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Die blödeste Werbung ever

Dagegen war selbst das bereits gespülte «Blick»-Logo mit Regenrohr hervorragend.

Der Migros geht es schlecht. Zu lange haben zu viele Versager in der Chefetage Hunderte von Millionen mit absurden Expansionsversuchen ins Ausland verpulvert. Dutti drehte sich im Grab, Arnold schöbe die Augenbrauen drohend nach unten, wenn sie sähen, was diese Pfeifen aus ihrem schönen, sozialen, genialen Unternehmen gemacht haben.

Aber jetzt, Wunder über Wunder, besinnt man sich darauf, dass Migros in erster Linie Waren verkauft. Haushalt, Küche, Lebensmittel. Unklar, wie viele Millionen an Berater bezahlt wurde, um zu dieser umwerfenden Erkenntnis zu kommen. Aber das ist nicht alles. Den Chefs wurde auch eingeflösst, dass es nicht reicht, sich Denner zu schnappen. Es gäbe da noch andere Discounter im Markt, die heissen, ähm, so neue Namen kann man sich ja nicht gleich merken, die heissen Lidl und Aldi.

Dagegen muss etwas getan werden. Richtige Erkenntnis. Nur was? Ha, einfach, die Preise müssen runter. Damit kommt Migros zwar ihrem eigenen Denner in die Quere, und «gut und günstig» können die beiden deutschen Harddiscounter nun wie die Weltmeister. Aber gut, lieber eine Fehlentscheidung als gar keine.

Wenn schon, denn schon, Dafür braucht es, logo, auch eine Werbekampagne. Dafür wurde wohl ein Pitch veranstaltet, mit der Massgabe: wer präsentiert die bescheuertste, unverständlichste, hässlichste Werbekampagne aller Zeiten? Der Sieger ist:

Lebensmittel versinken in undefinierbaren Untergründen, vielleicht in Sumpfgebieten? Eine Gurke macht auf Titanic, Apfel und Tomate verlieren ihren Unterleib. Kann man das noch steigern?

«Frisch gesenkt»? Hä? Nun fiel die Publikumsreaktion ungefähr so aus wie bei Tamedias verunglücktem Redesign. Denn eigentlich ist die Bildaussage, dass es bei der Migros nur noch Teile von Lebensmitteln gibt. Aber im Gegensatz zu Tamedia reagierte Migros immerhin mit Selbstironie:

Man sinke halt auf das Preisniveau der Discounter, wird dieser Scherz aufgelöst. Denn auch bei der Migros geht es turbulent zu und her – wie bei Tamedia. Auch bei der Migros sind absolute Stümper am Werk, um etwas Neues zu kommunizieren – wie bei Tamedia. Aber immerhin, die Cover des Magazins sind anhaltend selbstironisch:

Es kommt noch besser:

Spätestens hier schüttelt es Patrice Siegrist und seine Gang der Sprachvergewaltiger,  und er muss das Magazin sofort abbestellen. Die gendern nicht richtig! Dabei hat doch Salome Müller die Leser nicht nur mit ihren Schulaufsätzen gequält, sondern auch mit ihrem NL-Gruss «Liebe LeserInnen*» zur Weissglut gebracht.

Aber was macht das «Migros Magazin»? Solche Titel:

Unverständlich, wieso dieses Magazin noch mehr Leser als Tamedia hat. Dabei fühlt sich doch (fast) jeder mit diesem «du» ausgeschlossen. Und selbst wenn nicht, bei «Trickbetrüger» verabschieden sich die Leser!*Innen* massenhaft. Denn es müsste natürlich «Trick!Inbetrüg*erinnen*» heissen. Wenn schon muss auch der männliche Trick gegendert werden.

Aber das ist eine andere Baustelle. Denn all diese Selbstironie ändert nichts daran, dass die von allen Discountern (schlecht) abgekupferte Werbekampagne «Frisch gesenkt», eigentlich «frech versenkt» heissen müsste. Denn hier werden viele, sehr viele Werbefranken schlichtweg zum Fenster rausgeschmissen. Verröstet. Verjubelt. Versenkt.

NZZaS: unser Sorgenkind

Geistesnahrung in Sonntagszeitungen: stattdessen Hungerspiele.

Es gibt Grenzen für alles, vor allem nach unten. Daher hat ZACKBUM die Lektüre des «SonntagsBlick» aufgegeben. Die «Sonntagszeitung» schwankt auf der dünnen Linie zwischen Abfall und Beifall hin und her. Ein einigermassen sicherer Wert war bis anhin die NZZaS, wenn man ihre grenzdebile Beilage aussen vor lässt.

