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Neues aus Absurdistan

Putin ist eigentlich ganz anders. Er kommt nur so selten dazu.

So könnte man eine gute Zeile von Udo Lindenberg anwenden, wenn man das neuste Friedensgedöns in der «Weltwoche» liest. Da behauptet doch Wolfgang Koydl: «Dokumente belegen: Russland wollte keinen Krieg, sondern Frieden und Stabilität in Europa. Doch der Westen lehnte ab.»

Schon fatal, dass also der kriegslüsterne Westen den friedensliebenden Präsidenten Putin sozusagen dazu zwang, die Ukraine zu überfallen. Pardon, zu entnazifizieren. Nein, eine zeitlich begrenzte Spezialoperation durchzuführen.

Seine kühne Behauptung stützt Koydl auf «Dokumente» die schon lange bekannt sind. Sie wurden im Dezember 2021 den USA und der NATO vorgelegt. Darin waren russische Vorschläge für zwei Verträge enthalten.

Sie umfassten Forderungen wie: «Alle Mitgliedstaaten der Nordatlantikvertrags-Organisation verpflichten sich, von jeder weiteren Erweiterung der Nato abzusehen, einschliesslich der Ukraine und anderer Staaten.»

Oder: «Die Vertragsparteien verzichten auf die Stationierung von Kernwaffen ausserhalb ihrer nationalen Hoheitsgebiete und bringen solche Waffen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrags bereits ausserhalb ihres Hoheitsgebiets stationiert sind, in ihr nationales Hoheitsgebiet zurück. Die Vertragsparteien beseitigen alle bestehenden Infrastrukturen für die Stationierung von Kernwaffen in ihren nationalen Hoheitsgebieten.»

Der NATO sollte es also verboten werden, weitere Beitrittsgesuche wie beispielsweise von nordischen Staaten entgegenzunehmen. Die USA sollten einseitig alle ihre Atomwaffen aus Europa abziehen und beide Seiten sollten sie einmotten. Zur Freude der übrigen Atommächte wie China, Indien, Frankreich, England oder Israel.

Das sind Forderungen, die nicht wirklich als ernsthaftes Verhandlungsangebot betrachtet werden können. Sie sind so absurd, wie wenn Selenskyj heute einen bedingungslosen Abzug aller russischen Truppen und die Einsetzung eines Kriegsverbrechtertribunals ausschliesslich zur Aburteilung russischer Straftaten verlangt – als Voraussetzung für Verhandlungen.

Das als «Beleg» aufzuhübschen, dass Russland keinen Krieg, sondern «Frieden und Stabilität» gewollt hätte, ist ungefähr so glaubwürdig wie Präsident Putin, der noch kurz vor Beginn der Invasion behauptete, dass Truppenzusammenzüge an der ukrainischen Grenze lediglich für Manöver vorgenommen würden.

Selbst unterstellt, Russland habe das gewollt. Selbst unterstellt, es gab Provokationen in der Ukraine, selbst unterstellt, es gab zumindest mündliche Zusicherungen nach der Wiedervereinigung Deutschlands, dass es keine NATO-Osterweiterung geben werde: das alles ändert nichts an dem Fakt, dass Putin unter Bruch internationaler Verträge und der versprochenen Unantastbarkeit des ukrainischen Staatsterritoriums zuerst die Krim annektierte und schliesslich militärisch in die Ukraine einfiel.

In der gescheiterten Absicht, durch eine schnelle Eroberung der Hauptstadt und der Sicherstellung von Versorgungslinien diese Spezialoperation in wenigen Tagen zu beenden. Selten ist ein Invasionsplan kläglicher gescheitert, und die USA sind Meister in gescheiterten Invasionsplänen.

In der Geschichte will offiziell nie jemand einen Krieg. Es wird ausschliesslich verteidigt, zurückgeschossen, allenfalls auf eine Provokation reagiert. Natürlich wird auch immer auf Hilferufe reagiert, werden Massenvernichtungswaffen gesucht, muss ein grausamer Diktator, ein faschistisches Regime beseitigt werden.

Selbstverständlich haben die USA bei ihren unzähligen Militärinterventionen seit dem Zweiten Weltkrieg immer nur Freiheit und Demokratie verteidigt. So wie die UdSSR und später Russland andere hehre Werte in Ungarn, der Tschechoslowakei, Afghanistan, Georgien und schliesslich in der Ukraine.

Das ist das übliche Propagandagedöns. Wir wollten Frieden. Wir kamen in Frieden, aber natürlich bewaffnet, um den Frieden zu verteidigen.

Dabei geht es hier ausschliesslich um imperiale Politik. Um Grossmächte zu bändigen, gibt es nur Verträge und die Hoffnung auf ihre Einhaltung. Die Ukraine hatte so einen Vertrag, sein Bruch macht Russland zum Paria unter den Staaten und Putin zu einem noch grösseren Lügner als Trump.

Das ist so lachhaft und durchschaubar, dass man sich mal wieder wundert, wieso die «Weltwoche» ihre Spalten für eine solch billige, durchschaubare Propaganda hergibt.

