Rechtsverständnis

Die Sanktionen gegen Russland ritzen den Rechtsstaat.

Die Auswirkungen der Sanktionen auf die russische Wirtschaft sind sehr überschaubar. Dank Mulitmilliardeneinnahmen aus Rohstoffverkäufen in neue Richtungen klingelt das Geld in der Kasse des russischen Staates.
Die Auswirkungen der Sanktionen auf den Schweizer Rechtsstaat sind gigantisch. Und bedenklich.

Zunächst übernimmt der Bundesrat unbesehen sämtliche Sanktionen der USA und der EU. Theoretisch prüft er sie, praktisch winkt er sie durch. Damit ist nicht zuletzt die Schweizer Neutralität in Frage gestellt.

Dann haben von ihnen Betroffene keinerlei Möglichkeit zur Gegenwehr. Ein rechtsstaatlich unmöglicher Zustand. Russe, reich, Oligarch. Das genügt, damit das Eigentumsrecht ausser Kraft gesetzt wird. Schlimmer noch: gegen solche Arrestierungen oder Beschlagnahmen kann kein Rechtsmittel eingelegt werden. Das Buebetrickli: es handelt sich um Beschlüsse des Bundesrats. Dagegen kann kein Gericht angerufen werden, das Parlament kann auch nicht eingreifen.

Wenn sich ein Betroffener an den Bundesrat direkt wendet, werden seine Schreiben schlichtweg in den Papierkorb geworfen, Antworten gibt es nie.

All das sind rechtsstaatlich mehr als fragwürdige Zustände. Aber es geht noch schlimmer.

Da sich die Sanktionen als untauglich erweisen, werden sie ständig verschärft. Alleine die EU hat bislang 1435 Sanktionen gegen Russland erlassen. Gerade hat sich die dsyfunktionale Staatengemeinschaft auf ein 13. Sanktionspaket verständigt. Es wird wie seine Vorgänger in der EU mehr Schäden anrichten als in Russland. Es wird sicherlich ohne zu zögern auch in der Schweiz angewendet.

Rechtsstaatlich besonders empörend ist die Bestimmung, dass Schweizer Anwälte russischen Firmen nicht rechtlich beistehen dürfen. Berät ein Schweizer Anwalt eine Firma mit Niederlassung in Russland, droht ihm eine Gefängnisstrafe von maximal einem Jahr.

Das will nun ein Parlamentarier abschaffen. Dafür kassiert Beat Rieder, Mitte-Ständerat aus dem Wallis, bereits steifen Gegenwind. Er konstatiert: «Wegen des Ukraine-Kriegs werden jetzt überall Grenzen überschritten, deren Überschreiten vor einigen Jahren noch unvorstellbar gewesen wäre.»

Immerhin bekommt Rieder Unterstützung vom FDP-Vizepräsidenten Andrea Caroni, der im Tagi so zitiert wird: ««In unserem Rechtsstaat gewähren wir allen einen Rechtsbeistand. Das gilt sogar für Terroristen, Mafiosi und Kriegsverbrecher. Das können wir nicht einzig russischen Sanktionierten verwehren.» Caroni, ebenfalls Rechtsanwalt von Beruf, betont, er stehe hinter allen anderen Sanktionen. Aber diese gehe zu weit.»

Von den Befürwortern werden Feinheiten wie die angeführt, dass schliesslich nur Rechtsberatung verboten sei, käme es zu einem Gerichtsverfahren, dürfe dort ein Anwalt tätig werden. Absurde Haarspaltereien.

Noch schlimmer als diese Verletzungen des Rechtsstaats, um einen Unrechtsstaat bzw. unbescholtene Firmen und Einzelpersonen zu sanktionieren, sind die hysterischen Reaktionen der Befürworter. So sagt die SP-Ständerätin Franziska Roth im «Tages-Anzeiger»: ««Schweizerische Anwälte sollen Verbrechern und Embargo-Brechern weiterhin beim Verstecken ihrer Reichtümer helfen – das ist es, was die Motion fordert.» Dies sei nicht nur aussenpolitisch, sondern auch sicherheitspolitisch fatal: «Die Sicherheit Europas und der Schweiz hängt auch davon ab, dass die Embargo-Beschlüsse gegen die Putin-Freunde tatsächlich wasserdicht umgesetzt werden.»»

