Rappenspalter im Nebel

Links und rechts sind sich in einem einig: Geld ist der Treibstoff der Welt. Also her damit, oder: lost in the cloud.

Investition in Medien? In ein neues Projekt? Das ist eigentlich nur noch etwas für Multimillionäre. So nach der Yacht, dem Hotel und der Privatinsel.

Jeff Bezos kauft sich die «Washington Post». Macht Spass. Gleich drei Oeri-Schwestern sind Mäzeninnen. Beatrice Oeri* liebt es, Multimillionen in scheiternden Zeitungsprojekten zu verrösten. Die «TagesWoche» war wohl der teuerste Flop der jüngeren Schweizer Geschichte. Aber sie gibt nicht auf, aktuell verpulvert sie drei Millionen Franken in «bajour.ch».

Die Gebrüder Meili knattern Millionen in die «Republik». Milliardär Hansjörg Wyss hatte von Anfang an Pech. Sein Projekt «Vorteil Schweiz» müsste eigentlich umbenannt werden in: Vorteil für alle Pfeifen, die viel Geld für nix kriegten.

Andere Millionäre sind sehr knausrig. Die Familien Coninx, Ringier oder Wanner zum Beispiel. Griff in den eigenen Geldbeutel, ach was, Geldspeicher, wenn’s den Medien dreckig geht, die ihre Milliardenvermögen erwirtschafteten? I wo.

Auch hier betritt der «Nebelspalter» Neuland

Ein eigenes Finanzierungmodell hat sich der «Nebelspalter» ausgedacht. Finde 70 Wohlhabende, denen Ideologie und Positionierung 100’000 Franken wert ist. Gesagt, getan.

Lassen wir inhaltliche Fragen weg und schauen mal, was die «Republik» für Werbemöglichkeiten bietet. Ah, ausser Gesinnungstäterschaft keine. Der «Nebelspalter»? ein hübsches variantenreiches Angebot.

Nichts ist unmöglich, nichts ist neu.

Da hat sich der Online-Ableger fast mehr Mühe gegeben als bei den Startartikeln. Vom Advertorial (auf Wunsch inklusive Schreibhilfe), über Sponsoring, Tags, Unterbrecherwerbung in allen Kanälen zum «rundum-glücklich»-Paket «Generelle Packages», wie man im Managerdeutsch so sagt. Das kostet dann 30’000 Franken pro Jahr.

Ein «Themen-Owner» hingegen kann sich ein Thema als Sponsor krallen. Zum Beispiel «Satire». Damit wird er zwar nicht grosse Aufmerksamkeit erzielen, dafür kostet es auch nur 1500 im Monat oder – halb geschenkt – 15’000 Franken im Jahr.

Klare Prioritäten: «Inserieren» steht im obersten Navigationsbalken in der Mitte.

Hier sprechen Sie mit dem CEO persönlich

Ein weiterer, spezieller Service: bei Fragen, Wünschen oder Unklarheiten: nur Kontakt aufnehmen. Nicht etwa mit einem Marketing-Fuzzi oder so. Nein, hier schüttelt Ihnen noch der CEO als oberster Einwerber persönlich die Hand. Davon könnte sich zum Beispiel Pietro Supino wirklich eine Scheibe abschneiden. Der Klarsicht-CEO Christian Fehrlin entwickelt sich zum Multitasker.

Wollen Sie diesem sympathischen Mann ein Inserat abkaufen?

Als Gründer und CEO von Deep Impact zeichnet er für den Internet-Auftritt verantwortlich. Kein Meisterstück, aber das wäre ein anderes Thema. Als CEO schmeisst er wirtschaftlich den ganzen Laden und steckt hierarchisch irgendwo zwischen dem VR und dem Chefredaktor.

Und nun auch noch Inseratekeiler. Wahrscheinlich übernimmt er demnächst noch den Service der Kaffeemaschine, den Wareneinkauf und die Organisation der Take-away-Angebote für den Mittagstisch.

Wie lange er das tut, ist allerdings die Frage. Denn nicht nur bei der Frage, wie man den Relaunch am besten inszeniert, hat sich die Führungscrew des «Nebelspalter» nicht wirklich mit Ruhm bekleckert.

Marktwirtschaftlich vernünftige Preise?

Eigene Wege geht man auch bei der Preisgestaltung für Werbung. Durchgesetzt hat sich hier CPC (cost per clic), TKP (Tausenderkontaktpreis) oder – sehr selten – ein Festpreis. Denn schliesslich will der Werbetreibende (meistens) kein politisches Statement abgeben, sondern einen Return on Investment für seine Zahlung kriegen.

Obwohl natürlich jeder Werbeträger wie ein Wald von Affen angibt, wie qualifiziert, konsumfreudig und Anhänger von Spontankäufen seine User seien, dazu noch viele Opinion Leaders, Influencers, Leitfiguren sich darunter befänden, haben sich gewisse Benchmarks für alle Formen der Kostenberechnung einer Online-Werbung entwickelt.

Ohne hier in Details gehen zu wollen: Solange der «Nebelspalter» dank konsequenter Bezahlschranke nach der ersten Neugier noch jeden neuen User per Handschlag begrüssen kann, sind das Mondpreise.

Kein Marketing-Manager einer Firma würde es überleben, bei diesen Preisen den «Nebelspalter» in sein Werbebudget aufzunehmen. Abgesehen davon, dass die traditionell immer noch in der zweiten Jahreshälfte für das ganze Folgejahr festgelegt werden.

Tscha, dumm gelaufen bis jetzt. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

 

* mehrere Adleraugen haben bemerkt, dass es natürlich Beatrice Oeri heissen müsste. Pardon.

Sich selber in die Fresse hauen

Newsmedien und das Internet: dümmer geht ümmer. Selbst Banker haben niemals so versagt.