Ach, und Roger Köppel verkündet ungefragt, warum er Trump wählen würde. Weil er auf einen notorischen Lügner, einen Betrüger, einen grossmäuligen Narzissten und Versager, einen gescheiterten Geschäftsmann und überführten Kriminellen steht? Wir wollen es gar nicht wissen. ZACKBUM ist nur froh, dass weder Köppel noch wir in den USA wählen dürfen. Denn die Wahl zwischen dem kleineren Biden und dem grösseren Trump, zwischen einem senilen Greis und einem Amok-Greis, ist wirklich nicht einfach.

Alles Missverständnisse

Boderline-Journalismus hat so seine Nachteile.

Es ist absurd, wenn Arthur Rutishauser den Besitzer, Verleger, Herausgeber und Chefredaktor der «Weltwoche» als «Putins letzten Freund» verunglimpft.

Es ist peinlich, wenn Rutishauser als Beleg dafür anführt, dass Roger Köppel schreibe, dass die Todesursache von  Nawalny noch nicht feststehe. Dabei ist das eine völlig richtige Feststellung. Ausser, man ist der Ansicht: völlig egal, was sich herausstellt, natürlich hat ihn Putin persönlich umgebracht.

Richtig ist hingegen, dass Putin die volle Verantwortung für den Tod Nawalnys trägt und sich damit ein weiteres Mal als Versager erweist. Das räumt auch Köppel ein, übrigens. Hätte Putin Nawalny in einem Sanatoriumsknast aufbewahrt, mit allen Annehmlichkeiten ausser der Freiheit, hätte der Kremlherrscher höhnisch darauf hinweisen können, wie der Westen Julian Assange behandle, wie in der Ukraine der US-Journalist Gonzalo Lira umgekommen sei. Während man in Russland respektvoll und korrekt mit solchen Gefangenen umgehe.

Aber nein, Putin liess es geschehen, dass Nawalny in immer brutalere Straflager verlegt wurde, viele Tage im Isolator verbrachte, es also immer offensichtlicher wurde, dass seine Lebenszeit begrenzt ist.

Nun schreibt (und redet) aber Köppel nicht nur selbst, wobei er sich zunehmend eines frömmlerischen Tons bedient. Er lässt auch schreiben. Zunächst Wolfgang Koydl, der his master’s voice imitierte und «Der Missverstandene», Teil zwei, absonderte. Nach dem Grosserfolg von Teil eins, der von einem Geschäftsmann mit wirtschaftlichen Interessen in Russland geschrieben worden war, was dessen Objektivität natürlich überhaupt nicht infrage stellte. Beide unverständlichen Missverständnisse erschienen zu einem, nun ja, etwas unglücklichen Zeitpunkt.

Nun noch der Journalist Guy Mettan, der schon länger durch seine prorussische Einstellung auffällt. Die darf er haben, aber Unsinn schreiben sollte er deswegen nicht.

Der chilenisch-amerikanische Journalist Lira sei in «einem ukrainischen Gefängnis gestorben», behauptet Mettan, «weil er Lügen und Schandtaten des Selenskyj-Regimes aufgedeckt hatte». Tucker Carlson behauptet hingegen, dass Lira zwar wegen angeblich illegalen Handlungen verhaftet worden sei, aber in einem Spital an einer Lungenentzündung starb. Was vielleicht nicht ganz das Gleiche ist, wie in einem sibirischen Straflager zu krepieren.

Dann erinnert Mettan an diverse Verurteilungen Nawalnys. Nun ist wohl ausserhalb der «Weltwoche» unbestritten, dass es sich bei Russland nicht um einen Rechtsstaat mit unabhängiger Justiz handelt. Wie korrekt also diese Verurteilungen zustande kamen, müsste untersucht werden. Noch schlimmer, für seine «angebliche Vergiftung» habe es «verschiedene und widersprüchliche Erklärungen von seinen Freunden» gegeben. Wahrscheinlich hat sich Nawalny das nur so massiv eingebildet, dass Russland ihn ausreisen liess und er in der Berliner Charité gesundgepflegt wurde. Der Nachweis von Gift in seinem Körper wurde von unabhängigen Labors bestätigt.

Schliesslich sei Nawalnys aufsehenerregende Streifen «Putins Palast» in Wirklichkeit «eine plumpe Fälschung, die in einem virtuellen Videolabor im Schwarzwald mit amerikanischem Kapital zusammengeschnitten wurde».

Steile Behauptungen, Beweise? «All diese Fakten lassen sich leicht anhand von authentischen Videos überprüfen, die im Netz kursieren, aber den Nachteil haben, dass sie auf Russisch sind.» Ist aber auch blöd, der so gefürchtete Propagandaapparat Putins ist nicht mal in der Lage, die «authentischen Videos» auf Deutsch zu übersetzen? Sind die vielleicht so authentisch wie der tatsächlich existierende Palast, bei dem Putin allerdings bestreitet, sein Besitzer zu sein?

Köppel tut sich mit solchen Fantastereien keinen Gefallen. Es wäre einer seriösen Untersuchung wert, was hier Propaganda und was Wirklichkeit ist. Aber doch nicht so. Damit bewirkt die WeWo, dass ihre Glaubwürdigkeit ganz allgemein leidet, obwohl sie unbestreitbar differenzierte Positionen einnimmt. Unter anderen. Wer so gegen den Strom schwimmt, darf sich keinen falschen Zungenschlag erlauben. Kann doch nicht so schwer zu kapieren sein.

