Für die Mobiliar ist Corona kein Thema
Das Mobiliar-Kundenheft schafft das Kunststück, nicht auf die Coronakrise einzugehen.
Kundenzeitschriften sind ein spezielles Segment. Die Redaktion besteht meistens aus einer firmeninternen Gruppe und das letzte Wort hat der CEO. Das kürzlich erschienene «Mobirama» der Mobiliarversicherung (Herbstausgabe 2020) ist darum bemerkenswert, weil Corona praktisch kein Thema ist. Die Titelgeschichte: «Verliebt ins Traumhaus». Im Editorial geht’s um den geplanten Führungswechsel in der Chefetage. Eine Reportage befasst sich mit dem Bau von Wanderwegen «mit Unterstützung der Mobiliar». Die Lektüre ist wie eine Zeitreise in die guten, alten Zeiten vor Corona.
Maskenverbot auf Fotos?
Maskenpflicht scheint bei den Fotosessions nicht zu gelten. Keine einzige der 19 abgebildeten Personen im Heft trägt eines dieser Dinger. Auf der zweitletzten Seite des 16-seitigen Heftes dann der Titel «Wir versichern sogar Ihre Katze». Und weiter: «Wir sind auch bei einem Auslandaufenthalt für Sie da». 11 Versicherungsbeispiele sind aufgeführt. Es fehlt typischerweise Corona. Das hat durchaus Gründe.
Epidemieversicherung gekündigt
Denn gemäss Artikeln in der NZZ am Sonntag und in der Handelszeitung hat die Mobiliar ihren Kunden die Epidemie-Versicherung gekündigt. «Die bisherige Epidemie-Versicherung wird durch eine neue Hygiene-Versicherung abgelöst», heisst es in einem Schreiben, das die Mobiliar-Kunden vor kurzem zugeschickt bekamen. Weiter im Text: «Eine Fortsetzung des bestehenden Vertrags ist nicht möglich. Falls Sie auf die Anpassung Ihres Vertrags verzichten, wird die Mobiliar von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch machen.»
Zuerst Lob, dann Haue
Kein Wunder, steht kein Wort über das Corona-Thema im «Mobirama». Zwar holte sich die Mobiliar laut der Handels-Zeitung viel Lob in der ersten Corona-Krise. Anders als die meisten Konkurrenten «verstrickte sie sich nach dem behördlich angeordneten Lockdown nicht in Wortklauberei, wonach eine Pandemie keine Epidemie sei». Doch jetzt ist es für Firmen unmöglich, sich gegen einen drohenden zweiten Lockdown zu versichern.
Warum sonst noch fehlt Corona im «Mobirama»? Kundenzeitschriften wie diejenige der Mobiliar haben eine extrem lange Vorlaufzeit. Dazu tragen die komplizierten, hierarchischen internen Abläufe bei. Die Inhalte sind inszeniert und werden oft überteuert von PR-Agenturen beigesteuert. Im Gegensatz zu journalistischen Beitragen dauern die Prozesse gefühlt ewig. Dazu kommen Übersetzungen und juristische Abklärungen. Kein Wunder, hat die Mobiliar entschieden, Corona aussen vor zu lassen.
Immerhin eine Ehrenrettung für die Mobiliar gibt’s: Corona kam in einem Artikel am Rande vor. In einem Portrait über die Unihockeyanerin Chiara Gredig. Corona setzte der Unihockeymeisterschaft laut dem Bericht «ein abruptes Ende». Kein Grund für die Mobiliar, nicht darüber zu berichten. Denn die Mobiliar «engagiert sich für den Hallensport».
Danke Mobiliar. Du bist ein Lichtblick in der aktuellen Medienlandschaft. Wenn alle so wären wie du, dann ginge es den Menschen besser.