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«Blick» in die Abenddämmerung

Wie man ein einstmals erfolgreiches Boulevardblatt in den Abgrund führt.

«Manchmal beginnt man eine Kolumne am besten mit einer Zahl. Die Zahl lautet 74 852. Die Zahl ist die neuste beglaubigte Auflage des Blicks.» So startet Medienjournalist Kurt W. Zimmermann seine neuste Kolumne in der «Weltwoche».

Natürlich ist das ein wenig polemisch, denn alle Printtitel verzeichnen schmerzliche Auflageverluste im Print. Und versuchen, das mit Zugewinnen online schönzureden.

Aber nirgendwo ist’s so dramatisch wie beim «Blick». Der hatte mal, das waren noch Zeiten, eine Auflage von 380’000. Wie soll man das einordnen? Natürlich hat auch der Verkauf von Dampfloks nach der Elektrifizierung der Eisenbahn dramatisch nachgelassen. Ist das bei Newsmedien nach der Erfindung des Internets nicht vergleichbar?

Nein. Hier besteht nur insofern eine Ähnlichkeit, als die meisten Medienkonzerne versuchen, im Internet mit der Dampflok zu fahren. Sie verschenken dabei Inserateeinnahmen an Google, versuchen es mit Bezahlschranken und «Paid Content», wo sie die Beine spreizen und werblichen Inhalt wie redaktionelle Beiträge daherkommen lassen, bis es unappetitlich wird.

Besonders ungeschickt stellt sich auch hier der «Blick» mit seinem «Blick+» an. Trotz gewaltiger Werbekampagne mit dem bescheuerten Slogan «plussen» ist die Anzahl Abonnenten nur unter dem Mikroskop zu erkennen. «Blick am Abend», eingestellt. «Blick TV», enthauptet, skelettiert. SoBli, als eigenständige Marke ausgehöhlt. Den fähigen Oberchefredaktor Christian Dorer aufgrund einer Weiberintrige gegen ihn aus fadenscheinigen Gründen per sofort freigestellt. Dann eine gewichtige Untersuchung angekündigt, das Resultat aber verschwiegen.

Leute, die noch meinen, im «Blick» politisch relevante Themen aufgreifen zu können, ergreifen die Flucht, wie zuletzt Sermîn Faki und Pascal Tischhauser. Stattdessen gibt es eine Inflation von Chiefs, Heads und Officers, viele Häuptlinge, wenig Kindersoldaten als Redaktionsindianer.

So wie sich Tamedia von linksautistischen Gutmenschen in den Abgrund schreiben lässt, steuert der «Blick» das gleiche Ziel damit an, dass er sowohl politisch wie gesellschaftlich in die Bedeutungslosigkeit absinkt. Eine Oberchefin, die zuvor in einer geschützten Werkstatt einen zwangsgebührenfinanzierten Randgruppensender für 30’000 Rätoromanen betrieb, und ein «Chief Content Officer», der sich im Sport auskennt, ein Duo Infernal für ein Boulevard-Organ, das laut oberster Direktive gar keins mehr sein will.

Aber was ist ein Produkt, das sich durch grosse Buchstaben, kurze Texte und bunte Bilder definiert, wenn es kein Boulevardblatt mehr sein darf? Dann ist es nichts mehr. Das ist so, wie wenn einer Chilisosse die Schärfe genommen wird. Wie alkoholfreier Wein. Wie ein Auto ohne Motor.

Das Fatale daran ist, dass der «Blick» nicht etwa von Anfang an eine Fehlkonstruktion war. Sondern mit den klassischen Handgriffen zu einem Erfolgsmodell und zu einer sprudelnden Geldquelle wurde. Busen, Büsis, Blut. Plus Kampagnen, plus Lufthoheit über den Stammtischen, plus keine Angst vor einfachen Lösungen und Forderungen, wie es halt dem Volks gefällt. Plus Meinungsmacht. Wie sagte der Machtstratege Gerhard Schröder mal so richtig: «Man kann Deutschland nicht gegen die «Bild» regieren.»

Obwohl auch dieses Boulevardblatt schmerzlich an Auflage verloren hat, ist es immer noch Meinungsmacht geblieben. So wie der «Blick» in der Schweiz mal eine war. Gefürchtet von Politikern, aber auch von Promis und solchen, die es sein wollten. Denn er wendete das alte Prinzip an: hochschreiben, bejubeln, dann niedermachen. Wer willig für Interviews zu haben war, Intimes auf Wunsch ausplauderte, der wurde gehätschelt. Wer sich dem verweigerte, wurde geprügelt.