Aber auch das Mutterblatt schwächelt in letzter Zeit in einer Art, die besorgniserregend ist. Da ZACKBUM nur diagnostizieren und nicht therapieren kann, eine weitere Bestandsaufnahme der Merkwürdigkeiten, Flachheiten und Haltlosigkeiten.

Das fängt wie immer mit der Coverstory und ihrer Bebilderung an:

Auch bei dem Blatt aus dem Hause NZZ wogt nun Wokes? Mit Verlaub, Fussball, auch wenn das sexistisch und diskriminierend empfunden werden mag, gar als Ausdruck unserer «Rape Culture», ist ein Männerspiel. Von Männern, mit Männern, für Männer. Es gibt auch Frauenfussball, zugegeben. Aber das ist eine Verirrung wie Zwergenwerfen.

Warum nur, warum, muss dann die NZZaS zwei weibliche Fans ins Bild rücken? Und abgesehen davon, ist «Warum berührt Fussball unsere Seele?» wirklich ein Aufmacherthema für das Blatt der Richter und Denker? Die höchstens Kopfball spielen, und wer ist hier schon in der Lage, die Abseitsfalle richtig zu erklären.

Und daneben eine Blödelei über Garfield? Und weiter unten die überschätzte, aber von der NZZaS gehätschelte Krimiautorin Christine Brand? Dazu «Russische Hackerangriffe rollen an», eine Schlagzeile von zeitloser Aktualität.

Muss Beat Balzli den Leser in seinem Editorial wirklich damit belästigen, dass er schlecht geschlafen hat? Vom Start eines Jets auf einer Schweizer Autobahn zurück zur Landung in der Normandie: «Welch historische Klammer, welch Gänsehautmoment.» Welch Geschwurbel. Offen bleibt, ob Balzli beim Lesen seines Texts ein Feuerzeug oder das Handylicht geschwenkt hat.

Denn, es ist mal wieder so weit: «Sie ist die Zeitenwende, und sie ist gekommen, um zu bleiben. Die Welt, wie wir sie gekannt haben, existiert nicht mehr.» Und die Geschichte muss umgeschrieben werden. Und als Konzernlautsprecher muss Balzli natürlich auch noch das «Swiss Economic Forum der NZZ» erwähnen. Sich dafür aber mit quietschen Reifen in die Kurve legen.

Dann die übrige Doppelseite am Anfang zum brandheissen Thema: «Was soll das Ganze überhaupt?». Ist halt schon blöd, wenn der Bundesrat, der das Birkenstock-Theater inszeniert, zu den Freisinnigen gehört.

Dann aber eine lustige Sammlung von Europaparlamentariern als Ansammlung von Skandalnudeln und Ausgemusterten. Immerhin ein sinnvoller Beitrag zu den Wahlen, die den meisten Wahlberechtigten in der EU schwer am Füdli vorbeigeht.

Dann wirft die NZZaS das Dreigestirn Georg Humbel, Daniel Friedli und Simon Marti in die Schlacht. Allerdings hätten die ein besseres Thema verdient. Denn «Das Zürcher Liebesnest» des deutschen NSU-Terroristen, na ja. Die brandheisse Story:

«Der dringende Verdacht: Die Frau soll vor Jahren eine intime Beziehung mit einem der meistgesuchten Rechtsterroristen Deutschlands unterhalten haben. Sie soll die ehemalige Freundin von Uwe Mundlos sein. Der Terrorist habe sich während der brutalen Anschlagserie auf Ausländer immer wieder in der Schweiz aufgehalten, berichtet das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel».»

Also die Story ist vom «Spiegel», was können die drei – ausser abschreiben – sonst noch bieten? «Das Bundesamt für Justiz erklärt gegenüber der «NZZ am Sonntag», dass die Schweiz die deutschen Ermittlungen unterstützt». Hallo, Breaking News, der Hammer, wieso wird das nicht auf die Front gehämmert?

Vielleicht, weil das eigentlich die einzige News in diesem ellenlangen Artikel ist, der nochmals die längstbekannte Geschichte der rechten NSU-Terroristen nacherzählt. Und die Geschichte des «Spiegel». Angereichert mit solchen Hammerquotes: «Kenner des NSU halten Mundlos’ Schweizer Beziehung für plausibel

Aber nun kommt noch die Eigenrecherche, ganz gegen Schluss:

«Gemäss Recherchen der «NZZ am Sonntag» verkehrte die mutmassliche Freundin des Rechtsterroristen im Umfeld einer bekannten Band aus der Szene, für die sie Konzertsäle gemietet haben soll. Von deutschen Rechtsextremen wurde sie als wichtige Organisatorin bezeichnet. Die Frau lebte zeitweise in einer Wohngemeinschaft mit anderen Rechtsextremen in einer Zürcher Vorortsgemeinde.»

