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Das Problem mit der Wahrheit

Wieso ist heutzutage eine einfache Frage so schwer zu beantworten?

Die Frage lautet: Fand im Kiewer Vorort Butscha ein Massaker statt, und wurde es von russischen Streitkräften begangen?

Das führt zur Frage: wie lässt sich eine solche Behauptung verifizieren, beziehungsweise falsifizieren? Dieser Frage vorangestellt werden müsste die Feststellung: Es handelt sich bislang um ein mutmassliches Massaker, mutmasslich von den Invasoren der Ukraine begangen.

Unsere Methode, zwischen wahr und unwahr zu unterscheiden, ist normalerweise eher einfach gestrickt. Gibt es fotografische Beweise für eine Behauptung? Gibt es Zeugenaussagen, am besten von Augenzeugen? Gibt es die Bestätigung von unabhängiger Seite? Gibt es faktische Beweise wie beispielsweise Kugeln? Gibt es logische oder andere Unstimmigkeiten in einem Erklärungsnarrativ?

Gerade Ereignisse wie die in Butscha können eine signifikante Auswirkung auf den Kriegsverlauf und die Weltöffentlichkeit haben.

Wie war es bei früheren Massakern?

Greifen wir kurz in die Geschichte zurück und erinnern an das Massaker von My Lai. In einem vietnamesischen Dorf verübte die US-Armee am 16. März 1968 ein Massaker an der Zivilbevölkerung mit 504 Toten.

Der US-Journalist Seymour Hersh brachte mit unermüdlichen Recherchen das Massaker an die Öffentlichkeit, allerdings lehnten zunächst alle grossen Medien in den USA die Publikation seiner Recherche ab.  Erst 14 Monate später berichtete «Life», danach auch «Newsweek» und das «Time»-Magazin. Schockierend waren die Aufnahmen des Fotografen Ron Haeberle, der als das, was man heute «embedded journalist» nennen würde, an dieser Militäraktion teilnahm und die Leichen für einen «body count» der Militärstatistik fotografierte.

Denn die erste Verteidigungslinie der Militärs war, dass es sich ausschliesslich um Vietcong, also feindliche Guerillakämpfer, gehandelt habe. Das Massaker hatte einen bedeutenden Einfluss auf die öffentliche Meinung in den USA und löste eine Protestbewegung in weiten Teilen der Welt aus.

Nur wenige Soldaten hatten den Befehl zum Massenmord verweigert, mit dem vorangehende Greuel wie Vergewaltigungen vertuscht werden sollten. Als Hauptverantwortlicher wurde der befehlshabende Offizier William Calley 1971 zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Der damalige US-Präsident Richard Nixon wandelte die Strafe sofort in Hausarrest um; 1974 begnadigte er Calley vollständig.

Nach kurzem anfänglichen Leugnen und Vertuschungsversuchen wurde dann niemals mehr in Frage gestellt, dass es sich tatsächlich um ein US-Kriegsverbrechen gehandelt hatte. Es war nicht das einzige.

Solche singulären Ereignisse hatten schon immer einen manchmal gewaltigen Impact auf die öffentliche Meinung und die Befürwortung oder Verurteilung eines Krieges. Das mutmassliche Massaker von Butscha hat ein vergleichbares Potenzial.

Aktuelle Strassenaufnahme und zwei Wochen alte Satellitenaufnahme.

Aber trotz im Vergleich zu 1968 gewaltig weiterentwickelten Kommunikationsmitteln bis hin zu Satellitenaufnahmen bestreiten die mutmasslichen Täter ihre Tat. Das Massaker werde ihnen untergeschoben, in Wirklichkeit handle es sich um eine Racheaktion ukrainischer Milizsoldaten an Sympathisanten der Russen, nachdem deren Truppen abgezogen seien.

Ein gefaktes Massaker

In den Wirren nach dem Sturz Ceausescus in Rumänien gab es Berichte über Greueltaten seines Geheimdiensts Securitate, dessen Angehörige sich weiterhin gegen den Machtverlust wehrten. Zum Beleg gab es Fotos eines Massengrabs, in dem Leichen lagen, offensichtlich Zivilisten, die mit Stacheldraht gefesselt waren und mit Schüssen getötet. Das sollte als Beleg für das grausame Wüten der Securitate dienen.

Von dieser Mörderbande wurden tatsächlich Kriegsverbrechen begangen, zum Beispiel in Temesvar. Nur stellte sich hier heraus, dass es sich um Leichen handelte, die aus Leichenhallen von Spitälern herbeigeschleppt und entsprechend hindrapiert worden waren, um Stimmung gegen die Securitate zu machen.

Das Beispiel der Massenvernichtungswaffen des Iraks, wie angeblich irakische Soldaten bei der Invasion Kuwaits Babys aus Brutkästen gezerrt und auf den Boden geworfen haben sollen – es gibt viele Berichte, die sich im Nachhinein als Fake News herausstellten.

Allerdings: in vielen, sicher nicht in allen Fällen, kommt die Wahrheit ans Tageslicht. Meistens dadurch, dass für eine Verschwörungsstory zu viele Beteiligte dicht halten müssten. Konkret heisst das aktuell: angenommen, die russische Version stimmte, dass alle Augenzeugen, die Russen als Verursacher identifizieren, lügen. Dass die Satellitenaufnahmen der Leichen, als noch russische Truppen den Vorort kontrollierten, gefälscht sind. Oder dass ukrainische Truppen die Leichen dort präpariert hätten, um sie dann westlichen Medien vorzuführen. Ohne dass einer der Beteiligten auspackt.

Sicherlich sind die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen und sollte ein verantwortungsvoller Journalismus die Unschuldsvermutung und das Wort «mutmasslich» nicht aus seinem Vokabular streichen.

Berechtigte Zweifel oder Verschwörungsstorys?

Aber bislang hat die russische Seite wirklich keinerlei stichhaltige Beweise vorgelegt, um ihre Behauptung zu stützen. Natürlich werden auf den unendlich vielen Plattformen im Internet wildeste Verschwörungsstorys feilgeboten. Videoanalysen, Widersprüche, Zweifel, Schlussfolgerungen. Natürlich dient zur Selbstverteidigung auch immer das Argument, dass die westlichen Medien eben einseitig berichten würden, dem Narrativ widersprechende Fakten unterdrückten.

