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Traktat über den adäquaten Umgang mit Vogelscheisse

Twitter ist die Verkürzung der Denkstrecke aufs Minimum.

Von Adrian Venetz*

Der österreichische Philosoph und Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick würde dieses Jahr seinen 100. Geburtstag feiern. Da er seit 14 Jahren tot ist, kann er sich schwerlich zu aktuellen Debatten äussern, aber lebte er noch, würde er es an einem Ort bestimmt nicht tun – auf Twitter. Mehr noch: Er würde seine fünf Axiome zur Kommunikationstheorie um einen sechsten Punkt erweitern, der da hiesse: Wer fleissig twittert, ist entweder strunzdumm oder weiss mit sich selbst nichts anzufangen. (Sehr oft gehen diese beiden Eigenschaften ja ohnehin Hand in Hand.)

Soziale Medien mögen zwischendurch ein netter Zeitvertreib sein. Aber jeder halbwegs vernünftige Mensch muss eingestehen, dass aus sozialen Medien vor allem eines entstanden ist: ein riesiger Berg Scheisse, der das Alpenmassiv wie ein Hügelchen erscheinen lässt. Und täglich wächst der Berg, täglich wird mehr Mist herangekarrt. Unangefochten an der Spitze der Mistlieferanten steht Twitter.

Kurze Liste, wieso Twitter für Kurzdenker ist

Weil Listicles heutzutage so en vogue sind – hier vier Gründe, warum Twitter des Teufels ist.

  1. Twitter polarisiert. Es ist ein natürlicher menschlicher Charakterzug: Stellung beziehen schafft Identität. Dezidiert Stellung beziehen schafft noch mehr Identität. Die viel beschworene Polarisierung steht für nichts anderes als das Verlangen nach Zugehörigkeit, nach festem Boden unter den Füssen. Das war vor 1000 Jahren so und wird auch in 1000 Jahren noch so sein. Aber Plattformen wie Twitter fördern und potenzieren das. Auf Twitter gehen jene unter, die etwas weder genial noch völlig daneben finden. Grautöne sind langweilig. Die anderen schreien dafür umso lauter und schaukeln sich gegenseitig hoch.
  2. Journalisten lieben Twitter. Und wenn Journalisten etwas lieben, verheisst das nichts Gutes. Twitter ist eine nie versiegende Quelle, um an knackige Zitate und Quick-and-dirty-Storys zu kommen. Jüngstes Beispiel: Sandro Brotz, der in einem Tweet die Demonstranten gegen Corona-Massnahmen verhöhnte und dann prompt im Sturm stand. (Bei allem Verständnis für sein Unverständnis: Wenn ein journalistisches Aushängeschild von SRF seine Meinung auf Twitter hinausposaunen muss, zeugt das auch nicht gerade von viel Vernunft und Fingerspitzengefühl.)
  3. Tweets können retweetet werden. Das ist der grösste Makel. Ein kleines Häufchen Scheisse bleibt nicht einfach liegen. Denn sofort tritt jemand ins Häufchen, ist masslos empört, multipliziert das Häufchen und schmeisst es in alle Himmelsrichtungen. So entsteht ein Shitstorm. (Der Vollständigkeit halber sei auch die sogenannte Bubble erwähnt: Hier suhlen sich die Vögelchen genüsslich in ihren eigenen Fäkalien.)
  4. Twitter sammelt Herzchen. Herzchen verteilen und erhalten ist ok, wenn man im Primarschulalter ist. Danach sollte man drauf verzichten können.

Das erste und berühmteste Axiom aus der Feder von Watzlawick lautet übrigens: «Man kann nicht nicht kommunizieren.» Was für ein Jammer!

 

* Venetz ist ein Journalist, der hier unter Pseudonym schreibt. Da noch angestellt …

Präventive Panik

Medienkonsumenten sind entweder Hellseher oder nicht ganz dicht. Kündigt sich eine Veränderung an, reagieren sie vorsichtshalber mal mit der Annahme des Schlimmsten. War immer so und ist auch aktuell so.

