«Blick» plustert

Nun will auch Ringier im Internet abkassieren.

«Zugang zu Blick+ gibt es bereits für 9.90 CHF/Monat. In Kombination mit dem Blick-E-Paper kostet der Zugang 19.90 CHF/Monat und mit dem gedruckten SonntagsBlick 24.90 CHF monatlich.»

Als das letzte grosse Medium macht «Blick» das, was die anderen schon längst vollzogen haben. Er bietet weiterhin einen Teil seines Angebots gratis im Internet an, andere Teile verschwinden hinter einer Bezahlschranke.

Dafür verspricht er «200 exklusive Artikel pro Monat, umfassende Ratgeber- und Service-Artikel», dazu noch «exklusive Rabatte, Events und Führungen durch den Blick-Newsroom».

Das sieht dann so aus:

Natürlich macht «Blick» nicht den Fehler des «Nebelspalter» und legt die Schwelle niedrig:

Nur: wird’s auch funktionieren? Die Geschichte, wie Medien im Internet Geld verdienen können, ist lang und tragisch. Denn sobald eine Bezahlschranke hochgezogen wird, bricht der Traffic zusammen. Der wiederum ist entscheidend für die Werbeeinnahmen im Internet.

Allerdings ist es in der Schweiz so, dass Google, Facebook & Co. sowieso den grössten Teil des Online-Werbekuches verfrühstücken. Gleichzeitig wird der Anteil Online-Werbung am gesamten Werbeumsatz immer bedeutender. Er nähert sich 50 Prozent, während Print und elektronische Medien deutlich abgeben.

Nun ist es aber bei einer Paywall entscheidend, ob dahinter nur Werbung erscheint, deren Erlös an den Veranstalter der Webseite geht. So wie’s aussieht, begleiten aber weiterhin Google-Ads die «Blick»-Artikel.

Der Anmeldeprozess ist relativ schmerzlos, wobei es irritiert, dass man ein Abo abschliessen und ein Zahlungsmittel angeben muss, obwohl der erste Monat gratis sei.

Und welche Wunderwelt an Artikeln kann man entdecken, wenn man «geplusst» hat, wie der «Blick» das nennt?

Wahnsinn. Noch mehr Knaller?

Scheint ein Minderheitenprogramm zu sein, da die Mehrheit der «Blick»-Leser wohl eher nicht Hausbesitzer ist. Dann hätten wir noch diesen da:

Apropos jodeln, da gibt’s noch einen Nachschlag:

Schade auch, aber das hier ist natürlich der Brüller, für den man gerne zahlt:

Hier wird’s dann richtig ernst:

Plus noch eine Sport-Story wären das also zurzeit zehn Artikel, die der kein Abo besitzende Konsument nicht vollständig lesen kann. 33 Rappen soll das täglich wert sein, jährlich schlüge so ein Abo in der billigsten Version mit 118.80 zu Buche.

Da «Blick» bei der Bezahlschranke das Wichtigste vergessen hat – dahinter nur Inserate zuzulassen, bei denen der Veranstalter der Plattform alleine kassiert –, dürfte das Experiment finanziell nicht einschenken. Da auch der «Blick» keine absolute Bezahlschranke hochzieht, dafür aber sicherlich von jetzt an sukzessive immer mehr Artikel dahinter platzieren wird, ist die Prognose nicht schwierig: funktioniert finanziell nicht. Lässt mittelfristig den Traffic einbrechen, während die Zahl der Abonnenten in einem überschaubaren Rahmen bleiben wird.

Wir beten daher die Erklärungen jetzt schon runter.

  1. Es ist noch zu früh, um erste Zahlen zu nennen. Aber der Erfolg liegt im Rahmen der Erwartungen.

  2. Die Zahlen sind durchaus erfolgversprechend, aber zurzeit werden sie nicht kommuniziert.

  3. Es dauert länger, die Marktpenetration erfolgreich durchzuführen.

  4. Wir arbeiten daran, das Angebot noch besser und noch attraktiver zu gestalten.

  5. Wir nehmen die Leserreaktionen sehr ernst. Sie sind überwiegend positiv, auch wenn es einzelne kritische Stimmen gibt.

  6. Wir haben beschlossen, das Bezahlmodell nochmals zu überarbeiten.

  7. Wort-, klang- und spurlos verschwindet es. Die wenigen Abonnenten bekommen einen Gutschein.

Rafi reimt sich

auf Reinfall. Schon als Stellvertreter konnte er es nicht.

Gieri Cavelty war ein armes Schwein. Als Häuptling fast ohne Indianer musste er jeden Sonntag einen Schatten des alten «SonntagsBlick» herstellen. Dabei jede Menge Vorgaben berücksichtigen. Feminismus, links, SVP pfui, Impfungen gut, Berset, Walder, Heimgartner, und dazu auch noch ein freundliches Gesicht machen.

Das hält man im Kopf nicht aus, also ergriff Cavelty offiziell die Chance, im Leben noch mal was Neues zu machen, nämlich Lehrer. Das ist der zweitoriginellste Abgang, seit Daniel Meier seinen Posten bei der NZZamSonntag gegen eine Lehre als Velomech vertauschte.

Ganze 31 Mal musste ZACKBUM sich mit Cavelty befassen, aber Abgegangenen wollen wir nichts Böses nachrufen. Immerhin auf 19 Erwähnungen bringt es Reza Rafi, davon 17 vor seiner Zeit als Chefdarsteller. Als Stellvertreter musste er natürlich noch beflissener das abliefern, was man höheren Ortes erwartete. Er kam damals nicht weiter als bis zur Wohnungsklingel, schrieb aber dennoch eine «Reportage» über «Das stille Netzwerk der Freiheitstrychler». ZACKBUM schrieb: «Wenn Journalisten zu Mietmäulern werden, ersäuft der Beruf in der Schmiere der verborgenen Parteilichkeit.»

