Resozialisierung mal anders

Normalerweise ist heute der Vorwurf «sexuelle Belästigung» tödlich.

Wie steht es aber mit Sex mit Kindern? 2003 wurde ein Urteil rechtskräftig, mit dem ein Journalist wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern schuldig gesprochen wurde. Dafür kassierte er eine bedingte Gefängnisstrafe von 14 Monaten.

Danach war es natürlich mit seiner Karriere in der Schweiz vorbei, er wechselte nach Deutschland. Um einige Jahre später als Redaktor in der Schweiz wieder aufzuerstehen.

Selbstverständlich ist das ein löbliches Beispiel von gelungener Resozialisierung. Genau das ist auch der Sinn unserer Rechtsprechung; eine Strafe soll nicht einfach Bestrafung sein, sondern einen Gestrauchelten wenn möglich wieder auf den rechten Weg zurückführen.

Daher soll das hier keinesfalls eine nachträgliche Nachverurteilung sein. Nur: der Unterschied zu den meisten aktuellen «#metoo»-Fällen liegt auf der Hand. Während es in diesen Fällen identifizierbare Opfer gab, eine ordentliche Gerichtsverhandlung, die mit einem rechtskräftigen Urteil endete, tagt neuerdings der Volksgerichtshof, beziehungsweise die Versammlung von Scharfrichtern in den asozialen Medien und den Hetzpostillen der angeblichen korrekten Lebensart. Die lautstark über solche angeblichen Sexmonster herziehen – bis sich deren Unschuld herausstellt. Oder zumindest sich die oft längst verjährten, anonymen Beschuldigungen als substanzlos, nicht belegbar, gar erfunden erweisen.

Ein besonders abschreckendes Beispiel ist der grossartige Schauspieler Kevin Spacey. Viele Jahre zurückliegender Übergriffe beschuldigt, wie immer baute sich eine Meute von Mitläufern auf, die für Geld oder Ruhm oder beides behaupteten, auch Opfer von Spacey zu sein. Die Meute japste, er verlor alles. Ansehen, Einkommen, Karriere. Dann wurde er auf ganzer Linie freigesprochen. Selbst daran wurde noch herumgemäkelt – und seither herrscht Ruhe. Entschuldigung, Einsehen, Selbstreflexion? Null.

So ging es beim Fall des ehemaligen «Magazin»-Chefredaktors. Beim Fall des ehemaligen Oberchefredaktors der «Blick»-Gruppe, dem nicht mal explizit sexuelle Übergriffe, sondern schwammig eine «Bevorzugung» einer gewissen Gruppe von Redaktoren vorgeworfen wurde.

Und nun der jüngste Fall eines Journalisten, der ausgerechnet vom ach so korrekten Zwangsgebührenfunk SRF ans Kreuz genagelt wurde. Aufgrund von anonymen, nicht zeitlich verorteten Beschuldigungen, bei denen keinerlei Anzeigen erstattet wurden. Dennoch beschreibt SRF die Tätigkeit des Journalisten so entlarvend, dass sie auch gleich seinen Namen hätten hinschreiben können. Statt den Tanz aufzuführen, dass man weder die mutmassliche Opfer, noch den «es gilt die Unschuldsvermutung» mutmasslichen Täter namentlich aufführen wolle.

Bei allem Verständnis für Schamgefühl oder gar Angst: wer zur Vernichtung einer Karriere, einer gesellschaftlichen Existenz ansetzt, sollte vielleicht doch die Courage haben, dazu mit Namen hinzustehen. Selbst Trittbrettfahrerinnen, selbst die rachsüchtige, gefeuerte «Magazin»-Redaktorin bringen diesen Mut auf. Er ist insbesondere unabdingbar, wenn es sich um Vorwürfe handelt, die längst verjährt sind und daher nicht mehr ins Recht gefasst werden können, selbst wenn sie sich als wahr herausstellen.

Denn das wäre der Sinn der so missbrauchten Unschuldsvermutung. Sie setzt nämlich schon einmal voraus, dass es Untersuchungshandlungen einer Strafbehörde gibt. Ohne die dürfte es nichtmal diese Vermutung geben. Dann ist der Mensch nämlich schlichtweg unschuldig wie jeder andere auch, der nicht rechtskräftig verurteilt wurde. Und selbst dann, nach einer Verurteilung, wird die Resozialisierung höher gewichtet als eine anhaltende Stigmatisierung als Straftäter. Wie im Fall des eingangs genannten Redaktors.

So sollte es sein. So ist es nicht. Sexuelle Übergriffe jeglicher Art sind eine Schweinerei. Finden sie am Arbeitsplatz und unter Ausnützung einer Hierarchie statt, sind sie eine doppelte Schweinerei. Wird – fast immer von Frauen – ein sexueller Übergriff behauptet, aus welchen Motiven auch immer, der oftmals schon längst verjährt wäre und der sich oftmals nicht erhärten lässt, ist das ebenfalls eine doppelte Schweinerei. Jedes einzelne Mal ein Hohn für alle wirklichen Opfer. Jedes Mal ein ungesühntes Verbrechen, weil es die Vernichtung einer Karriere, einer sozialen Existenz bedeutet.

Darüber sollten all die Japser nachdenken, die sofort herbeieilen, um mit erhobenem Zeigefinger und moralisch geschwellter Brust über einen neuerliche, widerlichen Sexismus-Skandal zu berichten, wobei natürlich die Unschuldsvermutung gelte, logo.

7 Kommentare
  1. Vergissmeinnicht
    Vergissmeinnicht sagte:

    @zackbum, herzlichen Dank, dass Sie als Einziger, die zu gewährleistende Unschuldsvermutung thematisieren.

    Es ist zu tiefst erschreckend, wie alle anderen Medien, den Betroffenen, ganz gezielt medial vorveruteilen!

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  2. Guido Kirschke
    Guido Kirschke sagte:

    Wann merken die kolportierenden Naivlinge, dass Denunziation jederzeit auch sie selber treffen kann? Ich vermute mal unschuldig, dass wer am lautesten ruft, am meisten zu verstecken hat.

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