Wenn man «gemäss Recherche» schreiben muss, macht man sich eher lächerlich.

Aber leider: «Die Frau hat auf mehrfache Kontaktversuche dieser Zeitung nicht reagiert.» Richtig blöd ist dann: «Bei der Befragung im März soll die mutmassliche Freundin des Terroristen bestritten haben, Mundlos gekannt zu haben. Auch die Durchsuchung der Wohnung soll keine Ergebnisse geliefert haben, schreibt der «Spiegel». »

Oder auf Deutsch: dünne Geschichte, vom «Spiegel» angerührt, von der NZZaS nacherzählt, für den Schweizer Leser von sehr beschränktem Wert.

Dann begibt sich die NZZaS aber mutig in die Todeszone, in den Feminismus (oder das, was vom ihm heute noch übrig ist):

Streitende Frauen beim Frauenstreik? Kann man das mit Schlammcatchen regeln? Stutenbissig? Darf auch an Haaren gerissen werden? Warum müssen Frauen nur immer männliche Vorurteile bestätigen?

Wieso dann die NZZaS der Autorin Brand eine Doppelseite einräumt, obwohl die bekannt dafür ist, dass sie Crimestorys so erzählt, dass der Leser völlig verwirrt zurückbleibt? Dürfen wir den Anfang ihrer letzten in der NZZaS zitieren? «Noch denkt niemand etwas Schlimmes». Das wird schon bei Schulaufsätzen in der oberen Primarschule moniert.

Aber sehr lustig ist dann die Fortsetzung der Häme über die Migros, diesmal das «MMMuskelspiel». Der Migros-Kommunikationschef soll beim «Blick» interveniert – und indirekt mit einem Inserateboykott wegen zu kritischer Berichterstattung gedroht haben. Das ist grossartig, denn Christian Dorer war zuvor lange Jahre der erfolgreiche Oberchefredaktor der «Blick»-Gruppe, bis er von seiner Vorgesetzten wegen nie substantiierter, schwammiger Vorwürfe von einem Tag auf den anderen abserviert wurde.

Rache soll man kalt geniessen, obwohl der Mann mit dem Schwiegersohncharme das natürlich abstreiten würde.

Das sagte sich offenbar auch Peer Teuwsen, der sich immerhin die Feder an den Hut stecken kann, auf die skandalöse Behandlung des Autors Alain Claude Sulzer aufmerksam gemacht zu haben. Der sollte über die Verwendung des Wortes «Zigeuner» in einem eingereichtem Manuskript ernsthaft nachdenken, obwohl die Handlung in den 70er-Jahren spielt, wo der Begriff diskriminierungsfrei in aller Munde war. Sonst bekäme er halt keine Fördermittel.

Sulzer zog daraufhin sein Gesuch zurück. «Was wurde er verhöhnt und als Mimose belächelt. Er hätte doch sehr wohl zu einem Gespräch mit der staatlichen Förderungsstelle erscheinen können», schreibt Teuwsen. Aber: es war alles noch viel schlimmer: Die Baselbieter Kulturchefin «Esther Roth hatte ihr Veto eingelegt, sie sei laut GPK (Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rats, Red.) nicht bereit gewesen, «Mittel zu sprechen». Entgegen der Empfehlung des Fachausschusses, der das Gesuch «aufgrund seiner literarischen Qualität» fördern und dies dem Autor schriftlich mitteilen wollte».

Roth hatte zuvor noch den Vorwurf der Zensur weit von sich gewiesen. Nun will sie «keine Stellung nehmen», der Autor Sulzer ist «nur noch sprachlos angesichts dieser staatlichen Willkür». Es bleibt zu hoffen, dass die von Anfang an laut gewordenen Rücktrittsforderungen gegen Roth endlich erfüllt werden.

Was ist bloss mit der NZZaS los?

Erfindet sie sich nicht neu, dann könnte sie untergehen.

Die NZZaS hat, ungewöhnlich für beharrliche und gemächliche alte Tante an der Falkenstrasse, einige Chefredaktorenwechsel hinter sich. Der erste Nachfolger von Felix E. Müller wurde als zu leicht befunden. Der zweite wurde von der Redaktion weggemobbt. Nun ist der dritte am Gerät, der eigentlich gar nicht dafür, sondern für einen Einsatz in Deutschland vorgesehen war.