Von Stefan Millius*

Kindheitserinnerung: Wenn das Leibblatt meiner Eltern in den 80er-Jahren, das St.Galler Tagblatt, alle paar Jahre leicht am Layout schraubte, herrschte Ausnahmezustand. Der Vater genervt, die Mutter erbost. Warum denn nur, warum, es war doch alles gut, und jetzt findet man in dieser Zeitung einfach gar nichts mehr. Zwei Tage später erinnerten sie sich nicht mehr daran, wie sie früher aussah.

Layoutfragen sind heute kein Thema mehr. Dafür herrscht viel Angst vor anderen Veränderungen. Ein anderer Besitzer, eine neue Chefredaktion: Da kommen Beschwerden, Unruhe und Vorwürfe auf, bevor der Wechsel überhaupt vollzogen wird. Der Tenor: Sind Leute im Spiel, die politisch auf der anderen Seite stehen, muss es einfach schlecht werden. Es ist, als würde man dem unsympathischen Primarschüler mit den lästigen Eltern einfach mal eine Eins verpassen, bevor er die Prüfung überhaupt auf dem Tisch hat.

Pluralistisch, aber keiner merkts

Als Blocher bei der Basler Zeitung einstieg, war allen klar: Nun kommt der «Stürmer» Nordwestschweizer Prägung. Die Leute gingen auf die Strasse, um gegen das neue rechte Medium zu demonstrieren, bevor irgendetwas passiert war. Nur aufgrund der Ankündigung.

Die Wahrheit sah anders aus. In der Redaktion gab es auch unter den neuen Besitzern kein grosses Aufräumen, zumindest kein von oben verordnetes, und ein Altlinker wie Helmut Hubacher fühlte sich als Kolumnist weiter pudelwohl. Die BAZ war vermutlich in jener Ära die pluralistischste Zeitung der Schweiz, in der sich die Pole munter Debatten lieferten, was man von den selbstdeklarierten «Forumszeitungen» bis heute nicht behaupten kann. Es sei denn, man hält ein zum Gähnen langweiliges «Pro und Kontra» zweier Nationalratshinterbänkler für den Olymp der Meinungsvielfalt.

Alles Faschos

Nun wiederholt sich die Geschichte mit dem «Nebelspalter», der neu «klar liberal» sein soll mit 70 vermutlich eher vermögenden Investoren und dem rechtsbürgerlichen Markus Somm als Chefredaktor und Verleger. Twitter implodierte in den Tagen vor dem Start der erneuerten Marke förmlich unter Prognosen, die sich durch eines auszeichneten: Sie gingen vom Schlimmsten aus, bevor auch nur ein einziger Text online war.

Eine kleine Auswahl von Twittermeldungen:

  • «Der Nebelspalter wird unter Markus Somm nur noch gegen rote Fäuste kämpfen, die braunen werden liebevoll geschüttelt.»

  • «Es scheint ein rechtspopulistisches Satireblatt zu werden, das sich getrauen wird, das auszusprechen, was andere nicht tun. Das ist meistens rechter Code für Hetze und Falschbehauptungen.»

  • «Markus Somm will weiterhin den kritischen Nebelspalter drucken lassen und dafür mit der Onlineausgabe den rechten Hetzern in den Arsch kriechen.»

  • «Jemand, der den Nebelspalter nie ansatzweise begriffen hat, darf sich da propagandistisch austoben.»

  • «Somm verschliest seinen faschistischen Nebelspalter hinter der Paywall. Gut so. Rechtsradikale Scheisse gibt’s schon genug im Netz.»

Diese Auslese entstand bis Mittwochabend, 17. März 2021, also etwa zwölf Stunden, bevor der neue Nebelspalter online ging. Sprich: Ohne einen einzigen Text gesehen zu haben, stand für die besagten Leute und viele weitere – es ist eine wirklich kleine Auslese – fest, dass die Onlinzeitung faschistisch ist, rechtsradikale Scheisse produziert, rechten Hetzern in den Arsch kriecht und überhaupt irgendwie, naja, rechts ist.