Bei aller Unfähigkeit der Medien, bei allem Geheule im Mainstream und der ewigen unreflektierten Wiederholung der gleichen Gemeinplätze: bei all dieser Verwirrung sollte man ein Instrument des Menschen nicht zu gering schätzen: den gesunden Menschenverstand. Etwas ist so, etwas ist nicht so. Man kann sich früher oder später festlegen, was man glaubt.

Aber im Fall von Butscha grenzt es an gesicherte Erkenntnis, noch nicht ganz, aber fast über jeden vernünftigen Zweifel erhaben, dass die Invasionstruppen dieses Massaker verübt haben. Das zu bezweifeln, ist das Recht jedes Bürgers in einer freien Gesellschaft. Ihn deswegen zu beschimpfen oder auszugrenzen oder ihm Nachteile welcher Art auch immer anzudrohen, gehört sich nicht. Oberhalb davon, dass freie Meinungsäusserung eben nicht gratis ist. Die Kosten muss dann schon jeder selber tragen, die Entscheidung ist dem Einzelnen überlassen, ob ihm seine öffentlich geäusserte Meinung etwas wert ist oder nicht.

ZACKBUM hatte beschlossen, sich inhaltlich zum Kriegsverlauf nicht zu äussern. Hier handelt es sich aber um ein Problem, das auch die Rolle der Medien umfasst. Mindestens so erschreckend wie das Massaker selbst ist der offenkundige Vertrauensverlust, den auch seriöse oder halbstaatliche Newsplattformen hinnehmen müssen. Früher hätte eine bestätigte Meldung in der «Tagesschau», erst recht, wenn sie von Paul Spahn vorgetragen wurde, amtlichen Charakter.

Paul Spahn (1914 bis 2002).

Das ist heute leider anders geworden, und daran sind nicht die Russen schuld.

Wir sind so frei

Keine Boni mehr für SRG-Kader? Kein Problem.

Kurzarbeit für Mitarbeiter beantragen? Trotz geschützter Werkstatt mit fixen Gebühreneinnahmen? Na und? Deswegen oben auf Boni verzichten? Himmels willen, niemals. Dafür von der Medienministerin Sommaruga sanft gerüffelt werden, das sei «unsensibel»?

Okay, da sah man Handlungsbedarf. Geldgierig, das wäre ja noch egal. Aber nicht sensibel, das wollte sich die SRG nicht vorwerfen lassen. Also werden die Boni ab 1. Januar 2023 gestrichen.

Natürlich ist auch für Mitglieder der Geschäftsleitung der SRG das Portemonnaie ein ganz sensibles Körperteil. Das kennt den sogenannten Lochschmerz. Der entsteht normalerweise bei einer Zahnextraktion. Aber es geht hier bei den Boni um rund ein Fünftel der Lohnsumme, das läppert sich.

Zum Beispiel das Geschäftsleitungsmitglied X, zuständig für Luft, Laune und den ordentlichen Aktenrundlauf, bekommt wie alle anderen auch dafür 390’000 Franken im Jahr. Würden ihm davon 20 Prozent abgeschränzt, wären es nur noch 312’000. Das würde bedeuten, dass mehr bei Aldi und Lidl eingekauft werden müsste, weniger bei Coop und Migros.

Noch dramatischer wäre das bei SRG-Generaldirektor Gilles Marchand. Der würde von rund 533’000 Franken auf 426’400 runtergestuhlt. Damit wäre der Traum vom Zweitferienhaus ausgeträumt, die jüngeren Kinder müssten die Kleider der älteren auftragen.

Das Entstehen solcher Lochschmerzen musste unbedingt verhindert werden, aber unsensibel wollte man natürlich auch nicht erscheinen. Geniale Lösung: Boni gestrichen. Restlos. Vollständig. Abgeschafft. Dafür wird einfach der Fixlohn entsprechend erhöht. Ist das Hammer, megageil, megasensibel oder was?

Eigentlich wären nun alle zufrieden und könnten in Ruhe weiterarbeiten, wenn da nicht der Parteipräsident der «Mitte» wäre. Obwohl Gerhard Pfister die Namensänderung weg von CVP durchzog, hat er noch ein christliches Gewissen.

Und regt sich auf Twitter auf:

«Bei Banken würde @SRF investigativ tätig werden. Aber bei Saftläden ists ok. Bevor jemand mir die Parteibüchlein der VR-Mitglieder vorhält: Ich schäme mich fremd.»

Damit stellt Pfister drei Parteikollegen in der SRG-Geschäftsleitung mit an den Pranger.

Und ZACKBUM sagt für einmal: Chapeau, Herr Politiker, das nennt man Prinzipien. Da hätte sich ihr Vorgänger Christophe Darbellay einige Scheiben von abschneiden können.

Schreibende Sparmassnahme

Kaum etwas ist so billig wie ein pensionierter, aber immer noch mitteilungswilliger Journalist.

Leider ist billig oft auch wertlos. Besonders schön zeigt sich dieses Elend in der aktuellen Ausgabe der «NZZ am Sonntag». Die ersten drei Seiten des Bundes «Hintergrund» sind für Meinungen reserviert.

Vorne dürfen die Redaktoren selbst, auf der nächsten Seite wird nicht zu selten einem Gastkommentator das Wort erteilt. Und in einem knappen Streifen wird das abgefüllt, was früher mal eine kompetente Medienkritik war, betreut von einem erfahrenen und langjährigen Redaktor, einer Koryphäe.

Andere Zeiten, aber nicht bessere

Die Zeiten ändern sich, leider nicht immer zum Besseren. Ein Zusammenprall von Licht und Elend ist hier zu beklagen. Als Gastkommentator macht sich der Professor der Uni St Gallen, Caspar Hirschi, ein paar intelligente Gedanken zur Frage, wieso eigentlich in der Schweiz keine blutigen Revolten mehr stattfinden. Er beginnt mit der guten Feststellung:

«Man kann nur verurteilen, was man verstanden hat. … Es ist die Voraussetzung dafür, dass man auch jenen gerecht wird, die man ins Unrecht setzt.»

Wo dieser Grundsatz nicht gelte, herrsche «Willkür», resümiert Hirschi.

