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Weltmeister im Behauptungs-Journalismus

«Leaks», «Papers», «Secrets». Synonyme für Versagen.

Die gute Nachricht ist: seit mehr als zweieinhalb Jahren ist Ruhe im Karton. Damals erschienen die sogenannten «Pandora Papers». Und es entstand, wie einer der Beteiligten frustriert einräumte, ein «Skandal, der keiner wurde».

Das ist fast richtig. Denn Skandale waren all diese Veröffentlichungen von gestohlenen Geschäftsunterlagen, «Swiss Leaks», «Offshore Leaks», «Paradise Papers» oder «Panama Papers».

Schon die Namen Leaks und Papers waren reines Framing. Es handelte sich nicht um Lecks oder einfach Papiere. Bislang unbescholtenen Firmen wurden hochvertrauliche Geschäftsunterlagen gestohlen, mit durchaus hoher krimineller Energie und einem enormen Zeit-, sowie Geldaufwand. Wer hinter all diesen Diebstählen stand, wer darauf verzichtete, ein ungeheuerliches Erpressungspotenzial auszunützen – das war den an dem Ausschlachten der Hehlerware beteiligten Journalisten völlig egal.

Sie versagten schon am Anfang jeder solchen Reportage, wo sich der Journalist – trotz aller Versuchung – fragen muss, aus welchen Motiven er denn angefüttert wird, ob eine Vorselektion stattgefunden hat, wieso zum Beispiel niemals Briefkastenfirmen in den USA oder Grossbritannien aufflogen, obwohl das die beiden Staaten mit der grössten Dichte solcher Einrichtungen sind – und in den USA zudem die grössten Geldwaschmaschinen der Welt stehen.

Da es sich um ungeheuerliche Datenberge im Terabytebereich handelte, machten sich ganze Teams weltweit an die Arbeit. In der Schweiz war Tamedia federführend dabei, natürlich zusammen mit der «Süddeutschen Zeitung», während andere seriöse Organe wie sogar der «Spiegel» von einer Beteiligung Abstand nahmen.

Das Durchforsten der Datenberge war natürlich zeitintensiv, das schlecht benannte «Recherchedesk» von Tamedia war wochen-, monatelang ausgelastet damit, einzelne Namen herauszupflücken und dann in sorgfältig juristisch abgedämpften Formulierungen («weist darauf hin», «könnte bedeuten», «wird normalerweise für Geldwäsche», «gibt keine andere Erklärung als») ans mediale Kreuz zu nageln.

Allerdings hatte insbesondere Tamedia Pech. Trotz aller Bemühungen waren keine saftigen Fälle mit Schweizbezug herauszukitzeln. Gunter Sachs selig mögliche Steuerhinterziehung vorzuwerfen: ein Totalflop. Den schweizerisch-angolanischen Geschäftsmann Jean-Claude Bastos fertigzumachen, seine Firmen zu ruinieren, während er in einem angolanischen Höllenknast schmorte – ein Skandal. Sämtliche aufgrund von Verleumdungen in der «SonntagsZeitung» angestossenen Prozesse endeten mit Einstellung – oder Freisprüchen. Alle.

Der federführende Journalist Christian Brönnimann zeigte null Unrechtsbewusstsein oder wenigstens ein schlechtes Gewissen. Er könne ja nichts dafür, was Strafverfolgungsbehörden so täten.

Nun haben auch die «Panama Papers» ihr klägliches Ende gefunden. Dieser Datendiebstahl ruinierte die panamaische Firma Mossack Fonseca. Sie war bis 2015 in ihrer vierzigjährigen Existenz niemals in Konflikt mit dem Gesetz geraten. Sie stellte Finanzgefässe her, die dann von anderen vertrieben wurden. Völlig legal.

Daraus machte die Journaille dann einen weiteren «Riesenskandal», «Kriminelle, Prominente, Staatsoberhäupter» und natürlich «das Umfeld von Putin» benützten solche Konstrukte, als «geheime Verstecke in Steueroasen». Selbst wenn es so wäre: auch das ist meist legal, nicht strafbar. Aber diese einfache Unterscheidung wurde durch «illegitim und amoralisch» ersetzt.

Und wieder draufgedroschen, bis auch dieses Soufflé im kalten Wind der Wirklichkeit zusammenfiel.

Nun hat noch ein panamaisches Gericht die dort Angeklagten auf ganzer Linie freigesprochen. Nach der sorgfältigen Untersuchung von knapp einer halben Million Aktenseiten.

Indem die Journalistenhehler die ihnen zugespielten Daten zum Aufbauschen von Skandalen und zur Auflagesteigerung verwendet hatten, sei natürlich die juristisch zwingende Aufbewahrungskette unterbrochen worden. Wird am Tatort ein blutiges Messer gefunden, muss das eingetütet, beschriftet und ordentlich in die Asservatenkammer überführt werden. Damit es als Beweismittel taugt.

Fingern Dutzende von Journalisten dran herum, ist es rechtlich wertlos. Zudem reichten «die übrigen Beweise nicht aus, um die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Angeklagten festzustellen». Zwei gewaltige Klatschen für die Hehler.

Denn wären sie nicht so verantwortungslos auf Skandal gebürstet gewesen, hätten sie das getan, was jeder Staatsbürger beim Empfang von Hehlerware tun sollte: sie den zuständigen Behörden übergeben. Aber das ist bis heute nicht und in keinem Fall erfolgt, höchstens partiell und parteilich.

So wie die «Rundschau» sich überflüssig macht, könnte eigentlich auch dieses «Recherchedesk» eingespart werden. Fiele niemandem wirklich auf.

