Schlagwortarchiv für: Karin Keller-Sutter

Brandmauern

Die Mauer zum Brandschutz ist in vielen Köpfen verbaut.

«Notfalls müssen X oder TikTok gesperrt werden», verkündet die ins Parlament gerutschte Grüne-Nationalrätin Meret Schneider in der «SonntagsZeitung». In Deutschland ist «Brandmauer» das politische Schlagwort des Wahlkampfs.

Der Grüne Abwrack-Minister Robert Habeck (bitte nicht einklagen) und Kanzlerkandidat weigerte sich, mit der Kanzlerkandidatin Alice Weidel zu debattieren. Dafür durfte der Noch-Kanzler Olaf Scholz gegen den CDU-Kandidaten Friedrich Merz antreten. Obwohl seine SPD etwas oberhalb der Grünen dahindümpelt und die AfD laut Umfragen nach der CDU mit 22 Prozent die wählerstärkste Partei ist.

Asylanten begehen Attentate in Deutschland, Brandmauer. US-Aussenminister Vance hält in München eine Rede. Brandmauer. Bundesrätin Karin Keller-Sutter vermag seinem Aufruf zu Demokratie und freier Rede etwas abgewinnen. Grosse Brandmauer. Der SP-Berufspolitiker und Funktionär Cédric Wermuth übertrifft sich wieder mal selbst: «Anbiederung an den Neofaschismus». Da fehlen die Worte vor so viel dumpfer Demagogie.

In den USA werden Auswüchse des Genderwahns zurückgeschnitten, es gibt wieder nur zwei Geschlechter. Grosse Firmen stellen ihre absurden Diversity-Programme ein. Ganz grosse Brandmauer.

Ursprünglich wurde der Begriff geprägt, um klarzustellen, dass keine der anderen Parteien etwas mit der AfD zu tun haben will. Als der CDU-Vorsitzende Merz im deutschen Bundestag mit den Stimmen der AfD einen Vorschlag zur Verbesserung des Asylchaos erfolgreich einbrachte, stürzten unzählige Brandmauern über ihm ein. Der Vorschlag sei zwar durchaus vernünftig, aber vergiftet und falsch, weil ihm die Bösen zustimmten.

Schon längst sind solche Brandmauern in den Köpfen vieler Journalisten angekommen. Wer ein Widerwort gegen ihre immer verzweifelteren Versuche wagt, mit wokem Geschwafel und der Sprachvergewaltigung Korrekt-Deutsch an den Lesern vorbeizuschieben, wird ausgegrenzt. Debatte war gestern, heute ist Brandmauer.

In der Mediendatenbank SMD gibt es alleine im letzten Monat 1415 Treffer dafür. «Kontoverse Debatte» hingegen kommt 209 mal vor. Sagt einer was, Brandmauer. Was hat er eigentlich gesagt? Völlig egal, er ist Teil der dunklen Seite der Macht.

Aus Verantwortung, weil es in der Schweiz nur zwei grosse Medienkonzerne mit einem wahren Kopfblattsalat gibt, die die öffentliche Debatte beherrschen (und noch ein wenig «Blick»), sie wenigstens als Podiumsorgane zu führen – vergiss es. Das wurde beim grossen Aufräumen und dem Ergiessen von Einheitssosse in alle Organe mit heiligen Eiden beschworen – es findet nicht statt.

Sexismus ist nach wie vor das Lieblingshobby von Tamedia. Dem «Fall Travis» wird online bereits eine eigene Rubrik gewidmet, ständig ausgebaut. «Was den Spitzenfussball so anfällig macht für sexuelle Gewalt», «Der FCZ holt sich mit Benjamin Wendy ein gewaltiges Problem ins Haus», «Unser Dokfilm zeigt, wie ein Zürcher Party.Influencer Frauen sexuell ausnützt». Aber natürlich gilt die Unschuldsvermutung, kicher.

Jenseits jeder Brandmauer ist auch alles, was mit einem Wort zu tun hat: Trump. «Wird die Schweizer Politlandschaft «trumpisiert»?», «Es wächst die Sorge vor einem perfiden Plan des US-Präsidenten». Eine gleichhohe Brandmauer wird um den zweiten Gottseibeiuns aufgezogen: Elon Musk.

Der Ton wird im Allgemeinen keifiger; immer vorne dabei Jacqueline Badran:

«Weshalb schreiben Journalisten lieber Schüleraufsätzchen über die vierte Staffel der Trump-Show, statt über dessen krasse Inkompetenz zu berichten

Berechtigter wäre die Frage: wieso schreiben Journalisten Schüleraufsätzen gegen alles vermeintliche Übel in der Welt, statt sich ihrer eigenen Inkompetenz bewusst zu werden?

Natürlich ist es für Flachköpfe hilfreich, die Welt in ein einfaches Raster zu pressen. Was auch immer Trump, Musk (von Putin ganz zu schweigen) tun, ist übel. Falsch. Gefährlich. Wenn die AfD irgend etwas zustimmt, dann wird das dadurch falsch, auch wenn es vorher vielleicht richtig war. Das macht die Navigation in einer unübersichtlichen Welt einfach. Überall schwimmen Heulbojen im Meer des Nicht-Verstehens, die vor Untiefen und Ungeheuern warnen.

Herausragend ist und bleibt der «Spiegel». «Chaos ist das neue Normal», ««Die Europäer sind feige»», «Eure Empörung hilft nur der AfD», «US-Regierung will gefeuerte Beamte wieder einstellen – hat aber keine Kontaktdaten mehr», «Die Kotzbrocken-Doktrin» (muss jemand raten, wer gemeint ist?), «Erleben wir gerade einen Staatsstreich, orchestriert aus dem Weissen Haus?», «Trumps Feldzug gegen die Wahrheit», «Warum Trumps Vize der AfD hilft», «Wer kann Donald Trump noch stoppen?»

Wie der Schwimmer, der mehrfach Hilfe schreit, und dann absäuft, weil ihn niemand mehr retten will, schreien diese modernen Grossinquisitoren «Faschist, Rechtspopulist, Rassist» bei jeder Gelegenheit, bis sich die Begriffe so abgenützt haben wie ein Reifen ohne Profil. Beliebt sind auch «instrumentalisieren, skrupellos» und «Hass schüren».

Es wird nicht mehr informiert, sondern vergeblich indoktriniert. Nach der alten Propagandamethode: wiederhole das ewig Gleiche immer wieder, und dann nochmal. Es bleibt hoffentlich in den Köpfen stecken.

Gegenseitiges Schulterklopfen in der Journaille ist die einzige Resonanz, die sie bekommen. Wer einem Beruf beim Verelenden zuschauen will, hier wird’s öffentlich aufgeführt.

 

Regulatorischer Filter

Der Begriff steht für Staatsversagen. Für Medienversagen.

Das nur von Banausen gelobte Verscherbeln der Credit Suisse zum Schnäppchenpreis ist der jüngste – und grösste – Finanzskandal in der daran nicht armen jüngeren Geschichte der Schweiz.

Wie er – mit wenigen Ausnahmen wie dem Finanzblog «Inside Paradeplatz» – medial verarbeitet wird, ist ein weiterer Skandal. Hier paart sich wieder – wie schon mehrfach zuvor – Staatsgläubigkeit mit Inkompetenz.

Genau genommen sind es drei Skandale mit einem Schadenspotenzial in Multimilliardenhöhe. Überschattet wird das lediglich von der zukünftigen Möglichkeit, dass die Monsterbank UBS beim Umfallen einen Krater hinterlässt, der so gross ist wie die Schweiz. Denn wenn eines sicher ist im Bankenwesen: nach der Krise ist vor der Krise. Immer.

Aber der Reihe nach.

Der erste – von den meisten einheimischen Medien zunächst gar nicht beachtete – Skandal ist das Abschreiben von sogenannten AT1 Bonds im Nominalwert von 17 Milliarden Dollar auf null. Per Federstrich, per Notrecht von einem überforderten Bundesrat angeordnet, von einer überforderten Finma ausgeführt.

Diese Schuldverschreibungen gehören zum Gebastel, mit denen schwachbrüstige Banken ihr mageres Eigenkapital aufpumpen wollen. Sie sind ein perverser Zwitter zwischen Obligation und Aktie. Von Haus aus Obligation, soll das Papier im Krisenfall in Aktien gewandelt werden und somit das Eigenkapital stärken. Oder aber auf null abgeschrieben werden, wenn mit Staatshilfe ein Bail-out stattfindet. Genial, dass die Finanzministerin Karin Keller-Sutter vor laufenden Kameras sagte: «this is not a bail-out». Das dürfte den Steuerzahler ein paar Milliarden kosten, während sich die UBS über dieses Milliardengeschenk nicht einkriegt vor klammheimlicher Freude. Denn eigentlich hätte sie beim Kauf dafür geradestehen müssen.