Auch Männerfreunschaften wurden gepflegt, wie die von CEO Marc Walder mit Pierin Vincenz, Alain Berset oder Philippe Gaydoul. Die durften sich in der Sonne wohlwollender Berichterstattung aalen. So wie bis vor Kurzem auch DJ Bobo, denn zu Ringier gehört ja ein Konzertveranstalter. Inzwischen ist da aber etwas kaputtgegangen, denn der Bäcker aus dem Aargau mit seiner klebrigen Stampfmusik wird inzwischen nach allen Regeln der Kunst in die Pfanne gehauen.

Nur: er verzichtet auf jede Stellungnahme, jeden Kommentar. Denn dieser René Baumann ist ein cleveres Kerlchen. Er weiss, dass man heutzutage Gewäffel vom «Blick» einfach abtropfen lässt. Wirkungslos.

Dass der «Blick» seit Jahren links an seinem Zielpublikum vorbeischreibt, ist das eine. Immerhin wurde die obsessive Fehde mit dem «Führer aus Herrliberg» beendet. Aber politische Bedeutung, die hat der «Blick» spätestens seit der Machtübernahme zweier Frauen nicht mehr. Obwohl das Hausgespenst Frank A. Meyer unermüdlich «Relevanz» fordert, was Ladina Heimgartner vielleicht mit «Resilienz» verwechselt.

Das Schicksal des «Blick» ist deswegen besonders tragisch, weil er eigentlich eine USP hätte. Würde er wieder richtigen, guten Boulevard machen, könnte das Blödelblatt «watson» einpacken, «20 Minuten» hätte endlich eine ernstzunehmende Konkurrenz. Denn es gibt schlichtweg kein Boulevardblatt mehr in der Schweiz.

Aber gegen ständige Fehlentscheide ist keine Zeitung der Welt auf die Dauer resilient. Und eines ist im Journalismus dann doch gewiss: Lächerlichkeit tötet. Wie ZACKBUM nicht müde wird zu belegen

Wollen täten wir schon …

Nur: ist es nicht hoffnungslos?

Wenn man helfen kann, ist ZACKBUM zur Stelle. Das ist ja unsere eigentliche Aufgabe: zu helfen, dass die Medien besser werden. Nur: sie werden immer schlechter, trotz all unserer Bemühungen. Aber gut, das hier könnte ein Lichtblick sein:

Wir haben trotzdem weitergemacht. Trotzdem? Ja, denn wir mögen es ausgesprochen nicht, einfach so geduzt zu werden. Was wir noch weniger mögen: wenn es schon im zweiten Wort einen Fehler hat. Welche Sprachamateure müssen da am Werk sein, wenn die nicht mal das Adjektiv «willkommen» richtig schreiben können?

Aber gut, auch das konnte unsere Hilfswilligkeit nicht bremsen. Dann also zu den Fragen, die wir alle tapfer beantwortet haben. Der Beweis:

Lustig war eigentlich keine Frage, ausser vielleicht der hier:

Wir haben lange geschwankt, ob wir stattdessen nicht «Keine Angabe» anklicken sollten, aus Solidarität mit allen Verwirrten, die nicht mehr wissen, welchem Geschlecht sie sich eigentlich zuordnen sollen. Kein Wunder, es gibt ja ungefähr 160 verschiedene Gender; da brauchen manche ein Leben lang, um nicht herauszufinden, welches das für sie passende ist.

Aber Scherz beiseite, aus dem Inhalt von Umfragen kann man schöne Rückschlüsse ziehen, wo denn eigentlich der Schuh drückt. Das ist hier mehr als offensichtlich: nach den üblichen Einleitungsfragen geht es dann ausführlich um «Blick+».

Nicht alle ZACKBUM-Leser kennen das. Das ist die furchtbar originelle, der «Bild»-Zeitung abgekupferte Idee, die Angebote von «Blick» teilweise hinter eine Bezahlschranke zu verstauen. Das ist auch gelungen – zumindest technisch. Allerdings sind die Inhalte so unterirdisch (ZACKBUM machte sich bereits mehrfach darüber lustig), dass man sich fragt, wer denn bereit ist, dafür wirklich Geld auszugeben.

