihn  das, weil er offensichtlich in eigener Sache medialen Druck aufbauen möchte?

Ja, das disqualifiziert ihn und leider auch ein wenig IP, das dieses Selbstmitleidgejammer veröffentlicht.

 

Die CS als Spionage-Nest

Unvorstellbar, wenn diese Enthüllung der NZZ zutrifft.

Sicherlich, die alte Tante ist von einem Kläger angefüttert worden, der eine parteiische Sicht hat. Aber seine Klage in den USA, die er der NZZ zukommen liess, enthält Sprengstoff.

Er wirft kurz gesagt dem ehemaligen CS-Boss Tidjane Thiam vor, er habe ihn unter Benützung der entsprechenden CS-Infrastruktur ausspionieren lassen. Hintergrund sei, dass Thiam ein verborgenes Liebesverhältnis mit der damaligen Ehefrau (und heutigen Partnerin von Thiam) des Ausspionierten gehabt habe.

Erst 2019, als weitere Spionageaffären Thiams ans Licht kamen (was ihm letztlich den Job kostete), habe der Betroffene bei der CS nachgefragt, ob man auch ihm nachgestellt habe. Ihm sei versichert worden, dass das nicht der Fall sei. Aber der Mann liess, nach einem hässlichen Scheidungsverfahren mit seiner Frau, nicht locker. Und kam so in Besitz von Dokumenten, die eine solche Überwachung belegen.

Nun klagt der gehörnte Ehemann in den USA, weil ihm ausgehändigte Dokumente auf einem Microsoft-Server gespeichert waren. Das reicht für einen Gerichtsstand, und in den USA ist seine Forderung nach 15 Millionen Dollar Schadenersatz eher moderat – und für die UBS als Rechtsnachfolger der untergegangenen CS Peanuts.

Erschreckend ist aber, welche Unkultur in der CS hier zum Vorschein kommt. Die ganze Blase platzte, als «Inside Paradeplatz» enthüllte, dass der offensichtlich paranoide Thiam seinen abgesprungenen Starbanker Iqbal Khan so tölpelhaft überwachen liess, dass der das merkte. Der verantwortliche private Sicherheitsmann wurde als erster Sündenbock geopfert – und beging Selbstmord.

Als nächstes liess Thiam seinen Sicherheitsgurt- und Stabschef Pierre-Olivier Bouée über die Klinge springen. Als sich dann herausstellte, dass Khan kein Einzelfall war, sondern Thiam (der natürlich von nichts wusste) auch seinen Personalchef überwachen liess, war dann Ende Gelände für den machttrunkenen Chef. Der natürlich keine Schuld bei sich selbst sah, sondern verbittert die Karte Rassismus spielte. Er als Schwarzer sei bei den weissen CS-Häuptlingen nie gut gelitten gewesen.

In erster Linie war es aber sein Versagen beim Umbau der CS, das ihn die Stelle kostete. Vielleicht ist er tatsächlich als möglicher nächster Präsident der Elfenbeinküste besser aufgehoben.

Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass erst Thiam einen ganzen Spitzelapparat in der CS installierte. Offenbar gehörte das schon lange zum Business as usual. Diverse Privatdetektive auf dem Platz Zürich lebten lange Jahre ziemlich gut von Aufträgen der misstrauischen Bank.

Nachdem schon ein kindischer Nachbarschaftsstreit zwischen Khan und Thiam öffentlich wurde, samt testosterongeschwängertem Rencontre bei einer Party, wo man die beiden offenbar nur knapp davon abhalten konnte, lautstarke Meinungsverschiedenheiten draussen körperlich fortzusetzen, wirft das alles ein schreckliches Licht auf die Zustände in der Chefetage.

Schon 2019, als die Spionageaffäre aufflog, hatte die CS ernsthafte Probleme. Laut dem aktuellen VR-Präsidenten der UBS war sie schon damals eigentlich nicht mehr alleine überlebensfähig.

Die Hütte brennt, es geht um die Zukunft der altehrwürdigen Credit Suisse, gegründet vom Schweiz Überunternehmer Alfred Escher. Alle Mann an Deck, es müsste dringlich eine Überlebensstrategie her.

Stattdessen fängt der Boss ein Techtelmechtel mit einer verheirateten Frau an, was zu einer hässlichen Scheidung führt. Danach verschwendet er Zeit und Energie drauf, seinem ehemaligen Nebenbuhler nachspionieren zu lassen. wie ein nicht freiwillig herausgegebener E-Mail-Verkehr belegt. Aber nicht nur das, solches Nachspionieren scheint bei der CS durchaus üblich gewesen zu sein.