Der zweite – von den meisten Medien bis heute nicht beachtete – Skandal steht hinter dem Begriff «regulatorischer Filter».  Wie vieles in der perversen Finanzwelt hört sich das harmlos an, ist aber in Wirklichkeit die Bankrotterklärung des Schweizer Staats, der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma, der gesamte Berner Bundesverwaltung und auch des Bundesrats.

Denn «regulatorischer Filter» bedeutet nichts anderes, als dass die Aufsichtsbehörde Finma ihre eigenen, schon sackschwachen Regeln nochmals verwässerte, umbog, ausser Kraft setzte. «Ohne Filter wäre die CS schon ab 2020 leicht und bis im Herbst 2022 klar unterkapitalisiert werden», schreibt Urs Birchler. Der ist nicht irgendwer, sondern emeritierter Bankenprofessor und war Mitglied der Direktion der Schweizerischen Nationalbank (SNB).

In einem dreissigseitigen Gutachten für die Parlamentarische Untersuchungskommission zerfetzt er dieses Behördenversagen. Ganz abgesehen davon, dass die PUK zwar viel Papier, aber kaum Brauchbares für die Zukunft produziert hat.

Man muss sich das vorzustellen versuchen. Da gibt es eine staatliche Bankenaufsicht, die schlappe regulatorische Vorschriften durchsetzen sollte. Die noch niemals bei einer Grossbank ihre beiden schärfsten Waffen eingesetzt hat: ein Enforcement-Verfahren zur Durchsetzung einer Anordnung oder der Entzug der Gewähr, was einen leitenden Banker arbeitslos machen würde und nicht nur beim Versagerrat Urs Rohner überfällig war.

Damit nicht genug, natürlich wusste die Finma die ganze Zeit, dass die ausgebrüteten «Too big to fail»-Regeln nach der Fast-Kernschmelze des Finanzsystems von 2008 völlig unzureichend, unpraktikabel, das Papier nicht wert waren, auf das sie gedruckt wurden. Typische Bürokratenhaltung: nicht unser Bier.

Aber der Gipfel des Gipfels ist, sogar die eigenen Regeln statt anzuwenden – zu verwässern. Denn «regulatorischer Filter» heisst auf Deutsch: die CS erfüllte nicht mal die vorhandenen windelweichen Eigenkapitalvorschriften, macht aber nix, da gewähren wir ihr doch eine grosszügige Ausnahme nach der Devise: was nicht passt, wird passend gemacht.

Gibt es da rote Köpfe, Riesengebrüll, wird dringlicher Handlungsbedarf angemahnt? Ach was, sanftes Gesäusel in den Medien, die NZZaS zitiert immerhin Birchler, stellt aber seine Erkenntnisse gleichzeitig wieder in Frage.

Dabei kommt hier der dritte und noch grössere Skandal zum Vorschein. Dazu muss man wissen, dass jeder Banker, vor allem, wenn er verantwortungslos und geldgierig ist, Eigenkapital als etwas Überflüssiges, Unnützes, Sinnloses empfindet. Liegt bloss blöd rum, produziert keinen Profit, ein echter Klotz am Bein, so wenig wie möglich davon.

Als Schreckgespenst haben die Banker dann den Popanz aufgebaut, dass eine Steigerung des Eigenkapitals die Bankgeschäfte verteuern würde, bspw. die Kreditvergabe. Dass das eine niemals bewiesene Behauptung ist – was soll’s. Solange es die Medien und die Öffentlichkeit schlucken …

Eigenkapital ist nicht nur dringend nötig als Risikopuffer, es verstärkt auch die Sicherheit einer Bank, was für sie die Kapitalaufnahme verbilligt. Die Behauptung, dass beim Untergang der CS die mangelhafte Eigenkapitaldecke gar keine Rolle gespielt habe, ist Unsinn. Ausreichendes Eigenkapital hätte zwar den Abzug von Milliardenbeträgen nicht ausgleichen können – aber allenfalls verhindern, weil das ja alles Vertrauensfragen sind. Und eine gutkapitalisierte Bank geniesst viel mehr Vertrauen als eine, die mit aller kreativen Buchhaltung und gnädiger Mithilfe der staatlichen Aufsicht ein Eigenkapital herbeischwindelt.

Das ist Vergangenheit, aber das Problem ragt in die Zukunft. Denn natürlich wehrt sich auch die Monsterbank UBS mit Händen und Füssen, viel Geschwurbel und Gedöns gegen eine dringend nötige Erhöhung des Eigenkapitals. Angesichts ihrer weltweit einmaligen Grösse (im Verhältnis zum BIP der Schweiz) müsste es mindestens 20 Prozent betragen. Besser noch 25 Prozent. Und zwar echtes, hartes, reales Eigenkapital, kein Gebastel.

Da behauptet die UBS nun, das sei gar nicht möglich, so viel zusätzliches Eigenkapital aufzunehmen. Wenn wir ihr das glauben wollen, gibt es nur eine Alternative dazu: die UBS muss gewaltig auf ein zuträgliches Bilanzvolumen geschrumpft werden. Damit würden natürlich auch die weltweiten Ambitionen von VR-Präsident und CEO verzwergen, und wenn ein führender Banker etwas hasst, dann ist es Bedeutungsverlust. Einkommen, Yacht, Privatjet, Personal Assistents à gogo, alles gut und schön. Aber Bedeutung, Macht, Wichtigkeit, wenn ich anrufe, nehmen alle den Hörer ab, ich tue das nicht bei allen, selbst wenn es ein Bundesrat ist, das ist das Elixier für Bankbosse, ihr Zaubertrank, der sie jeden Morgen grösser macht, als sie eigentlich sind.

Also müsste das Eigenkapital gewaltig hochgesetzt werden, wenn der Staat stärker als die UBS wäre. Zudem müsste die UBS endlich ein akzeptables Entgelt dafür zahlen, dass sie sich wie keine andere Bank in der Schweiz einer impliziten Staatsgarantie erfreut. Nicht nur ein Wettbewerbsvorteil, sondern auch bares Geld wert.

Zwei einfache Massnahmen als Konsequenz aus diesem Riesenskandalberg.

Wetten, dass keine davon umgesetzt wird?

Amateure am Gerät

Finanzpolitik ist schwierig zu verstehen. Vor allem für Journalisten.

«Keller-Sutter plant, dass es für die UBS richtig teuer wird», verkündet Konrad Staehelin auf Tamedia. Seine Berichterstattung über Fussball-Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele qualifizieren ihn sicher zu dieser Aussage.

Gigantische Zahlen geistern durch die Medien; 12 Milliarden, 20 Milliarden, gar um 25 Milliarden müsse die UBS ihr Eigenkapital erhöhen. ««Es stimmt, die Grössenordnungen sind plausibel», bestätigte Keller-Sutter am Montag im Bundeshaus gegenüber dieser Zeitung», vermeldet Staehlin stolz als Primeur auf zuonline.

Dann wagt er einen Blick in die Vergangenheit, was er lieber gelassen hätte. Es geht dabei um die Frage, welches Eigenkapital für ihre im Ausland tätigen Ableger systemrelevante Banken in der Schweiz vorhalten müssen. Umso höher, desto sicherer, lautet die simple Formel. Das mache es einfacher, im Krisenfall ausländische Töchter zu verkaufen.

«Die heute gültige Regelung kann die Ausführung in einer finanziell angespannten Situation verunmöglichen, da sie zu unübersichtlichen finanziellen Verflechtungen im Gesamtkonzern führen kann. Im Falle der Investmentbank der Credit Suisse geschah 2022 genau das. Unter anderem deswegen liess sich das Ende der Bank und die notfallmässige Integration in die UBS vor einem Jahr nicht mehr verhindern.»