So bediente er und diente er. Verdienter Lohn: jetzt ist er Chef geworden. Aber, leider, leider, schon in seinem ersten grösseren Artikel in dieser Eigenschaft zeigte er bedenkliche Kenntnislücken, was die Rahmenbedingungen für eine Schweizer C-Niederlassung betrifft.

Da geht doch noch was, dachte sich Rafi – und produzierte gleich den nächsten Reinfall. Unterstützt von der interimistischen Oberchefredaktorin Steffi Buchli versuchte er, Marco Rima zu interviewen. Bei solchen komplexen journalistischen Unterfangen gibt es drei mögliche Ausgänge.

Das Interview erscheint. Das Interview erscheint nicht. Plus die Rafi-Variante: das Interview erscheint nicht, aber es wird nachgetreten. Normalerweise passiert das, wenn eine Kommunikationsstelle das Gesagte völlig umschreibt, inklusive neue Fragen, die gar nicht gestellt wurden. So ein Interview erscheint einfach stillschweigend nicht – oder die Redaktion legt offen, was da alles rumgeschraubt wurde.

Die Rafi-Variante: das Interview erscheint nicht, weil rumgeschraubt worden sein soll. Jeglichen Beweis dafür (so sah unsere Variante aus, das wollte Rima) bleibt er allerdings schuldig.Woraus man bei der Glaubwürdigkeit und dem Vertrauen, das der SoBli geniesst, klar schliessen darf: da trat jemand auf die Bremse. Und der (oder die) hiess nicht Rafi. Und auch nicht Buchli.

Oder: mit Alain Berset wäre das nicht passiert.

 

Geballte Kompetenz

Die Wirtschaftsredaktion von Tamedia ist ein Copy-Wohlfühl-Shop.

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Eigentlich sollte man meinen, dass der Kauf der CS zum Schnäppchenpreis und seine Umstände für die Wirtschaftsredaktion des zweitgrössten Medienkonzerns der Schweiz Anlass zu ausführlicher Berichterstattung, eigener Recherche und Analyse seien sollte. Plus kritische Fragen an die Beteiligten, wenn die einem Interview zustimmen.

Immerhin führt das Impressum 11 Fachkräfte auf, darunter viele Häuptlinge, stellvertretende Häuptlinge und sogar einen Chefökonom. Gut, dieser Titel sollte Armin Müller den Rausschmiss aus der Chefredaktion versüssen. Dann hätten wir noch ein vierköpfiges «Hauptstadtbüro Bern» und einen «Ausland-Korrespondenten» im fernen San Francisco. Nicht zu vergessen das Bauernofper Arthur Rutishauser mit mehr Zeit zum Schreiben als Chefredaktor «SonntagsZeitung».

Und was machen diese Koryphäen? Sie lesen fleissig Zeitungen, bei denen noch recherchiert wird. Zum Stehsatz der Berichterstattung gehört seit Längerem: «Wie die britische «Financial Times» berichtet ..

Diesmal wird der Satz ergänzt mit «…soll die UBS den CS-Bankern nach der Übernahme strenge Regeln auferlegen». Hat sich die hochwohllöbliche Wirtschaftsredaktion wenigstens zu einer eigenen Recherchehandlung aufgerafft? Wozu denn, wenn das andere erledigen: «Gegenüber der Nachrichtenagentur AWP wollte die UBS die Liste nicht kommentieren.»

Leichte Unsicherheiten zeigt das vielköpfige Wirtschaftsressort bei der Anwendung des Konjunktivs. Beim fleissigen Zitieren aus der FT heisst es einmal «So ist es etwa verboten». Indikativ (Wirklichkeitsform, für Tamedia-Mitarbeiter). Dann aber «Gesperrt würden zudem …», Konjunktiv oder Würde-Form. Ja was denn nun?

Dann lässt sich Tamedia vom offiziellen Wording der Umstände des Schnäppchenkaufs einseifen. Denn erst vergangenen Freitag wurde der definitive Garantievertrag über 9 Milliarden Risikoübernahme durch den Bund unterzeichnet. Vorher gab es noch jede Menge Fingerhakeln. Wieso muss der Bund eigentlich zusätzlich zum 16-Milliarden AT1-Geschenk und Liquiditätszusagen von 250 Milliarden noch weitere 9 Milliarden drauflegen?

«Der Grund, warum der Bund dafür eine Verlustgarantie aussprechen musste, ist, dass die UBS vor der Übernahme nur kurz in die Bücher der CS schauen konnte

Dabei muss man nicht mal «Inside Paradeplatz» lesen (und abschreiben), um zu wissen, dass die UBS bereits seit letztem Herbst alle Vorbereitungen für eine Übernahme der CS angeleiert hatte. Und da das Führungspersonal der CS in der Endphase fast ausschliesslich aus Ex-UBS-Männern bestand, die niemals nicht interne Informationen an ihren alten (und hoffnungsfroh wieder neuen) Arbeitgeber durchstechen würden …

Nun hatten «Chefökonom» Müller und Bauernopfer Rutishauser Gelegenheit, SNB-Boss Thomas Jordan zu interviewen. Allerdings folgten auch sie dem Tamedia-Prinzip: ja keine unangenehmen Fragen stellen, ja nicht nachhaken.

Lukas Hässig von IP (who else?) zeigt auf eine der vielen Schwachstellen des Interviews:

«Auf die Frage der Journalisten, ob es im letzten Herbst „schon Gespräche mit der UBS über eine Übernahme“ gegeben habe, meinte der SNB-Chef:
„Gespräche mit der Credit Suisse haben stattgefunden. Die Bank musste sich vorbereiten für den Fall, dass der Turnaround nicht gelingt.“
Ein klassisches Ausweichmanöver. Die Frage nach der UBS wird mit Kontakten zur CS beantwortet.»

Wetten, dass FT das nicht so hätte durchgehen lassen? Wetten, dass in einem seriösen Interview hier eine Nachfrage gestellt worden wäre? Und wenn Jordan (oder sein Kommunikationsfuzzi) bei der Autorisierung des Interviews diese Passage dann gestrichen hätte?

Dann hätte Tamedia vielleicht nicht so eine Peinlichkeit wie der SoBli mit seinem misslungenen Rima-Interview aufführen müssen. Aber deutlich darauf hinweisen, dass hier eine wichtige Frage schlichtweg nicht beantwortet wurde.

Das gilt auch für die Behauptung Jordans, dass die SNB nicht «einfach eine Bank übernehmen könne». Natürlich könnte sie das, aber dafür müssten die Interviewer das SNB-Reglement kennen. Was zu viel verlangt ist, offensichtlich. Denn unter dem Gummibegriff «Stabilität des Finanzsystems» hat die SNB schon ganz andere Dinger gedreht, zum Beispiel die Festlegung einer Untergrenze zum Euro.

Aber doch nicht im weichspüler-wohlfühl-genderneutralen Tamedia-Journalismus. Wenn’s um viele Milliarden Steuergelder geht, ist man hier ganz entspannt. Geht es um das Verhalten eines deutschen Rockstars, wird gleich das Canceln seiner Konzerte gefordert. Lächerlich oder jämmerlich? Leider beides.

Frauen – Streik – Wahnsinn

Ein kleines Lexikon für Mitläufer.

Es wird etwas unübersichtlich, wer eigentlich wofür und wogegen am 14. Juni streikt. Da hätten wir mal diese hier:

«Als TINFLA*s sind wir Gewalt auf vielen Ebenen ausgesetzt. Dies ist kein Zufall – sie hat im Patriarchat und Kapitalismus System.»

Von hinten nach vorne: Kapitalismus und Patriarchat, gut, da sind wir noch auf sicherem Boden. Aber TINFLA*? Das gibt es auch als FLINTA*, kicher. In beliebiger Reihenfolge (ist Reihenfolge nicht diskriminierend?) steht das für Frauen, Lesben, Inter-, nicht-binäre, Trans*- und agender-Menschen.  Wer’s immer noch nicht kapiert, ist sicher ein Cis Mann.

Hä? Ein Cis Mann ist ein Mann, dem bei Geburt nicht nur das männliche Geschlecht «zugewiesen» wurde, sondern der sich auch noch damit identifiziert. Er ist also «diesseitig», im Gegensatz zu trans oder transgender. Meistens ist der Cis Mann dann auch noch heterosexuell, womit er eindeutig zum Unterdrückungspatriachat in der Gesellschaft gehört. In seiner unangenehmsten Ausformung ist er dann noch ein alter, weisser Mann.

Wie heisst es so erschütternd: «Cis Männer erheben Besitzanspruch auf unsere Körper und üben oft Gewalt aus, wenn wir diesem nicht nachkommen. Auch trans Personen, und Menschen, die nicht in die binäre Geschlechterkategorie passen, müssen vor allem im öffentlichen Raum Gewalt erfahren.»

Wir erinnern uns an das schreckliche Eier-Attentat auf einen berühmten Poeten auf offener Strasse.

Was heisst denn nun «queerfeministisch»? Wir holen tief Luft: «Queerfeminismus richtet sich sowohl gegen die Heteronormativität als auch die binäre Geschlechterordnung.» Alles klar? Bitte, noch ein Anlauf: «Queerfeminismus geht davon aus, dass Geschlecht nicht biologisch oder psychologisch vorherbestimmt ist, sondern den Menschen ein soziales und körperliches Geschlecht, sowie daran gebundene Geschlechterrollen gesellschaftlich zugeschrieben werden.»

Im Gegensatz dazu sind natürlich die Kämpfer*Innen für eine gendervielfältige Welt friedlich unterwegs. Ausser vielleicht, es geht gegen Terf. das sind «Trans Exclusionary Radical Feminists». Hä? Also das sind Frauen, die sich als Feministin bezeichnen, aber darauf bestehen, dass Wesen mit Vagina Frauen und solche mit Penis Männer sind.

Dazu gehört auch eine «Posie Parker». Die tingelt durch die Welt mit einem «Let Women Speak»-Event. Einfache Anordnung: Sie stellt eine Kamera auf eine Bühne, auf der Frauen über alles reden können, was sie wollen. Vorausgesetzt, sie sind Frauen. Ist doch nicht schlecht. Ist furchtbar, «Burn the Terfs» ist das Motto der Gegendemonstranten, die schon mehrere solche Anlässe dermassen massiv störten, dass sie abgebrochen werden mussten. Wie gerade in Genf. Trotz Polizeischutz gelang es diesen Feind*Innen der freien Rede, die Veranstaltung so zu bedrängen, dass Parker sie abbrach. Sehr dialogfördernd …

Dann hätten wir den Aufruf des «Feministischer Streik & Frauenstreik Basel». Die haben Grosses vor: «Am 14. Juni nehmen wir uns die Strassen für ein Leben ohne Gewalt an unseren Körpern: damit wir an unserem Arbeitsplatz keine sexistischen Sprüche hören, nachts alleine unbesorgt nach Hause gehen können und das unser Zuhause wirklich ein sicherer Ort wird.»

Leider anonym bleibende Kampftruppen vermelden auf barrikade.info: «Patriachale Strukturen versuchen weltweit über die Körper von Frauen und Queers zu bestimmen. Fundamentalist:innen in der Schweiz versuchen seit Jahren das Selbstbestimmungsrecht dieser zu beschneiden, in dem sie das Recht auf sichere Schwangerschaftsabbrüche angreifen. Die Helsana arbeitet mit denselben Reaktionären zusammen. Wir haben im Zeichen des 14. Juni in der Nacht vom Donnerstag auf Freitag bei der Helsana in Winterthur unsere klirrenden Grüsse hinterlassen.»

Auch Thun und das Berner Oberland haben Forderungen: «Das Ende geschlechtsspezifischer Gewalt», plus «Eine ökologisch und sozial nachhaltige Zukunft».

Aber es gibt natürlich auch übergeordnete, schweizweite Forderungen: «Massnahmen zur Bekämpfung geschlechterspezifischer, sexualisierte und häuslicher Gewalt und rassistischer, queerfeindlicher Diskriminierung.» Und wenn man, Pardon, frau, schon mal am Fordern ist: «Jede Erziehungsperson sollte ausserdem eine Elternzeit von mindestens einem Jahr pro Person und Kind erhalten und das private Krankenversicherungssystem sollte abgeschafft werden

Ach, wo absurde Forderungen sind, ist SP-Nationalrätin Tamara Funiciello nicht weit. «Verwandeln wir unsere Wut in Schlagkraft», forderte sie zweideutig nach der nötigen Erhöhung des Fraunenrentenalters. Und kündigte an: «Wir wollen, dass am 14. Juni 2023 alles stillsteht. Heute beginnen wir mit den Vorbereitungen.»

ZACKBUM steht nicht still, aber schaun mer mal.

 

Bramarbasierender Bärfuss

Veronika, der Lenz ist da. Aber nicht Jakob Lenz.

Legen wir das Bildungsniveau etwas tiefer, es geht schliesslich um den Büchner-Preisträger Lukas Bärfuss. Nun hat Georg Büchner eine Novelle «Lenz» geschrieben, in der in jeder Zeile mehr dichterische Schaffenskraft steckt als im Gesamtwerk von Bärfuss.

Der zeigt im Blatt für die gehobenen Stände und die literarischen Überflieger «SonntagsBlick», dass er auch an einfachen Themen scheitern kann. Denn er hat sich rechtzeitig zu dessen Ende den Frühling vorgeknöpft.

Frühling, das ist ein ewiges Aufsatzthema, an dem sich schon Primarschüler versuchen dürfen. Oftmals mit mehr Erfolg als der Dichter:

«Nun ist es warm geworden, von einer Woche zur andern, die Magnolien sind schon wieder verblüht, die Felder stehen grün, die Wolken hoch.»

Man beachte die doppelte Verwendung von «stehen», Wahnsinn. Wobei es nur einmal wirklich passt; grün «stehen» die Felder? Aber das ist nur die Einleitung zu tiefen, ganz tiefen Erkenntnissen: «Die Jahreszeiten prägen unser Leben. Ihr Wechsel gibt den Rhythmus vor, er treibt uns weiter, lässt uns niemals stillstehen im Tanz des Lebens.»

Tanz des Lebens, da hätte es selbst Utta Danella geschüttelt. Aber Bärfuss lässt nichts aus: «Der Tagbogen wölbt sich … Wir werden alle älter, und am Ende sind wir alle tot … Der Zauber in allem Anfang ist der Zauber der Vergänglichkeit … Erst die Tat, die Handlung, die Geste, die gefordert ist und die verändert, erst das tätige Leben gibt dem Frühling eine Antwort.»

Der Leser winselt um Gnade, aber wir sind – wie Bärfuss – gnadenlos: «Wir Menschen fürchten uns vor der Witterung. Wir sind ihrer nicht ebenbürtig, noch immer nicht, und das Klima zu verändern, bedeutet nicht, es zu beherrschen … Die Frage der Philosophie: Wie willst du sterben? Die Frage der Politik: Wie willst du leben?»

Dabei dachte ZACKBUM, die Fragen der Philosophie seien: «Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?» Das wäre dann Immanuel Kant, andere Liga.

Aber auch der quälendste Text findet einmal sein Ende, darin liegt tiefer Trost: «Der Frühling wird nicht bleiben. Es wird ein neuer kommen. Nicht für alle, aber für immer.»

Auch Bärfuss reiht sich in den Reigen ein: heutzutage ist alles erlaubt. Keiner zu klein, Dichter zu sein. Nichts zu banal. Kein Halten im Sturz ins Bodenlose, Niveaulose. Selbst Primarschüler müssten vor Scham erröten, würden sie solches Geschwurbel zu Papier bringen. Seufzend läse es der Lehrer. Weil er muss.

Was aber das süsse Geheimnis des «SonntagsBlick» bleibt: warum nur, warum quält er seine Leser so? Will das Blatt wirklich, dass der Leser an einem schönen Sonntag so griesgrämig schaut wie der gequält-quälende Dichter?

Buchli und Rafi schreiben schamlos darüber, wie sie ein Interview in den Sand setzten. Meyer tobt vor sich hin. Und Bärfuss bramarbasiert; er sei «der wichtigste zeitgenössische Schweizer Schriftsteller», behauptet der SoBli. Das dürfte Peter von Matt, Thomas Hürlimann und ein paar andere erstaunen. Aber die Sonne der Kultur stand schon immer ganz, ganz tief beim SoBli. Nicht nur im Frühling.

Quotenfrauen

Sagen, was ist: Frauenquoten sind Mist.

Tamedia ist immer vorne dabei, wenn es darum geht, gendermässig Unsinn zu machen. Da gab es doch das Schreiben von 78 erregten Tamedia-Mitarbeiterinnen. Sie beklagten unerträglich sexistische Zustände, Mobbing, Diskriminierung und eine demotivierende Atmosphäre.

Illustriert war der Brandbrief, der für internen Gebrauch gedacht war, aber ausgerechnet via Jolanda Spiess-Hegglin an die Öffentlichkeit durchgestochen wurde, mit rund 60 angeblichen Beispielen. Anonymisiert, ohne Orts- oder Zeitangabe. Daraufhin kündigte Tamedia eine strenge Untersuchung an, der damalige Oberchefredaktor Arthur Rutishauser entschuldigte sich präventiv, der Oberboss Pietro Supino war tief «betroffen».

Seither hat man davon nichts mehr gehört. Liess sich auch nur ein einziger der Vorwürfe erhärten? Gab es disziplinarische Massnahmen? Genaues weiss man nicht. Aber Marco Boselli, inzwischen entsorgt, kündigte ebenfalls betroffen an, dass man nun eine Frauenquote von mindestens 40 Prozent anstrebe, auf allen Hierarchiestufen.

Inzwischen hat es einige Quotenfrauen in die Chefetage gespült. Dafür haben einige fähige Mitarbeiter das Haus verlassen, weil sie als Pimmelträger keine Aufstiegschancen mehr sahen. Nur traut sich natürlich kaum jemand, offen und öffentlich auszusprechen, was offenkundig ist.

Seit Raphaela Birrer die Oberchefredaktorin von Tamedia ist, geht’s sichtbar bergab. Redakteure leben ihre Spleens aus, schreiben über gendern, über Schneeflocken-Phantomschmerzen, schreiben völlig am Publikum vorbei. Ein Irrwisch fordert gar, zwei Konzerte zu canceln, das sei aber keine Cancel-Kultur. Er will vorverurteilen, besteht aber auf der Unschuldsvermutung. Er will ein Berufsverbot, er will, dass der Konzertveranstalter Bankrott erklären muss. Er will Zehntausende von erwachsenen Fans bevormunden, sie sollen das Geld, das sie bereits für die ausverkauften Konzerte ausgegeben haben, in die Tonne treten.

Wer so etwas zulässt, ist fehl am Platz. Wer als Chef zulässt, dass immer mehr Redakteure am Zielpublikum vorbeischreiben, statt recherchieren räsonieren, und das noch ohne Verstand, der ist fehl am Platz. Wer behauptet, es ginge ihm um Qualität, aber gleichzeitig ein Millionensparprogramm durchziehen muss, ist als schlechter Kommunikator fehl am Platz. Immerhin kann man das Kerstin Hasse, ebenfalls in die Chefredaktion gequotet, nicht vorwerfen. Sie ist dort schlicht unsichtbar, inexistent.

Statt das «digital Storytelling» voranzubringen, führt sie in einem launigen Video durch die neuen Redaktionsräume. Ohne rot zu werden, zeigt sie, dass es noch Steigerungsformen zur bislang gepflegten Käftigtierhaltung in der Hölle des Newsrooms gibt.

Aber auch Ringier hat sein Päckchen in Gestalt von Ladina Heimgartner zu tragen. Die will den von ihr verantworteten dramatischen Auflagerückgang bei der «Blick»-Familie mit der Köpfung von Chefredaktoren überspielen. Christian Dorer, der Schwiegermuttertraum (fall sie tolerant sein Werben um ihren Sohn akzeptiert), wurde ohne nachvollziehbare Begründung in den Zwangsurlaub geschickt. SoBli-Chef Gieri Cavelty legt Wert auf die Feststellung, dass er freiwillig gegangen sei.

Sein Nachfolger glänzt schon in seinem ersten Stück in neuer Funktion durch völlige Unkenntnis der Niederlassungsregeln der Schweiz. Anschliessend gesteht er öffentlich seine Unfähigkeit ein, ein Interview zu führen. Dabei sekundiert von der interimistischen Oberchefredaktorin Steffi Buchli, Kernkompetenz Sport.

Heimgartner beweist, dass man mit etwas Feminismus und dem Wörtchen Resilienz zwar heutzutage als Quotenfrau aufsteigen kann, dann aber nur verbrannte Erde hinterlässt.

Etwas komplizierter ist es beim Wanner-Clan, der CH Media beherrscht. Dessen gnadenloses Streben nach Qualität zeigt sich zum Beispiel in der niveauvollen Serie «Mein peinlichster Sex-Unfall», ausgestrahlt auf TV25. Tochter Anna Wanner ist «Co-Leiterin» des Inlandteams der Mantelredaktion von CH Media. Bruder Michael Wanner ist CEO, Bruder Florian leitet die elektronischen Medien, obwohl er sich beim Thema UKW-Abschaltung lächerlich machte.

Tochter Wanner fällt allerdings durch gelegentliche Merkwürdig-Kommentare auf, die natürlich niemand zu kritisieren wagt («Eva Herzog ist die Richtige»). Dass der Clan zu lange den Spiess-Hegglin-Büttel Pascal Hollenstein an leitender Stelle beschäftigte, ist nicht nur Anna, sondern allen Wanners anzulasten.

Weitgehend quotenfraufrei kommt die NZZ daher. Sicher reiner Zufall, dass es diesem Unternehmen ziemlich gut geht. Hier zeigen Kommentatorinnen wie Birgit Schmid oder Katharina Fontana, was elegant-niveauvolle Schreibe ist, während Tiefflieger wie Ueli Bernays mit ihren Vorverurteilungen («Künstler als Täter») höchstwahrscheinlich sogar für juristischen Ärger sorgen.

Natürlich soll man (oder frau oder divers oder hybrid) nicht unbedingt verallgemeinern. Aber der Konzern, der sich am meisten Mühe gibt, nach Geschlecht, nicht nach Kompetenz zu befördern, produziert die meisten Flops. Führende Frauen produzieren Flops, da sollte man nur das Rote Kreuz fragen.

Das ist so, das lässt sich nicht wegschreiben.

 

Mensch Meyer!

Schon wieder einer, der die Realität hinter sich gelassen hat.

Ob bei der Pflege des Embonpoint etwas in den falschen Hals geriet? Saures Aufstossen? Völlegefühl? Sodbrennen? Man muss sich Sorgen machen:

«Nationalrat Cédric Wermuth, Präsident der Sozialdemokraten, bezeichnet den Vorgang als «moralische Bankrotterklärung» der SVP. Wie so oft geht das Geschoss des Genossen ins Leere: Einen Bankrott kann nur erklären, wer über Besitz verfügt, im vorliegenden Fall über politische Moral.»

Genialisch, gleichzeitig der SP und der SVP eins über die Rübe geben. Aber Frank A. Meyer ist in seiner Kolumne im «Sonntagsblick» noch nicht auf Betriebstemperatur. Im nächsten Absatz herrscht bereits Überdruck im Kessel:

«Prominente Repräsentanten dieser Partei, die seit drei Jahrzehnten als Befehlsempfängerin ihres Besitzers funktioniert, kennen nach rechts aussen keine Grenzen – keine braune Linie. Ihr peinlichster Schreihals sendete kürzlich sogar Propaganda-Selfies vom Roten Platz in Moskau, um dem Kriminellen im Kreml mit seinen Huldigungen möglichst nahe zu sein – dem Führer.»

Worum geht es eigentlich, wie Meyer didaktisch fragen würde. Um den «ukrainischen Churchill Wolodimir Selenski», der in der Mittagspause per Videoschalte im Nationalrat sprechen darf. Winston Churchill kann sich nicht mehr dagegen wehren, mit einem autokratischen, korrupten Führer eines korrupten Regimes verglichen zu werden, das sich gegen den Überfall eines anderen korrupten Regimes wehrt.

Nun hebt Meyer in geradezu lyrisch-hymnische Ebenen ab: «…Botschaft einer Nation in höchster Not, die Botschaft eines Widerstands ohne Wankelmut … Kampf um die Freiheit … Eine Botschaft des ukrainischen Volkes an das Schweizer Volk!»

Aber was macht die SVP? Unerhört: «Nein, die SVP erklärt weder ihren demokratischen noch ihren moralischen Bankrott, denn weder Demokratie noch Moral zählen zu den Kulturgütern ihrer Politik. Wer sie wählt, kann spätestens nach dem nächsten Mittwoch nicht mehr behaupten, er hätte es nicht gewusst.»

Hätte was nicht gewusst? Dass Frank A. Meyer nicht mehr alle Latten am Zaun hat? Zum masslosen Verbalberserker wird, weil ihn kaum einer, der nicht muss, noch ernst nimmt? Da ZACKBUM ein gewisses Niveau nicht verlassen möchte, stellen wir auch die Berichterstattung über die Unke aus Berlin ein.

Zwei Gescheiterte

Nicht einmal ein Interview können die Helden vom «Blick».

Normales Handwerk. Zwei Redaktoren empfangen einen Gesprächspartner zum Interview. Aus der mündlichen Aufzeichnung entsteht eine schriftliche Fassung. Im deutschen Sprachraum (im angelsächsischen nicht) wird die dem Interviewten zur Autorisierung vorgelegt.

Nun ist es das Normalste der Welt, dass die Verschriftlichung eine verdichtete, zusammengefasste Variante der Aufzeichnung darstellt. Normales Handwerk. Es ist auch normal, vor allem bei Kontroversen, dass der Interviewte an der ihm vorgelegten Fassung Änderungen vornehmen möchte.

Unter Profis macht man deswegen ab: es gilt das gesprochene Wort. Allerdings liegt das Recht an diesem Wort, wie das Recht am Bild, beim Sprecher. Also ist es eine Frage des Handwerks, dass man sich bei Änderungswünschen zusammenrauft.

Ausser, die interimistische Oberchefredaktorin Steffi Buchli und der frischgebackene SoBli-Chefredaktor Reza Rafi tun sich zusammen:

Auch das kommt ab und an vor. Normalerweise schmeisst man dann das Manuskript in den Papierkorb, bzw. versenkt es im elektronischen Archiv. Aber doch nicht die Restenverwertungsanstalt «Blick».

Wenn schon diese beiden Koryphäen ihre wertvolle Zeit aufwendeten, wenn schon Buchli ein gestelltes Blick TV-Interview mit Marco Rima machte, in der Abteilung Sauglattismus, wenn man dann eine geschlagene Stunde miteinander sprach (was normalerweise für eine Seite gedrucktes Interview reichen würde; beim SoBli wäre es sicherlich auf mindestens drei Seiten ausgewalzt worden), dann kann man dieses welterschütternde Ereignis dem Leser nicht vorenthalten.

Dann erzählt man gerne und hemmungslos die Geschichte des eigenen Versagens. Im Print steht nur Rafi als Autor da, online gesellt sich noch Buchli dazu, obwohl sich am Text nichts geändert hat.