Leider hilft einem da Ringier nicht weiter; die Zahl der zahlenden Gäste ist ein gleich behütetes Staatsgeheimnis wie die Zahl der Zuschauer von «Blick TV». Wenn aber ein Verlag auch lange nach der Einführung eines neuen Gefässes nur murmelt, dass die Zahlen sehr erfreulich seien und selbstverständlich oberhalb der Erwartungen liegen und man wirklich gut unterwegs sei, dann kann das nur eines heissen: au weia.

Aber eigentlich wollten wir ja dem Hilferuf von «Blick» gehorchen. Wie könnte denn das Blatt mit dem Regenrohr im Logo besser werden? Nun, definieren wir zuerst besser. Besser heisst doch wohl höhere Einschaltquote, mehr Einnahmen. Besser heisst, als Stimme wahrgenommen werden. Besser heisst, Debatten anzustossen, in der Bevölkerung virulente Themen zu artikulieren, klar Stellung beziehen. Besser heisst, Kampagnen fahren, wie es sich für den Boulevard gehört.

Aber hoppla, Boulevard? Das will der «Blick» ja laut seiner Vordenkerin gar nicht mehr sein. Nix mehr «Blut, Busen und Büsis». Aber war das denn nicht jahrzehntelang eine Erfolgsmischung? Es mal krachen lassen mit grossen Buchstaben? Nicht so edle Instinkte bei den meist männlichen Lesern ansprechen? Sich darüber aufregen, worüber sich die Bevölkerung aufregt? Selber Aufreger schaffen? Volkes Stimme sein, die Lufthoheit über den Stammtischen erobern und behalten?

Ach so, das alles will «Blick» ja nicht mehr sein. Was dann? Das weiss niemand so richtig, und wer’s wusste, wurde rausgeschmissen. Wie soll man da noch helfen? Da ist man hilflos, und es ist hoffnungslos.

«So sad», wie Trump sagen würde, der alte Heuchler, der aber ein ungemein gutes Gespür für Volkes Stimme hat. Aber Hand aufs Herz, hat das irgend jemand beim «Blick»? ZACKBUM verspricht Finderlohn.

«20Min» ist der neue «Blick»

So geht Boulevard. Tamedia macht’s Ringier vor.

Der «Blick» wurde enteiert und seines Markenkerns beraubt. Leser mit Entzugserscheinungen haben nun einen rettenden Hafen gefunden:

«Töchter bei BDSM-Sessions gefesselt? Jetzt spricht der Stiefvater». So macht man das. Nur noch leicht optimierbar; dass BDSM die Abkürzung für «Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism» ist, dürfte wohl nur Anwendern dieser Praktik bekannt sein. «Perverse Sexspiele» heisst das im gepflegten Boulevard.

Auch der nächste Dreierschlag auf der Homepage ist bester Boulevard:

Geht da noch einer? Klar:

Aber auch ernste Themen kann «20 Minuten»:

Natürlich darf die Abteilung «jöh» und Lebenshilfe nicht fehlen:

Aber auch die Politik und die Wahlen kommen kurz und knackig:

Sex-Ratgeber, da bist du, warst du:

Und noch eine Kategorie, die auch anderen Medien gut anstünde:

Muss man nicht wissen, ist aber gut zu wissen. Es kann dann auch nicht alles gelingen:

Uralt-Sonnenbrillenmodelle, rezykliert und für 200 Franken aufwärts, na ja. Der Dicke mit der merkwürdigen Frisur als Trendsetter? Wunderbar. Nur sollte man dann den Titelbalken nicht über seinen Trend legen, denn das unförmige Jacket und die zerknitterten Hosen sind’s nicht, sondern das hier:

Nach unten schauen, ganz nach unten. Genau, Fischersandalen heisst das, weil da das Wasser rein und auch wieder rauslaufen kann. Was uns der nordkoreanische Diktator damit sagen will, das entzieht sich allerdings der rationalen Analyse, genau wie die meisten seiner Taten.

ZACKBUM ist begeistert. «20 Minuten» illustriert mal wieder ein Grundprinzip des Kapitalismus. Wenn ein Marktteilnehmer ohne Not und aus Dummheit ein Marktsegment aufgibt, nach dem Nachfrage existiert, kommt ein anderer und füllt die entstandene Lücke.