Das ist eine so originelle wie von A bis Z unsinnige Erklärung. Es war ein Liquiditätsproblem, in dem die CS steckte. Und selbstverständlich hätte sich die «Integration» in die UBS verhindern lassen. Statt sie zu einem Schnäppchenpreis zu verschenken und dem Steuerzahler zusätzlich Ärger in der Höhe von 16 Milliarden Franken einzuhandeln, hätte unsere Finanzministerin auch den vorliegenden Sanierungsplan der Bankenaufsicht FINMA umsetzen können. Da sie aber von Finanzen ungefähr so viel versteht wie Staehelin …

Anleger reagieren immer empfindlich auf auch nur leise Andeutungen, dass eine Bank ihr sowieso viel zu dünnes Eigenkapital erhöhen müsse. Denn Eigenkapital hat eine unangenehme Eigenschaft. Es liegt solange blöd und unproduktiv rum, wie es nicht im Notfall gebraucht wird. Wenn’s im Ernstfall aber fehlt, dann kracht’s.

Also wäre für systemrelevante Banken ein Eigenkapital von 20 oder besser 25 Prozent –  und zwar echtes, hartes, nicht mit kreativer Bilanzbuchhaltung herbeifantasiertes – dringlich nötig. Zieht man all dieses Geschwurbel ab, hat die UBS zurzeit eine Eigenkapitalquote von 4,7 Prozent. Lachhaft.

Um nur schon eine Quote von 10 Prozent zu erreichen, müsste sie rund 90 Milliarden Dollar neues Kapital beschaffen. Dagegen sind 25 Milliarden ein erster, kleiner Schritt.

Was bei all diesem Gedöns in den Medien ebenfalls untergeht: das sind alles Vorschläge des Bundesrats; mal so Ideen. Das geht dann ins Parlament, wird dort unter dem Einfluss der Bankenlobby zu Kleinholz verarbeitet und zu Staub zermahlen.

Vielleicht könnte man dem Publikum mal diese Tatsachen näherbringen. Statt Karin Keller-Sutter auf den Leim zu gehen, die sich gern als unerschrockene Bankendompteurin aufspielen will. Um von ihrem Versagen während der CS-Krise abzulenken. Aber wer von der Materie so viel versteht wie sie, der nimmt ihr das natürlich ab.

Unverständlich dabei ist höchstens, wieso auch Arthur Rutishauser ins gleiche Horn stösst; er sollte es wirklich besser wissen.

Weihnachten ist früher

Die «SonntagsZeitung» schleppt sich ins Ziel.

Die Feiertage liegen für die Sonntagszeitungen mal wieder eher beschissen, um es offen zu sagen. Der 24. und der 31. sind Sonntage. Bitterer war nur letztes Jahr, da fielen sie auf den Samstag.

Da muss normalerweise alles zusammengekratzt werden, was sich einigermassen als News verkaufen lässt. Wieso die «SonntagsZeitung» mit dieser Übung allerdings schon am 3. Dezember anfängt?

Denn anders lässt sich ein solches Cover nicht erklären:

Der erste Wolf wurde geschossen, gähn, «die besten Geschenke für Weihnachten» (doppelgähn), Fussball-EM (kieferstarregähn). Und dann in Kriminalschwarz: «Wer hat Angst vor den Jusos?» Kurze Antwort: keiner.

Längere Antwort: Die Bildredaktion der SoZ offenbar nicht, denn unvorteilhaftere Fotos von Jon Pult, Mattea Meyer und Cédric Wermuth konnte sie offenbar im Bildarchiv nicht finden. Ach, und dann ging bei Cédric noch der accent aigu verloren, aber wer kann denn noch Französisch bei den Kindersoldaten.

Die ganz lange Antwort findet man auf den Seiten zwei und drei des Schnarchblatts. Das ist allerdings gemein; statt den strahlenden Sonnentag im Schnee zu geniessen, liessen viele SoZ-Leser das Haupt ermattet auf die Zeitung oder das Tablet fallen und verfielen in einen verfrühten Winterschlaf. Sozzz, zzz, zzz halt.

Daraus weckt sie sicher auch nicht der Brüller: «Blocher bricht das Tabu». Meine Güte, angesichts der zwei eher ungeeigneten SP-Bundesratskandidaten spielt das Herrgöttli aus Herrliberg mit der Idee, dass man ja auch einen besseren Kandidaten wählen könnte, siehe Ritschard und Stich.

Wer allerdings in einer Qualitätszeitung diesen Titel wagt, hat die Kontrolle über sein Leben und die Buchstaben verloren: «Die Schweiz, ein weisses Märchenland». Das würde schon bei einem Schulfaufsatz rot angestrichen werden, wenn sich heutzutage Lehrer noch trauen, ihres Amtes zu walten.

Lustig ist hingegen, wie Rico Bandle weiterhin auf die Uni Basel eindrischt: «Nun kommt der Dekan unter Druck». Die einen schiessen auf Wölfe, die anderen auf Anti-Israel-Aktivisten und mehr oder minder klammheimliche Sympathisanten der Hamas.

Dann die «immer wieder ist Pisa-Studie»-Meldung: «Fast jeder zweite Schulabgänger in der Schweiz kann kaum lesen». Das ist erschreckend, aber nicht überraschend. Und beklagenswert. Aber wieso erscheinen keine Studien, in welch erschreckendem Zustand sich die Fähigkeit der meisten Journalisten befindet, in klaren, einfachen Worten möglichst neutral einen Sachverhalt zu schildern? Würde man das als Kriterium anlegen, müsste die Schlagzeile lauten:

«Fast jeder zweite Journalist kann kaum schreiben.»

Nicht mal die nahenden Weihnachten sind eine ausreichende Entschuldigung dafür, dass unter dem launigen Titel «Schon am ersten Tag fiel der erste Lupo» eine Seite auf die Wolfjagd verbraten wird. Wölfe werden nicht mehr erlegt, abgeschossen, sondern sie fallen neuerdings? So richtig sattelfest bei Rolf Kauka ist der Autor übrigens auch nicht.

Dann wird Chefredaktor Arthur Rutishauser mitsamt Adrian Schmid aufgeboten, um Karin Keller-Sutter mit pseudokritischen Fragen Gelegenheit zu geben, watteweichen Blubber abzusondern. Die einzig interessante Frage durften sie ihr offensichtlich nicht stellen: wieso hat sie mit der fatalen Aussage «this is not a bail-out» dem Steuerzahler möglicherweise Milliardenzahlungen aufs Auge gedrückt?

Dann muss sich der mündige und zahlende Leser die Frage stellen, wieso er weiterhin mit Kolumnen von Markus Somm und Gülsha Adilji gequält wird. Bei beiden reicht eigentlich die Erwähnung des jeweiligen Titels: «Die Klimapolitik ist eine Fata Morgana» und «Thomas Gottschalk ist weg – und das ist gut so».

Dabei ist der «Nebelspalter» eine Fata Morgana, und zu Adiljis Vergewaltigungen der deutschen Sprache fällt ZACKBUM nichts ein, was uns nicht aufs Schafott der aufgeregten Gutmenschen führen würde. Müsterchen? Bitte sehr, auf eigene Verantwortung: «Nach der Sendung hatte ich einen dermassen verspannten Rücken, dass ich drei Tage lang nicht mehr gerade stehen konnte.» Die Existenz einer Fernbedienung scheint der Dame so unbekannt wie die Verwendung einigermassen passender Metaphern zu sein.

Für beides bräuchte es einen Restbestand an Kontakt mit der Realität: «ein alter weisser Mann hat in «Mad Man»-Manier durch eine Sendung geführt, und alle, wirklich alle fanden es komplett daneben und haben laut und lange mit dem Kopf geschüttelt». Laut mit dem Kopf geschüttelt? Das kann eigentlich nur bei Menschen passieren, bei denen dabei die zwei, drei Hirnzellen aneinanderprallen. Ob das alle, wirklich alle der über 12 Millionen Zuschauer so sehen wie diese Amok-Schreiberin?

Der «Wirtschaft», es weihnachtet auch hier sehr, fällt nichts Besseres als ein Modalverb-Titel ein: «Globus könnte bald …», wenn nicht würde, unter Umständen, vorausgesetzt, dass, wobei auch möglich wäre. Ein Graus, solche Zeilenschinderei und Platzfüller.

«Deutschland könnte Sylt verkaufen». Muss man ein Interview mit einem solchen Titel lesen? Eben. Das gilt auch für den Geldonkel Martin Spieler: «Hohe Sicherheit heisst sehr wenig Rendite». Wie konnten Anleger bislang ohne diese Erkenntnis der Pleite entgehen?