Köppel rides again

Ist es Sturheit, Beratungsresistenz oder Tollkühnheit?

Die «Weltwoche», ein Problem von fehlenden Checks and Balances, titelt «Der Missverstandene» über Präsident Putin. Wem das bekannt vorkommen sollte: richtig, so titelte die WeWo schon mal. Roger Köppel hat seit dem unsterblichen Titel «La crise n’existe pas», passgenau zum zweiten UBS-Desaster, ein Händchen dafür, im genau falschen Moment ein Cover in den Sand zu setzen.

Als er im Februar 2022 sich einfühlsam mit der sensiblen Seele des Kremlherrschers befasste, beziehungsweise völlig unparteiische Autoren wie Thomas Fasbender damit befassen liess, marschierte der Missverstandene gerade in die Ukraine ein. Schon damals musste ZACKBUM Köppels bedingten Reflex kritisieren:

«Wenn alle dafür sind, bin ich dagegen. Worum geht es eigentlich? Keine Ahnung, macht aber nix

Putin stehe für eine Abrechnung zwischen «Tradition, Familie, Patriotismus, Krieg, Religion, Männlichkeit, Militär, Machtpolitik und nationale Interessen» und dem «Zeitgeist», der für die «Woke»- und «Cancel-Culture»» stehe, «der unsere Intellektuellen und viele unserer Politiker so inbrünstig huldigen», schwurbelte damals mannhaft-martialisch Köppel.

Also hier der Naturbursche mit nackten Oberkörper, dort die verweichlichten Memmen des Westens. Nun könnte man meinen, dass Köppel nach diesem Sprung mit beiden Beinen in einen riesengrossen Fettnapf am liebsten Gras über die Sache wachsen lassen möchte. Aber da kennte man ihn schlecht.

Sozusagen zum Jahrestag meint er da capo, nochmal, weil’s so schön (unsinnig) war. Köppel selbst legt im Editorial mit diesem frömmlerischen Ton los, den er sich in letzter Zeit zugelegt hat: «Siehe, die Welt ist noch nicht verdammt». Siehe, Köppel hat immer noch nicht die Kriminalgeschichte des Christentums gelesen.

Dann darf, soll, muss, will Wolfgang Koydl eine Eloge, ein vermeintlich verständnisvolles Porträt über die «Persönlichkeit des Kremlchefs» schreiben. Der Ferndiagnostiker ist ihm ganz nahe gekommen und horcht in Herz und Seele:

«Putin ist und bleibt Herr des Narrativs über sich selbst und sein Leben … Auf Putins Privatleben trifft zu, was Winston Churchill über Russland sagte: ein Rätsel innerhalb eines Geheimnisses, umgeben von einem Mysterium … Gerhard Schröder schwärmte von einem «lupenreinen Demokraten», US-Präsident George W. Bush erkannte bei einem Blick in Putins Seele einen vertrauenswürdigen Partner … Vielleicht aber ist er es auch nur müde, vom Westen ständig missverstanden zu werden …»

Die WeWo muss mal wieder Hosianna singen, weil es der ins Religiöse abgeglittene Chef so will. Apotheose von Koydl: «Putin ist absolut berechenbar: Er tut, was er sagt – sei es Versprechen oder Drohung. Und er wird einen Weg finden, beides einzulösen. Daher lohnt es sich, ihm genau zuzuhören.»

Wer ihm genau zuhörte, bekam von diesem Lügner erzählt, dass nicht beabsichtige, die Ukraine zu überfallen. Wenn ein Staatsvertrag, der die territoriale Integrität der Ukraine gegen die Rückgabe der Atomwaffen zusichert, kein gebrochenes Versprechen ist, was dann? Wenn einer einen inzwischen über ein Jahr andauernden Krieg als «militärische Spezialoperation» tituliert, die in wenigen Tagen vorbei sei, was ist der dann? Ein Versager, jemand, der eine Situation völlig falsch eingeschätzt hat. Der US-Präsident Johnson, dem das gleiche mit Vietnam passierte, hatte immerhin das Rückgrat, das Amt aufzugeben. Putin klammert sich an die Macht, bis man ihn aus dem Kreml tragen oder putschen wird. Denn es ist nur den wenigsten Autokraten vergönnt, wie Fidel Castro im Bett zu sterben.

Am lächerlichsten wird Koydl, wenn er Putin über dessen angeblich mehrfache Lektüre der «Toten Seelen» von Nikolai Gogol zu erklären versucht. Offensichtlich hat das Koydl kein einziges Mal gelesen, sonst wüsste er, dass dieses Provinzschelmenromanfragment keinen Deut dazu beiträgt, dass man das heutige, «das chaotische, das träge, das gleichgültige, das letztlich unregierbare Russland» verstünde.

«Es würde sich lohnen, Putin zuzuhören», behauptet die «Weltwoche». Damit hat sie natürlich ein Stück weit recht; die keifige Reaktion auf das über zweistündige Interview von Tucker Carlson in den Mainstream-Medien ist kein Ruhmesblatt für die.