Für viele Medienmanager ist das Internet immer noch ein Buch mit sieben Siegeln. Nach 25 Jahren haben sie mühsam gelernt, dass es vielleicht doch keine gute Idee war, mit Kosten verbundene Inhalte gratis reinzuhängen.

Viel weiter sind sie aber bis heute nicht gekommen. Ausser, dass sie nach wie vor wie der Esel vorm Berg stehen. Bezahlschranke, dann wird nichts mehr weggeschenkt. Aber der Traffic geht in den Keller. Reichweitenmodell, dann flutschen die Werbeeinnahmen auf der Gleitschicht Content.

Aber auch das ist fragwürdig. Bezahlschranke, das beweisen Blätter wie die «New York Times» oder «Financial Times», das geht nur, wenn dahinter auch wirklich attraktiver Content geboten wird, der das Portemonnaie des Konsumenten öffnet. Und Reichweite, das ginge nur, wenn der Content Provider auch was von den Werbeeinnahmen hätte.

Die Butter vom Brot und auch das Brot

Aber nicht nur in der Schweiz lassen sich die Medienhäuser von Google, Facebook und & Co. die Butter vom Brot nehmen. Und auch das Brot, eigentlich bleiben nur Krümel. Genauer: nachdem die Giganten die Online-Werbung abgeräumt haben, bleiben noch knapp 10 Prozent übrig.

Das schafft nur der durchschnittlich bescheuerte Medienmanager. Das ist so, wie wenn der Hersteller von Büchsenravioli, mit denen sich dann der Detailhändler schmückt, mit dem zusammen knapp 10 Prozent der Einnahmen teilen würde, während der Mittelsmann, der Distributeur, sagenhafte 90 Prozent abräumt. Darüber würde ausserhalb der Newsmedien nicht mal gelacht werden.

Ganz pervers wurde es, als diverse grosse Medienhäuser zuliessen, dass sich Google und Facebook mit ihrem Content schmücken konnten, der ihnen gratis überlassen wurde. Das pusht die Reichweite ungemein, sagten die Online-Stümper auf der Teppichetage, win-win, muss man heutzutage so machen.

Es dauerte eine Weile, bis sie herausfanden, dass es vielleicht doch keine gute Idee ist, eigentlich vom Verkauf von Büchsenravioli leben zu wollen, dafür aber die ganze Produktion gratis ins Schaufenster von Verkäufern zu stellen. Und dabei zu behaupten: das rentiert sich dann schon.

Sind Facebook und Google wirklich nett?

Diese Medienmanager sind so verblödet, dass sie nicht einmal wissen, wieso Facebook eigentlich Facebook heisst. Okay, bei Google wissen sie es auch nicht. Aber immerhin haben einige von ihnen zur Kenntnis genommen, dass der Fall Australien zeigt, dass weder Google noch Facebook nette Firmen sind, die rein aus Menschenfreundlichkeit beim Suchen im Internet und beim Austausch mit Freunden helfen wollen. Dass sie dabei noch Milliarden verdienen, ist ihnen eigentlich eher peinlich.

Nein, im Internet gilt so brutal wie sonst nirgends im Kapitalismus: the winner takes it all. Nummer zwei heisst: Abgang, vergiss es, gibt auf. Nummer eins wird man allerdings nicht mit einer Mischung aus Humanismus und Brüderlichkeit. Sondern mit noch härteren Methoden, als ein Banker anwenden muss, um CEO zu werden.

Gleichzeitig müssen solche Giganten immer auf der Hut sein, dass der grosse Haifisch im Becken plötzlich von einem Schwarm Piranhas angeknabbert wird. Rechtzeitig plattmachen oder aufkaufen, ist hier die Devise. Und die Marktmacht brutalstmöglich ausnützen. Das zeigt sich am anderen Ende der Welt geradezu exemplarisch.

Etwas abgeben? Freiwillig nicht

Da wollte immerhin die Regierung Facebook dazu zwingen, wenigstens ein paar Scheibchen der Riesenwurst abzugeben, die Facebook mit der Verwendung von News-Content verdient. Darauf passierte das, was man «a slap in the face» nennt:

Kommt ihr uns frech, dann habt ihr das davon.

Daraufhin einigte man sich in hartem Fingerhakeln darauf, dass Facebook tatsächlich ein Scheibchen abgibt. Google macht es etwas geräuschloser, nach der Devise: divide et impera. Teile und herrsche. Mit dem Giganten Murdoch hat Google einen Vertrag geschlossen, dass für Inhalte des Medienkonzerns bezahlt wird. Als Lockstoff und Köder für die anderen Mediengiganten.

Aus dem Reputationsschaden in Australien lernend, hat Facebook gerade mit Pauken und Trompeten angekündigt, dass es beispielsweise in Deutschland ein spezielles Gefäss schaffen wird, in das Medienhäuser ihre Inhalte verlinken können. Dafür gibt es sogar Batzeli. Geradezu lachhaft ist die grossmäulige Ankündigung, dass Facebook «in den kommenden drei Jahren weltweit eine Milliarde Dollar in die Medienindustrie investieren» werde.

30 Milliarden Gewinn bei einem Umsatz von 86 Milliarden. Der feuchte Traum jeder Firma.

Dieses Trinkgeld verteilt Facebook, weil es zurecht befürchtet, dass sonst die Gefahr steigt, dass sich die Medienkonzerne noch schneller und tiefer das eigene Grab schaufeln. Und in der Schweiz? Mit Abstand am meisten gefährdet ist hier Tamedia. Einerseits hungert der Konzern brutal sein Content-Angebot aus und ernennt die meisten Medienorgane zu eigenen Profitcentern mit happigen Gewinnvorgaben. Während Einkommenssäulen wie Stellenanzeiger oder Immobilieninserate längst ausgelagert und ins Internet verschoben wurden.