Da wurde nicht ein einsamer Privatdetektiv engagiert, der wie weiland Sam Spade oder Philipp Marlowe ans Gerät geht. Sondern es gab offensichtlich eine entsprechende Infrastruktur in der Bank, wo Mitarbeiter weltweit (in diesem Fall unter anderem in Hongkong) in Marsch gesetzt wurden.

Lukas Hässig stellt mal wieder die richtigen Fragen:

«Wie konnte es so weit kommen, dass die Bank von Alfred Escher, das Kreditinstitut des stolzen Zürich, sich in einen Verschnitt aus DDR und Rumänien verwandelte?
Wie viel mehr Leute liessen die CS-Oberen beschatten, aus welchem Grund, bis wie weit oben in der Hierarchie wusste man davon? Waren Urs Rohner und Severin Schwan von der Roche, die zwei Kapitäne im VR, auch im Bild

Aber vielleicht funktioniert hier noch das Bankgeheimnis. Und die Versagerräte bekommen nicht noch mehr dunkle Flecken auf ihren weissen Westen.

«Köpft den Boten»-Rickli

Das ist nicht frauenfeindlich. Aber unfreundlich gegenüber der Regierungsrätin.

«Inside Paradeplatz» gebührt, wie bei so vielem, die Ehre, dass der Finanzblog zuvorderst dabei ist, wenn es um die Aufarbeitung des Skandals an der Herzchirurgie des Universitätsspitals Zürich geht.

IP hat aufrüttelnde Beiträge des damaligen Whistleblowers publiziert, der als Erster den Skandal meldete – und zum Dank dafür entlassen wurde. IP hat dem Herzchirurgen Paul Vogt das Wort erteilt, der versuchte, das unglaubliche Schlamassel aufzuräumen – und dafür übel intrigiert und gemobbt wurde. Der reputierte Herzchirurg sah sich im Sperrfeuer von Heckenschützen, die sogar eine Strafanzeige gegen ihn einreichten.

Vor Kurzem wurde er mit Pauken und Trompeten freigesprochen. Er benützte die Gelegenheit, nochmals darauf hinzuweisen, dass es am Unispital zu bis zu 150 ungeklärten Todesfällen kam. Weil sein Vorgänger ein Kardioband ausprobierte, dessen Wirkung mehr als zweifelhaft ist.

Nichtsdestotrotz war Herzchirurg Maisano am Verkauf der Herstellerfirma beteiligt, die für 700 Millionen einem US-Multi aufs Auge gedrückt wurde. Der zahlte allerdings nur 300 Millionen und hielt die zweite Tranche zurück – wegen offensichtlicher Mängel des Produkts.

Also ein veritabler Skandal übelster Art. Die Spitalleitung versuchte krampfhaft, den Deckel draufzuhalten. Die oberste Aufseherin über das Spital ist Natalie Rickli. Vogt hatte alle zuständigen Stellen bereits kurz nach seinem notfallmässigen Antritt als neuer Leiter im Jahr 2020 über diese Häufung von Todesfällen informiert.

«Er würde nicht den Kopf hinhalten für die vielen Verstorbenen in der Zeit seines Vorgesetzten», schreibt IP. Nach dem Prozess, also 2024 (!), hat sich die Spielleitung dazu bequemt, nochmals eine Untersuchung einzuleiten. Vielleicht wird sie endlich klären, wann Gesundheitsministerin und Regierungsrätin Rickli über den Skandal im Bild war. Auf jeden Fall schickte ihr Vogt im März 2022 ein langes Mail mit vielen Informationen und dass bei bestimmten chirurgischen Eingriffen unter Maisano die Mortalitätsrate auf 13 Prozent hochgeschnellt war, jenseits von Gut und Böse.

Aber:

«Auf einen Online-Bericht zum Prozess und den dort von Vogt geäusserten 150 Toten meinte ein Sprecher von Ricklis Gesundheitsdirektion:
Es würde sich um „alte Geschichten“ handeln, die der Tages-Anzeiger „immer wieder aufwärmt und die allesamt erledigt“ seien.»