Auf der anderen Seite ist es doch sehr ermüdend, wenn man dem historischen Mäandern des Präsidenten zuhört, der geschichtliche Ereignisse wie die Teilung Polens zwischen Hitler-Deutschland und der UdSSR in einer Art umbiegt, dass man wirklich an seinem Geisteszustand zweifeln muss. Das ist sicherlich Ausdruck eines Problems, das jeder autokratische Herrscher hat: keiner traut sich, ihm zu widersprechen, wenn er Blödsinn verzapft.

Also, Sturheit, Beratungsresistenz oder Tollkühnheit? Ein mutiges «hier stehe ich immer noch und kann weiterhin nicht anders?» Ein echter Versuch, Putin zu verstehen? Leider nein. Es ist viel schlimmer. Es enthält keinerlei Erkenntnisgewinn, erklärt nicht, wieso sich Putin dermassen desaströs verschätzen konnte. Er gleicht darin dem von ihm bewunderten Stalin. Der war nach Hitlers Überfall auf die Sowjetunion, der ihm bis aufs exakte Datum von mutigen Spionen vorhergesagt worden, was er aber als feindliches Täuschungsmanöver vom Tisch gewischt hatte, einige Tage nicht handlungsfähig. Und verachtete die anderen Mitglieder des von ihm gesäuberten Politbüros umso mehr, als die ihn nicht einfach als unfähig wegräumten, sondern anflehten, endlich die Führung im Kampf gegen Hitler zu übernehmen.

Putin hat, da nützt alles Schönschwätzen von Kriegswirtschaft und Umorientierung nach Asien nichts, der russischen Wirtschaft einen Schaden zugefügt, an dem das Land noch viele Jahre zu leiden haben wird. Vom Blutzoll dank unfähigen Generalen ganz zu schweigen. Welche katastrophale Auswirkungen das offensichtliche Ungenügen der russischen Waffen auf die Waffenexportindustrie – neben Rohstoffen die wichtigste Einnahmequelle – hat, ein Desaster. Das Fehlen von Ersatzteilen und Chips, die Russland nicht selber herstellen kann: verheerend.

Russlands Führung, als Lügner, wortbrüchig, brutal unfähig und beratungsresistent gebrandmarkt, wer wird denn Putin noch jemals glauben oder vertrauen, wenn er einen bindenden Staatsvertrag unterzeichnet?

Es ist lachhaft, die Verteidigung der Ukraine als Frage von Freiheit, Demokratie und westlichen Werten gegen ein slawisches Unrechtsregime misszuverstehen. Die Ukraine, zutiefst korrupt, undemokratisch, geführt von einem schlecht beratenen Präsidentendarsteller, der unbedingt an der Macht bleiben möchte, ist nicht einmal die Karikatur dieser Werte.

Aber noch dramatischer ist, wie sich Putin in eine Falle locken liess, wie mit Milliardengeldern aus den USA und der EU (und einem schrecklichen Blutzoll der Ukrainer) Russland als unfähige Regionalmacht vorgeführt wird, die nicht mal mit einem militärischen Zwerg fertigwird.

Wie schreibt Koydl am Schluss: «Deshalb sind alle Vorhersagen, dass das Volk Putin stürzen werde, ebenso falsch wie alle anderen Prognosen, Einschätzungen und Urteile über den Herrn im Kreml.» Inklusive seine. Wenn der Kremlherrscher etwas Ehre und Anstand im Leib hätte, würde er nach dieser Katastrophe selber die Konsequenzen ziehen. Was er aber nicht tun wird.

WeWo sieht’s anders

Gegen den Strom aus Prinzip, dabei säuft man gerne ab.

Das Weltblatt aus Zollikon hat unbestreitbar eine gewisse Sympathie für den Herrn mit der anstrengenden Frisur und dem konsequenten Bräunungscreme-Unfall im Gesicht.

«Ich sagte, sie haben nicht bezahlt? Sie sind säumig? Nein, dann würde ich sie nicht beschützen. Ich würde sogar Russland dazu ermutigen zu tun, was auch immer zum Teufel es will.»

Das sagte Trompeter Trump bei einer Wahlveranstaltung in den USA, wo die NATO oder Europa oder die Ukraine ungefähr so weit entfernt sind wie der Mond. Das ist hanebüchener Unsinn, und das weiss Trump. Genauso wie seine nachgeschobene Behauptung, er habe als Präsident die übrigen Natostaaten dazu gezwungen, jede Menge Geld in das Bündnis zu pumpen. Aber Trump weiss auch, dass er mit seiner konsequenten «mad man»-Politik immer für Aufreger sorgt und im Gespräch bleibt. Die Reaktion in Europa ist ihm dabei schnurzegal, er richtet sich schliesslich an seine US-Wähler.

Aber dann gibt es einen Journalisten, der ihm diesen Quatsch sogar abnimmt. Wolfgang Koydl von der «Weltwoche» gewinnt den ersten Preis im Gläubigerclub Trumps. «Die Welt ist schockiert, aber er hat recht», glüht er vor Bewunderung. Dann überbeisst er vor Begeisterung: «Da hat er wieder einen rausgehauen! Schnappatmung allerorten. Man kann sich vorstellen, wie Olaf Scholz und Joe Biden die Hände vor den Mund schlugen wie blaustrümpfige Gouvernanten beim Anblick eines nackten Männerpopos.»