Empörung statt Neugier

Dass Markus Somm als Verleger und Chefredaktor kaum ein trotzkistisches Kampfblatt auf den Markt wirft, ist eine verlässliche Annahme. Auch, dass das 1. Mai-Komitee nicht zu den Investoren gehört. Von dort bis zum faschischisten Hoforgan ist es allerdings ein ziemlich weiter Weg. Und: Was ist eigentlich aus dem guten alten «Na, dann schauen wir mal und sind gespannt» geworden? Aus einer wohlwollenden Neugier auch gegenüber etwas Neuem, hinter dem nun nicht gerade die besten Freunde stecken?

Auffällig auch, dass die Präventivpanik und der Vorausprotest meist von links kommen. Bei der «Republik» zeichnete sich früh ab, dass dort eine Brigade arbeiten wird, die nicht nur gemeinsam schreibt, sondern auch den Stimmzettel identisch ausfüllt. Aber von rechts warnte vor dem Startschuss niemand davor, dass hier eine neue linke Medienkraft entsteht. Warum auch?

Unmöglicher Gegenbeweis

Hätten sie Geld und Zeit ohne Ende, müssten Zeitungen, die so mit Vorschussdisteln eingedeckt werden, eigentlich ein Experiment wagen und die ersten drei Monate genau das Gegenteil von dem tun, was man von ihnen befürchtet. Eine Kolumne für Schweden-Greta, das Konterfei von Paul Rechsteiner als Seitenhintergrund, das Tagebuch von Cédric Wermuth als Serie und so weiter. Und das nicht im Satirebereich, sondern im heiligen Ernst.

Das dürfte Somm und Co. zu doof sein. Aber selbst wenn sie ihr Versprechen einlösen und alle Stimmen einbinden und den Dialog zwischen links und rechts ermöglichen, wird die zitierte Twittergemeinde bis zum jüngsten Tag röhren: Rechtsfaschistische Scheisse! Sie haben es getan, ohne etwas gesehen zu haben, in Zukunft können sie eine selektive Auswahl aus dem Textangebot nehmen und sich bestätigt fühlen.

Die Wahrheit ist: Es spielt in solchen Fällen gar keine Rolle, was drinsteht. Entscheidend ist nur, was draufsteht. Die «falschen» Investoren, der «falsche» Verleger: Dann muss es einfach falsch werden.

*Packungsbeilage: Der Autor ist freischaffender Mitarbeiter beim Nebelspalter.

 

 

 

Wildwest im Internet

Eine Errungenschaft der Zivilisation war, das Faustrecht abzuschaffen. Die private Rechtsprechung. Nun ist sie wieder da.

Es dauerte im Wilden Westen, aber irgendwann setzte sich auch dort durch, dass der Cowboy nicht einfach das Recht – oder was er dafür hält – in die eigenen Hände nehmen darf. Sondern dass er Entscheidung und Urteil dem Staat zu überlassen hat.

Manchmal schlägt die Geschichte wirklich merkwürdige Purzelbäume. So wie sich vor 200 Jahren Grossgrundbesitzer oder die Halter von Riesenherden, später dann Ölbarone aufführten, inklusive Rechtsprechung, so ist das heute auch wieder.

Von vielen Kurzdenkern bejubelt, haben diverse soziale Plattformen bekanntlich dem Ex-Präsidenten Donald Trump den Stecker gezogen. Nachdem sie fast vier Jahre lang zusahen, was er alles so twitterte, auf Facebook stellte oder auf YouTube, entdeckten sie plötzlich kurz vor der Amtsübergabe ihre soziale, politische und sonstwas Verantwortung.

Statt Trump entscheiden nun Zuckerberg, Dorsey, Page?