So weit, so schlecht. Wird Rickli nun endlich aktiv? Oh ja. Sie verklagt «Inside Paradeplatz». Der solle seinen Bericht löschen, widrigenfalls 10’000 Franken Genugtuung spenden. Dafür hat sich Rickli der Dienste der einschlägig bekannten umtriebigen «Medienanwältin» Rena Zulauf versichert. Die hat bereits mit recht durchwachsenem Erfolg Jolanda Spiess-Hegglin (in einem Punkt gewonnen, alles andere verloren) oder Patrizia Laeri (an zwei Gerichten gleichzeitig in der gleichen Sache geklagt) vertreten.

IP wirft zudem noch die Frage auf, wieso eigentlich weder Spital noch Uni am exorbitanten Verkaufserlös des Cardiobands beteiligt wurden, wie das üblich ist. Die Institutionen behaupten, «dass sie keinen Anteil an der Erfindung und Entwicklung des Cardiobands von Maisano bis zu dessen lukrativen Verlauf gehabt hätten».

Dem stellt Lukas Hässig eine Aussage des damaligen CEO des Unispitals entgegen, der verkündete im Jahr 2016: „Am USZ entwickelt wurde beispielweise auch das Cardioband.

Während also Hässig am Ball bleibt und das macht, was die Mainstreammedien grösstenteils verschnarchen – nämlich immer wieder auf einen längst nicht aufgearbeiteten Skandal hinzuweisen, hat Regierungsrätin Rickli, statt sich endlich um ihre eigentliche Aufsichtspflicht zu kümmern, nichts Besseres zu tun, als IP einzuklagen.

Und wer berichtet über diesen Skandal im Skandal? Tamedia? Ach was, anderes zu tun, Stichwort Frauenstreik, Stichwort Pride. CH Media? Nö, kä Luscht. Immerhin die NZZ moniert: «Es ist ein Vorgehen, das den gewohnten Rahmen sprengt. Eine Regierungsrätin ergreift rechtliche Schritte gegen einen Journalisten

Auch wenn Hässig bei einem Datum ein Fehler unterlaufen ist: angesichts dieser ungeheuerlichen Vorwürfe gegen das Unispital wegen einer angeblichen «Persönlichkeitsverletzung» der Regierungsrätin mit Steuergeldern (Zulauf ist teuer) auf  den One-man-Blog vorzugehen, das ist jämmerlich.

 

Zufälle gibt’s

Die NZZaS lässt sich inspirieren.

Anders ist es nicht zu erklären, dass die hochgeschätzte Zoé Baches einen Artikel über die US-Knüppelbande OFAC schreibt. Das «Office of Foreign Assets Control» (Assets mit s bitte, liebe NZZaS) sorgt dafür, dass sich die ganze Welt an US-Sanktionen zu halten hat.

Das geht ganz einfach. Eigentlich gelten US-Gesetze nur in den USA. So wie Schweizer Gesetze in der Schweiz. Aber damit US-Gesetze auch in der Schweiz gelten, gibt es den Riesenknüppel US-Dollar. Der gehört den USA, und wer ihn benutzt, wer in den USA Geschäfte macht, wer Geschäfte macht, in denen US-Produkte vorkommen, wer in Richtung USA niest, ist fällig. Denn ein Entzug der Möglichkeit, mit Dollar zu handeln, bedeutet – vielleicht von ein paar abgelegenen Einsiedler-Tätigkeiten abgesehen – den sofortigen Exitus jedes Unternehmens. Und wer als Privatperson auf die über 12’000 Einträge umfassende OFAC-Liste kommt, ist auf milde Gaben seines Freundeskreises angewiesen. Alle Bankkonten werden gesperrt, nichts geht mehr.

Das alles weiss ZACKBUM, weil das (und noch viel mehr) am 26. April ein ausführlicher Artikel auf «Inside Paradeplatz» erklärt hat. Es dürfte nun keine Autoreneitelkeit sein, wenn sich daraus die Frage ergibt, wie weit sich die NZZaS davon motivieren liess, rund zwei Wochen später einen Artikel über «Uncle Sams sehr lange Arme» zu publizieren.

In dem haarklein erklärt wird, was das OFAC ist und was es kann. Angereichert um die Mitteilung eines «Beobachters, der anonym bleiben will», dass OFAC-Büttel regelmässig in die Schweiz reisen, um auch hier nach dem Rechten zu schauen. Das verwundert ja nicht wirklich, so sass in der Credit Suisse jahrelang ein US-Anwalt, um deren Wohlverhalten nach der Riesenbusse im Steuerstreit zu überprüfen. Und sicherheitshalber macht das der gleiche Anwalt neuerdings bei der UBS. Was jeweils Multimillionen kostet, denn hier muss der Kontrollierte auch noch den Kontrolleur bezahlen.