In Wirklichkeit haben die sich ins Fäustchen gelacht; Biden zumindest solange, bis er es wieder vergass.

Nach dieser Entgleisung unterstellt Koydl Trump etwas, wovon der Mann sicher noch nie gehört hat: «Zweitens steht Trump in einer Tradition des Isolationismus.» Dabei hätte der wohl Mühe, das Wort nur schon auszusprechen.

Zweites Beispiel. Der Treter-Hersteller On mit dem Saubermann Roger Federer als Galionsfigur steht völlig zu Recht in der Kritik. Bedenkliche Qualitätsmängel, schlechter Service, lausige Löhne, exorbitante Gewinnspanne, die alles schlägt, was sich die Konkurrenz traut. Und die Geschäftsleitung gönnt sich Millionengehälter.

Aber Michael Baumann schwärmt vom «Wunder von Zürich» und mäkelt: «So oder so wirkt die Kritik an der Erfolgsfirma etwas kleinkariert.» Der Kommentator in der WeWo kann die Begeisterung nicht ganz teilen:

«Ich hatte bereits zwei On-Schuhe, Laufschuhe. Mein Fazit: untauglich. Einzig fürs Büro und als Statussymbol geeignet … Und trotzdem sind die ON-Schuhe von schlechter und kurzlebiger Qualität mit einem entsprechend zu hohen Preis … Leider nicht wirklich haltbar, schon 4 Paar Schuhe wurden innerhalb jeweils eines Jahres reklamiert und ersetzt … Kaufte einmal – nie wieder … Leider lässt die Qualität zu wünschen übrig.»

Ein repräsentativer Querschnitt der Meinung von On-Besitzern auf der WeWo. Der K-Tipp zitiert einen Verkäufer von diesen Tretern: ««On-­Schuhe sind klassische Wegwerfprodukte.» Das Wunder von Zürich scheint eher darin zu bestehen, dass man sich mit einem solchen Schrott, geschicktem Marketing, Nachhaltigkeits-Gequatsche und Roger Federer als Aushängeschild dumm und krumm verdienen kann.

Aus der «kleinkarierten» Kritik: On-Treter im Online-Shop für 445 Franken. Herstellungskosten 20.80. Der «Roger Advantage» kostet die Bude in Vietnam 17.86, verkauft wird er für 190 Franken. Schuh-Näherinnen verdienen in Vietnam zwischen 120 bis 170 Franken. Im Monat. Aber «ab 2025» wolle On dort «existenzsichernde Löhne» zahlen, was immer das sein mag.

Für die eigene Existenzsicherung haben die drei Schweizer Firmengründer und ihre beiden Geschäftsführer gesorgt. Sie kassierten 19 Millionen im Jahr. Plus ein Bakschisch von über 80 Millionen nach dem Börsengang. Da lässt sich leicht von nachhaltig und verantwortungsbewusst faseln. Aber für Dummschwätzer Baumann ist Kritik daran «kleinkariert». Auch bei der WeWo funktioniert die Qualitätskontrolle nicht immer. Der Reflex «die anderen dagegen, wir dafür» immer öfter.

Wumms: Wolfgang Koydl

Ein gescheiterter Sprachkritiker der WeWo fehlte noch.

Der CDU-Chef Friedrich Merz fand in der Talkshow «Lanz» klare Worte. «Leute, die in Deutschland nichts zu suchen haben», hätten einen überwiegenden Anteil an den Silvesterkrawallen. Merz verfolgt das Problem in die Schule zurück, wo es «verbale Gewalt» gegen Lehrer und vor allem Lehrerinnen gebe. Wiesen die dann die Gören zurecht, kämen Väter in die Schule, die sich das verbäten.

8-Jährige in den Schulen, 15 Jährige auf den Strassen, die «nicht bereit sind, sich an die Regeln zu halten». Sie hätten «in diesem Land nichts zu suchen», schlussfolgert Merz glasklar. Mit solchen Worten handelt er sich in Deutschland garantiert eine Reihe von Strafanzeigen ein und wird als Populist, gar Rassist beschimpft, der keine Ahnung davon habe, wie sinnvolle Integration gehe.

Also klare Kante, sehr klare Kante für einen führenden deutschen Politiker. Könnte man aus Sicht der «Weltwoche» eigentlich nur applaudieren und zustimmen.

Eigentlich, denn Koydl will Merz noch unbedingt rechts überholen. Denn für die Beschreibung dieser männlichen Schüler verwendete Merz das passende Wort «Paschas». Das kann ihm Koydl aber nicht durchgehen lassen:

«Mit seiner Wortwahl verniedlicht und verharmlost CDU-Chef Merz die entfesselten Migranten, die bei den Silvester-Krawallen Polizisten und Sanitäter attackierten

Man fragt sich schon, ob und wo Koydl Deutsch gelernt hat. Mit dem Paschas meinte Merz die 8-jährigen Schüler, die nun nicht wirklich an vorderster Front Polizisten und Sanitäter (und auch Feuerwehrleute) attackierten.