Freiwillig mit Milliarden von Daten gefüttert.

Im Internet zählt nur der erste Platz, sonst nichts

Dort rentieren sie – noch. Man erinnert sich: the winner takes it all. Sobald Google, Facebook oder Amazon mit Macht in den kleinen, aber lukrativen Schweizer Markt mit eigenen Plattformen drängen, ist Ende Gelände für einheimische Gewächse. Und dann kommt noch Alibaba und macht alle anderen platt.

So ist das Internet, so ist der Kapitalismus.

Eigentlich ist es gerecht, dass Dummheit und Unfähigkeit bestraft wird. Aber leider trifft es, wie so oft, die Falschen.

Wann soll 20 Minuten brummen, wenn nicht jetzt?

Die Printausgabe von 20 Minuten serbelt auch nach den Ladenöffnungen dahin.

Am Montag waren die Läden wieder geöffnet. Ein Run der Konsumenten auf all die Winterkleider-Aktionen voraussehbar. Tauwetter eigentlich auch für das Gratisblatt «20 Minuten». Endlich wieder Kunden in den Läden, auf den Strassen, im öffentlichen Verkehr.

Inserattarife als «Ansatzpunkt zum Dealen»

Doch das Blatt blieb dünn wie seit vergangenem März im ersten Lockdown. 16 Seiten Umfang, 26 Gramm Papiergewicht und erschreckend wenig Inserate. Konkret eine Viertelseite lokale Kleininserate (Benedict Sprachschule, ILG Mietautos, Hilfe bei Schulden) und eine halbe Seite Honda-Inserat. Macht Inserate-Einnahmen gemäss Tarifunterlagen von 5900.- (lokale Inserate) und 24’300.- für das Hondainserat, wenn es denn in allen Deutschschweizer Ausgaben geschaltet ist. Hinzu kommt zwar die Mehrwertsteuer von 7,7 Prozent, dafür wohl sicher Rabatte. In Erinnerung ist in diesem Zusammenhang die schonungslos offene Aussage von Philipp Mankowski, Managing Director bei Goldbach Publishing, an der Verlegertagung vom 6. Januar 2021. Der Werbevermarkter der TX Group sagte damals, Inserattarife seien «der Ansatzpunkt, um zu dealen». Der Preis gelte als Grundlage.

Eigeninserate und Partnerschaften, die kein Geld bringen

Wenn nun jemand «Stopp» ruft und auf die eineinhalb zusätzlichen Inserateseiten hinweist? Die eine Seite ist von «Deal.ch». In deren Impressum wird die Medienpartnerschaft mit 20 Minuten hervorgehoben. Wer die Branche kennt, weiss, Partnerschaften beruhen immer auf Gegenseitigkeiten. Geld fliesst selten bis nie. Dasselbe gilt also für das halbseitige Inserat, in dem den Swiss-Music-Awards-Gewinnern (sic! Von Gewinnerinnen war keine Rede) gratuliert wird.

Mit anderen Worten: Mehr als 20000 Franken hat 20Minuten gestern nicht eingenommen mit seinen Printausgaben, zumindest nicht in der Deutschschweiz. So kommt das TX-Group-Unternehmen «20 Minuten» auf keinen grünen Zweig mehr. Man darf gespannt sein auf den Jahresabschluss der TX Group, der am Donnerstag, 11. März, veröffentlicht wird.

Vergangenen Herbst fragte ZACKBUM bei «20 Minuten» nach, ob es Pläne gebe, «20 Minuten» nur noch online erscheinen zu lassen. Die Antwort von Mediensprecherin Eliane Loum-Gräser damals: «Nein!» Wir fragen nach dem Jahresabschluss nochmals nach.

 

 

 

Kontraproduktive SBB-Medienmitteilung

Wie aus dem Lehrbuch. Wer einen Abbau beschönigt, bekommt Haue.

Wie verpacke ich eine Negativnachricht positiv? Das hat sich die Medienstelle der SBB gedacht, als sie vor wenigen Tagen die Botschaft der Reservationspflicht für Velos in SBB-Zügen ab 21.3.2021 an die Medien zu senden gedachte. Das Hauptproblem: So viele Bahnpassagiere nehmen ihr Velo mit, dass es vor allem am Wochenende sehr eng wird. Doch anstatt primär das Angebot zu erhöhen, wie das im Kundenfokus eigentlich normal wäre, baut der Staatsbetrieb lieber eine Reservationspflicht auf und erhöht unter dem Strich die Gebühren. Das wäre, wie wenn das Astra, das Bundesamt für Strassenbau, den Autobahnbau einstellen und eine Gebühr auf überbreite SUV einführen würde.

Dem Unsinn zum Trotz titeln die Bundesbahnen: «SBB bietet Kundinnen und Kunden mehr Platz und Sicherheit beim Velo-Transport».

Der Lead beginnt noch besser: «Die SBB verbessert das Angebot für Reisen mit Velos im Hinblick auf die Velosaison 2021. Sie reagiert damit auf die hohe Nachfrage und Kapazitätsengpässe im vergangenen Sommer».

Kein Wunder, wurde die verkappte PR-Meldung praktisch gar nicht so abgedruckt, wie von der SBB erhofft. Ein Nebensatz in der Medienmitteilung zeigt auf, warum nicht: «Die SBB hat heute Velo-, Konsumenten- und Branchenorganisationen das verbesserte Angebot vorgestellt und Perspektiven für das Reisen mit Velos aufgezeigt.»

NZZ brachte Thema aufs Tapet

Mit anderen Worten. Es gab keinen Dialog, keine Verhandlungen, nichts. Velo-, Konsumenten- und Branchenorganisationen wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Weil diese schon vorher vom SBB-Plan wussten, lancierten sie gleichentags eine Petition gegen die Reservierungspflicht. Beigetragen dazu hat die NZZ. Diese machte das Anliegen am 28. Februar 2020 publik und konkretisierten die SBB-Idee im November 2020. Die NZZ-Rechercheleistung: sehr gut.