Das Monster UBS kann noch so gross ein, ein Dinosaurier, der die ganze Schweiz erschüttern würde, fiele er um, aber selbst dieser Dinosaurier hat Schiss vor dem OFAC und den langen Armen der USA. Denn mit dem Knüppel US-Dollar und der Atombombe ISDA Master Agreement können die USA jede Bank innert 48 Stunden in die Knie zwingen.

So zitiert die NZZaS einen älteren Artikel der deutschen «Welt», auf einen Hinweis zu IP verzichtet sie aber schamvoll. Vielleicht ist auch sie sauer, dass die One-Man-Show Lukas Hässig mehr Primeurs raushaut als die immer noch vielköpfigen Wirtschaftsredaktionen der sogenannten Qualitätsmedien.

Allerdings ist es dann doch etwas befremdlich, dass im ganzen Artikel von Baches nur «anonyme Beobachter» vorkommen, dazu «Befragte, die bestätigen», was auch ein «Vertreter einer grossen international tätigen Bank» tut (was das wohl für eine Bank ist?). Dann gibt es wieder «Befragte», oder aber «niemand will hier offiziell Stellung nehmen», auch «das Seco will nicht konkret Stellung nehmen», selbst die FINMA gebe sich «verhalten», worauf nochmals ein «Befragter» zu Wort kommt, schliesslich räumt gar «ein Vertreter einer Behörde» etwas ein.

Auch das ist nicht gerade eine Glanzstunde der Wirtschaftsberichterstattung.

 

Todes-Falle Unispital: Anatomie eines Skandals

Paukenschlag von Herzchirurg Paul Vogt im Gerichtssaal, mit 150 Toten und „kriminellen“ Taten: Affäre Maisano muss neu beurteilt werden.

Von Lukas Hässig*

Der Skandal um Francesco Maisano, den Herzchirugie-Chef am Zürcher Unispital (USZ) mit Pfusch-Implantaten und 340-Millionen-Reibach, wird zum Krimi mit Netflix-Potential.

Auslöser ist Maisano-Nachfolger Paul Vogt. Der fuhr heute (Freitag) im Gerichtssaal schweres Geschütz gegen das USZ und seine Exponenten auf.

150 Patienten seien von 2016 bis 2020 unter fragwürdigen Umständen ums Leben gekommen.

n jener Herzchirurgie, wo unerprobte Herz-Produkte an Kranken ausprobiert worden seien und ein „unethisches und kriminelles Verhalten“ geherrscht habe.

Vogts Vorwürfe haben Gewicht. Der langjährige Hirslanden- und USZ-Chefarzt geniesst hohes Renommee, sein Wort zählt.

Er machte klar: Patienten seien in der Herzchirurgie zu Schaden gekommen, alles andere sei „schlicht gelogen“.

Für die Abrechnung mit den USZ-Chefs wählte Vogt einen Saal des Zürcher Bezirksgerichts, wo er alles sagen durfte, weil er selber als Beschuldigter vor den Schranken der Strafjustiz stand.

Vogt nutzte das Recht des Angeklagten – zu seinen Gunsten. Die Richterin liess den Mediziner frei reden. Am Ende sprach sie ihn auf ganzer Linie frei.

Es sei dem Herz-Arzt Unrecht zugefügt worden, eine „politische Intrige“ seiner Gegner könne nicht ausgeschlossen werden.

Der Fall um Maisano und all jene, die den Italiener mit seinen Geschäftsinteressen und Interessenkonflikten bis heute schützen, erhält eine dramatische Wendung.

Allen voran für die oberste Zürcher Gesundheitspolitikerin Natalie Rickli. Die SVP-Vorzeigefrau mit Bundesratsambitionen kennt das ausufernde Dossier in- und auswendig, seit es 2020 auf ihrem Tisch landete.

Gemacht hat sie … nichts. Hätte es dafür noch einen Beweis gebraucht, so lieferte sie ihn heute, an diesem fürs USZ und für Zürich historischen Tag, gleich selbst.

