Anschlag auf die Pressefreiheit

Es geht um das Wort «besonders». Es geht um nichts weniger als freie Berichterstattung.

«Zensur ist verboten.»

In typisch schweizerischem Understatement regelt die Bundesverfassung eine der wichtigsten Grundlagen einer freien und offenen Gesellschaft.

Nur der unbeschränkte und ungehemmte Austausch von Meinungen und Argumenten ermöglicht Erkenntnis und Fortschritt. Wo das eingeschränkt wird, sei es von Diktaturen oder von Gesinnungstätern oder von inquisitorischen Rechthabern, die genau wissen wollen, was gut und richtig sei: wo das passiert, verfault die Debatte, stockt der Fortschritt, gewinnt wieder Glauben und Überzeugung gegen Erkenntnis.

Natürlich kann Meinungsfreiheit – wie jede Freiheit – nicht grenzenlos sein, sonst wird sie zur Willkür. Daher gibt es in der Gesetzgebung der Schweiz diverse Einschränkungen. Sie sollen verhindern, dass vor allem die Macht der Medien missbraucht wird.

Es gibt Grenzen der Medienfreiheit

Um Aufreger zu schaffen, hat in den letzten Jahren tatsächlich der Kampagnen- und Fertigmacherjournalismus zugenommen. Oftmals bleiben übel behandelte Opfer zurück, wenn sich herausstellt, dass alle Vorwürfe und Behauptungen falsch waren. Aber natürlich kleben bleiben.

Um das möglichst zu verhindern, gibt es auch den Artikel 266 der Zivilprozessordnung (ZPO). Er regelt die Anwendung einer superprovisorischen Massnahme. Superprovisorisch heisst, dass zur Abwendung eines Schadens gerichtlich etwas verfügt wird, ohne dass die betroffene Partei vorab Gelegenheit hätte, sich dagegen zu wehren. Ein rechtlicher Spezialfall.

Art. 266 lautet: Gegen periodisch erscheinende Medien darf das Gericht eine vorsorgliche Massnahme nur anordnen, wenn:

  1. die drohende Rechtsverletzung der gesuchstellenden Partei einen besonders schweren Nachteil verursachen kann;
    b. offensichtlich kein Rechtfertigungsgrund vorliegt; und
    c. die Massnahme nicht unverhältnismässig erscheint.

Das heisst, dass es möglich ist, einen geplanten Bericht, von dem ein Betroffener Kenntnis erhalten hat, verbieten zu lassen. Da es sich um einen gravierenden Eingriff in die Presse- und Meinungsfreiheit handelt, sind die Hürden recht hoch gelegt. Natürlich unterliegt auch die Anwendung dieses Artikels der gerichtlichen Auslegung im Einzelfall.

Es wird schneller verboten als früher

Es ist eindeutig die Tendenz festzustellen, dass solche Verbote lockerer als in der Vergangenheit ausgesprochen werden. Einer umstrittenen Person ist es sogar letzthin gelungen, die geplante Publikation eines Buches superprovisorisch untersagen zu lassen. Beziehungsweise Themenfelder aus der Aufarbeitung einer Affäre auszuschliessen, obwohl von diesem Buch nicht einmal ein Entwurf bekannt ist. Immerhin liegt noch kein rechtsgültiges Urteil vor.

Nun mag der Laie denken, dass das Wort «besonders» vor «schweren Nachteil» Pipifax sei. Deshalb wohl habe die Rechtskommission des Ständerats vorgeschlagen, genau dieses Wort zu streichen. Also es einem Betroffenen leichter zu machen, eine superprovisorische Verfügung zu erwirken.

Der Medienanwalt Matthias Schwaibold widerspricht vehement: «Das Wort «besonders» ist in der Gerichtspraxis extrem wichtig». Damit sei die Latte für Kläger bewusst hoch angesetzt worden. Es solle die Medien vor Zensur schützen, sagt der Fachmann, der sich seit Jahrzehnten mit solchen sogenannten vorsorglichen Massnahmen herumschlägt und auch einschlägige Fachartikel publiziert hat.

Er warnt:

«Alle Medienschaffenden, insbesondere aber die «unbequemen» ausserhalb des Mainstreams, haben ein eminentes Interesse daran, diesen Anschlag auf die Meinungsfreiheit zu bekämpfen: wenn ein Superprovisorium gegen ein Medienhaus schon möglich sein soll, wenn bereits ein «schwerer Nachteil» und nicht länger ein «besonders schwerer Nachteil» genügt, wie es seit 1985 Gesetz war, dann hagelt es in Zukunft solche Verbote.»

 

Auch Organisationen wie «Reporter ohne Grenzen» sprechen sich klar gegen diesen Zensurversuch aus. Denn eine superprovisorische Massnahme ist – naturgemäss – schnell angeordnet. Ob sie auch rechtens ist, das muss oftmals in langwierigen Verfahren entschieden werden. Und liegt dann ein rechtsgültiges Urteil vor, ist meistens bereits so viel Zeit verstrichen, dass sich niemand mehr an den Sachverhalt erinnert.