Man tritt Mark Zuckerberg nicht zu nahe, wenn man ihn als leicht schrullig bezeichnet. Bösartiger könnte man von Autismus sprechen, auch das hässliche Wort Soziopath in die Runde werfen.

Man tritt auch Jack Dorsey nicht zu nahe, wenn man ihn als leicht abgedreht bezeichnet. Er ist, zusammen mit einem Hedgefonds, arabischen und russischen Investoren als Mitgründer einer der grössten Einzelaktionäre von Twitter. Man tritt auch Larry Page nicht zu nahe, dem Mitentwickler von Google (Marktmacht 92 Prozent) und damit Mitbesitzer von YouTube, wenn man ihn als grossen Heuchler (don’t be evil) bezeichnet.

Nun sind diese Herren daran beteiligt, wenn einem Nutzer ihrer Plattformen der Stecker gezogen wird. Deutschland, wovon auch Schweizer Betreiber von Webseiten betroffen sind, hat die Absurdität und staatliche Bankrotterklärung auf die Spitze getrieben. Mit dem nicht nur sprachlichen Monster «Netzwerkdurchsetzungsgesetz». Wer sich mal ein schönes Stück deutsche Wertarbeit anschauen will, bitte sehr.

Eine gute Absicht verkehrt sich ins Gegenteil

Kurz gefasst macht dieses Gesetz auch den Betreiber einer sozialen Plattform haftbar, wenn der Hassposts, rassistische Schmierereien, Aufrufe zur Gewalt und so weiter nicht zackig säubert. Wer entscheidet, was noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist und wo der strafbare Raum beginnt? Nun, der Betreiber natürlich. Erst in nächster Instanz der Gesetzgeber, wenn er Fehlverhalten mit strammen Bussen bestraft.

Wie so oft verkehrt sich hier eine gute Absicht, eine Schranke gegen Hass und Hetze im Internet hinzustellen, ins Gegenteil. Zunächst brauchte der deutsche Gesetzgeber bis Herbst 2017, um dieses Gesetz zu verabschieden. Der absolute Sündenfall besteht darin, dass damit ganz offiziell privaten Firmen die Autorität übergeben wird, Zensur ausüben zu dürfen.

Die Wurzel des Übels liegt – wie meist – in den USA. Dort schafften es die grossen Plattformen mit geschickter Lobbyarbeit, sich vor einer Verantwortung zu drücken, die sonst jeder im Netz hat. Wenn ein Amok eindeutig gesetzwidrige Botschaften postet oder als Kommentar abschickt, dann haftet natürlich er selbst dafür. Aber auch die Plattform, die sich als Multiplikator missbrauchen lässt. Deshalb werden inzwischen von allen solchen Plattformen Kommentare moderiert oder gleich ganz abgeschafft. Ausser bei Facebook, Twitter & Co.

Nackte Brust schwierig, brauner Kommentar kein Problem

Die haben sich nämlich eine Ausnahmebewilligung gemischelt, dass sie eben keine Newsplattformen sind, sondern nur dem sozusagen privaten Meinungsaustausch ihrer Nutzer dienen. Ausdruck typisch amerikanischer Verklemmtheit ist dabei, dass es sehr schwierig ist, eine nackte Brust, selbst von einem Kunstwerk, hochzuladen. Rassismus, Hetzreden, absurde Verschwörungstheorien, Geschwafel über eine jüdische Weltverschwörung, das ist hingegen kaum ein Problem.

Ausser im deutschen Sprachraum. Das ist die vermeintlich gute Seite. Die rechtsstaatlich mehr als bedenkliche ist, dass es dem Belieben und der Willkür der Kontrolleure von Privatfirmen überlassen bleibt, ob eine Mitteilung im Netz bleibt oder gelöscht wird. Oder gleich der Account gesperrt wird.