Den Aufmacher von «Leben & Kultur», die Restenrampe von brunzdummen Banalitäten, muss man visualisieren, sonst glaubt das kein Mensch:

Ein Nonsens-Text über die dünne und altbekannte Idee, KI für die Revitalisierung von Menschen zu verwenden. Kostengünstig von Fabrice Braun, dem «freien Textchef für das Gesellschaftsressort der Süddeutschen Zeitung», übernommen. Als ob es nicht gereicht hätte, die Bayern damit zu quälen.

Dann wird Marianne Kohler Nizamuddin mal wieder verhaltensauffällig. Immerhin feiert sie nicht eine gute Freundin ab. Aber dafür langweilt sie mit der Erkenntnis, dass Weiss die Schweizer Lieblingswohnfarbe sei. Zu allem Elend steht auf dieser Seite auch noch die Kolumne von Claudia Schumacher. Da sieht der Leser eher rot als weiss.

Nun noch der IQ-Test. Was vermutet der schlaue Leser hinter diesem Titel: «Interlaken bekommt ein neues Hotel». Allerdings erst im Frühling. Aber vorher gebe es noch den «perfekten Winterspass» auch ohne neues Hotel. Diese Grätsche mit im Schritt reissender Hose macht Christoph Ammann. Als «Zusammenarbeit der SonntagsZeitung mit Schweiz Tourismus, Essential by Dorint Interlaken und Interlaken Tourismus».

Zusammenarbeit? So nennt man das, wenn einer die Beine breit macht und wiederkäut, was ihm vorgesetzt wird. Peinlich ist ein sanfter Ausdruck dafür …

Da die Aufnahmefähigkeit von ZACKBUM fast erreicht ist, wollen wir der Beilage «Weihnachten» mit ihren «tierisch schönen Geschenkideen» nicht unter den Rock gucken, denn es handle sich um eine «redaktionelle Sonderbeilage». Sonderbeilage stimmt.

In letzter Verzweiflung klammert sich ZACKBUM ans Jahreshoroskop. Am 25. Juli geboren, sind wir scheint’s Löwe. Oh Schreck: «Alte Sicherheiten oder Gemeinschaftsformen können wegbrechen, denn vieles hat sich überlebt und muss jetzt Neuem Platz machen. Stabilität ist dieses Jahr nicht so leicht zu erreichen. Dieser Zustand kann Unsicherheiten und Ängste auslösen, die es auszuhalten gilt.»

Wollen wir da der «Schweizer Astrologin Elke Maria Müller» vertrauen? Wie schrieben wir schon 2022 hellseherisch:

Allerdings: es gibt eine Elke-Maria Müller (mit Bindestrich), die in Winterthur «astrologische Beratung und Therapie», dazu auch noch «Gesundheitsberatung» anbietet. Mangels Webseite oder anderer Angaben muss man aber selber Hellseher sein, um beurteilen zu können, wie kompetent diese Dame ist oder worin Beratung und Therapie bestehen.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. ZACKBUM überlegt sich daher, in den lukrativen Markt der «astrologischen Beratung und Therapie» einzusteigen.

 

 

Der 16-Milliarden-Schwindel

CS, Bundesrat und Finma wussten, was sie am 19. März taten, als sie die AT-1-Wandler ausradierten. Doch gesagt haben sie’s nicht.

Doppelleser von ZACKBUM und «Inside Paradeplatz» mögen sich fragen: warum hier nochmal? Ganz einfach. Weil zu diesem Thema ansonsten in den Medien das Schweigen der Lämmer herrscht. Weil es von Anfang an ignoriert wurde. Weil die «Financial Times» vorführte, dass sie besser informiert ist und besser einen Skandal entdecken kann als die versammelte, vergammelte Wirtschaftspresse der Schweiz. Weil es also ein Medienskandal ist.

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Wir brauchten … ähm … also das AT-1 … ähm … das gesamte Paket … ähm … muss die Absicht haben … ähm … das Finanzsystem zu stabilisieren und die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten …“.

Das stammelte die Finma-Präsidentin Marlene Amstad an der ominösen Pressekonferenz vom 19. März 2023.

Damals wurde bekanntgegeben, dass der Bundesrat per Notverordnung die Credit Suisse zum Schnäppchenpreis von 3 Milliarden Franken an die UBS verscherbelt hatte.

Als hübschen Bonus legte die Landesregierung noch 16 Milliarden Franken obendrauf. Dabei handelte es sich um sogenannte AT-1-Bonds, Zwangs-Wandelanleihen.

Das ist ein von den Regulatoren erfundenes Gebastel. Obligationen, die unter bestimmten Bedingungen in Aktien gewandelt werden und so das Eigenkapital einer Bank stützen.

Oder aber, unter genau definierten Umständen, von der Bankenaufsicht auf null abgeschrieben werden können.

Genau diese Tatsache wollten weder Bundesrat noch Bankenaufsicht Finma allzu deutlich bekanntgeben. Das hat seine schmutzige Vorgeschichte.

Schon vor diesem 19. März war klar, dass sich die CS in gröberen Schwierigkeiten befand.

Allerdings hatte der damalige CEO Ulrich Körner noch am 14. März bekannt gegeben, dass die CS einen erfreulichen Zuwachs an Kundengeldern verzeichnen konnte und dass sich die Liquidität der Bank seit Ende 2022 verbessert habe.

Am gleichen Tag stellte die CS eine Präsentation für Investoren über festverzinsliche Wertpapiere vor.

Auf Seite 11 dieser Präsentation stellte die Bank in einem “Verlustabsorptionswasserfall” dar, in welcher Reihenfolge in einem Notfall (Bail-in) das Kapital herangezogen würde.

Zunächst das Eigenkapital, erst dann die AT-1-Bonds. Erst im fast unleserlichen Kleingedruckten wies die CS darauf hin, “sofern nicht umgewandelt/abgeschrieben, vor der vertragsgemässen Umstrukturierung“.

Allerdings: Wenige Tage nach der Pressekonferenz vom 19. März verschwand diese Präsentation von der Webseite der CS.

Blöd nur: In einer Präsentation von 2016, die immer noch aufzufinden ist, existiert der gleiche Wasserfall – allerdings ohne das Kleingedruckte.

Noch am 15. März hatten die Finma und die Schweizerische Nationalbank (SNB) gemeinsam bekanntgegeben:

Die Finma bestätigt, dass die Credit Suisse die höheren Kapital- und Liquiditätsanforderungen von systemrelevanten Banken erfüllt. Darüber hinaus wird die SNB der weltweit tätigen Bank bei Bedarf Liquidität zur Verfügung stellen.

Solche beruhigenden Geräusche waren nötig, um einen Bank Run zu verhindern. Das Problem dabei:

Wenn die CS all diese Kriterien erfüllt, gibt es laut den verbindlichen Ausgabeprospekten dieser AT-1-Bonds keinen Grund und keine Rechtfertigung, wieso die Bankenaufsicht diese Zwangsanleihen mit einem Federstrich von 16 Milliarden auf null vernichten könnte.

Auf einer der Folien steht zwar als Fussnote 4: „… FINMA determines that cancellation of the instrument and other similar contingent capital instruments is necessary, or that the Group requires public sector capital support, in either case to prevent it from becoming insolvent or otherwise failing (‚Customary Non-Viability Scenarios) …“.

Doch dass die Aufsicht ohne Kriterium, quasi nach eigenem Gusto, die Bonds ausradieren könnte, dürfte damit wohl kaum gemeint gewesen sein.

Wenige Tage nach dem High-noon, am 25. März, wiederholte Finanzministerin Karin Keller-Sutter in einem Interview:

Die CS hat die regulatorischen Kapital- und Liquiditätsanforderungen immer erfüllt.“

Von ihr stammt auch der fatale Satz: “This is not a bail-out”, das ist keine Notrettung.

Das wären aber die einzigen Voraussetzungen für die Streichung der 16 Milliarden gewesen.

Aber das war nicht die ganze Wahrheit. Am 16. März hatte die CS bekannt gegeben, dass die Bank von der SNB 50 Milliarden Franken Liquiditätshilfe im Rahmen der “Emergency Liquidity Assistance” (ELA) bekommen habe.

In Wirklichkeit hatte sie so nur 39 Milliarden erhalten; für die übrigen 11 konnte sie schon damals nicht genügend Sicherheiten hinterlegen, sie musste dafür einen höher verzinsten Kredit aufnehmen.

Gleichzeitig wollte die CS einen Teil dieses Kredits dafür verwenden, AT-1 Bonds zurückzukaufen. Was ihr die Finma untersagte. Womit das doppelte Problem sichtbar wird:

Erfüllte die CS alle Liquiditäts- und Kapitalbestimmungen, war ein Abschreiber der 16 Milliarden nicht möglich.