Die Sicherheit der Schweiz hängt in erster Linie und vor allem davon ab, dass sie ein Rechtsstaat ist und bleibt.

Man sieht hier nicht zum ersten Mal, wie dünn die Firnis ist, die bei vielen Menschen ihr Verhältnis zum Rechtsstaat bedeckt. Geht es um Russland, verschwindet die blitzschnell, dahinter kommt Hässliches zum Vorschein. Willkür, die Umkehrung der Unschuldsvermutung, ein Sanktionierter ist durch Zugehörigkeit zu einer Ethnie schuldig und kann nicht einmal seine Unschuld  beweisen. Rechtliche Unterstützung ist ihm auch zu verweigern, diesem Paria, diesem Verbrecher durch Nachnamen.

Solche Zustände herrschen in Unrechtsregimes wie in Russland. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Schweiz wie Russland sei. Aber die Prinzipien des Rechtsstaas sind unser einziger und letzter Schutzwall vor Faustrecht und Barbarei, vor der politischen Auslegung von Gesetz und Recht, wie es gerade in den Kram passt.

«Nur ein starker Staat kann die vereinbarten Normen durchsetzen», tönt Roth auf ihrer Webseite. Vielleicht erklärt sich ihr Ausbruch gegen fundamentale Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit so: «Bevorzugtes Essen und Getränk: Hauptsache ein Glas Rotwein, alles andere ist Beilage.»

Denn zu diesen Normen gehört, dass jeder Mensch das Recht auf die Vertretung durch einen Anwalt hat. Aber für Roth ist das offenbar eine Floskel, die man in US-Krimis hört, die aber in der Schweiz keine Gültigkeit habe. Verbrecher, Embargo-Brecher, Mörder, Pädophile – auch betrunkene Autofahrer – alle haben das Recht auf einen Anwalt. Und kann man sich keinen leisten, wird er gestellt. Punkt.

Wer hinnimmt, dass Sanktionen gegen einen Unrechtsstaat den Schweizer Rechtsstaat beschädigen, hat eigentlich im Ständerat nichts zu suchen.

 

11 Kommentare
  1. Ivo Irgendeiner
    Ivo Irgendeiner sagte:

    >»Zunächst übernimmt der Bundesrat unbesehen sämtliche Sanktionen der USA und der EU. Theoretisch prüft er sie, praktisch winkt er sie durch. Damit ist nicht zuletzt die Schweizer Neutralität in Frage gestellt.»

    Warum wohl übernimmt unser Bundesrat so viel unbesehenen Mist?

    -> Weil er uns in Kürze in die EU führen möchte und somit heute schon den nöẗigen blinden Gehorsam antrainiert!

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  2. Guido Kirschke
    Guido Kirschke sagte:

    Sehr gut Herr Zeyer, Sie legen den Finger auf die Wunde. Es wurde ein Bern seit 1848 nie so schlecht regiert wie heute. Der aktuelle BR ist sogar noch schlechter als der von 2019. Das sagt doch alles über den Zustand der vereinigten Bundesversammlung. Wir brauchen Minimalanforderungen für Kandidaten, die sich für den NR, SR oder BR zu Wahl stellen: abgeschlosse Berufsausbildung, mind. 10 Jahre Erfahrung in der Privatwirtschaft(!), nicht jünger als 35 Jahre und nicht älter als 70 Jahre.

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  3. Mathias Wyss
    Mathias Wyss sagte:

    Nichts Neues. Die Linken sind im Kern totalitär. Wählen lassen sie sich als Scheindemokraten und angebliche Verteidiger des Rechtsstaats.