Beat Balzlis Editorials merkt man an, dass er noch sehr in Deutschland verwurzelt ist, dass er ein Wirtschaftsjournalist ist und dass er niemandem auf die Füsse treten will. Seiner Redaktion, offenbar gewitzigt von den Erfahrungen seines Vorgängers, lässt er weitgehend Freiraum. Den sie dann auch – zum Leidwesen des Lesers – fleissig ausnützt. Egotrips, Geschmäcklerisches von Spesenkönig Peer Teuwsen, das Feuilleton tobt sich ungehemmt aus, das Magazin müsste eigentlich sofort eingestellt werden, bevor es noch mehr zur Lachnummer verkommt.

Von der erwarteten Online-Offensive ist nichts zu merken, intelligenter und unterhaltsamer Denkstoff auf Niveau, schön wär’s. Es ist die Frage, wie lange God almighty Eric Gujer hier noch zuschaut, bis er die Fusion mit der NZZ vollendet und den Chefredaktor der NZZaS zum Grüssaugust zurückstuft. Das wäre dann nicht mehr Balzli, der sich endlich der Aufgabe widmen könnte, für die er für teures Geld eingekauft wurde. WEr’s dann würde, schwer zu sagen. Nur eines ist klar: es wird eine Frau sein, wetten?

Aber zurück in die Gegenwart. Ein Editorial über das Klima-Urteil von Strassburg und die Reaktion der Ständeräte? Echt jetzt? Die Schlafpille zum Einstieg. Dann ein Stück Betrachten der Betrachter beim Betrachten. Die Betrachter betrachten Amal Clooney, an der sich Kritiker des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) abarbeiten, die wegen den Haftbefehlen gegen den israelischen Ministerpräsidenten und seinen Verteidigungsminister in Wallungen geraten. Sie behandeln sie dabei sexistisch wie ein Pin-up-Girl.

Clooney gehört nämlich einem hochkarätigen Expertenteam an, mit Juristen der allerersten Liga, die den Erlass von Haftbefehlen für alle für rechtens beurteilt haben. Ende der Durchsage. Oder höchstens noch das, was Clooney hinzufügt: «Kein Konflikt darf ausserhalb des Rechts sein, kein Täter über dem Gesetz.» Einfacher kann man es selbst für Blödköpfe und unreflektierte Israel-Groupies nicht sagen.

Aber immerhin, auch die NZZaS arbeitet zwar mit dem Glamour-Faktor, indem sie ein Foto verwendet, auf dem Amal in Designerrobe an der Seite vom nicht minder attraktiven George posiert. Aber sie würdigt deren Eintreten als Menschenrechtsanwältin; ein Gebiet, auf dem sie sich grosse Meriten erworben hat.

Selbstverständlich verübte und verübt die Hamas Kriegsverbrechen. Deren kann sie auch angeklagt werden, weil sie den ICC anerkennt. Israels Regierungspersonal kann nur angeklagt werden, weil es dort wütet; der Staat anerkennt (wie die USA, wie Russland, wie Syrien) den Gerichtshof nicht.

Also, das Foto ist der NZZaS unwürdig, der Text nicht.

Die nächste Seite ist mehr Bauchnabelschau, denn sie handelt vom Niedergang der deutschen FDP. Als klarer Warnhinweis an die Schweizer Freisinnigen: aufgepasst, so könnte es euch auch gehen. Überhaupt, die NZZaS beschreibt mit Lust Abgänge: «Da stand der britische Premierminister Rishi Sunak am Mittwoch vor dem Regierungssitz in Downing Street sprichwörtlich im Regen. Das englische Wetter, das die Himmelsschleusen immer zum richtigen Zeitpunkt öffnet, durchnässte seinen massgeschneiderten Anzug. Je  länger die Rede dauerte, desto mehr klebte das Jackett an seinem Körper.»

Dann wird’s allerdings etwa zeitgeistig dünn, angefangen beim Titel: «Fremde im eigenen Bad». Hä? Gemeint ist, dass angesichts der Mietzinse nicht nur Studenten (Pardon «Studierende», wieso dann aber nicht Berufstätigende?) in WGs ziehen. Der Klassiker wird albgenudelt, Einzelfall, dann Aufschwung ins Allgemeine, dann der Fachmann, dann wieder Einzelfälle. Gähn.

Peer Teuwsen weiss genau, der bislang nicht gross als TV-Experte auffiel, was die neue SRG-Direktorin zu tun hat. Typischer Besserwisser-Journalismus.