Erfüllte sie sie nicht – und wäre das bekannt geworden –, hätte es möglicherweise einen Bank Run gegeben.

Wie auch immer: In beiden Fällen spielten Bundesrat und Finma mit gezinkten Karten.

Dann überstürzten sich die Ereignisse. Als erstes Kaufangebot der UBS ging eine läppische Milliarde Franken um (was 25 Rappen pro CS-Aktie bedeutet hätte), wie «Bilanz»-Chef Dirk Schütz in seinem Buch ausführt.

Gleichzeitig lag ein Angebot der Saudi National Bank, die ihr eigenes Investment retten wollte, von 5 Milliarden auf dem Tisch.

Bei dieser Offerte wären die Besitzer von AT-1 Bonds nicht zur Kasse gebeten worden. Der Bundesrat lehnte ab.

Nun musste am 19. März während der Pressekonferenz das Kunststück aufgeführt werden, den Ramschverkauf an die UBS zum Spottpreis von 3 Milliarden als einzig mögliche Lösung zu präsentieren – und das Sondergeschenk von 16 Milliarden möglichst nicht zu erwähnen.

Das übernahm in erster Linie Finma-Präsidentin Amstad. Sie sagte vieldeutig:

Die heute präsentierte Lösung, die Übernahme der CS durch die UBS … sowie von der Finma angeordneten Wandlung von entsprechenden AT-1 Kapitalinstrumenten in Eigenkapital bringt Stabilität für Kundinnen und Kunden der Bank, für den Finanzplatz und für die Finanzmärkte allgemein.

Wohlgemerkt: Von “Wandlung” konnte keine Rede sein.

Ein Journalist stellte in der anschliessenden Fragerunde fest, dass so doch die Aktionäre und die Halter von Pflichtwandelanleihen “ungeschoren davon” kämen, also in erster Linie die saudischen Investoren.

Er hatte offensichtlich die Aussage von Amstad falsch verstanden. Daraufhin doppelte Amstad mit einer völlig unverständlichen Antwort nach:

Also dazu muss ich festhalten … dass wir den AT-1 ist ein Teil der ‚too big to fail Regulierung‘ … der so vorgesehen ist, dass man die entsprechenden Bonds – die von Investoren, nicht von kleinen Investoren, sondern von [unverstehbar] den und grossen Investoren gehalten werden – dass die eben dann in equity gewandelt werden und dieses Teil der ‚too big to fail Regulierung’ der ist jetzt hier eben auch ausgelöst worden von daher hat man eben auch eine Beteiligung der von Ihnen erwähnten Investoren.

Die Aussage, dass es nur um Bonds von Grossinvestoren gehe, ist nachweislich falsch. Diese AT-1 Bonds wurden in Stückelungen von lediglich 5’000 Franken auch an Kleinanleger verkauft.

Und diese Schuldpapiere wurde eben nicht in Eigenkapital verwandelt, sondern vernichtet.

Bundesrätin Keller-Sutter wurde wohl bewusst, dass die Finma-Präsidentin falsch und unverständlich geantwortet hatte; sie ergänzte nicht minder kryptisch:

… das ist natürlich eine schmerzhafte Lösung für diejenigen, die solche Beteiligung halten, aber es ist eine ordnungspolitisch korrekte Lösung.

Aber schon am Ende der Pressekonferenz zirkulierte das offizielle Statement der Finma online, das eiskalt festhielt:

Die ausserordentliche staatliche Unterstützung löst eine vollständige Abschreibung des Nennwerts aller AT-1-Anleihen der Credit Suisse im Umfang von rund sechzehn Milliarden Franken und damit eine Steigerung des Kernkapitals aus.

Bereits zuvor hatte der Reuters-Korrespondent die entscheidende Frage gestellt:

Wie ist es möglich, dass die CS-Aktionäre etwas bekommen, die Besitzer von Obligationen aber leer ausgehen?“

Darauf antwortet Amstad mit dem eingangs zitierten Gestammel.

Kein Wort über die klaren Bestimmungen in den Ausgabeprospekten für diese AT-1 Zwangswandelanleihen, nach denen dieser Abschreiber nicht möglich wäre.

Kein Wort über die nachträglichen Änderungen in der Notverordnung, mit denen das rückwirkend (!) erlaubt werden sollte.

Kein Wort darüber, dass die Obligationsbesitzer geschädigt werden, um die Aktionäre zu retten.

Kein Wort darüber, wieso die Offerte der Saudis abgelehnt worden war. Kein Wort über die mysteriöse CS-Präsentation, obwohl die Finma immer behauptete, dass sie alle Vorgänge in der CS von ganz nah beobachte.

Kein Wort darüber, dass CS-CEO Körner noch am 14. März unwahre Angaben machte, ohne dass die Finma eingegriffen hätte.

Als sie jedoch zugeben mussten, dass sie Tipp-Ex genutzt hatten, um über 16 Milliarden an AT-1-Anleihen auszulöschen, was auch zum Verlust von Ersparnissen von Tausenden von Kleinsparern führte, weigerten sich Regierung und Bankenaufsicht, dafür Verantwortung zu übernehmen.

So vieles blieb unausgesprochen; Amateure im Chaos. Gott behüte.” So endet Dario Item seine Darstellung dieses Desasters auf antigua.news.

Seine Recherchen liegen – mit freundlicher Erlaubnis – diesem Artikel zugrunde.

Berset out, KKS in

Lustige Wendungen beim SoBli.

Der übrige Inhalt ist wie meist völlig unerheblich. Aber eine Personalie lässt aufhorchen. Bundesrat Alain Berset war durch die ganze Corona-Zeit hindurch die Knutschkugel der «Blick»-Familie. Kein Wunder, es stellte sich heraus, dass es eine Art Standleitung zwischen dem Ringier-CEO Marc Walder, der eher hysterisch auf die Pandemie reagiert hatte, und dem Gesundheitsminister gab.

Also fand der «Blick» mal prinzipiell alles toll, was Berset so einfiel und wurde brav mit Primeurs belohnt. Im Boulevard-Geschäft nichts Neues. Seit einiger Zeit aber wird Berset immer mal wieder abgewatscht, zuletzt für seinen angeblichen Wunsch, mal mit einem F/A-18-Kampfjet eine Runde zu drehen. Schon seine Hobbyfliegerei, die ihm eine unangenehme Begegnung mit der französischen Luftüberwachung einbrockte, wurde ihm um die Ohren gehauen; Motto: «Wasser predigen, Kerosin tanken».

Alte Boulevard-Regel: wir begleiten dich auf dem Weg nach oben und himmeln dich an. Anschliessend sind wir unterwegs nach unten auch dabei und treten nach.

Aber sobald der eine Star verglüht ist, braucht’s den nächsten. Und da hat sich der SoBli jemand ganz Merkwürdigen ausgesucht. Man kann die Wahl nur mit einer Übererfüllung der Quotenfrau-Regel erklären. Trommelwirbel, SoBli stellt vor: die mächtigste Frau der Schweiz:

Also die «mächtigste Frau in Bundesbern», zumindest. Karin Keller-Sutter (KKS)  habe eigenhändig ihren Parteichef Thierry Burkart gestoppt. Der habe wie «ein Zampano mit seinem Ansinnen hausiert», schreibt Mikrophonständer Reza Rafi launig. Nämlich mit der Rettung der Credit Suisse Schweiz. Aber: «Also fackelte die FDP-Bundesrätin nicht lange und stoppte ihren tollkühnen Parteichef

Nun setzt Rafi zu einer Lobeshymne an, bei der es wohl selbst Kim Jong Un leicht übel würde:

«Zuvor hatte sie (KKS, Red.) zwischen Washington, London, Brüssel und Riad die Fäden zusammengehalten, um die Weltwirtschaft vor einem Crash zu bewahren. Sie jonglierte in akzentfreiem Englisch zwischen Regierungen und Notenbanken, sie disziplinierte die Bankmanager mit ihren Ego-Spielen und Animositäten – und scheinbar nebenbei schaute sie in den Niederungen der Parteipolitik zum Rechten; Karin Keller-Sutter, in der Bundesstadt kurz KKS genannt, verliert auch in hektischen Phasen die Bundesberner Machtmechanismen nie aus den Augen.»