Als abschreckendes Beispiel führt er den bekennenden Wutmoderator Sandro Brotz von der «Arena» an. Seine Überlegungen sind wissenswert:

«Es folgte eine Schaltung nach Einsiedeln, wo ein bärtiger Mann im weissen Chutteli eine Krumme paffte und ruhig der Fragen harrte, die da kommen mochten. Nur: Es kamen kaum Fragen. Erst forderte Brotz den Treichler auf, sich von den Krawallbrüdern auf dem Bundesplatz zu distanzieren, dann geisselte er die Ausschreitungen als «undemokratisch» und «unschweizerisch», schliesslich warf er ihm vor, den Rechtsstaat zu missachten und das Land zu spalten. Sandro Brotz inszenierte ein Verhör samt Verurteilung. Er wollte nichts verstehen und hatte nichts verstanden. Das Ganze hatte den absurden Effekt, dass der Interviewte die präzisierenden Nachfragen stellte und der Interviewer wie ein Spalter wirkte.»

Natürlich kannte Hirschi den Inhalt der Spalte rechts von seinen Ausführungen nicht, selbstverständlich hätte er dazu auch nicht Stellung nehmen dürfen. Obwohl sich das Beispiel mindestens so gut wie Brotz eignet, um zu exemplifizieren, was passiert, wenn verurteilt wird, ohne verstehen zu wollen, wie willkürlich absurde Schlüsse gezogen werden.

Was mal Medienkritik war, ist nur noch Flachsinn

Denn hier fährt Felix E. Müller die einstmals angesehene «Medienkritik» bei der NZZ gegen die Wand. Der langjährige Chefredaktor der NZZaS hat inzwischen viel Zeit und ist mitteilungsbedürftig, da pensioniert. Eine schlechte Mischung.

Er hat ein These, dann biegt er die Realität zu ihr hin. Eine üble Masche. Seine These: Putin beeinflusse «die hiesige Politik». Der krumme Weg zum angeblichen Beweis: Es gibt den TV-Sender «Russia Today». Natürlich so regierungstreu wie die SRG in der Schweiz. Seine deutsche Variante wurde vor Kurzem von YouTube gesperrt.

Putins Fake News Schleuder.

Denn, so schliesst der kalte Krieger Müller messerscharf: «Für das Ziel, den Westen zu desta­bilisieren, kam Corona wie gerufen. RT Deutsch etablierte sich sofort als Plattform für die Verbreitung von Fake-News über das Virus.»

Seit den Zeiten des «Zivilverteidigungsbüchleins» und den Warnungen vor dem subversiven Treiben eines «Willi Wühler» hörte man solchen Unsinn nicht mehr. Nächster wackeliger Schritt in der Beweisführung: die schädlichen Auswirkungen der «Destabilisierung» sehe man in den «Kommentarspalten» von «Weltwoche», «Nebelspalter» und – erstaunlich – «20 Minuten».

Deutsch, aber Propaganda für Putin.

Eine blecherne Pointe nach kurzer Strecke

Nun ist der Platz für diese Kolumne sehr beschränkt, ist’s der Autor auch, muss er schleunigst zur krachenden Schlusspointe kommen: Es liesse sich «mit nur geringer Zuspitzung» nämlich sagen, dass

«die Freiheitstrychler in ihrer herzhaften Naivität dazu beitragen, hierzulande die Botschaft des Kremls lautstark zu verbreiten, und damit helfen, im Sinne Putins auch die schweizerische Regierung zu schwächen».

Echt jetzt? Wirklich wahr? Ein paar urchige Bauern mit umgehängten Kuhglocken verbreiten naiv nicht nur die Botschaft des Kreml, sie schwächen gar unsere Landesregierung und bekommen nächstens von Putin persönlich den Lenin-Orden verliehen?

Wird man das auf der stolzen Brust der Treichler sehen?

Wohl nur der Platzmangel hielt Müller davon ab, mit der im Kalten Krieg üblichen Aufforderung zu enden: «Moskau einfach!» Vielleicht könnte die NZZaS auch noch etwas am Qualitätsmanagement arbeiten. Oder einfach Pensionäre in den wohlverdienten Ruhestand entlassen. Ruhe im Sinn von schweigen.

 

 

Tot. Aber kein Corona-Toter

Glaubwürdigkeit ist das höchste Gut in Krisenzeiten. Davon hat das BAG noch nie was gehört.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist normalerweise eine der vielen Schnarchbehörden zu Bern, wo über 600 Staatsangestellte zwischen «guten Morgen» und «schönen Abend» Dinge tun, nun ja, also «Sinnvolles für die Schweizer Bevölkerung» bewirken. Was immer das auch sein mag.

Bekannt ist das BAG vor allem für sein einmal im Jahr stattfindendes Stirnrunzeln, wenn die neuen Krankenkassenprämien bekannt gegeben werden. Deren Dämpfung gehört zu den vornehmsten Aufgaben des BAG. Bravo, die Schweiz liegt weltweit nur auf Platz zwei des Wettbewerbs: Wer hat das teuerste Gesundheitssystems.

Seit Ausbruch der Pandemie leidet das BAG sichtlich unter der stetigen Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wird. Zum Corona-Virus werden regelmässig Pressekonferenzen abgehalten, auch wenn die schwer an Attraktivität verloren haben, seit Mr. Corona sich nicht mehr rettungslos in Satzfragmenten verliert, aber dabei eine einschläfernde Vertrauensstimme zum Einsatz bringt.

News ist für das BAG ein sehr dehnbarer Begriff

Die übrigen «News» auf der Webseite dehnen etwas den Begriff; die Untersuchung, welche Auswirkungen Covid-19 auf die Psyche hat (es sei hier verraten: keine positiven), stammt von November 2020. Das ist aber noch brandaktuell, schon die dritte News, die ebenfalls überraschungsfrei verkündet, dass Sucht Milliardenschäden anrichtet, stammt vom Oktober 2020.

Das könnte als die übliche Kauzigkeit und Absonderlichkeit einer still verstaubenden Behörde belächelt werden. Wenn das BAG nicht Stück für Stück seine Glaubwürdigkeit verspielte. Lahmarschige Datensammlung, so unvollständige Daten, dass private Anbieter oder selbst eine US-Uni lieber als seriöse Auskunftsquellen benützt werden.

