Schmerzhaft peinlich

Oliver Zihlmann unterbietet alles, diese Schande für seinen Beruf.

«Jetzt äussert sich der frühere Topbeamte der USA Juan Zarate erstmals zu den Erwartungen an die Schweiz.» Der «Co-Leiter des Recherchedesks von Tamedia» (heisst das nicht «Tages-Anzeiger»?) hat einen Coup gelandet. Er hat Zarate ein Exklusiv-Interview entlockt. Bravo. Denn: «Er gehört zu den wichtigsten Experten, wenn es um die Umsetzung der Russlandsanktionen geht.»

Nur: exklusiv hat man das, was kein anderer will. Denn «Zarate war stellvertretender nationaler Sicherheitsberater der USA», prahlt Zihlmann. Was er nicht sagt: diese bedeutende Position hatte Zarate ein Jährchen lang inne. Von 2004 bis 2005. Unter dem damaligen Präsidenten George W. Bush. Das ist der, der Massenvernichtungswaffen im Irak erfand. Und die «Achse des Bösen».

Zarate hingegen, dieser «wichtige Experte», ist seit 2014 für das «Institut für die religiösen Werke» (IOR) tätig, die hochkorrupte und dubiose Vatikanbank, auch bekannt als «ein Offshore-Paradies mitten in Europa». Dazu ist er bei zwei der zahlreichen Think Tanks in den USA an Bord. Diese qualifizierte Fachkraft darf sich nun zur Schweiz äussern. Zihlmann interviewt ihn – natürlich in der neuen Tagi-Tradition – dermassen unterwürfig und liebedienerisch, dass es einem beim Lesen übel wird. Teilweise stellt er nicht einmal mehr Fragen, sondern gibt lediglich Stichworte: «Die G-7 erwartet einen Sondereffort von der Schweiz wie nach 9/11.»

Zarate hingegen darf unwidersprochen Ungeheuerliches sagen. Eigentlich müsste man Zihlmann die Lizenz zum Journalistsein wegnehmen, so peinlich ist das: «Neutralität hilft nur noch Moskau», behauptet der Vatikan-Mann zum Beispiel. Vielleicht hätte man ihn fragen können, wieso dann seine IOR-Bank die Sanktionen nicht mitträgt, oder was er von der scharfen Kritik des Papstes hält, der imperiale Interessen als Kriegsursache sieht und klar urteilt: «Man führt Krieg, verkauft die alten Waffen und probiert neue aus

Aber das hätte ja etwas Recherche, etwas Vorbereitung bedeutet, und dafür ist der «Co-Leiter» irgendwie nicht qualifiziert. Auch ohne solche Bemühungen: Der Satz, dass Neutralität nur Moskau helfe, ist von einer solch impertinenten Dummheit, dass jeder anständige Journalist eingehakt hätte. Der Satz ist so bescheuert, wie wenn man während des Zweiten Weltkriegs behauptet hätte, die Schweizer Neutralität helfe nur Berlin oder Hitler-Deutschland.

Zarate darf das ganze Interview hindurch unwidersprochen eine fragwürdige Aussage auf die nächste stapeln: Länder wie die Schweiz müssten verstehen, «dass es sich im Fall Russland zwar effektiv um normale Sanktionen handelt wie zum Beispiel gegen Nordkorea. Politisch und strategisch sind sie aber viel relevanter».

Ein reiner Nonsens-Satz, abgesehen davon, dass diese relevanteren Sanktionen gegen Russland lediglich von einer Handvoll Staaten mitgetragen werden; wenn man die EU als ein Gebilde betrachtet, sind es gerade mal 10 von 199.

Denn Gipfelpunkt der Unverfrorenheit erreicht Zarate, der «weltweit führende Sanktionsexperte» –wahrscheinlich mit Gottes Segen – hier: «Es wird klar erwartet, dass jedes Land aktiv die Netzwerke der Russen bei sich aufdeckt und diese Informationen unaufgefordert mit den anderen teilt. Einfach nur zu reagieren, also auf Sanktionen anderer Staaten zu warten und diese rein technisch umzusetzen, ist zu passiv. Wird ein für die Russen wichtiger Finanzplatz wie die Schweiz hier als Bremser wahrgenommen, kann das sehr schnell zum Problem werden

Netzwerke der Russen aufdecken? Solch Unsinn mag vielleicht im Vatikan praktiziert werden, in einem Rechtsstaat wie der Schweiz ist das dann doch etwas komplizierter. Immerhin räumt Zarate ein: «Natürlich, es muss rechtlich korrekt ablaufen. Die Fakten müssen stimmen. Die Schweiz oder jedes andere Land kann nach einer Prüfung zum Schluss kommen, dass diese Villa oder jene Firma nicht blockiert werden muss. Das wird niemand kritisieren.»

Dann kann er es wieder nicht lassen, sein mehr als fragwürdiges Verständnis der Grundprinzipien eines Rechtsstaats raushängen zu lassen: «Aber entscheidend ist, dass man alle diese Vermögen aktiv sucht und prüft.» Mit anderen Worten: Es gilt nicht mehr die Unschuldsvermutung, das Prinzip eines Anfangsverdachts. Sondern:

«all diese Vermögen stecken seit letztem Jahr unter einem Generalverdacht

Das ist ein Satz, der deswegen ganz übel riecht, weil man hier statt Russen nur eine andere Bezeichnung einsetzen müsste, und schon wäre man wieder mitten in den dunklen Zeiten des Hitler-Faschismus. Damit keine Missverständnisse aufkommen, wes Geistes Kind Zarate ist, doppelt er nach:

«Die Vermögensnetzwerke der Russen sind jetzt von sich aus suspekt. Sollte sich nach Ermittlungen herausstellen, dass alles in Ordnung ist, dann ist das gut. Aber man muss sie zwingend prüfen. Dieser Übergang zu einem generellen Korruptionsverdacht ist ein entscheidender globaler Wandel

Die Frage, die Zihlmann (neben vielen anderen) hier nicht stellte: Sie fordern also, dass die Schweiz ihre Neutralität noch mehr aufgibt, nicht nur alle EU- und USA-Sanktionen gehorsam übernimmt, sondern dass sie fundamentale Prinzipien ihres Rechtssystems über Bord wirft und einen Generalverdacht gegen Russen ausspricht, die dann beweisen müssen, dass mit ihren Vermögenswerten alles in Ordnung ist, eine glatte Umkehr der Unschuldsvermutung?