Genau wie bei vielen grauen und schwarzen Listen herrscht hier völliger Wildwest. Wer als Person gesperrt wird oder gar auf eine Blacklist kommt, hat keinerlei rechtsstaatliche Möglichkeiten, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Wer’s nicht glaubt und sehr viel Geld hat, kann gerne versuchen, eine dieser Plattformen haftbar zu machen oder zur Streichung seines Namens aufzufordern.

Chancen zur Gegenwehr: faktisch null

Alle Dummköpfe, die das Verstummen von Trump auf den sozialen Netzwerken bejubelt haben, sind sich offenbar nicht darüber im Klaren, dass sie Willkür und Faustrecht applaudieren. Was sich nicht zuletzt darin manifestiert, dass fast vier Jahre lang alle diese Plattformen x-fach an Trump verdienten. Durch Gratis-Werbung in Form von Nennung in allen Newskanälen, und in Form von volumenabhängiger normaler Werbung auf dem Gleitmittel Trump.

Das Gesetz in Deutschland, die hilflosen Aufrufe zur Beseitigung rechtsfreier Räume im Internet bewirken bis heute nur eins: Wildwest wird durch reine Willkür ersetzt. Jedem kann begründungslos oder mit windiger Begründung der Stecker gezogen werden. Rechtsmittel dagegen: null. Willkommen in der schönen, neuen Welt.

Die Corona-Kreische

Schade, dass «Spitting Image» nicht auf Emma Hodcroft aufmerksam geworden ist. Nur solch rabenschwarzer Humor könnte ihr gerecht werden.

Von 1984 bis 1996 führten die Puppen der Satiresendung vor, was eigentlich nur die Engländer können: Denk dir das Bösartigste aus, was du über einen Politiker sagen kannst. Dann trinke eine Tasse Tee und sage: guter Anfang, aber auch nicht mehr.

Die Serie ist seit Oktober wieder auferstanden, einer der wenigen Lichtblicke des abgelaufenen Jahres. Ins Panoptikum würde allerdings unbedingt das Trio Infernal aus der Schweizer Corona-Forschung passen.

Margaret Thatcher war das Lieblingsobjekt der ersten Auflage, aber auch aktuell gehen die Figuren natürlich nicht aus:

Schlimmer geht immer: Splitting Image, Part I

Schlimmer und schlimmer: Splitting Image, Part II

Wir hätten einen Beitrag dazu und schwören alle heiligen Eide, dass wir hier nicht nachgeholfen haben:

Fasnacht schon das ganze Jahr: Dr. Emma Hodcroft

Genau, so stellt man sich eine verantwortungsbewusste, seriöse Wissenschaftlerin vor, die unermüdlich die Stimme erhebt, um ihre Mitbürger vor dem Schlimmsten zu bewahren. Und da leider viel zu wenige auf sie hören, wird sie immer kreischiger in ihren Kommentaren zur Lage.

Erbitterter Konkurrenzkampf um Aufmerksamkeit

Das liegt auch daran, dass sie in einem erbitterten Konkurrenzkampf mit Kollegin Isabella Eckerle im fernen Genf steht und mit Kollegin Tanja Stadler, als offizielle R-Wert-Berechnerin in leichter Vorlage. Hodcroft und Eckerle haben noch keinen Sitz und Stimme in der sich furchtbar wichtig nehmenden Taskforce to the Bundesrat, also müssen sie das – unterstützt von willigen Medien – mit brachialer Präsenz ersetzen.

Wie es sich für sich differenziert ausdrückende Wissenschaftler üblich ist, ist vor allem Twitter das Medium der Wahl. Wobei inzwischen nicht einmal mehr die Beschränkung auf wenige Buchstaben ganz ausgenützt werden muss:

Im Zweierpack noch kreischiger: Hodcroft und Eckerle.

Auf der anderen Seite reicht Twitter völlig aus, um die ewig gleichen zwei Botschaften unters Volk zu bringen: Lockdown sofort, sofort Lockdown, totaler Lockdown. Und wenn nicht, ich warne, es wird grauenhaft.