Resozialisierung mal anders

Normalerweise ist heute der Vorwurf «sexuelle Belästigung» tödlich.

Wie steht es aber mit Sex mit Kindern? 2003 wurde ein Urteil rechtskräftig, mit dem ein Journalist wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern schuldig gesprochen wurde. Dafür kassierte er eine bedingte Gefängnisstrafe von 14 Monaten.

Danach war es natürlich mit seiner Karriere in der Schweiz vorbei, er wechselte nach Deutschland. Um einige Jahre später als Redaktor in der Schweiz wieder aufzuerstehen.

Selbstverständlich ist das ein löbliches Beispiel von gelungener Resozialisierung. Genau das ist auch der Sinn unserer Rechtsprechung; eine Strafe soll nicht einfach Bestrafung sein, sondern einen Gestrauchelten wenn möglich wieder auf den rechten Weg zurückführen.

Daher soll das hier keinesfalls eine nachträgliche Nachverurteilung sein. Nur: der Unterschied zu den meisten aktuellen «#metoo»-Fällen liegt auf der Hand. Während es in diesen Fällen identifizierbare Opfer gab, eine ordentliche Gerichtsverhandlung, die mit einem rechtskräftigen Urteil endete, tagt neuerdings der Volksgerichtshof, beziehungsweise die Versammlung von Scharfrichtern in den asozialen Medien und den Hetzpostillen der angeblichen korrekten Lebensart. Die lautstark über solche angeblichen Sexmonster herziehen – bis sich deren Unschuld herausstellt. Oder zumindest sich die oft längst verjährten, anonymen Beschuldigungen als substanzlos, nicht belegbar, gar erfunden erweisen.

Ein besonders abschreckendes Beispiel ist der grossartige Schauspieler Kevin Spacey. Viele Jahre zurückliegender Übergriffe beschuldigt, wie immer baute sich eine Meute von Mitläufern auf, die für Geld oder Ruhm oder beides behaupteten, auch Opfer von Spacey zu sein. Die Meute japste, er verlor alles. Ansehen, Einkommen, Karriere. Dann wurde er auf ganzer Linie freigesprochen. Selbst daran wurde noch herumgemäkelt – und seither herrscht Ruhe. Entschuldigung, Einsehen, Selbstreflexion? Null.

So ging es beim Fall des ehemaligen «Magazin»-Chefredaktors. Beim Fall des ehemaligen Oberchefredaktors der «Blick»-Gruppe, dem nicht mal explizit sexuelle Übergriffe, sondern schwammig eine «Bevorzugung» einer gewissen Gruppe von Redaktoren vorgeworfen wurde.

Und nun der jüngste Fall eines Journalisten, der ausgerechnet vom ach so korrekten Zwangsgebührenfunk SRF ans Kreuz genagelt wurde. Aufgrund von anonymen, nicht zeitlich verorteten Beschuldigungen, bei denen keinerlei Anzeigen erstattet wurden. Dennoch beschreibt SRF die Tätigkeit des Journalisten so entlarvend, dass sie auch gleich seinen Namen hätten hinschreiben können. Statt den Tanz aufzuführen, dass man weder die mutmassliche Opfer, noch den «es gilt die Unschuldsvermutung» mutmasslichen Täter namentlich aufführen wolle.

Bei allem Verständnis für Schamgefühl oder gar Angst: wer zur Vernichtung einer Karriere, einer gesellschaftlichen Existenz ansetzt, sollte vielleicht doch die Courage haben, dazu mit Namen hinzustehen. Selbst Trittbrettfahrerinnen, selbst die rachsüchtige, gefeuerte «Magazin»-Redaktorin bringen diesen Mut auf. Er ist insbesondere unabdingbar, wenn es sich um Vorwürfe handelt, die längst verjährt sind und daher nicht mehr ins Recht gefasst werden können, selbst wenn sie sich als wahr herausstellen.

Denn das wäre der Sinn der so missbrauchten Unschuldsvermutung. Sie setzt nämlich schon einmal voraus, dass es Untersuchungshandlungen einer Strafbehörde gibt. Ohne die dürfte es nichtmal diese Vermutung geben. Dann ist der Mensch nämlich schlichtweg unschuldig wie jeder andere auch, der nicht rechtskräftig verurteilt wurde. Und selbst dann, nach einer Verurteilung, wird die Resozialisierung höher gewichtet als eine anhaltende Stigmatisierung als Straftäter. Wie im Fall des eingangs genannten Redaktors.

So sollte es sein. So ist es nicht. Sexuelle Übergriffe jeglicher Art sind eine Schweinerei. Finden sie am Arbeitsplatz und unter Ausnützung einer Hierarchie statt, sind sie eine doppelte Schweinerei. Wird – fast immer von Frauen – ein sexueller Übergriff behauptet, aus welchen Motiven auch immer, der oftmals schon längst verjährt wäre und der sich oftmals nicht erhärten lässt, ist das ebenfalls eine doppelte Schweinerei. Jedes einzelne Mal ein Hohn für alle wirklichen Opfer. Jedes Mal ein ungesühntes Verbrechen, weil es die Vernichtung einer Karriere, einer sozialen Existenz bedeutet.

Darüber sollten all die Japser nachdenken, die sofort herbeieilen, um mit erhobenem Zeigefinger und moralisch geschwellter Brust über einen neuerliche, widerlichen Sexismus-Skandal zu berichten, wobei natürlich die Unschuldsvermutung gelte, logo.