Trotzdem werkelten die SBB im stillen Kämmerlein vor sich hin und überraschten nun die Öffentlichkeit, wie auch die Velo-, Konsumenten- und Branchenorganisationen. Kein Wunder, war das Medienecho sehr negativ. Der Staatsbetrieb mit Sitz in Bern-Wankdorf wird es zu verkraften wissen. Im Gegensatz zum Bahnpersonal an der Front, das den Schimpftiraden der Fahrgäste ausgesetzt ist. Man kann nur hoffen, dass sich die SBB dem Veloboom besser anpassen wird. Erinnert sei an das Desaster mit den Nachtzügen, als die SBB (unter Chef Andreas Meyer) 2010 die Hotelzug AG zusammen mit der DB und der ÖBB liquidierten. Elf Jahre später jubillieren die ÖBB: Mit dem neuen Angebot hat ÖBB-Chef Andreas Matthä den Nerv der Zeit getroffen. «Nachtzüge sind gelebter Klimaschutz», sagt er im Gespräch mit der NZZ vom 18.2.2021.

Der Tipp an die Medienstelle der SBB: Mehr Ehrlichkeit, mehr Kundenbezug. Dann wird auch das Medienecho positiver.

Auf den ersten und zweiten «Blick»

Die E-ID und die unabhängige Berichterstattung: auf klarem Kollisionskurs.

Wenn die Nachfrage nachlässt, gibt’s Rabatt. Ein altbekanntes Prinzip, angewendet im ältesten Gewerbe der Welt – wie auch von Medien. Leider gibt es eine weitere Gemeinsamkeit.

So wie jede käufliche Dame auf Wunsch oder zur Kundenbindung behauptet, dass der jeweilige Benutzer der tollste Hengst sei, dem sie jemals begegnete, gibt jedes Medienhaus markige Geräusche von sich, dass bezahlter Inhalt und redaktionelle Leistung nichts miteinander zu tun hätten, deutlich getrennt seien, das eine niemals das andere beeinflusse.

Gleichzeitig wurde ein ganzer Zoo von Werbeauftritten erfunden, der nichts anderes im Sinn hat, als diese Grenze zu verwischen.

In den guten alten Zeiten war klar: Wenn links das Inserat des Detailhändlers steht, dass Schweinefleisch diese Woche besonders günstig sei, und rechts ein redaktioneller Beitrag, dass wissenschaftliche Studien erwiesen hätten, dass der regelmässige Verzehr von Schweinefleisch gegen Herzinfarkt, Inkontinenz und Krebs wirke, sahen da nur sehr naive Leser keinen Zusammenhang.

Dass das meiste, was über Kosmetika, Reisen, Autos oder Shoppingtipps erscheint, weder selber bezahlt, noch ausgewählt wurde, ist altbekannt. Unsichtbar, aber auch sehr wirksam sind sogenannte Partnerschaften. Also Bank XY zahlt einen grossen Batzen an das Folkfestival, ausgerichtet von Zeitung YZ. Da versteht es sich von selbst, dass spätestens der Chefredaktor einem unverständigen Journalisten klarmacht, dass es überhaupt keine gute Idee sei, etwas Kritisches über Bank XY zu schreiben.

Die Publireportage in immer neuen Kleidern

Von der anderen Richtung her arbeitet all das, was früher schamvoll Publireportage genannt wurde. Also eine Werbung, die so nahe wie möglich an den redaktionellen Inhalt heranrückt. Aufmachung, Typo, Layout, Look and Feel, alles möglichst ähnlich.

Weiterhin ist das Prinzip das gleiche, Reportage ist nix, und Publi bedeutet schlichtweg: da hat einer dafür bezahlt, aber auch hier gibt es immer wieder neue Wortschöpfungen. Native Ad ist so eine, wenn der bezahlte Inhalt in ein möglichst werbefreundliches Umfeld gestellt wird.

Das machen inzwischen alle, von der NZZ abwärts. Aber der «Blick» legt schon noch einen Zacken zu, wie es sich für den Boulevard gehört. Denn zufälligerweise ist der CEO und Mitbesitzer Marc Walder der Gründer und Präsident von «digitalswitzerland».

Das ist ein Zusammenschluss von rund 140 Firmen, die die Schweiz zum «digitalen Hub» machen wollen.

Der digitale Hub und die digitale ID

Trotz Lockdown und damit der Unmöglichkeit, gross Abstimmungskampf zu betreiben, nähert sich der nächste Abstimmungssonntag mit grossen Schritten. Da steht im Schatten der Debatte über das Burkaverbot auch die Frage, ob die Schweiz eine E-ID haben will oder nicht.

Jetzt wird es einen Moment typisch schweizerisch filzig. «digitalswitzerland» hat sich zu einem Who’s who der Schweizer IT-Branche, Banken, Versicherungen und Grossfirmen gemausert. Hier sind fast alle dabei, die CS, die UBS, Swiss Re, die Post, unvermeidlich Ruedi Noser, dazu der CEO der NZZ – und der CEO der «Swiss Sign Group», Markus Naef.

Dann muss man nur noch wissen, dass Swiss Sign mit der Swiss ID schon einen Riesenflop gelandet hat. Und natürlich dabei wäre, wenn wie vom Bundesrat gewünscht die Ausstellung der neuen E-ID von Privatfirmen übernommen wird. Obwohl die E-ID kein Pass sein soll und zur zweifelsfreien Identifikation im Internet dienen, ist das Misstrauen in der Bevölkerung gross, was die Datensicherheit betrifft, bzw. was mit den Daten passiert, die der Hersteller lagern muss, um allfälligen Missbrauch nachvollziehen zu können.