Nicht nur deswegen, sondern weil dieses Interview Bestandteil einer ganzen Kampagne ist, die das Recherchedesk des «Tages-Anzeiger» losgetreten hat, ist Zihlmann eine Schande seines Berufs. Damit ist er allerdings auf seiner Redaktion in guter, schlechter Gesellschaft.

Mehr als ein Geschmäckle hat die Tatsache, dass diese Kampagne rechtzeitig zur Debatte über die «Lex Ukraine» im Nationalrat losgetreten wurde. Aber auch hier muss Tamedia eine Niederlage einstecken: die Ausnahmeregelung für die Weitergabe von Schweizer Waffen via Drittstaaten an die Ukraine wurde im Nationalrat bachab geschickt.

 

3 Kommentare
  1. H.von Atzigen
    H.von Atzigen sagte:

    Das Problem liegt auch noch, auf einer etwas anderen Ebene.
    Welche kompetente und seriöse Person gewährt den diesen Medien noch ein Interview?
    Alles verdreht verfälscht und verändert wiedergegeben das wünscht sich niemand.
    Logische Folge, die finden nur noch Fragwürdige ,,Experten» Marke Aufschneider und Wichtigtuer
    für so Übungen.
    LOGO damit werkeln sich die Medien weiter selbst ins Abseits.

    Antworten
  2. René Küng
    René Küng sagte:

    Wes Geistes Kind ist nicht nur mit Typen wie Zarate hoch im Kurs…..

    Und zackbum soll keiner vorwerfen, es sei ein Putin-Freund-Portal, nur weil der Chef seine Urängste vor SovRussland wieder zugunsten des kritischen Blicks – ohne gebogenes Rohr – zurück gedrängt hat.

    Alle, die dort ‹unsere› Freiheit verteidigen (Originalton wie zu Vietnam-Zeiten), auf dem Blutzoll aller Beteiligten,
    verschliessen die Augen seit Jahren vor dem Terror gegen die ’nicht richtigen Ukrainer›, den Export der Blondinen und anderer Bodenschätze nach 1991, der Kaste der Profiteure&Schmarotzer beim Ausverkauf des so schon armen Landes, der Peitsche der ‹Helden› aller Art, die ihre einfachen (oder ehrlichen….) Landsleute knechten, den Bio-Laboren überall im Land ‹für unsere Gesundheit›, dem billigen Testmaterial um die neuen Viren&co am Objekt zu testen, den Organ- oder ganze Kinder Handel
    und und und

    Irgendwann darf fraumann sich fragen: was ist schlimmer, diese ‹Kinder im Geiste›, Diktatoren, Tyrannen, Despoten, Verrückte – Faschisten aller couleur, die ihre eigenen Völker verraten, betrügen, absaugen für ihren und ihrer Entourage Vorteil und volle Bankkonten im WerteWesten?

    Oder alle, die das schönschreiben, die Augen verschliessen, verdrängen, in Propaganda suhlen (oder geröstet werden) – und als Höhepunkt sich noch das Gefühl zulegen, wir seien die Guten?

    Und Landesbetrüger, das scheint mir richtig ‹woke› geworden zu sein:
    sei’s für die unanständigen Boni und verdeckten Zustüpfe aller Art für die an den Hebeln, oder die Inflation für die Masse unten.
    Den Ruf nach (an?) den Waffen für den Frieden und das Knutschen mit ‹Geistes Kindern›.
    Oder ‹alles für unsere Gesundheit›, die perversen Tänzchen mit den Mengeles der Neuzeit.

    Herr Berset jede Woche mit flotten Bildli Hand-an-Hand mit einem TopGeistesKind.
    Schmerzhaft, peinlich? Viel schlimmer……..
    dass wir es immer noch nicht merken.

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    • Don Spanheber
      Don Spanheber sagte:

      Herr Küng, damit erschüttern Sie aber nun mein Weltbild. Sie können doch nicht einfach folgenlos an den Säulen meines Urteilsvermögens rütteln. Nein nein, dafür müssen Sie mit erst Belege Ihrer Aussagen liefern. Und versuchen Sie nicht, mir irgendwelche prorussische Propaganda als Beleg unterzujubeln. Darauf falle ich nicht rein. Solange Sie mir keine Belege liefern können, die von ausgewiesenen Experten wie J. Stoltenberg, A. Blinken oder Faktencheckern von CNN bestätigt werden, kann das, was Sie hier schreiben gar nicht stimmen.
      PS: Als guter Bürger bilde ich mir natürlich stehts meine eigene Meinung. Daher kann ich auch mit voller Überzeugung sagen, dass die Sache glasklar ist: ohne Russland hätten wir schon längst Weltfrieden. Ich muss mir also nicht dem emotional höchst unangenehmen Zustand der kognitiver Dissonanz aussetzen. Dazu habe ich nämlich weder Zeit noch Lust noch die Stärke.

      Es grüsst Sie vom Lager der Aufrichtigen

      Don

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