Sollte das Medienorgan, wenn es überhaupt die finanziellen Mittel aufzuwerfen bereit ist, oftmals nach Jahren Recht bekommen, also die Superprovisorische wird aufgehoben, dann interessiert das eigentlich niemanden mehr.

Wieso will dieses Kommission die Hürde für Medienzensur niedriger legen?

Der Kommissionspräsident, der Mitte-Ständerat Beat Rieder, behauptet: «Es gibt immer noch zu viele Presseartikel, die auf Sensationen aus sind.» Aufgrund welcher Erfahrungen oder Interessensbindungen er das sagt, geht leider aus der trümmeligen Webseite des Rechtsanwalts nicht hervor.

Es ist absolut unverständlich, wie die Kommission auf die Idee kommen konnte, diesen Artikel verschärfen zu wollen. Es kann aus Inkompetenz oder aus Absicht geschehen sein. In beiden Fällen ist hier wirklich massiver Widerstand und Protest nötig. Hoffentlich auch aus dem Mainstream, der darunter genauso leiden würde wie Aussenseiter wie wir.

 

 

3 Kommentare
  1. Simon Ronner
    Simon Ronner sagte:

    «Um Aufreger zu schaffen, hat in den letzten Jahren tatsächlich der Kampagnen- und Fertigmacherjournalismus zugenommen. Oftmals bleiben übel behandelte Opfer zurück, wenn sich herausstellt, dass alle Vorwürfe und Behauptungen falsch waren. Aber natürlich kleben bleiben.»

    Was dann eben leider die Kehrseite der heiligen Pressefreiheit ist: Wenn diese auf perfide Art und Weise bewusst ausgenutzt-, gezielt als Mittel missbraucht wird, Kampagnen- und Fertigmacherjournalismus zu betreiben.

    Das Problem wäre inexistent, würden all die linken Medienschaffenden sich nicht bloss laut als moralisch und ethisch hochstehende Bestmenschen aufführen, sondern ihre propagierten Werte auch selbst leben. Aber diese Clique scheint so plump zu sein, dass sie nicht einmal ihre eigene Inkonsequenz wahrnimmt. Sofern es sich, leider wahrscheinlicher, nicht gleich um Verlogenheit und Heuchelei handelt.

    Die Führung der Medienhäuser ist gefordert, dieses destruktive Gebaren, diese Abwärtsspirale endlich zu stoppen. Einen Ethikkodex zu haben, diesen aber nicht durchzusetzen, das ist feige, peinlich, billig.

    Antworten
  2. .Victor Brunner
    .Victor Brunner sagte:

    Es ist kein Anschlag auf die Pressefreihheit. Der Grossteil der Presse hat die Freiheit längst aufgegeben um an die Honigtöpfe der SteuerzahlerInnen zu gelangen. Da ist Wohlverhalten empfehlenswert, schliesslich sind es die gleichen Leute in Bern die über mehr Gelder für die Presse und Putinisierung der Medien entscheiden.

    Das an der Putinisierung der Medien vor allem Walliser aus der Restpostenpartei «die Mitte» interessiert ist erstaunt nicht, auch nicht dass ein Anwalt aus dem Wallis das Geschäft im SR übernommen hat! Als Kanton würde der Wallis am meisten von den Zensurversuchen profitieren!

    Es geht um Einschränkung und Bevormundung, um unter dem Deckel zu halten, vertuschen. Um eines der wichtigsten Geschäfte für die Medien in dieser Session. Und was machen die Betroffenen, die Presse?

    Wanner bringt ein Interview mit einer schwachsinnigen und durchgeknallten Professorin aus Bayreuth zu den Jasskartenmotiven, Tamedia beschäfigt sich mit dem langweiligsten hypochondrischen Koch aller Zeiten, Bumann, mit Billie Eilish die sich aus Marketinggründen in ein Korsett gestürzt hat das keine Frau trägt, nicht einmal zum abgelaufenen Ultimatum der 78 Nesthäckchen ist etwas zu vernehmen. Für Tausendsassa Walder und Gümperli Dorer ist das Thema eh zu heiss, für sie sind Print- und Onlinemedien Nebengeschäft und die Falkenstrasse schweigt, der interne kritische Blick wurde längst aufgegeben zugunsten einer wohlgefälligen Betrachtung der deutschen Rechten.

    Antworten
  3. Jürg Streuli
    Jürg Streuli sagte:

    Es kann in einem freien Land nicht sein, dass nur schon das angekündigte Schreiben eines Buches verboten wird. Damit würde ein Präzedenzfall geschaffen, wie er zu Diktaturen wie in Nordkorea, jedoch nicht in demokratische Staaten passt. Nach der Publikation des Textes können Rechtsmittel gegen allfällige die Persönlichkeit verletzende Inhalte ergriffen werden. Doch Heilige mit Sonderrechten darf es nicht geben. Es wäre das Ende des Rechtsstaates.

    Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert