Saufen in der Migros?

Wer drei M sieht, könnte sich zuvor bei der Migros mit Hochprozentigem eingedeckt haben.

Welche Prinzipien des charismatischen Gründers der Migros sollen heute noch gelten? Auf einigen Gebieten hat das Migros-Management schon klare Tatsachen geschaffen.

Das «Gottlieb Duttweiler Institut» in Rüschlikon liegt zwar immer noch im idyllischen öffentlichen Park, den Dutti der Bevölkerung schenkte. Aber von seiner ursprünglichen Aufgabe, die Beförderung des Weltfriedens und gesellschaftskritische Untersuchungen, ist es meilenweit abgekommen.

Heute beschäftigt sich das Institut mit banalen Marketingfragen und vermietet seine Mitarbeiter sackteuer für Referate. Peinlich, aber auch Persönlichkeiten wie der Ex-Migros-Boss Pierre Arnold oder Hans A. Pestalozzi, der persönliche Sekretär von Dutti, sind längst ins Grab gesunken. Dass es mal eine «Tat» gab (wer hatte sie wiedererfunden? Genau, Roger Schawinski) oder einen «Migros Frühling», alles Schnee von gestern. Kulturprozent? Gähn.

«Trend-Updates», die Verluderung einer grossartigen Idee.

Nun hatte Dutti etwas gegen Rauschmittel, vor allem sah er die teilweise tragischen Auswirkungen übermässigen Alkoholgenusses auf die arbeitende Bevölkerung. Also legte er fest: in meinen Läden gibt es keinen Alkohol und keinen Tabak. Punkt. Oder doch?

Nichts ist unveränderlich, vor allem nicht Prinzipien

Die Delegierten des theoretisch als Genossenschaft organisierten Detailhändlers haben mit überwältigendem Mehr dafür gestimmt, dass man sich in Zukunft auch in der Migros mit Alkohol eindecken kann.

Natürlich kann man darüber diskutieren, ob Prinzipien des Gründers auch fast hundert Jahre später noch uneingeschränkt gelten sollten. Der Brauch, dass der Arbeiter am Freitag auf dem Heimweg einen guten Teil seines Wochenlohns versoff, ist doch eher ausgestorben.

Ausserdem verkauft die Migros seit der Einverleibung von Denner Hektoliter Alk. Zudem an seinen Tankstellen, damit der Autofahrer beschwingt in den nächsten Baum brettern kann.

Das Thema ist nun aber für die Medien eher heikel. Denn – neben den schönen Corona-Inseraten des Staats – ist die Werbung von Migros, Coop, Aldi und Lidl ziemlich existenziell für die Printorgane. Denn wer – ausser noch Automarken, aber die auch mit gebremstem Schaum seit Corona – inseriert denn noch grossflächig?

So wie man eher selten liest, dass der neue Dacia, Volvo oder Toyota ein richtiges Schrottauto sei, wird nun um diesen Entscheid herumgeeiert. Für und Wider, einerseits, andererseits, der Wille des Gründers, die modernen Zeiten, die anderen Gewohnheiten, wieso nicht, wieso schon.

Eiertänze auf dem Hochseil des Kommentars

Rund 350 Treffer gibt es schon in der Mediendatenbank für die Begriffe Migros plus Alkohol. Noch darf hier der Kommentator seines Amtes walten. Roman Schenkel von CH Media riskiert einen trockenen Titel:

«Mehr Profit, weniger Duttweiler».

Natürlich darf jeder «Werber», der nicht bei drei auf den Bäumen ist, zusammen mit jedem «Markenspezialisten» einen Schluck aus der Pulle nehmen. Thomas Wildberger zeigt sein Trinkniveau, indem er bekannt gibt, sollte Migros Alkohol verkaufen, werde er wohl am ehesten «beim Champagner» zugreifen. Obwohl er findet, dass damit die «DNA verwässert» würde. Man könnte da sogar von Panschen sprechen.

Bald in der Migros  zu haben?

Zu einem gepflegten Einerseits-Anderseits bekennt sich  Tamedia in einem «Leitartikel»: «Duttweiler würde sich im Grab umdrehen. Oder vielleicht auch nicht. Er hat selten getan, was andere von ihm erwarteten. Er rauchte, trank gerne Wein.» Allerdings erschliesst es sich nur für Armin Müller, was die persönlichen Gewohnheiten Duttis mit seinem Prinzip, kein Alk in meinen Läden, zu tun haben sollen.

Ziemlich elegant zieht sich die NZZ aus der Bredouille. Sie hat ein altes Tondokument ausgegraben, in dem Dutti selbst Zweifel daran äussert, ob das Alkoholverbot eine gute Idee bleibt, oder ob es dann nicht mal abgeschafft werden sollte. Das macht den Weg frei zum Kommentar: «Tatsächlich ist es an der Zeit, dass Wein und Bier in die Regale der Migros-Supermärkte kommen.»

Dutti gegen Dutti: alles ist möglich.

Es ist natürlich völlig entrüstet von der Hand zu weisen, dass sich irgend ein unabhängiges, nur nach objektiven Kriterien im besten Sinne für seine Leser zu Meinungen kommende Medienorgan davon beeindrucken liesse, dass Migros ziemlich Gas geben muss, wenn sie sich wirklich einen kräftigen Schluck aus der Pulle des Alkoholmarkts in der Schweiz abholen will.

Denn Coop und eine Unzahl von Weinhändlern haben das Gebiet schon vor der Gründung der Migros beackert, sich eine treue Kundschaft aufgebaut und werden natürlich Marktanteile nicht freiwillig hergeben.

Deshalb ist damit zu rechnen, dass der Verkauf von Champagner bei den bisherigen Anbietern deutlich steigt. Denn nicht nur Wildberger freut sich auf tolle Inseratekampagnen und Schlachten.

Würde er in der Migros rauchen und saufen?

2 Kommentare
  1. Daniel Röthlisberger
    Daniel Röthlisberger sagte:

    Dutti war ein sehr genialer Geschäftsmann. Zu seiner Zeit hat er viel Gutes gemacht. Grundidee war schon richtig. früher bekam der Arbeiter den Lohn Ende Monat cash ausbezahlt. Heute geht der Lohn, zum Glück direkt auf ein Konto.
    Wie beschrieben oben, für mich war das Ende auch als M den kleinen Denner kaufte u.a. für Alk und Tabak und so. war alles kalkuliert. So konnte man Dutti elegant umschiffen. ER hat hat nur gesagt, die Migros werde nie Alkohol und Tabak verkaufen. auch an Tankstellenshops der M-Gruppe gibts.
    ICH bin auch der Meinung, unnötig und unweise dass M jetzt doch noch das Zeugs verkaufen will.
    Und, Denner im eigenen Haus wird dann weniger verkaufen ? also eine NULL-Rechnung ??
    Nicht Mehrumsatz, nur anders verteilt. Was ist das Ziel der Uebung von Migros ????

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  2. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    TAmedia findet immer irgendwo eine «Expertin», einen «Experten». Zu der Alkoholabstimmung bei MIGROS, die Schlafmütze Wildberger, der um die DNA des Unternehmens fürchtet. Die DNA ging verloren als sich MIGROS Denner krallte und ins Alkohol- und Tabakgeschäft einstieg. Die einzig spannende Frage: wie wirkt sich der Entscheid langfristig auf Denner aus und ab wann bei M unter dem Label Migros Sélection Zigarren aus Kuba und unter M Budget Zigarren aus Sumatra erhältlich sind.

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