Ihr Sprecher meinte nämlich auf die Frage, was die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich als USZ-Oberaufseherin nach Vogts im Tages-Anzeiger prominent gebrachten Vorwürfen unternehme:

„Wenn Sie den Artikel genau lesen, dann stellen Sie fest, dass es sich um alte Geschichten handelt, die der Tages-Anzeiger immer wieder aufwärmt und die allesamt erledigt sind.“

Schnee von gestern – so Ricklis Mann für die Kommunikation. Der fuhr fort: „Falls Sie den Eindruck haben, dass es etwas Neues gibt, fragen Sie bitte beim USZ nach.“

Das tat schon die NZZ, sie brachte die Position des USZ. Man habe alles untersucht und dabei „keine Gefährdung von Patienten“ gefunden, zitierte sie eine Sprecherin des Spitals.

Allein diese Aussage ist Zündstoff pur.

Für die eigene Untersuchung ab Anfang 2020 hatte die USZ-Leitung die Zürcher Kanzlei Walder Wyss mandatiert.

Maisanos Behauptung, es habe „keine unmittelbare Gesundheitsgefährdung“ bestanden, sei „zu relativieren“, schrieben die Anwälte im Ergänzungsbericht i.S. Projekt Neptun“.

Weiter steht im Dokument, das mit „STRENG VERTRAULICH“ gekennzeichnet ist und vom 23. September 2020 datiert:

Die „fehlende Erwähnung des nicht (mehr) verankerten Teils des Cardiobands“ habe „eine erhöhte Gefährdung (z.B. mit Blick auf einen etwaigen Folgeeingriff bewirken“ können.

Weiss die USZ-Leitung nicht mehr, was in ihren selbst bestellten Berichten steht?

Oder versucht sie auch jetzt noch, nach dem heutigen Paukenschlag durch Spitzen-Herzarzt Vogt, die Causa Maisano schönzureden?

Sicher ist: Das USZ war in der Zeit von Maisano zur Todes-Falle geworden – mit 150 verstorbenen Patienten, deren Ableben Fragen aufwarf.

Wie konnte das passieren? Wer trägt dafür die Verantwortung? Und was wurde bis heute unternommen, damit das USZ wieder sicher wird?

Ins Haus gelassen und bis zuletzt die schützende Hand über Maisano gehalten hatte Gregor Zünd.

Der CEO des Unispitals war stolz auf seinen aus Italien eingewechselten „Star“. Der brachte im Rucksack neuartige Implantate für die Reparatur am Herzen mit, sogenannte Cardiobänder.

Was kaum einer wusste: Sie stammten aus Maisanos eigener Unternehmung, der Valtech. Die wollten Maisano und seine Partner rasch verkaufen.

Dafür brauchten sie Patienten, denen sie ihr Cardioband einpflanzen konnten. Sie fanden sie, indem sie ihnen die neue Methode als gute Sache ans Herz legten.

In der Folge kam es zu Tragödien, Maisano und Co. hingegen wurden reich.

Ihr „Exit“ mit Verkauf an den US-Multi Edwards spülte als 1. Tranche enorme 340 Millionen Dollar in die eigene Kasse.

Gregor Zünd hatte für den Reibach kräftig die Werbetrommel gerührt.

Eine Weltneuheit, posaunten seine Marketing-Leute nach dem Premiere-Eingriff hinaus. Dass das Promovideo manipuliert war und die das Cardioband haltenden Schrauben bald schon aus dem Gewebe flogen:

Dazu gabs dann keinen Ton.

Im 2020, als ein Whistleblower Zünd über diesen und weitere Vorgänge unter Maisano und seine Gefährten ins Bild setzte und die Walder Wyss-Anwälte sie nicht aus der Welt schaffen konnten, kams zur Trennung.

Von beiden, also Maisano und dem Whistleblower.

Der Herz-Chef wurde aber nicht etwa mit Schimpf und sogar Klagen in die Wüste geschickt, sondern er durfte unter Abgesang von Lobeshymnen von dannen ziehen.

Der Whistleblower jedoch wurde mit dem Recht drangsaliert.

Die Affäre hatte da bereits zu hohe Wellen geschlagen, als dass man sie einfach hätte aussitzen können. Köpfe mussten rollen.

Einer tat es: jener von Spitalrats-Präsident Martin Waser.

Der ehemalige Zürcher Stadtrat, der sich einst von einem später verurteilten Chefbeamten einen Transporter des Abfuhrwesens der Stadt zum Sondertarif aushändigen liess, räumte seinen Sessel.