Dann sozusagen das Herzstück dieser Ausgabe, eine Abrechnung mit der Migros. Ein echtes Sahnestück, gut recherchiert, munter geschrieben: «Doch das grosse M ist derzeit eher ein auf den Kopf gestelltes W: Es wankt, es wackelt, es wurstelt vor sich hin.» Ein Lob für Moritz Kaufmann und Janique Weder. Sie hätten allerdings eine bessere Illustratorin verdient; das Gekleckse schreckt den Leser eher ab, als dass es ihn animiert. Was schade wäre. Was da blaue Männchen mit zu Dreiecken verformten Pinseln wollen oder sollen, ein Graus:

Dass man das auch mit Texten kann, beweist dann Teuwsen, Rostock. Dorthin ist er geeilt, um ein paar Sätze mit der deutschen Erfolgsautorin Caroline Wahl zu wechseln. Die sei grossartig, besonders, was ihre Dialogführung betrifft, behauptet Teuwsen. Dann gibt er ein Beispiel dafür (ZACKBUM versichert eidesstattlich: das haben wir nicht erfunden):

«Tilda: Ida. Ich schüttle den Kopf. Ida: Nein, Tilda. Tilda: Ida. Ich weiss einfach nicht mehr, was ich machen soll. Wie ich dir helfen kann. Ich: Gar nicht. Ich brauche keine Hilfe. Tilda: Ich mache mir Sorgen. Ida: Musst du nicht. Ida: Ich habe es doch bis jetzt ganz gut allein geschafft. Habe ich das gerade wirklich gesagt?, frage ich mich, sehe in Tildas Augen, dass ich das gerade wirklich gesagt habe, und wir brechen tränend in Lachen aus. Ich korrigiere: Ich habe bis jetzt überlebt.»

Den Text von Teuwsen muss man auch überleben … Da kann man sich nur damit trösten, im Kino den Kracher «Furiosa: A Mad Max Saga» anzuschauen.

 

Glück und Pech

Glück für die Migros, Pech für Ringier.

Im März musste der erfolgreiche und beliebte Chefredaktor der «Blick»-Gruppe eine «Auszeit» nehmen. Als merkwürdige Begründung diente, dass Christian Dorer angeblich eine «bestimmte Mitarbeitergruppe» bevorzugt behandeln würde, was immer das bedeuten mochte.

Ringier behauptete dann, dass in der sechsmonatigen Auszeit untersucht würde, was es damit auf sich habe – und ob Dorer danach wieder in seine Position zurückkehren werde. Dann behauptete Ringier, dass man mit Dorer im Gespräch sei, um ihm allenfalls eine andere Aufgabe im Medienkonzern zu übertragen, aber als «Blick»-Oberchefredaktor kehre er nicht zurück.

Die Resultate der monatelangen «Untersuchung» wurden nie bekannt gegeben, «Persönlichkeitsschutz». Dass irgend jemand gegen Dorer Vorwürfe erhoben hätte, wurde jedenfalls nicht öffentlich bekannt. Soweit das Trauerspiel bei Ringier, ein Ablenkungsmanöver von desaströsen Zahlen in der «Blick»-Familie und dem Abserbeln von «Blick TV».

Profitieren davon tut nun die Migros. Wie bekannt wurde, übernimmt Dorer ab Februar die Gesamtleitung der Kommunikation des Migros-Genossenschaftsbundes. In dieser Funktion ist er direkt dem Präsidenten der Generaldirektion unterstellt, was die Bedeutung seiner Position unterstreicht. Migros hat damit einen versierten, kompetenten und gut vernetzten Kommunikationsprofi gewonnen, der zudem für die grösste Zeitschrift der Schweiz zuständig sein wird, das unterschätzte «Migros Magazin». Von dessen Auflage (2,15 Millionen) und Reichweite (3,15 Millionen) kann die unglückliche «Blick»-Familie nicht mal träumen.

Aber wenn auch dort die Auflagenzahlen nach unten gehen, steigt die Anzahl von Heads und Chiefs ins fast Unermessliche. Wahrscheinlich steckt Absicht dahinter: umso mehr leitende Köpfe es gibt, desto einfacher kann man einen köpfen, wenn mal wieder zur Ablenkung ein Schuldiger gefunden werden muss.

Migros bleibt nüchtern

Das nennt man eins auf die Zwölf. Kein Alk im Laden.

Mit bis zu 80 Prozent lehnten die Migros-Genossenschafter die Schnapsidee der Führung ab, in der Migros neu auch Alkohol zu verkaufen. Alle zehn Genossenschaften waren dagegen; die Befürworter blieben verlorene, kleine Häufchen.