Dank überlegener Technologie, also dem Einsatz von brandneuen IT-Wundern namens Fax, kommt es auch ab und an zu kleinen Übertragungsfehlern, so wird ein 90-Jähriger schon mal zum 9-Jährigen, mehr als einmal müssen Daten nachträglich korrigiert werden.

Grenze zwischen Fahrlässigkeit und böswilliger Unfähigkeit

Aber auch das könnte man noch unter «irren ist bürokratisch» abbuchen. Wenn das BAG nicht die Grenze zwischen Fahrlässigkeit und böswilliger Unfähigkeit überschreiten würde. Nachdem von Anfang an feststand, dass die Hochrisikogruppe alte Menschen mit Vorerkrankung sind, was den Medianwert der Corona-Toten auf 85 Jahre legt, wird mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt, ob und wann es denn mal einen Toten unter 30 gibt.

Und siehe da, was nicht nur den bekennenden Amok Marc Brupbacher erwartungsgemäss zum Hyperventilieren bringt: In der letzten Dezemberwoche meldete das BAG den ersten Toten in der Altersklasse 20 – 29. Und einen Toten von 0 – 9. Und dann gleich nochmal einen jungen Erwachsenen, der an Covid-19 gestorben sei.

Diese amtlichen Mitteilungen, kurz nachdem die Existenz einer angeblich viel ansteckenderen Mutation des Virus auch in der Schweiz bekannt gegeben wurde, verunsichert natürlich die Bevölkerung und befeuert Krakeeler, die ständig einen strikten Lockdown und Impfpflicht und andere drakonische Massnahmen fordern.

Das BAG verbreitet auch mal Fake News

Nur: es handelt sich um Fake News. Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich bestätigte «20 Minuten», neben «Blick» das einzige Organ, das solchen Fragen nachgeht, dass der Ende Dezember verstorbene Jugendliche definitiv nicht an Corona verschied. Die Todesursache des in St. Gallen verstorbenen Buben ist unklar. Und auch der zweite Jugendliche, der im Wallis verstarb, hatte diverse Vorerkrankungen. Die Ostschweiz hat immerhin «Die Ostschweiz», die solchen Ungereimtheiten auch nachgeht. Richtig, dort schreibe ich auch.

Diese Falschmeldungen haben zunächst damit zu tun, dass jeder ins Spital eingelieferte Patient obligatorisch einem Corona-Test unterzogen wird. Liegt dessen positives Resultat vor, bevor der Patient an seinem Herzinfarkt, seinen schweren Unfallverletzungen oder seinem Krebs im Endstadium erliegt, hat er gute Chancen, als Corona-Toter gezählt zu werden.

Aber wie kommt das BAG auf die Idee, mit solchen Falschmeldungen seinen Ruf zu ramponieren? Dafür gibt es eine Erklärung, die nur einem Beamtenhirn einfallen kann. Da diese Verstorbenen vorher in der Statistik «Corona-Erkrankte» geführt wurden, müssen sie ja da raus, weil sie gestorben sind. Also bettet man sie in die Liste der Corona-Toten um.

«Die Todesfälle unter jüngeren Personen häufen sich»

Daraus machen die beiden Monopolisten im Tageszeitungsmarkt – nichts. Aber der «Leiter Interaktiv-Team» beim «Tages-Anzeiger» japst auf Twitter: «Todesfälle unter jüngeren Personen häufen sich.» Nein, drei Falschmeldungen machen noch nicht mal einen Haufen.

Stolz lässt Brupbacher seinen 2. Platz bei der Wahl des «Recherche-Journalisten des Jahres» angeheftet oben in seinem Account glänzen. Ein weiteres Beispiel aus dem grossen Haufen der völlig deplatzierten Wahlen des «Schweizer Journalist». Aber da Brupbacher ja ständig alle anderen dazu auffordert, endlich mal verantwortlich zu handeln, wird er diesen 2. Platz sicherlich freiwillig zurückgeben.

Plauderstunde mit Patrizia Laeri

Wenn die «Wirtschaftsjournalistin des Jahres» Altbekanntes wiederkäut.

Die «TopVoice LinkedIn DACH» (alles Selbstbeschreibungen) hat zurzeit viel Freizeit. Sie hatte wohl verabsäumt, sich von «CNN Money Switzerland» die Bilanz oder zumindest die Finanzflussplanung zeigen zu lassen.

Deshalb war sie nicht nur eine der am kürzesten amtierenden Chefredaktorinnen, sondern das auch noch unbezahlt. Aber nun ist sie offen für Neues, betrachtet neidisch ihren Vorgänger Urs Gredig, der rechtzeitig Lunte roch und wieder zu SRF heimkehrte. Und schreibt eine Kolumne für «Blick».

Laeri kümmert sich um die wichtigen Probleme der Welt

Da sie viel Zeit hat, holt sie nicht nur weit aus, sondern kümmert sich auch um die wichtigen Fragen dieser Welt. Mit satten 4300 Buchstaben handelt sie ab, dass es «für demokratische Gesellschaften lebenswichtig» sei, «das gigantische Problem in den Griff zu bekommen».

Oh, welches denn? Nun, «der Kampf gegen Fake News» natürlich, der «bisher trotz grosser Anstrengungen ziemlich erfolglos» geblieben sei. Unter dem nicht wirklich verständlichen Titel «Lügen wir uns nichts vor» verheisst Laeri «neue Hoffnung».

Die Lösung ist ein weltumspannender Ansatz

Zuerst zeichnet sie ein Bild des Schreckens; so sei «Corona auch ein Superspreader für Lügen». Aber nicht nur das, es ist ja noch viel schlimmer: «Sowohl künstliche Intelligenz wie auch Tech-Konzerne und Regulatoren wirken heillos überfordert mit der digitalen Lügerei.»

Schlimm, schlimm, schlimm. Da braucht es nicht weniger als einen «weltumspannenden Ansatz» gegen Fake News. Und wie es der Zufall so will: «Der neuste aufsehenerregende Wurf stammt von einer Europäerin im Silicon Valley, von Marietje Schaake.»