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  4. Beo B. Achter
    Beo B. Achter sagte:

    «Solche Zustände herrschen in Unrechtsregimes wie in Russland.» Ist dem so, Herr Zeyer? Könnten sie mal in einem separaten Artikel explizit und eingehender darüber berichten.

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    • René Zeyer
      René Zeyer sagte:

      Erklären Sie doch lieber die rechtsstaatlichen Mechanismen unter dem lupenreinen Demokraten Putin. Der arme Mann leidet unmenschlich darunter, dass es im Rechtsstaat Russland leider keiner schafft, als Präsidentschaftskandidat gegen ihn anzutreten.

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      • Beo B. Achter
        Beo B. Achter sagte:

        Danke für ihre geschätzte Antwort. Ich habe sie ehrlich und ohne Hintergedanken um einen Bericht eines begnadeten Journalisten und einer Edelfeder gefragt. Ich besitze diese Fähigkeiten leider nicht. Übrigens, lupenreine Demokraten finden wir auch in der Schweiz, BRD etc. nicht. Die Corona-Massen-Psychose hat es gezeigt.
        Danke für Zackbum und machen sie weiter so!

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    • Victor Brunner
      Victor Brunner sagte:

      Lieber Beo B. Achter, wählen sie einen anderen Namen, beispielsweise ihren richtigen oder fehlt ihnen dazu der Mut, wir sind nicht in Putins Reich. Besser wäre Tief.Schlaf.Mütze. Scheinbar bekommen sie nicht mit was bei Putin läuft. Jedes mü anders denken und dies öffentlich machen kann die Freiheit kosten. Putin ist ein Feigling, getrieben von seinem Herodes-Komplex bringt er zum schweigen was ihm «gefährlich» werden könnte. Mütter die dagegen protestieren das ihre Söhne in die Ukraine müssen, Kandidaten für die Präsidentenwahl, Wagner der Putins Schwächen aufdeckt, Leute die an Nawalnys Erdbestattung teilnehmen!

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      • Beo B. Achter
        Beo B. Achter sagte:

        Ach Victor, ihr Beitrag war jetzt so nötig wie eine dritte Schulter. Suhlen sie sich weiter in ihrer Überzeugung und Weltanschauung. Ich möchte nicht in ihrer Haut stecken.

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      • C. Wallens
        C. Wallens sagte:

        Das haben Sie gut geschrieben Herr Brunner. Als auf Linie gebrachten, stromlinieförmigen Vorzeigebürger sind Sie ein Vorbild für die ganze Schafherde, die sich von der Tagesschau und den deutschen Talkshows als intellektueller Tiefflieger ihre Feindilder zu eigen macht.

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          • René Küng
            René Küng sagte:

            Sehr gut Herr Zeyer,
            denn Ihr heutiger Artikel geht direkt auf sehr wichtige Punkte ein. Seit 4 Jahren nimmt sich der Bundesrat dies und das heraus (auch gegen die Verfassung und gegen jede Notwendigkeit), auch auf betrügerischer, erlogener Basis, um munter weiter unter Notrecht oder mit neu verankerten Gesetzen wie Alleinherrscher zu regieren.
            Es sind zwar keine Alleinherrscherinnen (um den Teil auch dazu zu nehmen) sondern ferngesteuerte Verkäufer von unserem Land und Leuten. Dazu Feiglinge, die solidarisch mitmachen oder schweigen, wenn andere Länder (vom WerteWesten!) in den Fleischwolf getrieben, ausgehungert, enteignet werden.
            Verräter und Verräterinnen, die eigentlich von einer funktionierenden Justiz zur Rechenschaft gezogen werden müssten.
            Und was heute die reichen, bösen Russen sind, das sind bei nächster Gelegenheit wieder die paar verbliebenen Selberdenker und kritischen Geister, egal was für einen Pass oder Hautfarbe die haben.
            Gesetzlich alles in Stellung gebracht.

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