Hätten die Präsidentin Ursula Nold und CEO Fabrice Zumbrunnen etwas Ehre im Leib, würden sie sofort zurücktreten. Werden sie aber nicht.

Auch der langjährige Migros-Boss Herbert Bolliger hatte sich für ein Nein ausgesprochen. Die Nerven lagen blank, er wurde dafür wüst beschimpft. Nur im Weinkanton Wallis und im Tessin kamen die Befürworter auf einige Stimmprozente, ansonsten könnte das Verdikt nicht klarer sein.

Natürlich ist es so, dass der Migros-Kunde weiterhin im orangen Riesen seine Einkäufe erledigt, um dann in der Migros-Tochter Denner nebenan vollzutanken. Was aber den Genossenschaftern offensichtlich viel präsenter ist als der Führungscrew: Es geht hier um die letzten Reste des Erbes des Gründers Gottlieb Duttweiler.

Der hatte nicht nur mit seiner genialen Idee den Detailhandel in der Schweiz revolutioniert, er hatte auch klare Prinzipien. Kein Alkohol, kein Tabak. Keine Aktionen, keine Sonderangebote, keine Lockvögel, keine Rabattmarken. Davon ist lediglich das Alkohol- und Tabakverbot übrig geblieben.

Alles andere wurde dem Markt geopfert, als ob Migros das nötig gehabt hätte. Dutti ging noch weiter und verschenkte am Schluss seine Firma, indem er sie in eine Genossenschaft umwandelte. Launig sagte er damals:

«Wir haben herausgefunden, dass es eine viel heiklere Aufgabe ist, Geld zu verschenken, als Geld zu verdienen. […] Die Umwandlung einer Genossenschaft in eine Aktiengesellschaft ist gesetzlich geregelt, kostet keine Steuern und ist eine einfache Firma-Änderung. Dagegen das Unerhörte der Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine Genossenschaft, das ist gar nicht vorgesehen! Es bleibt nur der Weg der Liquidation und der Neugründung.»

Der Mann hatte an einem Tag mehr Ideen als die heutige Führungsspitze in einem Jahr. Das Kulturprozent, der «Park im Grüene», «Die Tat», der Landesring, seine Tätigkeit im Parlament, ein Hungerstreik in Genf, sein soziales Engagement. Nicht alles war gut durchdacht, nicht alles war sinnvoll. Aber der Mann hatte Visionen, Pläne, war ein Kämpfer und sah sich immer als Verteidiger der Rechte des kleinen Mannes.

Den grössten Schindluder trieben aber seine Nachfolger mit dem GDI, dem Gottlieb-Duttweiler-Institut. Das sollte sich der Frage widmen, wie denn der Weltfrieden zu bewerkstelligen sei. Am Eingang heisst es noch volltönend: «Erbaut 1963 durch den Willen der Stifter als Stätte der Begegnung und der Besinnung.» Aber schon längst ist das GDI zu einer Marketingbude verkommen, wo es in schweineteuren Veranstaltungen nur darum geht, den Absatz von Produkten zu befördern. Statt Besinnung vermietet es Redner für Honorare in der Region von mehreren tausend Franken, die dann modernste Erkenntnisse der Absatzförderung auf die Zuhörer herabregnen lassen.

Von Besinnung zu «Trend Updates»: degeneriertes GDI.

Eine Schande. Lange Jahre war das Institut vom kritischen Geist Hans A. Pestalozzi geleitet worden, der 1980 seine Streitschrift «M-Frühling. Vom Migrosaurier zum menschlichen Mass» veröffentlichte. Als langjähriger Privatsekretär von Dutti sah er sich als Bannerträger und Testamentsvollstrecker des Gründers. Er wurde fristlos entlassen, die Bewegung «M-Frühling» versuchte vergeblich, sich gegen das damalige Management mit einer Wiederbelebung der alten Ideen von Dutti durchzusetzen.

Von solchen Gedanken sind im heutigen GDI nicht einmal mehr Spurenelemente vorhanden. Aber dass der Geist von Dutti noch nicht ganz wohlverkorkt in einer Flasche aufbewahrt wird, beweist immerhin die aktuelle Abstimmung. Würde etwas Ähnliches über das GDI stattfinden, wer weiss, vielleicht könnte man auch diesen denaturierten und degenerierten Think Tank wieder auf seine eigentliche Bestimmung zurückführen.

Dabei hätte die aktuelle Führungscrew eigentlich Besseres zu tun als ein Riesengewese um Alkohol in den Regalen zu machen. Denn im Kerngeschäft lahmt der orange Riese, die Genossenschaft Zürich steckt sogar schon in den roten Zahlen. Keine Innovationen, keine Neuerungen, lahmes copy/paste; langsam gerät die Migros gegenüber Coop ins Hintertreffen. Da hilft auch nicht das Engagement der Beratungsschreckbude McKinsey, die noch nie etwas anderes als untaugliche Ratschläge abgeliefert hat.