Aber zunächst spannt Laeri die Leser auf die Folter, denn «dazu aber später». Zuerst will Laeri zeigen, dass sie Versuche wie «Telepath» oder Verifizierungen via Blockchains auch mitgekriegt hat. Ist zwar alles längst bekannt, aber he, wenn man halt kein Digital Native ist, muss man Kenntnisse regnen lassen.

Laeri schreibt brav bei Wikipedia ab

Doch zurück zu Schaake. Die ist nämlich Professorin an der Stanford-Uni in den USA und war bis 2019 im Europäischen Parlament. Da sie damals ihr Wahlprogramm bahnbrechend in 10 Tweets formulierte, nannte sie das «Wall Street Journal» – auch nicht immer fehlerfrei – «Europas meistvernetzte Politikerin». Das schreibt nun Laeri brav bei Wikipedia ab, der Quelle für fundiertes Wissen.

Schaake wiederum veröffentlichte vor inzwischen zwei Wochen einen Riesenriemen mit 1800 Wörtern oder 11’500 Buchstaben in der MIT Technology Review. Hier verbreitet sich Schaake darüber, wie Demokratien wieder die Macht in der digitalen Welt übernehmen könnten. Die hätten sie nämlich an privat geführte Konzerne verloren.

Aus Aufgewärmten wird nochmals Aufgewärmtes

Als Beleg für diese These ist Schaake kein noch so abgehangenes Beispiel aus der Vergangenheit und Vorvergangenheit zu schade. Microtargeting bei Wahlen, Cyberwars, Versuche, Wähler zu beeinflussen, altbekannt. Aber was schlägt Schaake den zur Abhilfe vor?

Nichts weniger als «einen Paukenschlag mit Potenzial» schwärmt Laeri. Und woraus besteht der? Schaake möchte die «Community of Democracies» als Kontrollbehörde aktivieren. Was, noch nie davon gehört? Also wirklich, diese «Gemeinschaft der Demokratien» wurde im Jahr 2000 gegründet, zählt immerhn 31 Mitglieder, hat auch einen Generalsekretär und residiert in Warschau.

Wie ihr Name schon sagt, hat sie sich das edle Ziel gesetzt, Demokratie auf der Welt zu verbreiten. Hat damit allerdings eine ähnliche Bekanntheit, einen ähnlichen Einfluss wie die «bestvernetzte» Ex-Politikerin Schaake. Nämlich keinen messbaren.

Wenn man Laeri am Titel der Kolumne misst …

Leider müssen wir nun Laeri an ihren eigenen Massstäben messen. «Lügen wir uns nichts vor», fordert sie im Titel dieser Nonsense-Kolumne. Und plaudert dann über Altbekanntes, Aufgewärmtes und Belangloses. Und dieser angebliche «Paukenschlag mit Potenzial» ist nun so weit von der Wirklichkeit entfernt, dass man versucht sein könnte, ihn als Fake News zu disqualifizieren.

 

 

 

 

Die 3 Todesfallen im seriösen Journalismus

Todesfalle Nr. 1: Fake News. Nr. 2: die Quelle. Nr. 3: die haltlose Behauptung.

Journalismus ist in erster Linie Vertrauenssache. Und Vertrauen bekommt man nicht einfach mit der Bezahlung des Kaufpreises eines Medienprodukts frei Haus mitgeliefert.

Vertrauen muss man sich erarbeiten. Wieder und wieder. Immer. Denn nur der Leser oder Konsument, der seiner Nachrichtenquelle vertraut, sieht ihre Bezahlung als sinnvolle Ausgabe an. Selbst wenn er nur mit seiner Attention und ein paar Daten bezahlt.

Denn der stillschweigende Kontrakt zwischen Konsument und Produzent ist: Der Produzent liefert nach bestem Wissen und Gewissen und unter Beachtung journalistischer Grundregeln erstellte Artikel ab. Dabei bemüht er sich so weit wie möglich, den Bericht vom Kommentar, von der Einfärbung durch Meinung, zu trennen. Denn der Journalist hat gegenüber dem Konsumenten einen unschlagbaren Vorteil: Er war am Ort eines Geschehens. Er hat mit Menschen gesprochen, er durchdringt Zusammenhänge.

Andere Darstellung, andere Wirklichkeit: Vertrauensverlust

Er liefert auch die Zusammenfassung, die Verdichtung eines umfangreichen Vorgangs. Exemplarisch bei Gerichtsverfahren. Die dauern oft lange, spielen sich nach dem Laien nur teilweise verständlichen Regeln ab.

Besonders hier muss der Rezipient auf die Fähigkeit des Journalisten vertrauen, eine korrekte Zusammenfassung des Ausgangs eines Verfahrens zu liefern. Wenn also Journalist X schreibt, dass die Partei Y auch in einem Berufungsverfahren gesiegt, Recht bekommen habe, dann muss das so sein. Wozu sollte der Konsument – dafür bezahlt er ja – selber das Gerichtsurteil nachlesen oder nach der Pressemitteilung des Gerichts suchen.

Gift für dieses Vertrauensverhältnis ist aber, wenn sogar ein publizistischer Leiter vom siegreichen Ausgang eines Prozesses für die Partei Y schreibt, während in der Pressemitteilung schwarz auf weiss steht: Im Urteil weist das Gericht die Berufung der Partei Y vollumfänglich ab.

Fake News sind Gift fürs Vertrauen

Das sind dann sogenannte Fake News, alternative Wahrheiten, oder auf gut Deutsch: da wird gelogen wie gedruckt. Schlimmer noch: Der Konsument eines Medienorgans ist im Allgemeinen ein treuer Mensch. Er hat seine lieben Gewohnheiten, und die lässt er sich auch durch höhere Preise für magereres Angebot nicht so schnell vermiesen. Stellt er aber fest, dass er da und dort brandschwarz beschummelt wurde, dann verliert er recht schnell das Vertrauen – und ist dann mal weg.

Die zweite Todesfalle sind die Quellen. Normalerweise gilt auch in der Berichterstattung, dass der Urheber einer Aussage mit seinem Namen dazu steht. Nun gibt es natürlich Fälle, in denen das aus den verschiedensten Gründen nicht möglich ist. Dem Urheber könnten berufliche, persönliche, gesellschaftliche Nachteile drohen. Er könnte sogar an Leib und Leben bedroht werden. In solchen Fällen operiert der Journalismus mit der «Quelle». Genauer: mit der «mit der Sache befassten», mit der «vertrauenswürdigen» Quelle.

