Alles Missverständnisse

Boderline-Journalismus hat so seine Nachteile.

Es ist absurd, wenn Arthur Rutishauser den Besitzer, Verleger, Herausgeber und Chefredaktor der «Weltwoche» als «Putins letzten Freund» verunglimpft.

Es ist peinlich, wenn Rutishauser als Beleg dafür anführt, dass Roger Köppel schreibe, dass die Todesursache von  Nawalny noch nicht feststehe. Dabei ist das eine völlig richtige Feststellung. Ausser, man ist der Ansicht: völlig egal, was sich herausstellt, natürlich hat ihn Putin persönlich umgebracht.

Richtig ist hingegen, dass Putin die volle Verantwortung für den Tod Nawalnys trägt und sich damit ein weiteres Mal als Versager erweist. Das räumt auch Köppel ein, übrigens. Hätte Putin Nawalny in einem Sanatoriumsknast aufbewahrt, mit allen Annehmlichkeiten ausser der Freiheit, hätte der Kremlherrscher höhnisch darauf hinweisen können, wie der Westen Julian Assange behandle, wie in der Ukraine der US-Journalist Gonzalo Lira umgekommen sei. Während man in Russland respektvoll und korrekt mit solchen Gefangenen umgehe.

Aber nein, Putin liess es geschehen, dass Nawalny in immer brutalere Straflager verlegt wurde, viele Tage im Isolator verbrachte, es also immer offensichtlicher wurde, dass seine Lebenszeit begrenzt ist.

Nun schreibt (und redet) aber Köppel nicht nur selbst, wobei er sich zunehmend eines frömmlerischen Tons bedient. Er lässt auch schreiben. Zunächst Wolfgang Koydl, der his master’s voice imitierte und «Der Missverstandene», Teil zwei, absonderte. Nach dem Grosserfolg von Teil eins, der von einem Geschäftsmann mit wirtschaftlichen Interessen in Russland geschrieben worden war, was dessen Objektivität natürlich überhaupt nicht infrage stellte. Beide unverständlichen Missverständnisse erschienen zu einem, nun ja, etwas unglücklichen Zeitpunkt.

Nun noch der Journalist Guy Mettan, der schon länger durch seine prorussische Einstellung auffällt. Die darf er haben, aber Unsinn schreiben sollte er deswegen nicht.

Der chilenisch-amerikanische Journalist Lira sei in «einem ukrainischen Gefängnis gestorben», behauptet Mettan, «weil er Lügen und Schandtaten des Selenskyj-Regimes aufgedeckt hatte». Tucker Carlson behauptet hingegen, dass Lira zwar wegen angeblich illegalen Handlungen verhaftet worden sei, aber in einem Spital an einer Lungenentzündung starb. Was vielleicht nicht ganz das Gleiche ist, wie in einem sibirischen Straflager zu krepieren.

Dann erinnert Mettan an diverse Verurteilungen Nawalnys. Nun ist wohl ausserhalb der «Weltwoche» unbestritten, dass es sich bei Russland nicht um einen Rechtsstaat mit unabhängiger Justiz handelt. Wie korrekt also diese Verurteilungen zustande kamen, müsste untersucht werden. Noch schlimmer, für seine «angebliche Vergiftung» habe es «verschiedene und widersprüchliche Erklärungen von seinen Freunden» gegeben. Wahrscheinlich hat sich Nawalny das nur so massiv eingebildet, dass Russland ihn ausreisen liess und er in der Berliner Charité gesundgepflegt wurde. Der Nachweis von Gift in seinem Körper wurde von unabhängigen Labors bestätigt.

Schliesslich sei Nawalnys aufsehenerregende Streifen «Putins Palast» in Wirklichkeit «eine plumpe Fälschung, die in einem virtuellen Videolabor im Schwarzwald mit amerikanischem Kapital zusammengeschnitten wurde».

Steile Behauptungen, Beweise? «All diese Fakten lassen sich leicht anhand von authentischen Videos überprüfen, die im Netz kursieren, aber den Nachteil haben, dass sie auf Russisch sind.» Ist aber auch blöd, der so gefürchtete Propagandaapparat Putins ist nicht mal in der Lage, die «authentischen Videos» auf Deutsch zu übersetzen? Sind die vielleicht so authentisch wie der tatsächlich existierende Palast, bei dem Putin allerdings bestreitet, sein Besitzer zu sein?

Köppel tut sich mit solchen Fantastereien keinen Gefallen. Es wäre einer seriösen Untersuchung wert, was hier Propaganda und was Wirklichkeit ist. Aber doch nicht so. Damit bewirkt die WeWo, dass ihre Glaubwürdigkeit ganz allgemein leidet, obwohl sie unbestreitbar differenzierte Positionen einnimmt. Unter anderen. Wer so gegen den Strom schwimmt, darf sich keinen falschen Zungenschlag erlauben. Kann doch nicht so schwer zu kapieren sein.

3 Kommentare
  1. Beo B. Achter
    Beo B. Achter sagte:

    «Putin trägt die volle Verantwortung». Könnte gut sein wenn dem so wäre. Denn dann müssten auch unsere «Führer» die volle Verantwortung für Geschehnisse im Land tragen. Zum Beispiel Berset, der Vorzeige-Demokrat, der den BürgerInnen die Freiheit versprach wenn sie sich impfen lassen. Trägt er nun die volle Verantwortung für den Tod jener, die an den Folgen der Injektion gestorben sind oder schwere körperliche Schäden ertragen müssen? Wäre gut, wenn dem so wäre.
    Ich habe in jungen Jahren mal gelernt, dass es eine Führungs- und eine Handlungsverantwortung gibt. Das heisst, der Chef ist für das Ganze verantwortlich, aber nicht für alles.

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  2. Mathias Wyss
    Mathias Wyss sagte:

    Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass Nawalnys Team oder welche Putin-Gegner auch immer oder ARD/ZDF, die diese Videos aus «Putins Palast» ausgestrahlt haben, dort Einlass erhielten und in aller Ruhe drehen durften? Das ist doch mehr als nur durchsichtig.

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