CEO Zünd blieb – mit dem Segen seiner höchsten Chefin, Natalie Rickli. Um die Wogen zu glätten, brauchte es nun noch das Plazet der Legislative.

Eine Subkommission USZ kam zum Einsatz, geführt von Arianne Moser, einer Freisinnigen, die später mit einer Raiffeisen-Karriere zu reden gab.

Dass der Fall derart explodiert sei, führten Moser und ihre Kommissions-Gspänli auf ein Zerwürfnis zweier Alphas zurück: Klinikchef Maisano gegen Leitender Oberarzt und dann Whistleblower.

Nötig sei im Übrigen mehr Macht für den CEO des USZ. Für Zünd.

Ausgerechnet.

Der hatte zig Affären zu verantworten, von Bauaufträgen für einen vorbestraften Immobilien-Entwickler bis zu USZ-Millionenaufträgen für die deutsche Fresenius Medical.

Beim deutschen Multi sass Zünd im VR.

Flankenschutz bei der Reinwaschung von Maisano erhielt Mosers Subkommission vom Online-Edel-Magazin Republik.

Das Medium mit den vielen Köpfen und den raren, dafür langen Texten vertauschte die Rollen. Maisano der Gute, der Whistleblower der Schlechte.

Die Journalisten bezogen sich auf das Gericht, das der Whistleblower angerufen hatte, weil er seine Entlassung nicht akzeptieren wollte.

„Das Spital trennte sich von zwei Hauptexponenten des Konflikts, mit dem einen einvernehmlich, mit dem anderen im Streit“, so die Republik.

„Es durfte dies tun, so die Auffassung des Verwaltungsgerichts: weil es um das Wohlergehen der Patientinnen gegangen sei. Und weil gerade bei Herzoperationen kein Risiko eingegangen werden dürfe.“

Der Whistleblower, also der Warner vor möglichem Pfusch und Gier durch Maisano, habe das „Wohlergehen“ der Patienten mit seinem Verhalten ebenso gefährdet wie sein Vorgesetzter.

Die Version des Hahnenkampfs als Ursache des tödlichen Klimas in der Zürcher Herzchirurgie hatte sich ein für allemal durchgesetzt.

Heute steht diese Interpretation als das da, was sie war, seit sie von FDP-Moser, Republik, Zünd, Waser und implizit auch von Regierungsrätin Rickli in die Welt gesetzt worden war:

Als komplette Schimäre.

Die Zeche zahlte der Whistleblower mit seinem Ausscheiden aus dem Arztleben. Neu politisiert er für die SVP im Schwyzer Kantonsrat und führt Unternehmen im Medizinalbereich.

Verlierer ist auch das US-Unternehmen Edwards Lifesciences.

Ein Gerichtsurteil hat gezeigt, dass die Umsätze mit dem für Hunderte von Millionen gekauften Cardioband kaum messbar sind.

„In the past three years, Cardioband’s global annual net sales ranged from approximately $2.76 million to $4.93 million, falling significantly below the net sales target in the Merger Agreement of $650 million.“

Diese jährlichen Verkaufserlöse, aufgeführt im Richterspruch vom 12. Dezember 2023, lagen weit weg von dem, was Maisano und Co. den Käufern in Aussicht gestellt hatten:

Bei nicht einmal 1 Prozent des Versprochenen.

Die Edwards-Chefs verweigerten denn auch die 2. Tranche des vereinbarten Preises für die Valtech von 350 Millionen Dollar, was zum Streit mit den Verkäufern führte.

Am Ende gab das Delaware-Gericht Edwards Lifesciences recht.

Spätestens da war klar, dass die ganze Valtech mit ihrem Cardioband nicht viel mehr als Show war – und Opfern, die darob ihr Leben verloren.

Doch Maisano, der wie vom „Beobachter“ später enthüllt nicht einmal einen echten Doktortitel erworben hatte, blieb unbehelligt. Das Mailänder San Raffaele-Spital nahm ihn bei sich auf.

Prüft das Unispital jetzt, nachdem das Delaware-Gericht Maisanos Cardioband endgültig entzaubert hat, Strafanzeige gegen ihren Ex-Vorzeige-Chirurg?

„Wir haben die hinter dem genannten Urteil stehenden Sachverhalte analysiert und sehen von Seiten USZ keinen weiteren Handlungsbedarf“, meinte ein Sprecher des Spitals vor Monatsfrist.