Geld verdient die Migros in erster Linie mit ihrer Bank, was nun wahrlich kein Kunststück ist. Aber den allgemeinen Zustand kann man sich nicht schönsaufen. Man darf gespannt sein, was der Führungsequipe nun hier einfällt, nachdem die Blendgranate Alk ja oder nein gezündet wurde und verlöscht ist.

Es gibt noch Journalismus

ZACKBUM lobt nicht? Falsch. Nur gibt’s so wenig zu loben …

Aber ganz, ganz selten gibt es Lobenswertes zu berichten. Zum Beispiel dieses Stück der NZZ:

Klare Ansage, klare Analyse, klares Resultat. Die Antwort auf die Einleitungsfrage ist ein klares Ja. Der Preis ist heiss, und das Thema auch. Denn in der Schweiz sind die Lebensmittelpreise im Schnitt schlichtweg doppelt so hoch wie im nahen Ausland. Und durch den Krieg in der Ukraine werden sie noch weiter steigen. Woran liegt’s?

Zum einen haben Coop und Migros (mit Denner) im Lebensmitteldetailhandel einen Marktanteil von 80 Prozent. In Deutschland und Österreich gibt es zwar auch starke Anbieter, aber die Märkte sind doch fragmentierter. In Deutschland zum Beispiel teilen sich immerhin vier starke Anbieter den Marktanteil, den in der Schweiz Coop und Migros haben. Durch den Markteintritt von Aldi und Lidl sank der Marktanteil der beiden Fast-Monopolisten lediglich von 85 auf 80 Prozent.

Damit ergibt sich die Frage, ob sich die beiden orangen Riesen nicht branchenübliche Margen leisten. Die Bruttomarge setzt den Bruttogewinn (Umsatz minus Warenaufwand) ins Verhältnis zum Umsatz. Für Supermarktketten sollte diese Marge bei 25 Prozent liegen. Nun geben die beiden Grossen diese Zahlen nicht spezifisch bekannt, aber die NZZ rechnet sie aus den Angaben der Regionalgenossenschaften bei der Migros hoch und kommt auf einen Durchschnitt von 31 Prozent.  Ähnliches ist bei Coop zu vermuten.

Über alle Geschäftszweige hinweg leistet sich Migros eine Bruttomarge von 38 Prozent, Coop von 33 Prozent. Im Vergleich: Lidl liegt im Schnitt bei 26 Prozent, Aldi Süd bei 22.

Eine wirklich informative und mit einiger Eigenrecherche angereicherte Analyse, die immerhin Hoffnung gibt, dass im deutschsprachigen Journalismus nicht immer und überall Hopfen und Malz verloren ist. Allerdings hat die gesamte Analyse eine klitzekleine Schwachstelle. Selbst eine zweistellig höhere Bruttomarge vermag nicht zu erklären, wieso Lebensmittel in der Schweiz schlichtweg doppelt so teuer wie im näheren Ausland sind. Aber vielleicht bekommen wir diese Erklärung noch nachgereicht.

 

Saufen in der Migros?

Wer drei M sieht, könnte sich zuvor bei der Migros mit Hochprozentigem eingedeckt haben.

Welche Prinzipien des charismatischen Gründers der Migros sollen heute noch gelten? Auf einigen Gebieten hat das Migros-Management schon klare Tatsachen geschaffen.

Das «Gottlieb Duttweiler Institut» in Rüschlikon liegt zwar immer noch im idyllischen öffentlichen Park, den Dutti der Bevölkerung schenkte. Aber von seiner ursprünglichen Aufgabe, die Beförderung des Weltfriedens und gesellschaftskritische Untersuchungen, ist es meilenweit abgekommen.

Heute beschäftigt sich das Institut mit banalen Marketingfragen und vermietet seine Mitarbeiter sackteuer für Referate. Peinlich, aber auch Persönlichkeiten wie der Ex-Migros-Boss Pierre Arnold oder Hans A. Pestalozzi, der persönliche Sekretär von Dutti, sind längst ins Grab gesunken. Dass es mal eine «Tat» gab (wer hatte sie wiedererfunden? Genau, Roger Schawinski) oder einen «Migros Frühling», alles Schnee von gestern. Kulturprozent? Gähn.

«Trend-Updates», die Verluderung einer grossartigen Idee.