Das sei die «Patin der FDP»? Ach was, das ist Superwoman, sie hat die Welt vor einem Crash bewahrt, jongliert und diszipliniert und parliert, Wahnsinn. Superwoman wäre vielleicht sowieso besser gewesen, oder weiss Rafi nicht, was ein Pate, eine Patin in diesem Zusammenhang ist? Will er etwa die FDP mit der Mafia vergleichen? Ts, ts.

Wie legt man auf eine Schleimspur eine zweite? Kein Problem für Rafi: «Sie bringt sich an Fraktionssitzungen ein, betrachtet Themen aus taktischer Sicht, denkt über Dossiergrenzen hinweg. Kein anderes Bundesratsmitglied greift so stark in die eigenen Parteigeschicke ein wie sie.»

Wie legt man da noch eine drauf? Bitte sehr:

«Den grössten Triumph ihrer politischen Karriere feierte sie vor drei Wochen. Am 11. August verkündete UBS-Chef Sergio Ermotti (63), dass man die 109-Milliarden-Garantie nicht mehr nötig habe, die der Bund im März unter Keller-Sutters Federführung gesprochen hatte. Für sie war die Nachricht der Befreiungsschlag, nun geht sie als jene in die Geschichte ein, die im Credit-Suisse-Drama die Finanzwelt vor dem Schlimmsten verschonte. Die Kritik an ihr – das Durchregieren per Notrecht, das Verhökern der CS zum Schleuderpreis an die Rivalin, die Enteignung der Aktionäre – verblasst

Damit hat sich nun Rafi eindeutig als möglicher neuer Chefredaktor der nordkoreanischen Parteizeitung Rodung Sinmun in Spiel gebracht. So viel Realitätsverzicht, so viel Umdeutung, so viel Schönschreibung, so viel Lobhudelei, wird dort geschätzt.

Die Wirklichkeit in der Schweiz sieht anders aus. Mit ihrem berüchtigten Satz «this is not a bail-out» hat KKS dem Schweizer Steuerzahler möglicherweise Milliarden aus der Tasche gezogen. Der auf Geheiss des Bundesrats erfolgte 16-Milliarden-Abschreiber bei der CS hat eine Prozesslawine ausgelöst. Genau wie die ruppige Festlegung des Übernahmepreises auf Ramschniveau und damit eine gewaltige Minderung des Aktienwerts der CS.

Natürlich konnte Ermotti fröhlich Verzicht bekanntgeben; bei einem Sondergewinn von 25 Milliarden durch den Kauf zum Schnäppchenpreis platzt die UBS aus allen Nähten. Zudem macht Ermotti so gut Wetter für die Massenentlassungen und Filialschliessungen in der Schweiz. Das Handeln mit Notrecht, unter Zeitdruck, das Verscherbeln der CS, ohne Alternativen genügend zu prüfen, gar das nachträgliche Verändern von Notrecht-Verfügungen, rückwirkende Verordnungen, ein No-Go in jedem Rechtsstaat, das alles wird der Schweiz, der Regierung, insbesondere der Bundesrätin KKS noch schwer auf die Füsse fallen.

Nun ist klar, dass Rafi sich seine Meinung im Chefbüro abholt; genau, wie er ein liebedienerisches Interview mit dem Anwalt des Rammstein-Sängers machen musste, um schlimmere Folgen für eine Fehlleistung des «Blick» abzuwenden, greift er nun in die Harfe und lobt KKS in den Himmel.

Vielleicht wird man gelegentlich erfahren, welchen Interessen von Ringier das dient.

 

 

Trauerspiel Credit Suisse

Die Leiche lebt noch.

Ende dieses Monats wird die UBS zwei Dinge bekannt geben. Welchen Reibach sie mit der Übernahme der Credit Suisse zum Schnäppchenpreis gemacht hat. Und wie brutal der Kahlschlag unter CS-Mitarbeitern weltweit und in der Schweiz ausfallen wird. Höchstwahrscheinlich werden Tausende von Bankern früher oder später dem RAV, also der Arbeitslosenversicherung und letztlich dem Steuerzahler zur Last fallen.

Während Verpeilte wie Markus Somm in der SoZ das Loblied auf die umsichtige Bewältigung der Krise durch Sergio Ermotti und Bundesrätin Karin Keller-Sutter singen, reibt Arthur Rutishauser in einer vierteiligen Serie den Versagern ganz oben bei der CS ihre Marotten und Fehler unter die Nase. Und stellt die Frage in den Raum, ob es analog zu Vincenz/Raiffeisen hier nicht auch um ungetreue Geschäftsbesorgung, also einen Straftatbestand, gehen könnte.

Indem Ermotti sich aller staatlichen Zusagen (ausser der Liquidität durch die SNB) entledigte, machte er einen geschickten Move, um vor der Beerdigung der CS gut Wetter zu machen. Ob diese Prognose allerdings besser eintrifft als Temperaturvorhersagen von SRF Meteo?

Denn die Leiche CS ist noch nicht wirklich tot. Vor allem auf zwei Gebieten gibt es Riesengebrüll. Oder seriöser formuliert: weltweite Klagen, Klagen in der Schweiz.

Zum einen geht es um die sogenannten AT1-Bonds. Das ist ein von den Behörden erfundenes Gebastel, mit dem das notorisch zu dünne Eigenkapital der Banken vermehrt werden sollte, ohne dass sie die Aktien verwässern mussten. Sie tragen auch den hübschen Übernamen Todesspiralen-Anlagen, da sie bei gewissen Triggern nicht länger Obligationen sind, sondern in Aktien zwangsgewandelt werden. Oder auf null abgeschrieben.

Genau das tat nicht etwa die CS, sondern die Bankenaufsicht Finma im Todeskampf der CS. Obwohl diese Entscheidung auf der Webseite der CS stand, machte zuerst die «Financial Times» darauf aufmerksam, dass der Abschreiber von sagenhaften 16 Milliarden Franken bei den geprellten Anlegern, darunter Riesenapparate wie BlackRock und US-Pensionskassen, heftige Gegenwehr auslöst. Seither wird aus allen Rohren gefeuert, Klagen in den USA, in Japan, in der Schweiz. Aussichten durchaus intakt.

Eine zweite Klage haben rund 1000 Kleinaktionäre und ehemalige CS-Mitarbeiter in der Pipeline. Obwohl es in der Schweiz das Instrument der Sammelklage nicht gibt, will der «Schweizerische Anlegerschutzverein» so etwas Ähnliches einreichen, um die Kosten für jeden Kläger zu senken.

Hintergrund: durch die Fusionsbedingungen rutschte der Wert einer CS-Aktie auf läppische 76 Rappen. Zwei Tage zuvor lag er noch bei 1.86. Dieser Umtauschpreis zur UBS-Aktie sei willkürlich festgelegt worden, monieren die Kläger, er habe zudem in keiner Weise dem noch vorhandenen Wert der CS entsprochen.

Tatsächlich kontrastiert der Schnäppchenpreis von 3 Milliarden Franken scharf mit dem damaligen Börsen- und dem Buchwert der Bank, der mindestens doppelt so hoch war. Allerdings ist es bei so komplizierten Konstrukten wie einer modernen Bank äusserst schwierig, ihren tatsächlichen Wert zu einem bestimmten Zeitpunkt festzulegen.

Zu kreativ ist die Buchhaltung, zu verschlungen sind die seitenlangen Bilanzen mit Sonderposten und allen erdenklichen buchhalterischen Tricks und Ösen. Selbst ausgewiesene Fachleute verzweifeln vor der einfachen Frage: und was ist das Teil nun wirklich wert?

Auf jeden Fall sind alle Lobeshymnen, wie gut doch Politik und Bankführung diese Krise bewältigt hätten, fehl am Platz. Die Prozesse werden sich über Jahre hinstrecken, aber am Ende wird sehr sicher ein Vergleich stehen, bei dem die Eidgenossenschaft, also der Steuerzahler, garantiert nicht ungeschoren davonkommen wird.

Es ist ein schmutziger Job,

aber einer muss ihn machen. ZACKBUM.

Im Reigen der qualitativ hochstehenden Sonntagszeitungen nehmen wir uns mal wieder die Mittellage vor. Nicht ganz schlecht, aber gar nicht ganz gut.

Natürlich, alle intelligenten Leser haben’s erraten. Gut, es ist Mitte Juli, Ferienzeit, jeder, der auf der Redaktion was zu sagen hat oder sich seiner Stelle sicher ist, ist in den Ferien. Also bleibt das B-Team, das C-Team; mit Ausnahme des unermüdlichen Arthur Rutishauser, der ja wieder ganz in seiner Funktion als Einmal-Chefredaktor aufgeht, nachdem er als Bauernopfer über die Klinge springen musste.