Wie Merz allgemeinverständlich ausführte, fängt hier an der Schule an, was dann später so auf der Strasse endet. Kann nicht so schwer zu kapieren sein. Ausser, man will nicht und sucht einen billigen Vorwand, um seine eigenen Parteipräferenzen durchblitzen zu lassen: Merz «eiert herum. Wähler gewinnt er damit nicht. Die wissen, wer von Anfang an klare Worte gegen die Massenmigration fand

Vernunftbegabte Leser gewinnt man so auch nicht. Die wissen, wie hohl solche absichtlich missverstehende Polemik klingt.

Der Ausnahme-Journalist des Jahres: Wolfgang Koydl

Spricht schonungslos Klartext …

Von Felix Abt

Erfreuliche Ausnahmeerscheinung unter den deutschsprachigen Journalisten der Gegenwart:
Wolfgang Koydl (Foto:Imago).

Wenn es den Titel des Ausnahme-Journalisten des Jahres gäbe, dann hätte ihn für mich der 1952 in Tübingen geborene Journalist und Bestsellerautor Wolfgang Koydl verdient. Nach dem Studium an der Deutschen Journalistenschule arbeitete er zunächst für den «Münchner Merkur», dann für die britische BBC. Seither war er für die «Washington Post», «Die Presse», die Deutsche Presseagentur und von 1996 bis 2005 für die «Süddeutsche Zeitung» als Redakteur und Autor tätig – eine beeindruckende Reihe journalistischer Stationen. Seitdem schreibt er für Roger Köppels «Weltwoche» in der Schweiz, wo er auch lebt.

Viele Jahre lang war Wolfgang Koydl Auslandskorrespondent, vor allem für die «Süddeutsche». Zu seinen Stationen gehörten Kairo, Istanbul, Washington, Moskau, London und Stäfa (Schweiz). Das mag ihm geholfen haben, ein großes Einfühlungsvermögen für andere Kulturen und Lebensweisen zu entwickeln, ein «Versteher» zu werden (was in den heutigen ideologiebesoffenen Woke-Zeiten verpönt ist) und nicht mit dem moralisierenden Zeigefinger durch die politischen und kulturellen Landschaften zu wandern. In einem Interview wurde er einst gefragt, was er aufgrund seiner langen und vielfältigen Auslandserfahrung Expats, also Auswanderern, empfehlen würde, wenn sie sich in einem fremden Land niederlassen. Seine Antwort: „Offene Augen, offene Ohren, offener Geist und offenes Herz.

Feine Ironie

Als Schweizer und Liebhaber von französischem Käse konnte ich von ihm Dinge über die Schweiz erfahren, die mir völlig unbekannt waren und die mich wirklich überrascht haben. Zum Beispiel zitierte er den französischen Präsidenten de Gaulle, der seinem Frust freien Lauf liess: «Wie kann man denn ein Land regieren mit 300 Käsesorten, die Schweiz hat zehnmal soviel Käsesorten und schafft es, sich besser zu regieren.» Mit seiner feinen Ironie kann Koydl bis heute selbst komplexe Sachverhalte auf unvergleichliche und sympathische Weise vermitteln. So sagte der mit einer Russin verheiratete Journalist einmal, in Russland gebe es viele engstirnige Regeln, an die sich aber niemand halte, während man sich in der Schweiz als einem Land mit ähnlich vielen und nicht minder engstirnigen Regeln die Regeln selbst mache. Noch eine Besonderheit der Schweizer: «Sie sind auch verantwortlich für die Entscheidungen, die sie treffen. Wenn etwas in einem Referendum, in einer Initiative beschlossen wird, dann waren es die Stimmbürger. Die anderen Europäer können sagen: Das war nicht ich, das waren die da oben

Als die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im Februar 2014 die Masseneinwanderungsinitiative zur Begrenzung der bis dahin zügellosen Zuwanderung annahmen, war Koydl, der damals noch für die «Süddeutsche» berichtete, so ziemlich der einzige deutsche Journalist, der Verständnis für den Volksentscheid zeigte. “Wer in den Schweizern schon immer abgefeimte Hinterwäldler mit tiefsitzenden Ressentiments gegen alles Fremde sah, der fühlte sich von dem Votum bestätigt. Wer sich einen offenen Blick – und ein aufgeschlossenes Hirn – bewahrt hat, der sieht das Land plötzlich in einem neuen Licht: Hoppla, die können und machen ja was, was wir auch gerne täten», erklärte er damals.

Abschied bei «Süddeutsche» war absehbar

Allerdings muss ich an dieser Stelle kritisch anmerken, dass die Schweizer Karrierepolitiker und EU-Turbos das neue Einwanderungsgesetz wohl deshalb nie richtig umgesetzt haben, weil sie sich lieber im medialen Rampenlicht auf der internationalen Bühne mit den Grossen der Welt sonnen würden und zudem, als künftige Eurokraten in Brüssel, mit besseren Karrierechancen und höheren Einkünften rechnen können. Dort müssen sie sich dann auch nicht um den lästigen Willen des Volkes kümmern, wie daheim in der Schweiz. Aber das ist ein anderes Thema …

Auf die Frage, ob er für seine Haltung zu dieser Abstimmung Prügel beziehe, antwortete Koydl diplomatisch: «Ich bin sicher, dass sich einige Kollegen bei der Lektüre meiner Stücke an den Kopf getippt und gesagt haben, jetzt spinnt der Koydl wieder. Von Leserinnen und Lesern hingegen habe ich nur Zuspruch erfahren.»