Stellen wir dagegen die Front des Print-«Blick»:

Dafür wollen die tatsächlich 3 Franken. Ablöscher-Headline im abgenudelten «Darum wird ...»-Stil. Schon veraltete Stricker-Headline. Aufreger-Versuch mit dem «Wolfs-Massaker», Dragqueens, die den meisten Lesern dann doch am Allerwertesten vorbeigehen, der deutsche Bundeskanzler mit Augenklappe; ein Foto, das jeder schon überall gesehen hat, ein «Bild des Tages», oder auf Deutsch: ein Füller, wir konnten beim besten Willen nichts anderes zusammenkratzen und auf die Front klatschen.

Und schliesslich das missglückte Logo, das nicht mal durch Gewöhnung besser wird. Kein Knaller mehr, wie es sich für Boulevard gehören würde. Rechts ein unverständlicher Strich, das L als Regenrohr, fort mit allem Kantigen, so soll es angeblich weiblicher werden, was bekanntlich – neben dem grün-woken Intellektuellen, das Stammpublikum des «Blick» ausmacht.

So macht man das richtig:

Ach, und übrigens, das Original, das nur deswegen ungestraft abgekuppelt werden durfte, weil es ja im Hause bleibt, ist wie fast immer viel besser als die Kopie:

Ach, und während «20 Minuten» konsequent gratis ist und bleibt, setzt «Blick» neuerdings auch noch auf eine Bezahlschranke, hinter der Unbezahlbares versteckt wird. Unbezahlbar, weil wertlos.

«20 Minuten» müsste nur noch hier und da etwas nachschärfen und sich vielleicht überlegen, ob es die vornehme Zurückhaltung aufgeben wollte und in den Kampagnen-Journalismus einsteigen. Ja nicht mit Kommentaren und Meinungen, aber mit knackigen Wellen. Zum Beispiel: «Wir fordern gerechte Renten für alle». Aufregerthema, populistische Nummer, das könnte noch weiter Schub geben.

Auf diese naheliegende Idee ist das Blatt der einfachen Worte für einfache Menschen auch nicht gekommen, dafür aber «20 Minuten»:

Und nein, das ist kein «Paid Content»; ZACKBUM ist konsequent werbefrei wie die «Republik», hat aber weder Steuerprobleme noch einen Sex-Skandal am Hals.

 

Wenn die NZZ knutschen will,

dann interviewt sie Gerhard Pfister.

Die frischgebackene «Redaktorin Gesellschaft» Esthy Baumann-Rüdiger wirft dem Mitte-Chef Pfister Kusshändchen, Pardon, Fragen zu.

Beziehungsweise Feststellungen, Einladungen zum Plaudern: «Sie haben ein besonderes Verhältnis zur Literatur.» Dann der Klassiker jedes People-Interviews im niederen Boulevardbereich:

«Sie waren acht Jahre alt, als Ihre Mutter starb. Was hat das mit Ihnen gemacht

Da bleibt sie dann investigativ hartnäckig: «In welchen Momenten hat Ihnen eine Mutter gefehlt? – Sie lernten Ihre Mutter also eher über andere Menschen kennen?» Aber auch tiefe Fragen hat sie im Köcher: «Gibt es Dinge, die Sie fürchten?» Eigentlich geht es auch um die letzten Fragen: «Sie sagten, es sei Zufall, dass Sie noch am Leben seien. Andere würden es Schicksal oder Vorbestimmung nennen. – Hat sich dadurch die christliche Perspektive auf ein Leben nach dem Tod für Sie relativiert

Sie arbeitet gnadenlos den Katalog der einfühlsamen Talkshow-Fragen bis zum letzten Posten durch: «Welchen Traum würden Sie sich gerne erfüllen

Ach, und die Antworten? Freundliches Geplauder, nicht der Rede wert.

Interessant ist aber die Frage, wieso sich die NZZ nicht mehr allzu entfernt von den nächsten Wahlen so an den Chef der Mittepartei ranschmeisst. Vielleicht deswegen, weil deren Bundesratssitz genauso wackelt wie einer der beiden FDP-Sitze.

Sicherlich, eingekleidet ist das in eine typische Sommerserie. Wir sprechen mit allen Parteichefs, Bedingung: es wird über alles gequatscht, nur nicht über Politik.

