SRF als Dreckschleuder

Anonym denunziert’s sich ungeniert. Und wer dann noch einen Lautsprecher findet … Teil drei der Sonntags-Serie.

Natürlich liegt die Häme nahe, wie die «Republik» über angeblichen strukturellen Sexismus bei Tamedia herzog, als 78 erregte Mitarbeiterinnen einen Brandbrief mit über 60 unbelegten, anonymisierten und nicht nachprüfbaren, angeblichen Vorfällen publizierten und ausgerechnet via Jolanda Spiess-Hegglin an die Öffentlichkeit brachten.

Aber: bislang besteht die Parallele darin, dass sich bei SRF offenbar eine oder mehrere Frauen gemeldet haben, die im Schutz der Anonymität einen Journalisten sexueller Übergriffe beschuldigen. Daraus hat dann Salvador Atasoy einen halbstündigen «Medientalk» unter dem Titel «Sechs Frauen werfen «Republik»-Reporter sexuelle Belästigung vor» gemacht.

Einleitend wird der Hörer warnend darauf hingewiesen, dass hier «explizite Nachrichten zitiert» würden; empfindliche Menschen, bitte abschalten. Dann wird der Beschuldigte so umschrieben, dass es nicht nur Insidern sofort klar wird, um wen es sich handelt. Es gälte aber für ihn auch der Schutz der Anonymität. Welch Zynismus.

Dann kommt das, was seit einigen Jahren im Schwange ist. Anonyme Anschuldigungen, die bis 2014 zurückverweisen. Anzeigen wurden nie erstattet. Die Denunziantinnen schämten sich, wollten deshalb nicht mit ihrem Namen zu potenziell existenzvernichtenden Anschuldigungen stehen. Es handle sich, kurz gesagt, um 5 Frauen, die mündliche oder schriftliche sexuelle Belästigungen zu Protokoll geben und schlüpfrige Messages vorweisen können. Plus eine Frau, die von einem «schweren sexuellen Übergriff» zu Hause beim Angeschuldigten berichtet.

Der Beschuldigte selbst, auch üblich inzwischen, ist abgetaucht, hat seine Social Media Accounts stillgelegt. Einziges Lebenszeichen: er habe erst durch Atasoy von den Vorwürfen erfahren, es sei niemals Anzeige erstattet worden, die Anschuldigung des massiven sexuellen Übergriffs weise er vehement zurück.

Dann geht es bislang auf dem leider üblichen Weg weiter. Die Anschuldigungen stehen im Raum, angeblich seriöse Medienschaffende überbieten sich in Vorverurteilungen, weil es ein Mitarbeiter von linken Alternativmedien handelt, fehlt es auch nicht an Häme. In der «Medientalk»-Sendung wird eine Unzahl von Wegbegleiterinnen des angeblichen Belästigters zitiert. Mit nachgesprochenen Stimmen, alle, allesamt anonym. Mit Namen kommen nur eine Strafrechtsprofessorin, eine «Forscherin in Kommunikationswissenschaften», eine Psychoanalytikerin und schliesslich eine «Expertin für sexualisierte Gewalt» vor.

Absurd: alle tun so, als gälte es, einen erwiesenen Fall von sexuellen Übergriffen und Belästigungen zu theoretisieren und abstrahieren und einzuordnen. Kleines Problem: alle sprechen hier über einen Unschuldigen. Wenn solche Kriterien bei diesen Wissenschaftlerinnen überhaupt noch etwas gelten würden.

Das Gegenteil ist richtig: hier disqualifizieren sich vier Frauen, schwimmen sozusagen im Kielwasser von Stämpfli, schwadronieren vom «Geniemythos», «viele Täter nehmen sich nicht als solche wahr», behauptet eine Marion Guerrero. Schön, dass ihre blosse wissenschaftliche Wahrnehmung so glasklar Unschuldige als Schuldige entlarvt. Das sollte sie sich patentieren lassen, es würde viele Prozesse einfacher machen.

«Sowohl bei der WoZ wie bei der «Republik»soll es also angeblich zu sexueller Belästigung gekommen sein», leitet Atasoy das Kapitel «Sex und Drogen» ein. Gefolgt von weiteren Zitaten von expliziten sexuellen Texten, die vom Beschuldigten stammen sollen. Es sind typische Männerfantasien. Werden sie in einer einvernehmlichen Beziehung formuliert, müssten deswegen wohl ungefähr 90 Prozent aller Männer als Sexmonster denunziert werden.