Die Abstimmung steht auf der Kippe

Die Abstimmung steht auf der Kippe, leichte Vorteile für die Gegner. Höchste Zeit, dass der Ringier-Verlag richtig Gas gibt. Damit keine Missverständnisse aufkommen: In jedem Medienorgan (ausser ZACKBUM.ch) gibt es natürlich inhaltliche Vorgaben. Der Chefredaktor der NZZ, wenn er nicht gerade am Fasten ist, würde einen Arzt rufen, sollte ein Redaktor auf die Idee kommen, in der alten Tante eine Lanze für die Abschaffung des Privateigentums zu brechen.

So ist das natürlich auch bei Ringier und im «Blick». Ein nettes Wort über Christoph Blocher oder die SVP? Ausgeschlossen. Soweit business as usual. Aber nun ein exemplarisches Beispiel, was passiert, wenn man zu viel Gas gibt.

Zunächst betrachten wir diesen «Artikel», übrigens der jüngste in einer ganzen Serie. «E-ID-Gesetz: Ein Modell für die Zukunft». Kommt täuschend ähnlich wie ein redaktioneller Beitrag daher, aber rechts unten steht «Präsentiert von digital switzerland». Erst, wer draufklickt, könnte die Autorenzeile überlesen: «Das ist ein bezahlter Inhalt, präsentiert von digitalswitzerland». Und, immerhin, als Artikelanfang: «Bei diesem Beitrag handelt es sich um politische Werbung.»

Rollenteilung von Medien und Wirtschaft.

Auf Deutsch: ein bezahltes Inserat, das so ähnlich wie möglich als redaktioneller Beitrag daherkommt. Allerdings muss Ringier happige Preise verlangen. Denn für eine anständige Illustration war offensichtlich kein Geld mehr vorhanden. Anders ist das hier nicht zu erklären:

So sähe es vielleicht nach einem Anschluss an die EU aus.

Die ewige deutsche Erika Mustermann auf einer deutschen ID, ob das in der Schweiz mehr Vertrauen schafft? Aber rein schweizerisch und echt redaktionell ist gleich darunter ein «grosses Interview mit Bundesrätin Karin Keller-Suter». Wobei Interview hier ein grosses Wort ist, näher an der Realität wäre wohl: Wir liefern die Stichworte, Sie dürfen ausholen. Allerdings, auch der «Blick» ist nicht mehr in Höchstform, ein eher merkwürdiges Titelzitat.

Befürchtet Doppelklatsche: Karin Keller-Suter

Wenn irgendwas, was die Gegner angeblich wollten, gescheitert sei, wieso soll das dann ein Grund sein, mit Ja zu stimmen? Wie auch immer, wir freuen uns schon auf die kritischen Beiträge, die sicherlich im «Blick» noch folgen werden.

Wildwest im Internet

Eine Errungenschaft der Zivilisation war, das Faustrecht abzuschaffen. Die private Rechtsprechung. Nun ist sie wieder da.

Es dauerte im Wilden Westen, aber irgendwann setzte sich auch dort durch, dass der Cowboy nicht einfach das Recht – oder was er dafür hält – in die eigenen Hände nehmen darf. Sondern dass er Entscheidung und Urteil dem Staat zu überlassen hat.

Manchmal schlägt die Geschichte wirklich merkwürdige Purzelbäume. So wie sich vor 200 Jahren Grossgrundbesitzer oder die Halter von Riesenherden, später dann Ölbarone aufführten, inklusive Rechtsprechung, so ist das heute auch wieder.

Von vielen Kurzdenkern bejubelt, haben diverse soziale Plattformen bekanntlich dem Ex-Präsidenten Donald Trump den Stecker gezogen. Nachdem sie fast vier Jahre lang zusahen, was er alles so twitterte, auf Facebook stellte oder auf YouTube, entdeckten sie plötzlich kurz vor der Amtsübergabe ihre soziale, politische und sonstwas Verantwortung.

Statt Trump entscheiden nun Zuckerberg, Dorsey, Page?

Man tritt Mark Zuckerberg nicht zu nahe, wenn man ihn als leicht schrullig bezeichnet. Bösartiger könnte man von Autismus sprechen, auch das hässliche Wort Soziopath in die Runde werfen.

Man tritt auch Jack Dorsey nicht zu nahe, wenn man ihn als leicht abgedreht bezeichnet. Er ist, zusammen mit einem Hedgefonds, arabischen und russischen Investoren als Mitgründer einer der grössten Einzelaktionäre von Twitter. Man tritt auch Larry Page nicht zu nahe, dem Mitentwickler von Google (Marktmacht 92 Prozent) und damit Mitbesitzer von YouTube, wenn man ihn als grossen Heuchler (don’t be evil) bezeichnet.

Nun sind diese Herren daran beteiligt, wenn einem Nutzer ihrer Plattformen der Stecker gezogen wird. Deutschland, wovon auch Schweizer Betreiber von Webseiten betroffen sind, hat die Absurdität und staatliche Bankrotterklärung auf die Spitze getrieben. Mit dem nicht nur sprachlichen Monster «Netzwerkdurchsetzungsgesetz». Wer sich mal ein schönes Stück deutsche Wertarbeit anschauen will, bitte sehr.

Eine gute Absicht verkehrt sich ins Gegenteil

Kurz gefasst macht dieses Gesetz auch den Betreiber einer sozialen Plattform haftbar, wenn der Hassposts, rassistische Schmierereien, Aufrufe zur Gewalt und so weiter nicht zackig säubert. Wer entscheidet, was noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist und wo der strafbare Raum beginnt? Nun, der Betreiber natürlich. Erst in nächster Instanz der Gesetzgeber, wenn er Fehlverhalten mit strammen Bussen bestraft.