Dass sein Abschied von der «Süddeutschen» anschließend nicht lange auf sich warten liess, hat wohl niemanden überrascht. Denn irgendwie passte Koydl nicht mehr in diesen zunehmend «woken» Gesinnungsjournalismusbetrieb. Er hat seine alten, moralinsauren Besserwisser-Kollegen enttäuscht – denn er schreibt genau, kurz und bündig, was ist und wer dahintersteckt, auch wenn das manchen aus ideologischen Gründen nicht gefällt und sie deshalb die Zusammenhänge lieber verschweigen oder zurechtbiegen wollen.

Schonungslos Klartext geschrieben

So redete und schrieb Kodyl auch schonungslos Klartext über die Korruption in der EU; über die nicht vom Volk gewählte «Sonnenkönigin von und zu Brüssel», Ursula von der Leyen; über die selbstzerstörerische Politik der deutschen Regierung; über die Vorgeschichte des Ukraine-Krieges, von der die russische Invasion am 24. Februar 2022 gar nicht zu trennen ist, die aber in den deutschsprachigen «Systemmedien» beharrlich zensiert wird. Und noch über vieles mehr, was parteiischen wie moralisierenden Mainstream-Journalisten keiner Erwähnung würdig erscheint.

Gerade kürzlich, vor Weihnachten, schrieb er darüber, wer 2022 das wohl mit Abstand grösste Weihnachtsgeschenk bekommt:

«Amerikas Parlamentarier haben ein Teil-Budget verabschiedet, das Rekorde bricht: 1,6 Billionen Dollar ist es schwer.
Viel Geld. Etwa für Soziales, für die Infrastruktur, für Gehälter schlecht bezahlter Beamter.
Leider nein. Der grösste Batzen dieses Etats – mit 858 Milliarden Dollar mehr als die Hälfte – geht in die Rüstung. Pardon, in die Verteidigung der offensichtlich von allen Seiten bedrohten Supermacht.
Das ist übrigens so viel, wie die nächsten elf Länder gemeinsam für Verteidigung ausgeben.
Das mit dem Wohlgefallen stimmt auch. Also, teilweise. Freuen können sich die Aktionäre von Lockheed, General Dynamics, Raytheon und Northrop. Amerikas grösste Rüstungskonzerne verdienen am Ukraine-Krieg so gut wie seit Jahren nicht.
Halleluja.»

Wolfgang Koydl schreibt ganz offen auch von diesen unbequemen Hintergründen, die durchaus geeignet sind, die Ereignisse in der Ukraine und die Rolle der USA dabei in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. In Ermangelung von Kandidaten aus dem Elendsjournalismus der Mainstream-Medien ist der Ausnahmeautor Koydl daher für mich unangefochten der Journalist des Jahres.

Schuss nach hinten

Wir wollten uns an der «Weltwoche» laben. Aber …

Manchmal sagt ein Titelbild mehr als tausend Worte:

Ein auch schon von ZACKBUM verwendetes Symbolbild; da fehlt nur noch die Hand des WeWo-Redaktors, der den Revolver abfeuert. Aber der Reihe nach. Zunächst: Die WeWo behauptet, das sei eine «Illustration von Wieslaw Smetek für die Weltwoche». Vielleicht müsste sie mal ein ernstes Wörtchen in Sachen copy/paste mit ihm reden, denn dieses Symbolbild geistert in x Varianten durchs Internet:

Zuerst, wir sind unparteiisch, streng, aber gerecht, müssen wir Roger Köppel loben. Er schreibt nicht über Religion in seinem Editorial. Sondern über Churchill, die Geschichte und überhaupt. Ach, und als SVP-Nationalrat gegen den FDP-Parteichef Thierry Burkart. Wobei Köppels politisches Amt natürlich überhaupt nichts mit seiner Position als Journalist zu tun hat.

Aber es sei ihm diesmal alles verziehen, denn dieses Bonmot von Henry Kissinger, dem alten Kriegsverbrecher und Friedensnobelpreisträger, kannten wir nicht:

«Um sich einer Sache absolut sicher zu sein, muss man entweder alles darüber wissen oder nichts.»

Wenn sich das die WeWo doch nur auch öfter zu Herzen nähme.

Allerdings hat Köppel ja ein neues Steckenpferd, und das müssen nun seine Untergebenen zu Schanden reiten. Also echot Beat Gygi in der Titelgeschichte brav: «Besonders in der Gasversorgung wird klar, dass die Russland-Sanktionen das Dümmste sind, was Europa machen konnte.» Die steile These: Russland merke gar nicht viel von den Sanktionen, dagegen habe sich «Europa nicht nur eine selbstverschuldete Energiekrise eingebrockt. Man unternimmt nun alles, um bei deren Bewältigung die Marktkräfte auszuschalten …»

Das ist in etwa so blühender Unsinn, wie Putin als den «Missverstandenen» aufs Cover zu heben, als er gerade in die Ukraine einmarschieren lässt, oder der UBS zu ihrer Krisenbewältigung zu gratulieren, als sie gerade wieder angekrochen kam und um Staatshilfe betteln musste. Nun geht’s also um die steile These, dass die Sanktionen dumm seien. Kontraproduktiv. Ein Schuss ins eigene Knie. Falsch, Unsinnig.