Möglichst sanfter Fall zurück in die Bedeutungslosigkeit

Aber auch hier ist die Konkurrenz mörderisch; die Nase vorne hat der Berner Kollege von Hodcroft, Christian Neuhaus. Er ist unbestritten der Twitter-King unter den Virologen, und dann hat er auch noch Einsitz in der Taskforce.

Irgendwie verständlich, dass Hodcroft da mit Schminke, weiblicher Attraktivität und Selbstdarstellung bis zum Gekreische dagegen halten muss. Was das alles allerdings mit verantwortungsbewusst betriebener Forschung zu tun haben könnte, das fragt man die Postdoktorantin vergeblich.

Man wünscht ihr auf jeden Fall, wie ihren Kolleginnen und Kollegen, einen möglichst sanften Fall in die Bedeutungslosigkeit, aus der sie kamen und in die sie wieder verschwinden werden, wenn die Pandemie vorbei ist.

Haltet dem Mann ein Bett im Spital frei!

Marc Brupbacher ist «Leiter Interaktiv-Team» beim «Tages-Anzeiger». Aber leider hyperaktiv.

Früher, ja früher einmal, da war eine leitende Stellung im Journalismus mit einer gewissen Reputation verbunden. Diese wiederum zwang den Amtsinhaber dazu, sich öffentlich etwas gewählter als am Stammtisch nach dem zuvielten Halbeli auszudrücken.

Aber wenn jemand trotz jungen Jahren in Schnappatmung und Gehirnstarre verfällt, dazu noch den Fehler macht, zu twittern, dann wird es zappenduster.

Mal eine kleine Auswahl seiner hysterischen spitzen Schreie, nur aus 24 Stunden. «Dieses Märchen von Sommaruga», für ihn ein milder Tadel, «unsere obersten Zauderer zaudern weiter», er kommt auf Betriebstemperatur, «jetzt sind sie komplett übergeschnappt», diagnostiziert Brupbacher den Bundesrat. Dann findet er das Notdampfablassventil nicht: «Wer nach zehn Monaten Pandemie immer noch nicht versteht, blabla, verfügt über die Hirnleistung eines Einzellers.»

Was nur Brupbacher weiss: Der Bundesrat ist komplett übergeschnappt.

Wenn dieser Zweizeller nicht schimpft, dann fordert er: «Skigebiete müssen sofort geschlossen werden.» Oder ihm fehlen dann doch japsend die Worte: «Dumm und dümmer.»

Nein, so viel Selbsterkenntnis ist ihm nicht gegeben. Dafür aber ein strahlendes Selbstbewusstsein. Das führte allerdings am 13. Dezember, kein glücklicher Tag für die Wissenschaft, zu dieser Höchstleistung an dumpfbackig-schnöseliger Unverschämtheit: «Hey, Uni Luzern, nehmt den Dreck runter, entschuldigt euch bei C. Althaus und publiziert eine Richtigstellung. Und bevor ihr nächstes Mal solche Verschwörungstheorien bewirbt, macht ihr in Zukunft minimales Factchecking.»

Dreck runternehmen: Wäre ein guter Ratschlag für Brupbacher.

Wir empfehlen in solchen Fällen einen Beruhigungstee, falls wirkungslos, könnte auch eine Zwangsjacke zum Einsatz kommen; wird es dabei lautstark, gibt es in gewissen Institutionen schallisolierte Räume mit gummigepolsterten Wänden. Ach, und ein sehr kräftiger Klaps auf den Hinterkopf könnte auch nicht schaden.

Vernünftig und faktenbasiert ist nicht so Brupbachers Ding

Welchen angeblichen «Dreck» soll die Uni Luzern denn «runternehmen»? Den weissglühenden Unmut des Tagi-Laien hat ein Buch der beiden Uni-Dozenten Konstantin Beck und Werner Widmer verursacht. Der eine hat das Fachgebiet Versicherungsökonomie, der andere Spitalmanagement. Beide haben, im Gegensatz zu Brupbacher, einiges vorzuweisen. Widmer war Direktor in vier Spitälern, darunter USZ, Stiftungsrat der Schweizerischen Patientenorganisation, VR Careum, Präsident der Krebsliga. Beck unterrichtet an den Unis Luzern, Basel, Lugano, Lausanne, ist Versicherungsmathematiker, etc.