Nun hatte Dutti etwas gegen Rauschmittel, vor allem sah er die teilweise tragischen Auswirkungen übermässigen Alkoholgenusses auf die arbeitende Bevölkerung. Also legte er fest: in meinen Läden gibt es keinen Alkohol und keinen Tabak. Punkt. Oder doch?

Nichts ist unveränderlich, vor allem nicht Prinzipien

Die Delegierten des theoretisch als Genossenschaft organisierten Detailhändlers haben mit überwältigendem Mehr dafür gestimmt, dass man sich in Zukunft auch in der Migros mit Alkohol eindecken kann.

Natürlich kann man darüber diskutieren, ob Prinzipien des Gründers auch fast hundert Jahre später noch uneingeschränkt gelten sollten. Der Brauch, dass der Arbeiter am Freitag auf dem Heimweg einen guten Teil seines Wochenlohns versoff, ist doch eher ausgestorben.

Ausserdem verkauft die Migros seit der Einverleibung von Denner Hektoliter Alk. Zudem an seinen Tankstellen, damit der Autofahrer beschwingt in den nächsten Baum brettern kann.

Das Thema ist nun aber für die Medien eher heikel. Denn – neben den schönen Corona-Inseraten des Staats – ist die Werbung von Migros, Coop, Aldi und Lidl ziemlich existenziell für die Printorgane. Denn wer – ausser noch Automarken, aber die auch mit gebremstem Schaum seit Corona – inseriert denn noch grossflächig?

So wie man eher selten liest, dass der neue Dacia, Volvo oder Toyota ein richtiges Schrottauto sei, wird nun um diesen Entscheid herumgeeiert. Für und Wider, einerseits, andererseits, der Wille des Gründers, die modernen Zeiten, die anderen Gewohnheiten, wieso nicht, wieso schon.

Eiertänze auf dem Hochseil des Kommentars

Rund 350 Treffer gibt es schon in der Mediendatenbank für die Begriffe Migros plus Alkohol. Noch darf hier der Kommentator seines Amtes walten. Roman Schenkel von CH Media riskiert einen trockenen Titel:

«Mehr Profit, weniger Duttweiler».

Natürlich darf jeder «Werber», der nicht bei drei auf den Bäumen ist, zusammen mit jedem «Markenspezialisten» einen Schluck aus der Pulle nehmen. Thomas Wildberger zeigt sein Trinkniveau, indem er bekannt gibt, sollte Migros Alkohol verkaufen, werde er wohl am ehesten «beim Champagner» zugreifen. Obwohl er findet, dass damit die «DNA verwässert» würde. Man könnte da sogar von Panschen sprechen.

Bald in der Migros  zu haben?

Zu einem gepflegten Einerseits-Anderseits bekennt sich  Tamedia in einem «Leitartikel»: «Duttweiler würde sich im Grab umdrehen. Oder vielleicht auch nicht. Er hat selten getan, was andere von ihm erwarteten. Er rauchte, trank gerne Wein.» Allerdings erschliesst es sich nur für Armin Müller, was die persönlichen Gewohnheiten Duttis mit seinem Prinzip, kein Alk in meinen Läden, zu tun haben sollen.

Ziemlich elegant zieht sich die NZZ aus der Bredouille. Sie hat ein altes Tondokument ausgegraben, in dem Dutti selbst Zweifel daran äussert, ob das Alkoholverbot eine gute Idee bleibt, oder ob es dann nicht mal abgeschafft werden sollte. Das macht den Weg frei zum Kommentar: «Tatsächlich ist es an der Zeit, dass Wein und Bier in die Regale der Migros-Supermärkte kommen.»

Dutti gegen Dutti: alles ist möglich.

Es ist natürlich völlig entrüstet von der Hand zu weisen, dass sich irgend ein unabhängiges, nur nach objektiven Kriterien im besten Sinne für seine Leser zu Meinungen kommende Medienorgan davon beeindrucken liesse, dass Migros ziemlich Gas geben muss, wenn sie sich wirklich einen kräftigen Schluck aus der Pulle des Alkoholmarkts in der Schweiz abholen will.

Denn Coop und eine Unzahl von Weinhändlern haben das Gebiet schon vor der Gründung der Migros beackert, sich eine treue Kundschaft aufgebaut und werden natürlich Marktanteile nicht freiwillig hergeben.

Deshalb ist damit zu rechnen, dass der Verkauf von Champagner bei den bisherigen Anbietern deutlich steigt. Denn nicht nur Wildberger freut sich auf tolle Inseratekampagnen und Schlachten.

Würde er in der Migros rauchen und saufen?