Also, the first barker: «Das Englisch der Schweizer ist überraschend schlecht». Das ist so aufregend wie ein Artikel über die mangelnde Körperhygiene der Schweizer, über die Probleme der Deutschschweizer, einigermassen akzentfrei Deutsch zu sprechen.

Wenn dazu noch ein Biber, ein Sommerquiz und die «Badi-Regeln» kommen, dann weiss man, dass im Glashaus an der Werdstrasse auch an der Klimaanlage gespart wurde. Mit dem grossen Sprachquiz, Pardon, Sprachvergleich ist dann immerhin die erste Doppelseite gefüllt. Ausser einem grimmigen Editorial von Arthur, der sich bitterlich darüber beklagt, dass die CS-PUK wohl eher eine «parlamentarische Vertuschung-Kommission» werde. Dabei ist das logisch

Was Kompetenz und Wissensstand im Banker-Blabla betrifft, sind die Pleitebanker den Parlamentariern, der Regierung und den versammelten Sesselfurzern in Bern haushoch überlegen. Das hat ja schon die Finanzministerin Karin Keller-Sutterthis is not a bail-out») unter Beweis gestellt. Und genau das kommt auch noch erschwerend hinzu. Weder KKS, noch die Spitze der Finma, noch die ganzen Wichtigtuer im Finanzdepartement sind daran interessiert, dass ihr krachendes Versagen genauer untersucht wird.

Das eint sie mit all den Rohners, Gottsteins, Lehmännern und Körnern. Die könnten immerhin möglicherweise aufgeboten werden, um umhegt und beschützt von Anwälten und Kommunikations-Fuzzis dann nichts zu sagen. Die Grossversager Dougan, Thiam und Horta-Osório sind im Ausland und nicht greifbar.

Auf Seite vier geht’s dann rasend aktuell und spannend weiter: «Bund warnt vor Hitzewelle im Tessin», das ist etwa so informativ wie «Unterwasser sollte man die Luft anhalten». Richtig gähn wird dann «Ferienbeginn, …». Pardon, den Rest vom Titel konnten wir nicht mehr lesen, Wachkoma. Die Schweizer Luftwaffe «fliegt nicht weniger», was ja eigentlich ausserhalb der grünblinden Tamedia-Redaktion angesichts Ukraine und so keine schlechte Nachricht ist.

Dann kommen wir zweifellos zum Höhepunkt:

Wumms, knallhart. Da schüttelt es den grünen Vielschwätzer sicher durch, sogar der Latte Macchiato wird sauer, dabei ist er doch so sympathisch fotografiert, wie es sich ideologische Feindbilder der SoZ erträumen würden. Gleich zwei Koryphäen, der Antidemokrat Denis von Burg und Mischa Aebi, nehmen sich Girod vor. Denn der ist Chef des Europa-Geschäfts des Milliardenkonzerns «South Pole», der wegen anrüchiger Geschäftspartner (Gazprom), angeblichen Schummeleien (CO2-Zertifikate) und ungehemmten Profitstreben (Protestbrief von Angestellten) im Feuer steht.

Und, was passiert? Der Vielschwätzer ist den beiden Interviewern dermassen verbal überlegen, dass er sogar eine Hand auf den Rücken gebunden haben könnte und Steine im Mund wälzen müsste – und sie immer noch an die Wand quatschen. Die zwei beginnen frech mit der Frage nach den Geschäften mit «Gazprom».

Umweltverträgliche Antwort: «South Pole machte 2015 eine Transaktion mit Gazprom im Rahmen des Europäischen Emissionshandels. … Wir begleiten über 1000 Firmen ausserhalb der Erdöl- und Gasbranche eng auf dem Weg zu netto null

Aha, und Shell, Total, Chevron? «Insofern halte ich eine Zusammenarbeit mit der Öl- und Gasbranche unter dem Strich für die Transition zu netto null für notwendig, auch wenn die Unternehmen mir nicht sympathisch sind.»

Aha, aber selbst Mitarbeiter finden das zum Kotzen. «Wir haben bei South Pole eine offene Kultur, und ich halte solche Grundsatzdebatten für richtig.»

Glitschig wie ein Aal, der Herr. Aber diese schmutzigen Deals geheimhalten? «Es geht nicht um Geheimhaltung, es ist in der Wirtschaft gang und gäbe, dass Geschäftsbeziehungen und Verträge vertraulich sind.» Womit der Unterschied zu Geheimhaltung glasklar ausgearbeitet wäre.

Und sonst, Stichwort Greenwashing? «Wenn man sich grüner gibt, als man ist, ist das Öko-Bluff. Das ist in der Tat problematisch und ein Verstoss gegen den unlauteren Wettbewerb.» Ist aber natürlich nicht unsere Schuld.

Und mit «eingesparten Abholzungen» arbeiten, ist das nicht unseriös? «Perfekt lassen sich die vermiedenen Emissionen nie abschätzen, niemand und kein Modell kann genau sagen, was passiert wäre, wenn es kein Projekt zur Vermeidung der Emissionen respektive Abholzung gäbe

Und schliesslich fürchtet der aalglatte Girod nicht, dass sein Ruf gefährdet werden könnte? «Nein. Ich bin bewusst in die Privatwirtschaft gewechselt, um an sehr guten – wenn auch nicht perfekten – Lösungen zu arbeiten.»

Da hat er nun unbezweifelbar recht. Mit solchen Fragen, die wie angetäuschte Wangenküsse wirken, mit dem unkritischen Abholen und Abdrucken der glitschigen Antworten, ohne ein einziges Mal richtig nachzubohren, bei solcher Behandlung in den Medien muss sich Girod garantiert keine Sorgen um sein Image machen. Das ist journalistisches «Greenwashing» at its best.

Dann kommt ein Lacher, «Zweites Solarkraftwerk in den Alpen stark redimensioniert». Warum? Die Schlaumeier haben rausgefunden, dass produzierter Strom auch abtransportiert werden muss. Das ist natürlich eine neue Erkenntnis, also ist es verständlich dass sie erst jetzt zu einer deutlichen Verkleinerung des nächsten Kuckucksheim-Projekts führt. Der arme Peter Bodenmann, so kräftig ist schon lange keiner mehr mit einer völlig unsinnigen Behauptung (die Alpen können genug Strom produzieren) auf die Schnauze gefallen.

Und die Ukraine, mag sich der Leser bang fragen? Auf S. 11 bekommt er die Antwort:

Na also, geht doch noch was.

Andere rezyklieren Artikel, wie man mit Eltern umgehen soll, denen ein Kind gestorben ist. Da kann die SoZ nicht abseits stehen:

Schon wieder viel Grün im Bild, aber ein todtrauriges Thema. Welch ein Titel, welch ein Quote. Wahnsinn. ZACKBUM ist so erschüttert, dass wir Blumenpflücken gehen.

Erfrischend hingegen die Leserreise der SoZ. Ein Hopser nach Kanada, dort Eisbären erschrecken und durch die Polarregion brettern – solange es die noch gibt. Was wohl Girod dazu sagen würde? Das käme dann wohl darauf an, ob er an dem Veranstalter beteiligt wäre oder nicht.

Dann aber ein schöner Sommertitel:

Wie viele Redaktoren von Tamedia sagen können: «Ich bin zwar jung, aber nicht blöd

Dann wird es schweinisch gemein:

Was soll man dazu sagen?

Dann kommt die nächste knallharte Reportage:

Liechtenstein leuchtet. Ein wunderbares Ländle. Ach so, das ist ein «Sponsored Content in Zusammenarbeit mit Liechtenstein Marketing». Nur kommt’s so redaktionell daher, dass die Leser, die das übersehen oder nicht verstehen, es für einen SoZ-Artikel halten. Dafür zahlt Liechtenstein ja auch eine Stange Geld.

Dann noch «Die Wahrheit über den Protein-Mythos», sicher knapp gefolgt von der Wahrheit über den Vitamin-Mythos, den Colesterin-Mythos, den Abnahme-Mythos. Usw.

Dann das Sommerlacher-Thema «Bitte nur Handgepäck!». Die Schnarch-Geschichte für Schlaflose. Noch was? Oh ja, wir haben die Auto-Seite als Absackerchen aufgespart:

ZACKBUM könnte sich vorstellen, dass es das richtige Auto für Girod sein könnte. Vollelektrisch und kostet schlappe 380’000 Franken. In der Grundausstattung, versteht sich, Aber der SoZ-Leser hat doch sicher das nötige Kleingeld. Erst recht, wenn er sich die Ausgabe für die SoZ spart.

