Der 16-Milliarden-Schwindel

CS, Bundesrat und Finma wussten, was sie am 19. März taten, als sie die AT-1-Wandler ausradierten. Doch gesagt haben sie’s nicht.

Doppelleser von ZACKBUM und «Inside Paradeplatz» mögen sich fragen: warum hier nochmal? Ganz einfach. Weil zu diesem Thema ansonsten in den Medien das Schweigen der Lämmer herrscht. Weil es von Anfang an ignoriert wurde. Weil die «Financial Times» vorführte, dass sie besser informiert ist und besser einen Skandal entdecken kann als die versammelte, vergammelte Wirtschaftspresse der Schweiz. Weil es also ein Medienskandal ist.

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Wir brauchten … ähm … also das AT-1 … ähm … das gesamte Paket … ähm … muss die Absicht haben … ähm … das Finanzsystem zu stabilisieren und die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten …“.

Das stammelte die Finma-Präsidentin Marlene Amstad an der ominösen Pressekonferenz vom 19. März 2023.

Damals wurde bekanntgegeben, dass der Bundesrat per Notverordnung die Credit Suisse zum Schnäppchenpreis von 3 Milliarden Franken an die UBS verscherbelt hatte.

Als hübschen Bonus legte die Landesregierung noch 16 Milliarden Franken obendrauf. Dabei handelte es sich um sogenannte AT-1-Bonds, Zwangs-Wandelanleihen.

Das ist ein von den Regulatoren erfundenes Gebastel. Obligationen, die unter bestimmten Bedingungen in Aktien gewandelt werden und so das Eigenkapital einer Bank stützen.

Oder aber, unter genau definierten Umständen, von der Bankenaufsicht auf null abgeschrieben werden können.

Genau diese Tatsache wollten weder Bundesrat noch Bankenaufsicht Finma allzu deutlich bekanntgeben. Das hat seine schmutzige Vorgeschichte.

Schon vor diesem 19. März war klar, dass sich die CS in gröberen Schwierigkeiten befand.

Allerdings hatte der damalige CEO Ulrich Körner noch am 14. März bekannt gegeben, dass die CS einen erfreulichen Zuwachs an Kundengeldern verzeichnen konnte und dass sich die Liquidität der Bank seit Ende 2022 verbessert habe.

Am gleichen Tag stellte die CS eine Präsentation für Investoren über festverzinsliche Wertpapiere vor.

Auf Seite 11 dieser Präsentation stellte die Bank in einem “Verlustabsorptionswasserfall” dar, in welcher Reihenfolge in einem Notfall (Bail-in) das Kapital herangezogen würde.

Zunächst das Eigenkapital, erst dann die AT-1-Bonds. Erst im fast unleserlichen Kleingedruckten wies die CS darauf hin, “sofern nicht umgewandelt/abgeschrieben, vor der vertragsgemässen Umstrukturierung“.

Allerdings: Wenige Tage nach der Pressekonferenz vom 19. März verschwand diese Präsentation von der Webseite der CS.

Blöd nur: In einer Präsentation von 2016, die immer noch aufzufinden ist, existiert der gleiche Wasserfall – allerdings ohne das Kleingedruckte.

Noch am 15. März hatten die Finma und die Schweizerische Nationalbank (SNB) gemeinsam bekanntgegeben:

Die Finma bestätigt, dass die Credit Suisse die höheren Kapital- und Liquiditätsanforderungen von systemrelevanten Banken erfüllt. Darüber hinaus wird die SNB der weltweit tätigen Bank bei Bedarf Liquidität zur Verfügung stellen.

Solche beruhigenden Geräusche waren nötig, um einen Bank Run zu verhindern. Das Problem dabei:

Wenn die CS all diese Kriterien erfüllt, gibt es laut den verbindlichen Ausgabeprospekten dieser AT-1-Bonds keinen Grund und keine Rechtfertigung, wieso die Bankenaufsicht diese Zwangsanleihen mit einem Federstrich von 16 Milliarden auf null vernichten könnte.

Auf einer der Folien steht zwar als Fussnote 4: „… FINMA determines that cancellation of the instrument and other similar contingent capital instruments is necessary, or that the Group requires public sector capital support, in either case to prevent it from becoming insolvent or otherwise failing (‚Customary Non-Viability Scenarios) …“.