Saubere und schmutzige Quellen

Noch besser natürlich: mit «zwei voneinander unabhängigen Quellen», die übereinstimmend A gesagt haben. Das Gleiche gilt auch für Dokumente. Die Geschäftsgrundlage bei all den sogenannten Leaks, also dem Diebstahl von Geschäftsunterlagen, ist immer, dass die Quelle anonym bleibt. Verständlich, sie hat ja einen Gesetzesverstoss begangen. Problematisch, denn weder der Leser noch der Ausschlachter solcher Leaks weiss, aus welchen Motiven diese Unterlagen den Medien zugespielt wurden. Und ob sie vorher frisiert wurden.

Auch bei den anonymen Quellen von Aussagen muss der Konsument dem News-Produzenten vertrauen, dass es diese Quellen tatsächlich gibt, ihre Angaben so weit wie möglich überprüft wurden, und dass «wie wir aus einer gut unterrichteten Quelle erfahren» nicht einfach der Euphemismus ist für: Es wird ein Gerücht herumgeboten, dass gerade gut in den Kram des Newsproduzenten passt.

Denn er kann sich dabei auf seinen rechtlich garantierten Quellenschutz berufen; sich also weigern, die Identität seiner Quelle zu enthüllen. Das entbindet ihn aber nicht davon, den Wahrheitsbeweis für Behauptungen antreten zu müssen. Meine Quelle M hat mir plausibel versichert, dass K ein Betrüger und Krimineller ist, genügt natürlich nicht.

So nötig Quellenschutz auch sein mag, angesichts des zunehmenden Misstrauens gegenüber dem Realitätsgehalt von Berichten lässt die Verwendung von «Quellen» das Vertrauen in den Wahrheitsgehalt eines Artikels abschmelzen.

Unbewiesene Behauptungen: Quittung Vertrauensverlust

Todesfalle 3 ist die Behauptung. X hat das gemacht, Y hat das gesagt, Z hat dieses entschieden. Das einfach mal so rauszuhauen, stellt eine ewige Versuchung im Journalismus dar. Ein Ressorleiter hat ein Buch in Auftrag gegeben, der Chefredaktor und der Verleger distanzieren sich davon.

Das ist eine Traum-News, wenn man die exklusiv hat. Die hat man allerdings nur deswegen exklusiv, weil man es einfach behauptet. Denn das grosse Hindernis, manchmal sogar unüberwindbar, ist die sogenannte Möglichkeit zur Stellungnahme. Die Konfrontation des oder der Betroffenen mit solchen Behauptungen.

Das kann Ärger und Ungemach geben. Ärger, wenn der Konfrontierte einfach bestreitet, so etwas getan oder gesagt zu haben. Ungemach, wenn der Konfrontierte noch zusätzlich mit dem Kadi winkt, sollte die Behauptung dennoch aufgestellt werden. All das kann man natürlich vermeiden, indem man auf diesen lästigen Umweg verzichtet und die News mal raushaut.

Einfallslos mal raushauen

So wie beim modernen, einfallslosen Eishockey: Den Puck einfach ins gegnerische Drittel dreschen, und dann weiterschauen. Sollte die Behauptung tatsächlich nicht stimmen, dann kann man ja immer noch in Verhandlungen eintreten, den Beitrag elektronisch löschen, eine Gegendarstellung einrücken oder im schlimmsten Fall sich sogar dafür entschuldigen.

Das ist besonders widerlich, wenn es nach der Devise geschieht: Lass die Kacke mal fliegen, etwas hängen bleibt immer. Jeder, der schon einmal von solch üblem Journalismus selber betroffen war, weiss: Es ist einfach widerlich. Wehrt man sich, hält man das Thema am Köcheln. Wehrt man sich nicht, bleibt irgendein Unfug so stehen und wird irgendwann mal gegen einen verwendet.

Aber auch hier gilt: Bemerkt das der Konsument, bemerkt er zudem, dass es sich nicht um einen einmaligen Ausrutscher handelt, dann verliert er auch hier das Vertrauen in das Medium.

Drei Schläge, und du bist raus

In den USA gibt es die schöne Regel: three strikes – and you’re out. Vom Baseball auf Straftaten übertragen: Beim dritten Verbrechen wirst du lebenslänglich aus dem Verkehr gezogen. Das gilt auch für die Medien. Wer Schlag für Schlag das Vertrauen seiner zahlenden Kundschaft verspielt, der ist dann mal draussen. Erledigt. Eingegangen. Worum es dann auch nicht schade ist.

Die 3 Todesfallen im seriösen Journalismus

Todesfalle Nr. 1: Fake News.

Nr. 2: die Quelle.

Nr. 3: die haltlose Behauptung.

Journalismus ist in erster Linie Vertrauenssache. Und Vertrauen bekommt man nicht einfach mit der Bezahlung des Kaufpreises eines Medienprodukts frei Haus mitgeliefert.

Vertrauen muss man sich erarbeiten. Wieder und wieder. Immer. Denn nur der Leser oder Konsument, der seiner Nachrichtenquelle vertraut, sieht ihre Bezahlung als sinnvolle Ausgabe an. Selbst wenn er nur mit seiner Attention und ein paar Daten bezahlt.

Denn der stillschweigende Kontrakt zwischen Konsument und Produzent ist: Der Produzent liefert nach bestem Wissen und Gewissen und unter Beachtung journalistischer Grundregeln erstellte Artikel ab. Dabei bemüht er sich so weit wie möglich, den Bericht vom Kommentar, von der Einfärbung durch Meinung, zu trennen. Denn der Journalist hat gegenüber dem Konsumenten einen unschlagbaren Vorteil: Er war am Ort eines Geschehens. Er hat mit Menschen gesprochen, er durchdringt Zusammenhänge.

Er liefert auch die Zusammenfassung, die Verdichtung eines umfangreichen Vorgangs. Exemplarisch bei Gerichtsverfahren. Die dauern oft lange, spielen sich nach dem Laien nur teilweise verständlichen Regeln ab.