Auch die anderen zentralen Figuren im Drama bleiben unbehelligt.

Maisanos Schirmherr Gregor Zünd dürfte zum eigenen Abschied im 2023 einen goldenen Fallschirm von einer halben Million erhalten haben; dies nach Verlusten ohne Ende.

Spitalrats-Präsident Martin Waser geniesst sein Rentnerleben mit üppiger Beamten-Pension; er dürfte noch knapp wissen, wie man USZ buchstabiert.

Am besten geht es Arianne Moser, Maisanos Weisswascherin.

Kaum sass sie nicht mehr im Kantonsrat, schon wählte sie der USZ-Verwaltungsrat unter Waser-Nachfolger André Zemp in den Verwaltungsrat der ZüriPharm.

Das ist die verselbständigte ehemalige Kantonsapotheke, die neu als Aktiengesellschaft dem Unispital angehängt ist.

„Ich bin seit vergangenem Mai nicht mehr Mitglied des Kantonsrates (bei den letzten Erneuerungswahlen nicht mehr angetreten) und habe entsprechend seit dem Frühjahr keinerlei politische Aufgaben in diesem Bereich“, so Moser.

„Daher ergibt sich kein Governance-Thema.“

Moser, die mit ihrem Mann eine Consultingfirma leitet und von Medikamenten so viel Ahnung hat wie eine Tantra-Masseurin von Neurochirurgie, kriegt von jener Organisation Prestige und Geld, der sie in grösster Not zu Hilfe geeilt war.

Zürich, diese Weltstadt der Eidgenossenschaft, wie es effektiv operiert.

Dieser Artikel erschien zuerst auf «Inside Paradeplatz»; mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Blick-Headline verschweigt Position von Ringier-VR

Lobeshymne auf Blick-Online zum neuen CEO von CC Trust, Family Office von Claudio Cisullo. Kein Wort, dass der im VR des Verlags sitzt.

Von Lukas Hässig*

Wer kennt Peppi Schnieper? Wer die Firma CC Trust? Wer Lucia Waldner?

Seit vorgestern vielleicht viele. Blick sei Dank. Auf der Webseite verkündet das grösste Boulevard-Medium der Schweiz nämlich gross einen Wechsel an der Spitze des genannten Unternehmens.

Peppi Schnieper übernimmt als CEO“ prangt in dicken Lettern unter der Überzeile „Führungswechsel bei CC Trust Group AG“.

Keine Publireportage, sondern ernst gemeint als eine der wichtigsten Nachrichten aus der gestrigen Welt der Wirtschaft.

Noch heute findet sich der Artikel weit oben im Online-Wirtschaftsteil von Blick.ch. Zu Wort kommt der Neue, also Schnieper, der einst bei Ernst & Young war, dann zu Bain sprang.

Und nun nach einem Jahr „Group Chief Value Officer“ der „Chain IQ Group AG“ CEO dieser anderen Group, eben der CC Trust Group AG, würde.

Vor lauter „Group“ kann einem schwindlig werden. Doch anderes ist das Thema. Hinter dem ganzen Konstrukt steht ein Mann:

Claudio Cisullo, Aufsteiger der hiesigen Informatik-Branche, von der „Bilanz“ auf 250 bis 300 Millionen Franken Vermögen geschätzt.

Cisullo kommt in der Story auch prominent zu Wort. „Ich bin überzeugt, dass Peppi für die Position des CEO hervorragend geeignet ist.

Direkt unter dem Verleger (Ringier)

Und nahtlos weiter: „Mit seinem zukunftsorientierten Ansatz und soliden Hintergrund in der Vermögensverwaltung ist er bestens positioniert, das Unternehmen zu weiteren Erfolgen zu führen.

Eine umfassende Story, mit mehreren Protagonisten; sogar die scheidende bisherige Chefin kriegt von Inhaber Cisullo ein Kränzchen gewunden, sie habe eine „zentrale Rolle“ gespielt.

Nur eines erfährt der Leser nicht: Dass nämlich Cisullo seit Jahren im höchsten Gremium von Ringier sitzt, also der Herausgeberin von Blick.

Jubelstory auf Blick-Online über No-Name-Family-Office eines VR-Mitglieds des Mutterhauses, dazu aber kein Ton:

Die grosse Presse des kleinen Landes erlebt einen neuen Höhepunkt.

*Dieser Beitrag erschien zuerst auf «Inside Paradeplatz». Mit freundlicher Genehmigung.