Wenn die NZZ knutschen will,

dann interviewt sie Gerhard Pfister.

Die frischgebackene «Redaktorin Gesellschaft» Esthy Baumann-Rüdiger wirft dem Mitte-Chef Pfister Kusshändchen, Pardon, Fragen zu.

Beziehungsweise Feststellungen, Einladungen zum Plaudern: «Sie haben ein besonderes Verhältnis zur Literatur.» Dann der Klassiker jedes People-Interviews im niederen Boulevardbereich:

«Sie waren acht Jahre alt, als Ihre Mutter starb. Was hat das mit Ihnen gemacht

Da bleibt sie dann investigativ hartnäckig: «In welchen Momenten hat Ihnen eine Mutter gefehlt? – Sie lernten Ihre Mutter also eher über andere Menschen kennen?» Aber auch tiefe Fragen hat sie im Köcher: «Gibt es Dinge, die Sie fürchten?» Eigentlich geht es auch um die letzten Fragen: «Sie sagten, es sei Zufall, dass Sie noch am Leben seien. Andere würden es Schicksal oder Vorbestimmung nennen. – Hat sich dadurch die christliche Perspektive auf ein Leben nach dem Tod für Sie relativiert

Sie arbeitet gnadenlos den Katalog der einfühlsamen Talkshow-Fragen bis zum letzten Posten durch: «Welchen Traum würden Sie sich gerne erfüllen

Ach, und die Antworten? Freundliches Geplauder, nicht der Rede wert.

Interessant ist aber die Frage, wieso sich die NZZ nicht mehr allzu entfernt von den nächsten Wahlen so an den Chef der Mittepartei ranschmeisst. Vielleicht deswegen, weil deren Bundesratssitz genauso wackelt wie einer der beiden FDP-Sitze.

Sicherlich, eingekleidet ist das in eine typische Sommerserie. Wir sprechen mit allen Parteichefs, Bedingung: es wird über alles gequatscht, nur nicht über Politik.

Erschwerend kommt hinzu, dass im konservativen Lager die SVP die FDP längst abgehängt hat und die liberale Partei trotz langer Tradition höchstens noch als Juniorpartner mitspielen dürfte. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die FDP sowohl in der Frage Neutralität und Ukrainekrieg wie auch beim blamablen Ramschverkauf der Credit Suisse nicht gerade mit Ruhm und Ehre bekleckert hat. Ausgerechnet die Wirtschaftspartei hat eine Bundesrätin, die von Wirtschaft oder Finanzen oder Banken nun wirklich keine Ahnung hat, aber Finanzministerin ist.

Das alles mögen Gründe sein, sich bei der «Mitte» etwas ranzuschmeissen. Aber muss das gleich so peinlich sein? Man könnte doch auch aus der Distanz mal einen koketten Blick rüberwerfen, in die Mitte. Sich beim Setzen den Stuhl zurechtrücken lassen. Mit den Wimpern klimpern. Aber gleich so? Das ist eine Ranschmeisse, die Pfister ohne weiteres als übergriffig zurückweisen könnte. Tut er natürlich nicht.

Aber wundern tut er sich sicherlich. So wie der NZZ-Leser auch.

 

4 Kommentare
  1. Beth Sager
    Beth Sager sagte:

    Einspruch. Das Gespräch war bewusst deklariert als eine Unterhaltung ohne politischen Hintergrund. Es wird in der NZZ eine gleiche Serie geben mit weiteren Gästen im gleichen Modus. Kann man doch so machen als Sommerlektüre.

    Abgesehen von diesem Interview, der den Menschen Pfister in der Vordergrund rückt, so finde ich Nationalrat Gerhard Pfister eine kluge, sympathische Person.

    Folgerung: Es müsste mehr Pfister’s geben im Parlament mit seinen analytischen Fähigkeiten und seiner besonnenen Art.

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    • René Küng
      René Küng sagte:

      Noch mehr Pfister, damit wir ein Pfister-Regiment für die Ukraine stellen können?
      Jetzt wo’s eng wird für die ewigen Sieger.

      Jeanne Sager gibt immerhin das Beispiel, sie füllt die Quote und trägt die Fahne zuvorderst, wenn unsere Freiheit verteidigt wird. Die, die hinter dem Herd bleibt wird’s freuen.

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    • Ludwig Detusch
      Ludwig Detusch sagte:

      Meinen Sie den tiefgründig analysierenden Pfister, der Gegner des Covid-Gesetzes als «unschweizerisch» bezeichnete (2021) und der die Schweizer Neutralität «unanständig» nannte (2022)?

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      • René Küng
        René Küng sagte:

        obwohl es auf Twitter mehrere Pfister gibt, die so viele States mens abgeben, dass in einem 24h Stunden Tag kaum mehr Zeit bleibt, was Gescheites zu leisten,
        lese ich nur EINEN tief pfründigen Pfister.

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