Eingeleitet wird die Story eines gecancelten Interviews mit Nachtreten: «Die Mutation vom Sonnenkönig zum Nachtschattengewächs war nicht mehr zu stoppen.» Welch schiefes Bild, welche Bösartigkeit.

Aber das ist erst der Vorspann: «Am Abend meldete sich seine Frau und Managerin Cristina: So könne man das Stück unmöglich freigeben, ihr Mann werde absolut unvorteilhaft und oberflächlich dargestellt.»

Auch diese Reaktion ist nicht unbekannt, wie der SoBli sogar selber einräumt: «So weit, so gewöhnlich im Medienbetrieb. SonntagsBlick wartete die autorisierte Fassung ab. Am Samstag lag sie vor. Doch fanden sich im abgeänderten Manuskript wohlformulierte Sätze im Polit-Jargon, die der Befragte so nie gesagt hatte. Das ist bei Interviews nicht unüblich, allerdings eher bekannt von Bundesräten oder Firmenchefs; PR-Arbeit eben

Dann die Schlusspointe: «Die SonntagsBlick-Redaktion respektiert das – hält es aber für wenig sinnvoll, ein Gespräch abzudrucken, aus dem die streitbarsten Passagen nachträglich entfernt wurden

Auch das ist erlaubt. Rima darf – wenn eben keine professionellen Abmachungen getroffen wurden – am gesprochenen Wort rumfummeln. Der SoBli darf auf den Abdruck verzichten (was er bei einem Bundesrat zum Beispiel, wenn dessen Nachnamen mit B. beginnt – nein, nicht B wie Blocher – niemals tun würde).

Jetzt kommt aber das Problem. Der SoBli enthält dem Leser vor, worum es hier geht. Hat sich das Umfeld von Rima zu recht über eine unvorteilhafte und oberflächliche Darstellung aufgeregt? Hat Rima mit wohlformulierten Sätzen im Politjargon geglättet?

Man weiss es nicht, man erfährt es nicht.

Problem: bei der mangelnden Glaubwürdigkeit, die sich der SoBli mit viel Arbeit erwirtschaftet hat, nimmt doch kein mündiger Leser diese Erklärung ab. Abgesehen davon, dass ein solches Scheitern nicht dem Interviewpartner anzulasten ist.

Dass gleich zwei Chefredaktoren sich nicht entblöden, das eigene Versagen öffentlich zu machen, ist an Peinlichkeit schwer zu überbieten. Oder doch, durch das Editorial von Rafi. Aber das wäre dann eine echte Überdosis. Wir denken an die Gesundheit unserer Leser und lassen das.

Und dieses Bild ist so was von gestellt
(man beachte das Ladekabel).

Wumms: Sanija Ameti

Auch Provokation will gelernt sein.

Das ist jetzt gemein. Die Fettnäpfchen-Queen Sanija Ameti hatte sich sorgfältig auf ihren Auftritt in der Höhle der Löwen, bzw. bei der Jahresversammlung von «Pro Schweiz» vorbereitet. Dezentes Make-up, vorbereiteter Dummspruch (Roger Köppel sei die «fünfte Kolonne Putins», der «Feind im Innern»). Plus dumpfe Drohung: «Und entsprechend werden Sie behandelt.»

Kampf- und Krampf-Provokateurin Ameti.

Dazu trat die Bachelorette der Politik von der «Operation Libero» (denen muss das alles vielleicht peinlich sein) im Kampfanzug auf. Also in einer Armeejacke. Blöd gelaufen: wie die «Weltwoche» spitz vermeldet, gibt es da einen Artikel im Schweizer Strafgesetzbuch: «Wer unbefugt die Uniform des schweizerischen Heeres trägt, wird mit Busse bestraft.»

Das kann teuer werden; so schreibt Stefan Millius: «Wie hoch diese ausfällt, hängt von den näheren Umständen und dem Richter ab. Allerdings gab es in der Vergangenheit Fälle, in denen es schon für eine Busse von mehreren hundert Franken reichte, wenn ein Armeeangehöriger die Uniform «missbräuchlich» trug.»

Wieso Köppel der Feind im Innern sein soll, verriet Ameti nicht. Dass sie zumindest der Feind des Strafgesetzbuches ist, darf als erwiesen bezeichnet werden.

Wir steigern: arm, armselig, Ameti.

Jetzt fahren schon Anwälte Trittbrett

Und finden Dumme, die drüber schreiben.

Dr. Stefanie Schork ist «Fachanwältin für Strafrecht». Im juristischen Fachblatt Linkedin hat sie sich zu Wort gemeldet:

«Wenn es nicht so bitter wäre, würde man über die Presseerklärung der Kollegen für #Rammstein fast lachen müssen. Sie wissen es natürlich besser. Eine Strategie zur Rechtewahrnehmung für #Lindemann kann dahinter nicht stehen. Die wird es auch nicht mehr geben, so wie die Dinge liegen. Dem Mann ist presserechtlich nicht mehr zu helfen.»

Starke Worte, damit kommt man in die Medien, wenn es ein aufmerksamer Journalist liest. Schork behauptet munter: «Die öffentlich gewordenen Schilderungen sind so deutlich geeignet, einen hinreichenden Mindestbestand an Tatsachen zu begründen, dass sich niemand daran gehindert sehen muss, über die Vorwürfe zu berichten.»

Schork erreichte schon eine gewisse mediale Berühmtheit als Vertreterin des Mannes, der das sogenannte Ibiza-Video erstellt und verbreitet haben soll. Damit wurde der damalige österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache zum Rücktritt gezwungen, der sich angetrunken um Kopf und Kragen geredet hatte.