Vertrauen auf korrekte Wiedergabe

Besonders hier muss der Rezipient auf die Fähigkeit des Journalisten vertrauen, eine korrekte Zusammenfassung des Ausgangs eines Verfahrens zu liefern. Wenn also Journalist X schreibt, dass die Partei Y auch in einem Berufungsverfahren gesiegt, Recht bekommen habe, dann muss das so sein. Wozu sollte der Konsument – dafür bezahlt er ja – selber das Gerichtsurteil nachlesen oder nach der Pressemitteilung des Gerichts suchen.

Gift für dieses Vertrauensverhältnis ist aber, wenn sogar ein publizistischer Leiter vom siegreichen Ausgang eines Prozesses für die Partei Y schreibt, während in der Pressemitteilung schwarz auf weiss steht: Im Urteil weist das Gericht die Berufung der Partei Y vollumfänglich ab.

Gelogen wie gedruckt

Das sind dann sogenannte Fake News, alternative Wahrheiten, oder auf gut Deutsch: da wird gelogen wie gedruckt. Schlimmer noch: Der Konsument eines Medienorgans ist im Allgemeinen ein treuer Mensch. Er hat seine lieben Gewohnheiten, und die lässt er sich auch durch höhere Preise für magereres Angebot nicht so schnell vermiesen. Stellt er aber fest, dass er da und dort brandschwarz beschummelt wurde, dann verliert er recht schnell das Vertrauen – und ist dann mal weg.

Zweite Todesfalle: die Quellen

Die zweite Todesfalle sind die Quellen. Normalerweise gilt auch in der Berichterstattung, dass der Urheber einer Aussage mit seinem Namen dazu steht. Nun gibt es natürlich Fälle, in denen das aus den verschiedensten Gründen nicht möglich ist. Dem Urheber könnten berufliche, persönliche, gesellschaftliche Nachteile drohen. Er könnte sogar an Leib und Leben bedroht werden. In solchen Fällen operiert der Journalismus mit der «Quelle». Genauer: mit der «mit der Sache befassten», mit der «vertrauenswürdigen» Quelle.

Noch besser natürlich: mit «zwei voneinander unabhängigen Quellen», die übereinstimmend A gesagt haben. Das Gleiche gilt auch für Dokumente. Die Geschäftsgrundlage bei all den sogenannten Leaks, also dem Diebstahl von Geschäftsunterlagen, ist immer, dass die Quelle anonym bleibt. Verständlich, sie hat ja einen Gesetzesverstoss begangen. Problematisch, denn weder der Leser noch der Ausschlachter solcher Leaks weiss, aus welchen Motiven diese Unterlagen den Medien zugespielt wurden. Und ob sie vorher frisiert wurden.

Auch bei den anonymen Quellen von Aussagen muss der Konsument dem News-Produzenten vertrauen, dass es diese Quellen tatsächlich gibt, ihre Angaben so weit wie möglich überprüft wurden, und dass «wie wir aus einer gut unterrichteten Quelle erfahren» nicht einfach der Euphemismus ist für: Es wird ein Gerücht herumgeboten, das gerade gut in den Kram des Newsproduzenten passt.

«Quellen» verringern das Vertrauen

Denn er kann sich dabei auf seinen rechtlich garantierten Quellenschutz berufen; sich also weigern, die Identität seiner Quelle zu enthüllen. Das entbindet ihn aber nicht davon, den Wahrheitsbeweis für Behauptungen antreten zu müssen. Meine Quelle M hat mir plausibel versichert, dass K ein Betrüger und Krimineller ist, genügt natürlich nicht.

So nötig Quellenschutz auch sein mag, angesichts des zunehmenden Misstrauens gegenüber dem Realitätsgehalt von Berichten lässt die Verwendung von «Quellen» das Vertrauen in den Wahrheitsgehalt eines Artikels abschmelzen.

Dritte Todesfalle: nicht überprüfte Aussagen

Todesfalle 3 ist die Behauptung. X hat das gemacht, Y hat das gesagt, Z hat dieses entschieden. Das einfach mal so rauszuhauen, stellt eine ewige Versuchung im Journalismus dar. Ein Ressortleiter hat ein Buch in Auftrag gegeben, der Chefredaktor und der Verleger distanzieren sich davon.

Das ist eine Traum-News, wenn man die exklusiv hat. Die hat man allerdings nur deswegen exklusiv, weil man es einfach behauptet. Denn das grosse Hindernis, manchmal sogar unüberwindbar, ist die sogenannte Möglichkeit zur Stellungnahme. Die Konfrontation des oder der Betroffenen mit solchen Behauptungen.

Das kann Ärger und Ungemach geben. Ärger, wenn der Konfrontierte einfach bestreitet, so etwas getan oder gesagt zu haben. Ungemach, wenn der Konfrontierte noch zusätzlich mit dem Kadi winkt, sollte die Behauptung dennoch aufgestellt werden. All das kann man natürlich vermeiden, indem man auf diesen lästigen Umweg verzichtet und die News mal raushaut.

Etwas hängen bleibt immer

So wie beim modernen, einfallslosen Eishockey: Den Puck einfach ins gegnerische Drittel dreschen, und dann weiterschauen. Sollte die Behauptung tatsächlich nicht stimmen, dann kann man ja immer noch in Verhandlungen eintreten, den Beitrag elektronisch löschen, eine Gegendarstellung einrücken oder im schlimmsten Fall sich sogar dafür entschuldigen.

Das ist besonders widerlich, wenn es nach der Devise geschieht: Lass die Kacke mal fliegen, etwas hängen bleibt immer. Jeder, der schon einmal von solch üblem Journalismus selber betroffen war, weiss: Es ist einfach unappetitlich. Wehrt man sich, hält man das Thema am Köcheln. Wehrt man sich nicht, bleibt irgendein Unfug so stehen und wird irgendwann mal gegen einen verwendet.

Aber auch hier gilt: Bemerkt das der Konsument, bemerkt er zudem, dass es sich nicht um einen einmaligen Ausrutscher handelt, dann verliert er auch hier das Vertrauen in das Medium.

Drei Schläge daneben – und weg ist der Konsument

In den USA gibt es die schöne Regel: three strikes – and you’re out. Vom Baseball auf Straftaten übertragen: Beim dritten Verbrechen wirst du lebenslänglich aus dem Verkehr gezogen. Das gilt auch für die Medien. Wer Schlag für Schlag das Vertrauen seiner zahlenden Kundschaft verspielt, der ist dann mal draussen. Erledigt. Eingegangen. Worum es dann auch nicht schade ist.