Wie so oft verkehrt sich hier eine gute Absicht, eine Schranke gegen Hass und Hetze im Internet hinzustellen, ins Gegenteil. Zunächst brauchte der deutsche Gesetzgeber bis Herbst 2017, um dieses Gesetz zu verabschieden. Der absolute Sündenfall besteht darin, dass damit ganz offiziell privaten Firmen die Autorität übergeben wird, Zensur ausüben zu dürfen.

Die Wurzel des Übels liegt – wie meist – in den USA. Dort schafften es die grossen Plattformen mit geschickter Lobbyarbeit, sich vor einer Verantwortung zu drücken, die sonst jeder im Netz hat. Wenn ein Amok eindeutig gesetzwidrige Botschaften postet oder als Kommentar abschickt, dann haftet natürlich er selbst dafür. Aber auch die Plattform, die sich als Multiplikator missbrauchen lässt. Deshalb werden inzwischen von allen solchen Plattformen Kommentare moderiert oder gleich ganz abgeschafft. Ausser bei Facebook, Twitter & Co.

Nackte Brust schwierig, brauner Kommentar kein Problem

Die haben sich nämlich eine Ausnahmebewilligung gemischelt, dass sie eben keine Newsplattformen sind, sondern nur dem sozusagen privaten Meinungsaustausch ihrer Nutzer dienen. Ausdruck typisch amerikanischer Verklemmtheit ist dabei, dass es sehr schwierig ist, eine nackte Brust, selbst von einem Kunstwerk, hochzuladen. Rassismus, Hetzreden, absurde Verschwörungstheorien, Geschwafel über eine jüdische Weltverschwörung, das ist hingegen kaum ein Problem.

Ausser im deutschen Sprachraum. Das ist die vermeintlich gute Seite. Die rechtsstaatlich mehr als bedenkliche ist, dass es dem Belieben und der Willkür der Kontrolleure von Privatfirmen überlassen bleibt, ob eine Mitteilung im Netz bleibt oder gelöscht wird. Oder gleich der Account gesperrt wird.

Genau wie bei vielen grauen und schwarzen Listen herrscht hier völliger Wildwest. Wer als Person gesperrt wird oder gar auf eine Blacklist kommt, hat keinerlei rechtsstaatliche Möglichkeiten, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Wer’s nicht glaubt und sehr viel Geld hat, kann gerne versuchen, eine dieser Plattformen haftbar zu machen oder zur Streichung seines Namens aufzufordern.

Chancen zur Gegenwehr: faktisch null

Alle Dummköpfe, die das Verstummen von Trump auf den sozialen Netzwerken bejubelt haben, sind sich offenbar nicht darüber im Klaren, dass sie Willkür und Faustrecht applaudieren. Was sich nicht zuletzt darin manifestiert, dass fast vier Jahre lang alle diese Plattformen x-fach an Trump verdienten. Durch Gratis-Werbung in Form von Nennung in allen Newskanälen, und in Form von volumenabhängiger normaler Werbung auf dem Gleitmittel Trump.

Das Gesetz in Deutschland, die hilflosen Aufrufe zur Beseitigung rechtsfreier Räume im Internet bewirken bis heute nur eins: Wildwest wird durch reine Willkür ersetzt. Jedem kann begründungslos oder mit windiger Begründung der Stecker gezogen werden. Rechtsmittel dagegen: null. Willkommen in der schönen, neuen Welt.

Im Zweifel für den Angeklagten

Bei diesem Urteil des Presserates zugunsten der Branchenorganisation «Pro Viande» war Zähneknirschen hörbar.

Zähneknirschen deshalb, weil der Fall genau eines der vom Presserat oft kritisierten Themen betraf: die leicht übersehbare Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung. Eine Zeitungsseite in der «Sonntags-Zeitung» über die Nachhaltigkeit von Schweizer Fleisch, natürlich gestaltet im Layout der «Sonntags-Zeitung».

Zur Erinnerung: Im Jahresbericht 2020 des Presserates ging Max Trossmann, Co-Vizepräsidenten dieses Presserates, detailliert ein auf das Täuschungspotenzial der Werbeindustrie. «Angetrieben von immer neuen Beschwerden beschäftigte den Presserat ein Thema im vergangenen Jahr stark: der vermehrte Einsatz der verschleiernden Werbeform des sogenannten Native Advertising», schrieb Trossmann dazu. Es folgte eine lange Abhandlung über die Formen und Gefahren dieser Publireportagen. Beim Thema «Publireportagen» ist Trossmann also ohne Zweifel vorbelastet.  Trotzdem hat er zusammen dem Präsidenten Dominique von Burg sowie dem Co-Vizepräsidenten Casper Selg kürzlich über das heikle Thema «Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung» befunden. Das Urteil traf anfangs Januar 2021 bei den Parteien ein. Es fiel erstaunlicherweise im Sinne der Angeklagten, der PR-Agentur «Pro Viande» aus. Eine Organisation, die Urs P. Gasche vom Infosperber 2019 so beschrieb: «Die Aufgabe der Organisation der Fleischlobby Proviande ist es, den Absatz von Schweizer Fleisch zu fördern. Der Bund subventioniert die Proviande-Fleischwerbung mit mehreren Millionen Steuergeldern. Indirekt subventioniert der Bund damit die unsägliche Vermischung von Werbung und unabhängiger Information in grossen Zeitungen.»

Die Geschäftsidee von «Pro Viande ist also nicht neu». Auf deren Website heisst es: Die Inhalte der Publireportagen sind dabei auf das jeweilige Online- oder Print-Medium und sein Publikum zugeschnitten: die Inhalte werden zielgruppengerecht vom jeweiligen Medium im Auftrag von Proviande produziert.» Und noch ein Inhalt von der Website: «Laut Statuten erfüllt Proviande Leistungsaufträge des Bundes».