Das Problem, dass hier jemand angeblich über Jahre hinweg Frauen, Arbeitskolleginnen übel angemacht hat, die ihn aber weder bei den vorhandenen Meldestellen denunzierten, geschweige denn bei der Polizei anzeigten, wird so wegerklärt, dass es hier um Traumata, Angst, Einschüchterung, Selbstvorwürfe, Scham gehe.

Das mag so sein. Aber: «sexuelle Belästigung» ist ein dermassen schwerer, jeder strafrechtlichen Einordnung nach seiner Verjährung entzogener Vorwurf, der zudem beleg- und straffrei für den Beschuldiger erhoben werden kann, dass vor allem Medien mehr als vorsichtig damit umgehen sollten. Aber seit dem Fall Tamedia, seit dem Fall Canonica, seit dem Fall Spacey haben die Medien nichts gelernt.

Der Denunziant Atasoy mag sich nun damit verteidigen, dass man schliesslich aufgrund «monatelanger Recherchen», Zeugenaussagen, Screenshots usw. über einen solchen Fall berichten müsse. Allerdings hätten sich die Denunziantinnen anonym bei der externen Fachstelle der «Republik» gemeldet, aber den Namen der beschuldigten Person genannt. Gleichzeitig hätten sie auf einer sogenannten «see only»-Klausel bestanden. Das habe der Geschäftsleitung der «Republik» die Hände gebunden, sie habe nichts unternehmen können und vor allem den Beschuldigten nicht konfrontieren.

Das bedeutet also, dass die Denunziantinnen von Anfang an weder mit ihrem Namen hinstehen wollten, noch dem namentlich Denunzierten schnell die Gelegenheit geben, zu den Vorwürfen etwas zu sagen. Das alleine stinkt schon zum Himmel.

Was passiert hier? Der Mediengerichtshof hat bereits getagt. «Damit endet diese Geschichte – für uns. Sollte es zu einer Untersuchung kommen, geht sie weiter, zumindest für einen Teil der Sechs, die diese Geschichte dann noch einmal erzählen müssten», endet Atasoy so einfühlsam wie verräterisch. Denn vor allem geht die Geschichte für den Angeschuldigten weiter.

Schuldig im juristischen Sinn ist er sowieso nicht; alle Vorfälle dürften verjährt sein. Ob er schuldig im moralischen Sinn ist, haben die medialen Scharfrichter bereits entschieden. Opfer Canonica sah sich wenigstens mit Anwürfen konfrontiert, die einen Absender hatten. Also konnte er sich dagegen konkret zur Wehr setzen und nachweisen, dass es sich um die Rache einer frustrierten und gefeuerten Mitarbeiterin handelte, die öffentlich rechtfertigen wollte, wieso ihre Karriere nicht auf dem Sessel der Chefredaktion des «Magazin», sondern mit einem Rausschmiss geendet hatte.

Im aktuellen Fall sieht sich der enttarnte «Reporter» anonymen Anschuldigungen gegenüber, die mit einer Ausnahme aus dem Vorwurf verbaler sexueller Belästigungen bestehen. Wobei bislang nur behauptet wird, dass diese expliziten Männerfantasien nicht einvernehmlich und ausserhalb einer Beziehung stattfanden.

Dass innerhalb und ausserhalb des Betts Verbalerotik betrieben wird, auch deftiger und brachialer Natur, ist wirklich nichts Neues. Sind die Objekte dieser Mitteilungen tatsächlich nicht damit einverstanden gewesen, ist es übergriffig und verächtlich. Wieso die dann allesamt aber – wie die erregten Tagi-Frauen, wie die Denunziantin von Canonica – sich weder bei den internen Stellen, noch bei den Strafverfolgungsbehörden gemeldet haben, wieso sie sich ausgerechnet jetzt – nach bis zu 9 Jahren später – bei SRF melden, aus welchen Motiven Atasoy diese Sendung gemacht hat, man weiss es nicht.