Doch dass die Aufsicht ohne Kriterium, quasi nach eigenem Gusto, die Bonds ausradieren könnte, dürfte damit wohl kaum gemeint gewesen sein.

Wenige Tage nach dem High-noon, am 25. März, wiederholte Finanzministerin Karin Keller-Sutter in einem Interview:

Die CS hat die regulatorischen Kapital- und Liquiditätsanforderungen immer erfüllt.“

Von ihr stammt auch der fatale Satz: “This is not a bail-out”, das ist keine Notrettung.

Das wären aber die einzigen Voraussetzungen für die Streichung der 16 Milliarden gewesen.

Aber das war nicht die ganze Wahrheit. Am 16. März hatte die CS bekannt gegeben, dass die Bank von der SNB 50 Milliarden Franken Liquiditätshilfe im Rahmen der “Emergency Liquidity Assistance” (ELA) bekommen habe.

In Wirklichkeit hatte sie so nur 39 Milliarden erhalten; für die übrigen 11 konnte sie schon damals nicht genügend Sicherheiten hinterlegen, sie musste dafür einen höher verzinsten Kredit aufnehmen.

Gleichzeitig wollte die CS einen Teil dieses Kredits dafür verwenden, AT-1 Bonds zurückzukaufen. Was ihr die Finma untersagte. Womit das doppelte Problem sichtbar wird:

Erfüllte die CS alle Liquiditäts- und Kapitalbestimmungen, war ein Abschreiber der 16 Milliarden nicht möglich.

Erfüllte sie sie nicht – und wäre das bekannt geworden –, hätte es möglicherweise einen Bank Run gegeben.

Wie auch immer: In beiden Fällen spielten Bundesrat und Finma mit gezinkten Karten.

Dann überstürzten sich die Ereignisse. Als erstes Kaufangebot der UBS ging eine läppische Milliarde Franken um (was 25 Rappen pro CS-Aktie bedeutet hätte), wie «Bilanz»-Chef Dirk Schütz in seinem Buch ausführt.

Gleichzeitig lag ein Angebot der Saudi National Bank, die ihr eigenes Investment retten wollte, von 5 Milliarden auf dem Tisch.

Bei dieser Offerte wären die Besitzer von AT-1 Bonds nicht zur Kasse gebeten worden. Der Bundesrat lehnte ab.

Nun musste am 19. März während der Pressekonferenz das Kunststück aufgeführt werden, den Ramschverkauf an die UBS zum Spottpreis von 3 Milliarden als einzig mögliche Lösung zu präsentieren – und das Sondergeschenk von 16 Milliarden möglichst nicht zu erwähnen.

Das übernahm in erster Linie Finma-Präsidentin Amstad. Sie sagte vieldeutig:

Die heute präsentierte Lösung, die Übernahme der CS durch die UBS … sowie von der Finma angeordneten Wandlung von entsprechenden AT-1 Kapitalinstrumenten in Eigenkapital bringt Stabilität für Kundinnen und Kunden der Bank, für den Finanzplatz und für die Finanzmärkte allgemein.

Wohlgemerkt: Von “Wandlung” konnte keine Rede sein.

Ein Journalist stellte in der anschliessenden Fragerunde fest, dass so doch die Aktionäre und die Halter von Pflichtwandelanleihen “ungeschoren davon” kämen, also in erster Linie die saudischen Investoren.

Er hatte offensichtlich die Aussage von Amstad falsch verstanden. Daraufhin doppelte Amstad mit einer völlig unverständlichen Antwort nach:

Also dazu muss ich festhalten … dass wir den AT-1 ist ein Teil der ‚too big to fail Regulierung‘ … der so vorgesehen ist, dass man die entsprechenden Bonds – die von Investoren, nicht von kleinen Investoren, sondern von [unverstehbar] den und grossen Investoren gehalten werden – dass die eben dann in equity gewandelt werden und dieses Teil der ‚too big to fail Regulierung’ der ist jetzt hier eben auch ausgelöst worden von daher hat man eben auch eine Beteiligung der von Ihnen erwähnten Investoren.

Die Aussage, dass es nur um Bonds von Grossinvestoren gehe, ist nachweislich falsch. Diese AT-1 Bonds wurden in Stückelungen von lediglich 5’000 Franken auch an Kleinanleger verkauft.