Schorks Kanzlei vermeldet unter Aktuelles: «Das LG Berlin hat gegen zwei Presseverlage einstweilige Verfügungen wegen der Verbreitung von anonymen Anschuldigungen zum Nachteil der Band sowie ihres Sängers Monchi erlassen.» Hier handelt es sich um «Feine Sahne Fischfilet», eine radikale Punkband mit Hang zur Gewaltverherrlichung. Ihrem Sänger waren anonym sexuelle Übergriffe vorgeworfen worden. Da geht das natürlich nicht.

Aber bei Rammstein dann doch, so ist halt die juristische Logik. Kann man so oder so sehen. Der Schweizer «Blick» hat diese Meldung über die Behauptungen von Schork im «Focus» gesehen. Das schreiben dann die beiden Mitarbeiter fmü/bang brühwarm ab, natürlich ohne Quellenangabe.

Aber mit «Blick»-typischer Zuspitzung: «Rechtsanwältin zerlegt Rammstein-Statement». Immerhin einer der bekanntesten Medienanwälte Deutschland hatte hier alle Anschuldigungen als «ausnahmslos unwahr» zurückgewiesen und rechtliche Schritte gegen alle angekündigt, die solche Behauptungen aufstellen oder verbreiten.

Da möchte «Blick» auch gerne dabei sein, und Rechtsanwältin Schork hat offenbar Entzugserscheinungen bezüglich medialer Aufmerksamkeit. Alles ein Beitrag zum modernen Pressesumpf, in dem täglich das Niveau niedriger gelegt wird.

Auch der «Spiegel» mischt kräftig mit. Früher war eine Titelgeschichte noch ein Ereignis und eine Auszeichnung. Aber heute:

In der «Hausmitteilung» vermeldet der «Spiegel» sensibel: «Viele der weiblichen Fans, mit denen sie gesprochen hat, hätten sich inzwischen von der Band abgewandt: »Einige bekommen jetzt schon von der Musik Panikattacken.«»

Dann verschwendet das ehemalige Nachrichtenmagazin acht bunt bebilderte Seiten auf diese Story, die sich sicherlich in  der «Bunten» gut machen würde. Ganze 13 «Spiegel»-Mannen und -Frauen haben sich ins Zeug gelegt, auf knapp 40’000 Anschlägen wiederzukäuen, was schon länger kursiert. Auch hier arbeitet das Blatt mit Andeutungen und Vergleichen, die ihm schon beim Roshani-Skandal kräftig Ärger einbrockten:

Indem der verurteilte Sexualstraftäter Harvey Weinstein und der Schock-Rocker Manson, gegen den ein Verfahren läuft, in den Text gestreut werden, insinuiert der «Spiegel», dass es sich bei Till Lindemann doch wohl um einen vergleichbaren Fall handelt könnte – obwohl bislang keine einzige Klage eingereicht, keine Strafanzeige gestellt wurde.

Auch sonst arbeitet der «Spiegel» mit viel Konjunktiven, Andeutungen, zitiert ja bloss. Um zum drakonischen Urteil zu gelangen:

«Die Rockmusik hat jetzt also ihren #MeToo-Skandal.»

Um dann richtig hinterfotzig zu werden: «Und genau wie im Fall Weinstein geht es um mehr als nur um einen einzigen mächtigen Mann.»

Was hat denn das Riesenteam vom «Spiegel» ausgegraben? «Der SPIEGEL hat mit rund zwei Dutzend Personen gesprochen, einige aus dem engeren Arbeitsumfeld von Rammstein. Darunter sind viele Frauen, die von ihren eigenen Erfahrungen mit der Band und vor allem mit Till Lindemann berichten. Manche davon haben ihre Geschichte bereits anderen deutschen Medien erzählt.»

Dann geht der übliche Sound los: «Da ist zum Beispiel Zoe, ihr Name lautet eigentlich anders. … Oder es gibt Anna, eine junge Frau aus Wien, ebenfalls ein großer Rammstein-Fan (ihr echter Name ist der Redaktion bekannt)

Oder solche Stückchen: «Makeeva (bei Rammstein für die Row Zero zuständig, Red.) sei bei Manson für die Rekrutierung junger Frauen zuständig gewesen. Auch gegen Manson haben einige Frauen Anschuldigungen erhoben, sie reichen von psychischer Gewalt und Freiheitsberaubung bis zu Vergewaltigung und Folter. Manson bestreitet die Vorwürfe und hat kürzlich einen Prozess gewonnen.»

Und was liegt eigentlich an Verwertbarem auf dem Tisch, gab es Vergewaltigungen, strafbare Übergriffe? Da gibt es nur Gedöns: «Wird Till Lindemann angeklagt werden? Einige der Vorwürfe wiegen schwer. Mittlerweile beschäftigt sich die Polizei in Litauen mit Shelby Lynns Schilderungen.»

Was der «Spiegel» nicht schreibt: laut «Bild» sind die Ermittlungen eingestellt worden. Es wird interessant sein, welche Auslegung die «Verdachtsberichterstattung» bei den sicherlich folgenden Auseinandersetzungen vor Gericht erfahren wird.

Dass Lindemann zweifellos mit seinem brachialen Pathos und martialischen Texten sowie Auftritten und einer sexuellen Obsession nicht gerade ein Sympathieträger ist, ist das eine. Ob er sich sexuelle Übergriffe zuschulden kommen liess, wäre das andere. Das noch Zu-Beweisende – Behauptungen reichen nicht.

Kleiner Tipp: Wer wie der NZZ-Redaktor Ueli Bernays titelt «Der Künstler als Täter», hat ganz schlechte Karten bei einem allfälligen Prozess …