Einzig felsenfest steht: der Reporter muss lange Jahre darauf warten, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Völlig unabhängig davon, ob alle Vorwürfe, einer oder keiner zutrifft: Täter könnte er sein, Opfer ist er. Und das ist mindestens so eine Sauerei wie ein sexueller Übergriff. Nur wird er vom Volksgerichtshof der öffentlichen Meinung abgeurteilt; die Denunziantinnen kommen unter dem Schutz der Anonymität auch dann davon, wenn sich ihre Beschuldigungen als erfunden herausstellen sollten. Was nicht das erste Mal wäre.

6 Kommentare
  1. C. Wallens
    C. Wallens sagte:

    Wäre der betreffende Journalist ein Bürgerlicher, hätte man ihn längst mit Namen in fetten Lettern, seitengrossem Bild, Parteizugehörigkeit (igitt..) und erweiterten Bekanntenkreis im vereinten Mainstream auf allen Kanälen durch den Kakao gezogen. Beim Betreffenden fehlt mir da das Mitgefühl völlig und überkommt in mir die Schadenfreude, einem Charakterzug, von dem auch ich nicht gänzlich gefeit bin.

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  2. Niklaus Fehr
    Niklaus Fehr sagte:

    Ich will hier nicht den Hohepriester spielen, aber all diese Belästigungen und Übergriffe hat es schon immer gegeben. Es war früher keinen Deut besser. Der Unterschied ist einfach, dass heute alles öffentlich abgehandelt wird. Dadurch, dass jeder mitmachen kann bei einem Shitstorm des mobilisierten Mobs kommt es zu unkontrollierten «Hexenverforgungen». Dank Internet zurück ins Mittelalter. Eine tolle Entwicklung. Aber eine Erklärung dafür, warum hochentwickelte Zivilisationen immer wieder untergegangen sind. Macht aber nichts. Das gehört zum Spiel des Lebens. Kein Mensch würde geboren werden wollen, wenn da nicht was los wäre.

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  3. Beth Sager
    Beth Sager sagte:

    Es kommt die Zeit, wo Frauen bei einer allfälligen Rekrutierung bloss noch als black box und juristische Hypothek empfunden werden (gilt nicht nur für den Medienbereich). Wie will sich eine Unternehmung wappnen dagegen, wenn nach einem angeblichen Vorfall nach vielen Jahren, ein geschäftsschädigender Fall konstruiert wird?

    Gut gesagt von R.Zeyer: «Werden sie in einer einvernehmlichen Beziehung formuliert, müssten deswegen wohl ungefähr 90 Prozent aller Männer als Sexmonster denunziert werden». Es zeichnet sich ab, dass selbst Flirten in dieser aufgeheizten Stimmung zu einem no go geworden ist. Auch selbst der Blickkontakt könnte verfänglich sein…….

    Vielleicht ist das Modell von elleXX gar nicht so schlecht mit seinen Frauen only-Arbeitsplätzen? Aufgestachelte, neurotische Frauen können auch nach 10 Jahren einen ganzen Betrieb hops gehen lassen. Wir leben in akut toxischen Zeiten!

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  4. Jürg Streuli
    Jürg Streuli sagte:

    Zackbum lässt wohl Journalisten-Solidarität gegenüber dem mutmasslichen linken Grüsel bei der Republik walten. Es gilt noch die Unschuldsvermutung. Als Einzelfall kann eine sexuelle Anmache gegenüber einer Untergebenen ja einmal durchgehen. Wenn aber der Täter systematisch seinen hohen Status im Team als linker «Starreporter» einsetzt, um Frauen für spätere erotische Abenteuer zu beeindrucken und gefügig zu machen, dann wird systematisch das hierarchische Abhängigkeitsverhältnis missbraucht. Das war genauso bei Roman Burger von der Unia. Doch ein Abhängigkeitsverhältnis für sexuelle Absichten auszunützen ist komplett verwerflich und durch absolut nichts zu rechtfertigen!

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    • René Zeyer
      René Zeyer sagte:

      Red. Wir werden solche Kommentare nicht mehr dulden. Auch wenn es langsam der einzige Ort in der Medienwelt zu sein scheint: hier gilt die Unschuldsvermutung, und keiner ist ein Täter, der nicht als solcher verurteilt wurde. Ende der Debatte.

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