Die beiden Fachleute werfen einen kritischen Blick auf die Pandemiepolitik der Schweiz und plädieren für ein evidenzbasiertes Vorgehen. Das ist zwar vernünftig, aber natürlich nicht die Methode Brupbacher. Und wieso sollen sich die beiden bei der Alarmsirene Christian Althaus entschuldigen? Der erschreckte schon mehrfach die Schweiz mit keinesfalls evidenzbasierten Horrorzahlen von Tausenden Toten, von bis zu 30’000 Toten. Also ein verantwortungsloser Selbstvermarkter.

Verschwörungstheorie? «Da sich die Virologen bis anfangs 2020 kaum für das Coronavirus interessiert haben und die Epidemiologen auch nur erste Studien vorlegen konnten, plötzlich aber weltweit massiv geforscht und publiziert wurde, verkam die Pandemie-Politik zu einer Art «angewandter Epidemiologie auf dem aktuellen Stand des Irrtums».»

Früher standen solche Leute auf Holzkisten und beschallten die Menge

Diese Stellungnahme in einem Interview hat nichts mit Verschwörungstheorie, aber sehr viel mit Faktencheck und überhaupt nichts mit gekeiften Verbalinjurien zu tun. Es mag durchaus sein, dass sich die beiden Dozenten täuschen. Aber da sie ihre Erkenntnisse auf einem wissenschaftlichen Niveau vorlegen, sollte man auch bei Gegenargumenten dieses Niveau nicht verlassen.

Da erwischen wir Brupbacher auf dem falschen Fuss. Ausser ein paar Grafiken, die sich jeder so oder anders basteln kann, ausser dem verbissenen Gekeife eines Fanatikers, der sich im Besitz der einzigen Wahrheit wähnt, hat er nichts zu bieten.

Früher standen solche Leute auf irgendwelchen Kisten und beschallten die Menge mit düsteren Untergangsprophezeiungen, wenn nicht sofort eingehalten werde und den Ratschlägen des Redners gefolgt.

Heute ergiesst sich solcher Dreck ins Digitale, wodurch er einen gewissen aseptischen Anstrich bekommt. Aber dieses primitive Austeilen in alle Richtungen, «komplett übergeschnappt» zum Bundesrat, aber völlig argumentefrei, das würde eigentlich nur Beunruhigung über den Geisteszustand des Grantlers auslösen.

Nur einer ist noch normal in diesem verrückten Land

Die Beunruhigung steigert sich zur Besorgnis, wenn man diesen Ausbruch Brupbachers liest: «Sind jetzt eigentlich alle komplett durchgeknallt in diesem verrückten Land?» Wer diese Frage stellt, beantwortet sie für sich selbst: Ich bin hier der einzig Normale, umzingelt von Wahnsinnigen.

Absurdester Ausbruch ever: alle spinnen, nur einer nicht.

Wenn es sich bei der Schimpfkanone zudem um ein führendes Mitglied des Duopols handelt, das den Schweizer Tageszeitungsmarkt unter sich aufteilt, dann steigert sich die Besorgnis zur Befürchtung: Wie ist es möglich, dass Tamedia das zulässt? Warum hindert diesen Amok niemand daran, das Image des Journalisten noch mehr in den Dreck zu ziehen? Man weiss es nicht, aber man wundert sich über nichts mehr.

Auch nicht darüber, dass Brupbacher die Gelegenheit zur Stellungnahme auf einen übersichtlichen Fragenkatalog nicht wahrnahm. Das ist bei Angstbeissern und Grossmäulern durchaus üblich, dass sie kneifen, wenn man sie konfrontiert.