Ohne Ideologie geurteilt

Trotzdem liess das hochkarätige Richtergremium des Schweizerischen Presserates ihre Ideologie im Schrank. Davon konnte sie auch der neckische Autorenhinweis am Ende des Textes nicht abhalten: «Dieser Beitrag wurde von Commercial Publishing in Zusammenarbeit mit Proviande erstellt. Commercial Publishing ist die Unit für Content Marketing, die im Auftrag von 20 Minuten und Tamedia kommerzielle Inhalte produziert.»

Der Presserat urteilte zwar, dass «die Schriftgrösse der Anschrift Anzeige von Proviande gering ist, sie kann leicht übersehen werden. Auch der Begriff «Sponsored» sei verwirrend, da es sich hier um eine bezahlte Anzeige von «Proviande» handelt und nicht um Sponsoring. «Dennoch hat die «Sonntags-Zeitung» die Anzeige als solche klar genug gekennzeichnet, allein im Kopfteil finden sich drei Hinweise auf den kommerziellen Inhalt», sind sich Dominique von Burg, Casper Selg und Max Trossmann einig.

Beurteilung des Inhalts? Nicht zuständig

Wie gut und korrekt der Inhalt ist – immerhin von Tamedia-Mitarbeitern geschrieben – lassen die drei Herren offen. «Es gehört nicht in den Zuständigkeitsbereich des Presserats, den Inhalt der Anzeige von Proviande auf deren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, weshalb er sich dazu nicht äussert.»

Beruhigend für die Werbewirtschaft dann das Schlussfazit: «Entsprechend tritt der Presserat nicht auf die Beschwerde ein, sie ist offensichtlich unbegründet.»

Anders sieht das die Szene der Vegetarier und Kämpfer gegen «Tierfabriken». Im Internet liefen sie Sturm gegen den verfänglich gekennzeichneten Artikel. Vergeblich.

 

Alleskönner Praktikant bei Watson

Eine Praktikumsstelle bei Watson für journalistische Werbetexte lässt tief blicken.

Auf medienjobs.ch gibt es immer allerlei Wissenswertes zu entdecken. Es ist ein wenig der Indikator, wie es der Branche so geht. Aktuell sucht watson.ch «einen Praktikant Native Ad 100% (w/m)». Dass im Inserat der Akkusativ verloren ging, egal! Viel wichtiger ist das Jobprofil:

Du konzipierst und koordinierst die Abwicklung von Sonderwerbeformen.

Du arbeitest dabei an der Schnittstelle zwischen Redaktion, Verkauf und Innendienst.

Du übernimmst die Stellvertretung der «Redaktionsverantwortichen Native Ad» während ihren Ferienabwesenheiten.

Du ergänzt das Team aufgrund unserer Expansion in die Romandie.

Als bestandener Journalist und Redaktor muss man leer schlucken. Das sind doch einige recht anspruchsvolle Voraussetzungen. Vor allem Schnittstellenfunktionen setzen normalerweise eine gewisse Erfahrung voraus. Und dann dies: Ferienstellvertretungen der «Redaktionsverantwortlichen Native Ad». Zumindest für den Lebenslauf ist das natürlich toll: Schon als Praktikant Verantwortung übernommen und den Chef vertreten.

Für ZACKBUM-Leser (allenfalls) zur Info: Native Advertising (zu Deutsch «Werbung im bekannten Umfeld») ist eine Werbeform, die «nur schwer von redaktionellen Artikeln zu unterscheiden ist und die Aufmerksamkeit der Nutzer durch Tarnung auf sich zieht».

Watson wünscht sich von den Bewerbern «abgeschlossene Grundausbildung, idealerweise Grundstudium». Das ist mittlerweile fast schon normal, auch wenn gemäss Definition ein Praktikant das ist: «Arbeitnehmer, der sich einer bestimmten Tätigkeit und Ausbildung in einem Betrieb unterzieht, die Teil oder Vorstufe einer anderweit zu absolvierenden Ausbildung (z.B. Hochschulstudium) ist.»

Praktikum, Volontariat?

Zuerst Praktikum, dann Studium abschliessen. Sonst wäre es ein Volontariat. Das zum Beispiel macht aktuell Anielle Peterhans beim Tages-Anzeiger. Sie hat schon einige Lorbeeren eingeheimst, etwa den Titel «Journalistin des Jahres» mit der Crypto-Leaks-Recherche.

Aber wir sind ja «erst» beim Praktikum: Bei watson muss man für den Nativ Ad-Job «erste berufliche Erfahrungen im journalistischen Bereich» haben. Das ist darum speziell, weil gerade watson immer wieder betont, wie strikte Redaktion und Werbeabteilung getrennt seien. Oder sonst konstruiert watson eine eigenartige Parallelwelt. In einer Antwort an den Presserat schrieb watson 2017: «Um zu gewährleisten, dass die RedaktorInnen Inhalte nicht im Sinne der Werbepartner erstellen (…), wissen die AutorInnen nicht, wer der Kunde ist. Sie wissen zwar, dass es sich um ein NativeAd handelt, der Absender (…) ist ihnen aber so lange unbekannt, bis dieses von der Chefredaktion oder dem Chef vom Dienst publiziert wird.» Eine leicht schräge Argumentation, die in der Szene immer wieder Kopfschütteln oder zumindest ein Schmunzeln auslöst.

2000 Franken für einen «Vollwert-Job»?

Aber sei’s drum. Immerhin bekommt man bei watson.ch mit 2000 Franken relativ viel Lohn für ein Praktikum. Dafür ist man aber, zumindest wenn man den Job als «Praktikant Nativ Ad» bekommt, sofort eine vollwertige Arbeitskraft. «Learning by doing», heisst das wohl. Die Abteilung Nativ Ad ist ein wichtiges finanzielles Standbein von watson. Mindestens 20 – 25 % des watson-Umsatzes stammt aus dem Erlös von NativeAds.