Und diese Schuldpapiere wurde eben nicht in Eigenkapital verwandelt, sondern vernichtet.

Bundesrätin Keller-Sutter wurde wohl bewusst, dass die Finma-Präsidentin falsch und unverständlich geantwortet hatte; sie ergänzte nicht minder kryptisch:

… das ist natürlich eine schmerzhafte Lösung für diejenigen, die solche Beteiligung halten, aber es ist eine ordnungspolitisch korrekte Lösung.

Aber schon am Ende der Pressekonferenz zirkulierte das offizielle Statement der Finma online, das eiskalt festhielt:

Die ausserordentliche staatliche Unterstützung löst eine vollständige Abschreibung des Nennwerts aller AT-1-Anleihen der Credit Suisse im Umfang von rund sechzehn Milliarden Franken und damit eine Steigerung des Kernkapitals aus.

Bereits zuvor hatte der Reuters-Korrespondent die entscheidende Frage gestellt:

Wie ist es möglich, dass die CS-Aktionäre etwas bekommen, die Besitzer von Obligationen aber leer ausgehen?“

Darauf antwortet Amstad mit dem eingangs zitierten Gestammel.

Kein Wort über die klaren Bestimmungen in den Ausgabeprospekten für diese AT-1 Zwangswandelanleihen, nach denen dieser Abschreiber nicht möglich wäre.

Kein Wort über die nachträglichen Änderungen in der Notverordnung, mit denen das rückwirkend (!) erlaubt werden sollte.

Kein Wort darüber, dass die Obligationsbesitzer geschädigt werden, um die Aktionäre zu retten.

Kein Wort darüber, wieso die Offerte der Saudis abgelehnt worden war. Kein Wort über die mysteriöse CS-Präsentation, obwohl die Finma immer behauptete, dass sie alle Vorgänge in der CS von ganz nah beobachte.

Kein Wort darüber, dass CS-CEO Körner noch am 14. März unwahre Angaben machte, ohne dass die Finma eingegriffen hätte.

Als sie jedoch zugeben mussten, dass sie Tipp-Ex genutzt hatten, um über 16 Milliarden an AT-1-Anleihen auszulöschen, was auch zum Verlust von Ersparnissen von Tausenden von Kleinsparern führte, weigerten sich Regierung und Bankenaufsicht, dafür Verantwortung zu übernehmen.

So vieles blieb unausgesprochen; Amateure im Chaos. Gott behüte.” So endet Dario Item seine Darstellung dieses Desasters auf antigua.news.

Seine Recherchen liegen – mit freundlicher Erlaubnis – diesem Artikel zugrunde.

2 Kommentare
  1. René Küng
    René Küng sagte:

    Warum?

    Ein guter Grund, wieso auch auf zackbum, ist das Forum.
    Bisher war es immerhin so, dass sich Menschen noch mit Namen und ‹Gesicht› (nicht immer zum eigenen Vorteil 😉 hier melden. Und meistens – ob es deswegen ist? – einigermassen die Kleiderordnung wahren. Bei allem Geholze.
    Bei IP tummelt sich zuviel von dieser bösartigen Schweiz, deren Hauptanliegen in guter CS- (nichtnurdie)Manier nur die persönliche RENDITE ist.
    Über Leichen aller Art, wie es von OBEN bis unten über Jahrzehnte seit der letzten grossen Schlachterei in Europa ‹zum guten Ton› in neue Höhen gewachsen ist.

    Ich danke dafür dem Forum und mutigen Chef hier, dieses Gefühl hab ich hier nicht oder wenig, ein letztes verbliebenes Fenster im schick verkommenen BetonhausCH, aus dem Frau Mann sich noch hinaus lehnen darf.

    Zur Differenzierung: ich respektiere Anonyme oder PhantasIPnamen, die sich nur so melden dürfen / können, weil sie sonst den Job verlieren würden.
    Great times.

    Antworten
  2. Slavica Bernhard
    Slavica Bernhard sagte:

    Ich staune immer wieder über die Vielfältigkeit von René Zeyer. Danke!

    Dabei kann man durchaus auch eine eigene Meinung vertreten, nicht aber zu den CHF 16 Mia AT-1-Obligationen. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Steuerzahler in der Schweiz die Sache verstehen, zahlen müssen Sie so oder so.

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