Corona-Zahlen sind Glücksache

Das BAG kann nicht zählen. Das schlägt dem Fass die Krone ins Gesicht.

Achtung, Achtung. Nach der ersten Welle droht die zweite Welle. Warum? Nun, da würde natürlich interessieren, wenn das möglich ist, wo sich denn die Schweizer vor allem anstecken. Im Ausgang, auf Partys, im Ausland oder wie?

SRF stopfte das gähnende Sommerloch am Freitag vor dem 1. August mit einem Exklusiv-Bericht. Es wollte vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) wissen, wo denn die meisten Ansteckungen stattfinden.

«Feiern, bis der Arzt kommt», diesen Kalauer konnte sich dann «10vor10» nicht verkneifen, denn ganze 41,6 Prozent infizierten sich in Clubs oder Discos, 26,8 Prozent in Bars und Restaurants. Damit hatten «Tagesschau» und «10vor10» auch in Gurken-Zeiten die Aufmacherstory.

Insgesamt seien zwischen dem 16. Juli und dem 1. August 2020 beim BAG 793 Meldungen eingegangen, schob das BAG am Sonntag, 2. August, nach. Offenbar waren die über 600 Beamten am Nationalfeiertag auch kräftig am Jubeln und Jodeln. Denn sie brauchten doch 48 Stunden, um sich «für diesen Fehler zu entschuldigen». Was für einen Fehler?

Völlig falsche Zahlen

Es habe da, nun ja, «eine falsche Zuordnung» gegeben. Bei näherer Betrachtung sei mit 27,2 Prozent die Ansteckung durch ein Familienmitglied Ursache Nummer eins. Bei der Arbeit hätten sich 8,7 Prozent angesteckt, bei «Privatfesten» 3 Prozent, in Clubs und Discos 1,9, in Bars und Restaurants 1,6 und bei «spontanen Menschenansammlungen» 2,1 Prozent.

Ach, und mit fast 40 Prozent ist der Anteil von Ansteckungen der mit Abstand grösste, für den es keine genaueren Angaben gibt. Nun ist zwischen 41,6 und 1,9 Prozent doch ein klitzekleiner Unterschied, ebenso zwischen 26,8 und 1,6, der eigentlich auch einem Beamten in Feierlaune nicht entgehen sollte.

Das nannte man früher eine Ente, heutzutage Fake News. Aber nicht etwa aus dunklen Quellen, sondern vom obersten Schweizer Gesundheitsamt. Mit dieser peinlichen Korrektur ist’s ja nicht getan. Die wurde dann am Sonntagabend elektronisch und montags überall gemeldet. Mit oder ohne Häme.

Auch die Journalisten fragen nicht nach

Aber auch diesmal beschränkten sich die Journalisten darauf, die korrigierten Zahlen nachzureichen. Ohne sich ein paar nötige, zusätzlich Fragen zu stellen. Denn das BAG molk seine Auswertung aus knapp 800 Meldungen, die innert 14 Tagen eingegangen seien. Wobei fast die Hälfte nicht die genaueren Umstände der Infektion bekanntgab. Aus dem mageren Rest von rund 400 Meldungen kann man nur mit jedem Statistiker die Zornesröte auf die Stirn treibender Akrobatik signifikante Zahlen ableiten.

Nach wie vor müssen die Zahlen der Neuinfektionen in der Schweiz – nicht ganz unwichtig für die Entscheidung, wieder schärfere Massnahme zu ergreifen oder nicht – aus Angaben der Kantone und des BAG zusammengestöpselt und geschätzt werden. Da beträgt der (geschätzte!) 7-Tagesschnitt 158. Das bedeutet, dass sich in diesen 14 Tagen rund 2’200 Personen in der Schweiz neu angesteckt haben.

Bei 1800 hat man offenbar keine Ahnung, wo und wie. Ist das viel oder wenig oder was? Auch dazu lässt sich schlecht etwas sagen, weil seit Anfang Juli die Zahl der Tests deutlich hochgeschraubt wurde. Logisch:  mehr Tests, mehr identifizierte Infizierte. Während aber Mitte März mit weniger Tests bis zu 1300 Personen täglich positiv waren, sind es am 30. Juli lediglich 244.

Entscheidungen weiterhin im Blindflug

Die sogenannte Positivrate, als das Verhältnis zwischen Getesteten und Infizierten, beträgt zurzeit etwas über 4 Prozent, es lag im März schon mal bei über 26 Prozent. Waren am 1. April 2211 Corona-Patienten hospitalisiert, als Höhepunkt 431 davon auf der Intensivstation, sind in den letzten Wochen im Schnitt etwas über 100 Personen hospitalisiert, von diesen etwas über 20 auf der Intensivstation. Die Zahl der täglichen Todesfälle liegt seit Anfang Juni im einstelligen Bereich.

Ist das viel, ist das wenig, kommt eine zweite Welle, ist die Bevölkerung in der Schweiz durchseucht, also immunisiert, wie viele Einwohner sind symptomlos positiv, wie viele genesen, wie viele negativ getestet? Was wissen wir über Ansteckungscluster, also welche Faktoren weisen auf eine überproportionale Gefahr einer Ansteckung hin? Sind weiterhin vor allem Ü-65-Jährige gefährdet, oder hat sich das verändert?

Schlimm ist: Wir wissen es nicht. Das BAG weiss es nicht, niemand weiss es. Schlimmer ist: Also werden weiterhin allfällige Massnahmen im Blindflug getroffen. Am schlimmsten ist: Die zu Tode gesparten Medien gehen ihrer Aufgabe als vierte Gewalt nicht mehr nach. Sie treten das Thema Mundmasken quer und längs und breit, interviewen immer die gleichen Fachleute, aber mangels Sachkompetenz stellen sie diese Fragen weder, noch liefern sie Antworten.

Vierte Gewalt, Kontrollinstanz, vor allem gegenüber Regierung und Staat? Natürlich ist es grob übertrieben, von nordkoreanischen Verhältnissen zu sprechen. Aber wir sind auf gutem Weg dorthin.