Der Verband «Junge Journalistinnen und Journalisten Schweiz» hat eine Umfrage gemacht zu Praktikantenstellen und Löhnen. Die Umfrage stammt zwar von 2017, aber es ist nicht anzunehmen, das man heute mehr Geld bekommt. Eher, dass man mehr leisten muss, siehe watson.

 

 

 

 

 

Insidertipp aus der Inseratewelt

Man zahlt weniger und hat erst noch einen höheren Beachtungsgrad.

Es ist ein uralter Trick der Inserenten. Der Blick hat ein Textlayout von sechs Spalten, also buchen wir ein grosses Inserat von fünf Spalten. Und hoffen, dass die Setzer den Leerraum mit etwas besonders Auffälligem füllen. Vor einigen Tagen hat der Blick das besonders schön umgesetzt. Dabei hat die Inserentin, also die Ladenkette Spar, zu Trick 77 gegriffen. Sie hat nicht nur in der Breite das Zeitungsformat nicht ganz ausgefüllt, sondern auch in der Höhe geschmürzelt. Und was macht der Blick. Er tappt voll rein. Oben der Titel und ein Foto, in der linken leeren Spalte neben dem Inserat dann die dazugehörige Textspalte. Es ist ein visuelles Verbrechen.Und ein Beispiel, dass Inserenten definitiv am längeren Hebel sitzen.

Der Bruttopreis von 23600 Franken für Spar hat sich gelohnt. Der Beachtungsgrad der Leserschaft war sicher doppelt so hoch, wie wenn man eine ganze Seite gebucht hätte. Die kostet 26200 Franken brutto.

Offen ist, wieviel Rabatt Spar bekommt, weil der Lebensmittelsupermarkt öfters inseriert im Blick. In der Fachsprache heisst das von Spar gewählte Format übrigens Juniorpage. Und ja. Im Inseratebusiness rechnet man immer mit doppelt so vielen Spalten pro Seite wie  im Redaktionsteil. Spar hat also streng genommen eine Breite von zehn von insgesamt zwölf möglichen Spalten gebucht. Er hat gut gerechnet.

Für die Mobiliar ist Corona kein Thema


Das Mobiliar-Kundenheft schafft das Kunststück, nicht auf die Coronakrise einzugehen.

Kundenzeitschriften sind ein spezielles Segment. Die Redaktion besteht meistens aus einer firmeninternen Gruppe und das letzte Wort hat der CEO. Das kürzlich erschienene «Mobirama» der Mobiliarversicherung (Herbstausgabe 2020) ist darum bemerkenswert, weil Corona praktisch kein Thema ist. Die Titelgeschichte: «Verliebt ins Traumhaus». Im Editorial geht’s um den geplanten Führungswechsel in der Chefetage. Eine Reportage befasst sich mit dem Bau von Wanderwegen «mit Unterstützung der Mobiliar». Die Lektüre ist wie eine Zeitreise in die guten, alten Zeiten vor Corona.

Maskenverbot auf Fotos?

Maskenpflicht scheint bei den Fotosessions nicht zu gelten. Keine einzige der 19 abgebildeten Personen im Heft trägt eines dieser Dinger. Auf der zweitletzten Seite des 16-seitigen Heftes dann der Titel «Wir versichern sogar Ihre Katze». Und weiter: «Wir sind auch bei einem Auslandaufenthalt für Sie da». 11 Versicherungsbeispiele sind aufgeführt. Es fehlt typischerweise Corona. Das hat durchaus Gründe.

Epidemieversicherung gekündigt

Denn gemäss Artikeln in der NZZ am Sonntag und in der Handelszeitung hat die Mobiliar ihren Kunden die Epidemie-Versicherung gekündigt. «Die bisherige Epidemie-Versicherung wird durch eine neue Hygiene-Versicherung abgelöst», heisst es in einem Schreiben, das die Mobiliar-Kunden vor kurzem zugeschickt bekamen. Weiter im Text: «Eine Fortsetzung des bestehenden Vertrags ist nicht möglich. Falls Sie auf die Anpassung Ihres Vertrags verzichten, wird die Mobiliar von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch machen.»

Zuerst Lob, dann Haue

Kein Wunder, steht kein Wort über das Corona-Thema im «Mobirama». Zwar holte sich die Mobiliar laut der Handels-Zeitung viel Lob in der ersten Corona-Krise. Anders als die meisten Konkurrenten «verstrickte sie sich nach dem behördlich angeordneten Lockdown nicht in Wortklauberei, wonach eine Pandemie keine Epidemie sei». Doch jetzt ist es für Firmen unmöglich, sich gegen einen drohenden zweiten Lockdown zu versichern.

Warum sonst noch fehlt Corona im «Mobirama»? Kundenzeitschriften wie diejenige der Mobiliar haben eine extrem lange Vorlaufzeit. Dazu tragen die komplizierten, hierarchischen internen Abläufe bei. Die Inhalte sind inszeniert und werden oft überteuert von PR-Agenturen beigesteuert. Im Gegensatz zu journalistischen Beitragen dauern die Prozesse gefühlt ewig. Dazu kommen Übersetzungen und juristische Abklärungen. Kein Wunder, hat die Mobiliar entschieden, Corona aussen vor zu lassen.

Immerhin eine Ehrenrettung für die Mobiliar gibt’s: Corona kam in einem Artikel am Rande vor. In einem Portrait über die Unihockeyanerin Chiara Gredig. Corona setzte der Unihockeymeisterschaft laut dem Bericht «ein abruptes Ende». Kein Grund für die Mobiliar, nicht darüber zu berichten. Denn die Mobiliar «engagiert sich für den Hallensport».