 

 

 

Freitag oder Montag?

Was kommt heraus, wenn drei Tagi-Journis KKS interviewen?

Drei gegen eine, kann das gutgehen? Das geht butterweich supergut, wenn es drei Tamedia-Journalisten sind, die die Finanzministerin Karin Keller-Sutter interviewen. Die ist politisch für den überhasteten Verkauf der Credit Suisse an die UBS für ein Trinkgeld verantwortlich. Und hat mit ihrer Bemerkung, dass das kein Bail-out gewesen sei, also keine Staatsrettung, dem Steuerzahler möglicherweise die Zahlung von 17 Milliarden Franken aufs Auge gedrückt. Und die Reputation des Finanzplatzes Schweiz als Rechtsstaat schwer beschädigt.

Ihre Befähigung, über Finanzfragen entscheiden zu können, muss doch ernsthaft in Frage gestellt werden. Aber doch nicht von Tamedia. Da schleicht man sich liebedienerisch ins Interview:

«Was von diesem dramatischen Wochenende werden Sie nie vergessen?» – «Vor allem diese unglaubliche Spannung und Hektik. Den Druck, in kürzester Zeit eine Lösung finden zu müssen – denn am Montag wäre die CS in Konkurs gegangen, mit unabsehbaren Folgen für die Schweiz und das globale Finanzsystem

Alleine diese Antwort hätte mehrere Nachfragen verdient. Wieso diese Hektik, wieso wurden nicht sinnvolle Alternativen geprüft, woher will KKS wissen, dass die CS am Montag Konkurs gegangen wäre; hatte ihre Bankenaufsicht FINMA nicht noch wenige Tage zuvor deren Stabilität und Liquidität bestätigt?

Aber es könnte ja sein, dass KKS dann wieder ins Rudern gekommen wäre, und das wollten Markus Häfliger (Bundesshausredaktor, keine Ahnung von AT1-Bonds und so Sachen), Konrad Staehelin (Politologe, zuständig «für das Dossier Luftfahrt») und Delphine Gasche (frischgeschlüpfte «correspondante parlementaire à Berne») sicher nicht.

Stattdessen darf KKS sich und alle anderen Beteiligten loben: «Alle haben am gleichen Strick gezogen … wenn es sein muss, können wir sehr schnell sein. Die CS-Krise hat auch gezeigt: Unsere Institutionen funktionieren. Die Schweiz ist handlungsfähig.»

Sagt KKS nicht so Sachen, sagt sie so Sachen:

«Diese Frage kann ich nicht beantworten … Dazu kann ich nichts sagen … Diese Frage kommt zu früh … Nichts wird nicht geschehen … Das sind heikle Fragen, zu denen ich mich nicht äussern kann … Ich sehe das pragmatisch … Es ist immer schwierig, herauszufinden, warum eine Vorlage abgelehnt wurde … Es wird mir vorgeworfen, auf eine Frage nicht geantwortet zu haben, die mir gar nicht gestellt worden ist. Das ist irreführend.»

Das mag sein, aber auch auf Fragen, die ihr gestellt wurden, antwortet sie klimaschädlich: mit heisser Luft.

Es scheint zum neuen Qualitätskonzept von Tamedia (oder wie der Laden auch immer gerade heisst) zu gehören, dass man Interviewpartner ungestört das sagen (oder nicht sagen) lässt, was denen gerade in den Kram passt. Erkenntnisgewinn für den Leser: null. Allerdings sind die Auswirkungen auf den Blutdruck und den Adrenalinspiegel nicht zu unterschätzen.

ZACKBUM hat einen Vorschlag zur Güte und zur Vereinfachung. Anstatt drei Nasen aufzubieten, wieso schickt Tamedia (oder der «Tages-Anzeiger» oder wie diese Rumpfredaktion auch heisst) nicht ein kurzes Mail an den Medienverantwortlichen von KKS, den ehemaligen Lautsprecher von Jolanda Spiess-Hegglin, Pascal Hollenstein: Neben einem aussagelosen Riesenfoto von KKS haben Sie knapp 9000 Anschläge Platz. Füllen Sie den doch mit Fragen und Antworten nach Gutdünken und schicken Sie den Text bitte vor 18 Uhr zurück, damit wir alle in den ordentlichen Feierabend gehen können.

Das würde doch viel unnötigen Aufwand sparen.

SwissMediaForum: Gedöns

Wenn Medien über sich sprechen, wird’s peinlich.

Wer sich selbst so anpreist und auch fotografisch Mut zur Hässlichkeit bekundet, gibt klar zu erkennen: hier stellen sich für einmal Medien in den Mittelpunkt. Was kein schöner Anblick ist.

Dabei werden in Luzern auch heisse Themen angefasst:

Das hier ist zum Beispiel die Diskussionsrunde zum affenheissen Thema, ob die Medienbranche ein strukturelles Sexismusproblem habe. Mit grosser Mühe wurden drei Diskussionspartner zusammengekratzt, die sich eigentlich nur durch ihren Mut qualifizierten, hier überhaupt aufzutreten; es habe viele Absagen gehagelt, stöhnten die Organisatoren.

Überhaupt ist das Forum dieses Jahr gut für schräge Auftritte. Bundesrätin Karin Keller-Sutter wollte originell sein (und sollte ihren Redenschreiber feuern). Die Medien seien die «Wachhunde der Demokratie» sagte sie launig, weil derjenige, der ihr diesen Quatsch aufschrieb, offensichtlich gegoogelt hat, was denn «watchdog» auf Deutsch heisst.

Aber damit nicht genug, wenn schon eine Metapher, dann muss sie gleich zu Tode gepeitscht werden. Es gäbe also «den Kläffer, den Wadenbeisser und den Kettenhund». Gegen den Wadenbeisser habe sich der Bundesrat Beinschoner zugelegt. Endlich einmal konnten sich die versammelten Medienschaffenden nicht über sich selbst, sondern fremdschämen.

Aber dann kam noch der Tiefpunkt im Höhepunkt, die sogenannte Elefantenrunde am Schluss der Veranstaltung. Anwesend waren Felix Graf (CEO NZZ), Michael Wanner (Neu-CEO CH Media), Nathalie Wappler (SRF) und Pietro Supino (Tx Group – oder wie das Teil zurzeit gerade heisst).

Dann wurde es wirklich richtig peinlich. Wie’s halt so ist, wenn man zuschauen muss, wie sich erwachsene Menschen auf offener Bühne abknutschen. Supino machte ein Kompliment an die Moderatorin, bei Wappler täuschte er einen Wangenkuss für ihre Arbeit bei der SRG an. Wappler schmachtete Graf an, mit dem sie «inspirierende Gespräche» geführt habe. Graf umarmte Wanner für seinen frischen Ansatz, und Wanner schliesslich versuchte, eine Zehe von Supino zu lutschen, den er für seine strategische Weitsicht lobte. Worin sich die zum Beispiel im Skandalfall Roshani/Canonica geäussert hatte, was wohl der degradierte Chefredaktor, Bauernopfer Rutishauser davon hält, ist hingegen nicht überliefert.

Eine Medienbranche, die bis zum Hals in Problemen steckt, ein Tx-Konzern, der seine Mediensparte zu Tode hungert. Ein CH-Media-Konzern, der von einem Familienclan beherrscht wird, wo der richtige Nachname wichtiger ist als Kompetenz. Ein Ringier-Verlag, der erst gar nicht an dieser sogenannten Elefantenrunde teilnimmt, was aber niemandem auffällt. Oder vermissten wir das Stichwort Resilienz? Und schliesslich die NZZ, die den CEO entsandte, weil der eigentliche Big Boss für solchen Pipifax keine Zeit hat. Dann gäbe es noch das Haus Lebrument, und Christoph Blocher soll scheint’s auch so ein kleines Zeitungsimperium haben.

Vielleicht hätte auch Roger Schawinski, der sich intensiv mit dem Skandal Roshani/Canonica auseinandergesetzt hat, Interessantes zum Thema Medien beizutragen gehabt. Aber eigentlich war es so: wer sich ernsthaft mit Medien befasst, wie auch ZACKBUM, hatte Besseres zu tun, als sich diese gegenseitigen Beweihräucherungen und das Werfen mit Wattekugeln anzuschauen.