Es herrscht (noch) Meinungsfreiheit in der Schweiz, daher sei diese Meinung unbenommen. Nur ist ist fragwürdig, weil zu ihrer Stützung die Auswirkungen in Europa dunkelschwarz, in Russland blendend weiss gemalt werden. Sicherlich hühnert das politische Personal in der EU (und in der Schweiz) aufgeregt gackernd herum. Aber die versammelte Wirtschaftskraft wird diese Krise mehr oder minder problemlos stemmen. Russland hingegen siecht merklich, zunehmend dahin. Denn es ist heutzutage halt so, dass nur ein winziger Chip fehlen muss, und eine Riesenmaschine, ein Kampfflieger, die ganze Aeroflot, Produktionsstrassen und Massenprodukte fallen flach.

Die Zerstörung der Beziehungen zwischen Russland und Europa wird mittelfristig der Atommacht mit angeschlossener Rohstoffproduktion viel mehr schaden als dem energiehungrigen Westen. Russland könne «Lieferbeziehungen in den Osten, etwa nach China aufbauen», fantasiert Gygi. Vielleicht sollte er sich einmal schlau machen, wie lange der Aufbau der dafür nötigen Infrastruktur dauert. Ausserdem: für Russland wäre es viel besser, über Wirtschaftsbeziehungen mit dem liberalen und marktwirtschaftlichen Westen verbandelt zu sein – als in Abhängigkeit vom rabiat-egoistischen chinesischen Regime zu geraten.

Auch der Schlusssatz des Auftragsartikels zeugt nicht gerade von tiefer Durchdringung der Materie; der Staat nehme dem Stromriesen Axpo «mit Milliarden  Strompreisrisiken ab». Na und, kann man da nur sagen, das Geld wird wie bei UBS wieder zurückkommen.

Und sonst? Mörgeli wandert in den Fussspuren von ZACKBUM und faltet den Konzernjournalisten Philipp Loser zusammen. Wolfgang Koydl jubiliert, dass die Demonstration in Prag ein «Vorbote für einen heissen Herbst in Europa» sei. Alles so schrecklich erwartbar.

Dann reitet ein weiteres Steckenpferd Köppels durchs Blatt. Niemand sonst will noch etwas vom Münchhausen-Imitator Tom Kummer veröffentlichen – oder lesen. Auch die WeWo beendete schon mal die Zusammenarbeit. Aber Köppel muss eine verborgene Ader als Sozialarbeiter haben. Vielleicht ist er eben doch ein Gutmensch, der versteht und verzeiht, Gefallenen die Hand reicht, seinen Mantel teilt wie weiland St. Martin auf der alten Hunderternote. Auf jeden Fall darf Kummer wieder mal «basierend auf wahren Begebenheiten» irgendwas über irgendwen schreiben. ZACKBUM ist nicht weiter als bis zur Autorenzeile gekommen. Und zweifelt seither, ob es Irène Kälin wirklich gibt. Ob sie sich mit Kummer getroffen hat. Und ob es ihn wirklich gibt. Drei wertvolle WeWo-Seiten verschwendet, wie schade.

Dann ist natürlich die SP und die ehemalige CVP für das «Schlamassel in der Stromversorgung verantwortlich». Schweden wird zum «gefährlichsten Land des Kontinents», wegen «Bandenmorden». Das wird aber diverse südöstliche Staaten Europas ungemein freuen, dass sie angeblich von Schweden überholt wurden.

Dann interviewt Pierre Heumann ausgerechnet John Bolton über das Vermächtnis von Gorbatschow. Bolton ist der Flachdenker, der zuerst allen politischen Schwachsinns Trumps durch alle Böden verteidigte, dann dennoch von ihm gefeuert wurde und auf dem Absatz kehrt machte und seinen ehemaligen Herrn und Meister in allen Tonlagen beschimpfte. Das hat Gorbi nun wirklich nicht verdient.

Überraschend wird Liz Truss zur «richtigen Frau zur richtigen Zeit» ernannt. Bei der Trefferquote der WeWo bei solchen Prognosen dürfte sie eine eher kurze Karriere vor sich haben.

Und schon kann man wieder im Feuilleton durchatmen, um «Leben heute» zu überblättern. Also Hand aufs Herz, im Reich der blinden Kolumnisten der Mainstream-Medien sind die Einäugigen Könige. Aber im Ernst, Huisseling, Reichlin, Burchill, Schnapp als Gourmet-Autotester und schliesslich Häfliger als «wer war wo und wollte warum gesehen werden»-Kolporteur, von David Schärer oder Dania Schiftan (diesmal über Analsex, den angeblich eine Frau will, während es ihn «davor graust»), plus das schon vor 30 Jahren angestaubte «indiskrete Interview»: da entwicklen sich ganze neun Seiten der WeWo doch zu verwehten Wanderdünen, in denen abgehalfterte, leergeschriebene und ausgebrannte Nulpen nicht mal anständig eine Locke auf einer Glatze drehen können.

Auch schade.