Erschwerend kommt hinzu, dass im konservativen Lager die SVP die FDP längst abgehängt hat und die liberale Partei trotz langer Tradition höchstens noch als Juniorpartner mitspielen dürfte. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die FDP sowohl in der Frage Neutralität und Ukrainekrieg wie auch beim blamablen Ramschverkauf der Credit Suisse nicht gerade mit Ruhm und Ehre bekleckert hat. Ausgerechnet die Wirtschaftspartei hat eine Bundesrätin, die von Wirtschaft oder Finanzen oder Banken nun wirklich keine Ahnung hat, aber Finanzministerin ist.

Das alles mögen Gründe sein, sich bei der «Mitte» etwas ranzuschmeissen. Aber muss das gleich so peinlich sein? Man könnte doch auch aus der Distanz mal einen koketten Blick rüberwerfen, in die Mitte. Sich beim Setzen den Stuhl zurechtrücken lassen. Mit den Wimpern klimpern. Aber gleich so? Das ist eine Ranschmeisse, die Pfister ohne weiteres als übergriffig zurückweisen könnte. Tut er natürlich nicht.

Aber wundern tut er sich sicherlich. So wie der NZZ-Leser auch.

 

«Blick» plustert, reloaded

Ladina Heimgartner gewährt ein Interview. Es darf gelacht werden.

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Was der Tagi im Allgemeinen ist, ist persoenlich.com im Speziellen, im Kommunikationsbereich. Wer eine gewisse Bedeutung hat und ein Interview geben will, in dem er unbelästigt von kritischen Fragen was sagen möchte, ist hier richtig.

Also stellte sich Ladina Heimgartner (die Dame mit der extrabreiten Visitenkarte dank Ämterakkumulation) den Wattebauschfragen von Nick Lüthi (ehemals «Medienwoche», dann kä Luscht).

Immerhin, während es bei Tamedia häufig ärgerlich ist, kommt hier der Humor nicht zu kurz. Allerdings der unfreiwillige. Wieso habe denn der «Blick» so lange gezögert, eine Bezahlschranke einzuführen? «Die Zeit war bis jetzt einfach nicht reif. … Je mehr oben in den Trichter reinkommt, desto grösser ist die Chance, dass unten etwas hängenbleibt.»

Hä? Wodurch ist denn die Zeit reif geworden? Was unterscheidet die reife Zeit von der unreifen? Ist ein Trichter ein Gefäss, bei dem unten etwas hängenbleibt? Wieso kennen wir diese Art von Trichter bislang nicht? Gibt es vielleicht eine Zeichnung davon? So wie vom Yeti?

Wie reifte denn die Entscheidung? Heimgartner habe sich umgeschaut und umgehört: «alle haben uns gesagt: «Macht das, habt keine Angst!» Diesen Ratschlag bekamen wir überall.» Als furchtlose Kämpferin für Resilienz, dabei verantwortlich für den grössten Auflageschwund im Schweizer Medienmarkt, hat Heimgartner dann die Bezahlschranke hochgezogen.

Aber damit ist sie noch nicht am Ende des Lateins, wohl weil sie Romanisch kann. Denn sie fragt sich – wohl im Meyerschen Sinne –, was denn die Aufgaben der Medien seien: «Früher war die Antwort ganz klar: informieren und unterhalten. Heute sollten grosse Medientitel – und der Blick ist nun mal einer der grössten – Begleiter in allen Lebenslagen sein.» Sagen wir mal so: dass der «Blick» immer kleiner wird, ist Heimgartners Verantwortung …

Begleiter, Service, da wagt selbst Lüthi die kritische Frage, ob das Internet nicht jetzt schon von Service-Angeboten und Lebenshilfe überquelle. Erst noch gratis. Nun darf man sich bereits die Lachtränen abwischen: «Bei uns steht ein Qualitätsstempel drauf. Da stehe ich zu 100 Prozent hinter Blick. Wir bieten eine Qualität, die einfach verständlich und sehr nah bei den Menschen ist. Das unterscheidet uns von anderen.»

Aber wieso sollte denn nun ein Abo gekauft werden? «Wer sich kurz informieren will, kann das weiterhin genauso tun wie bisher auf Blick.ch. Wer aber in ein Thema eintauchen möchte, kauft ein Abo.» In ein Thema eintauchen, beim «Blick»? Gröl.

Was für Veränderungen ergeben sich sonst noch aus dem «Blick+»? «Blick bleibt Blick, egal ob ein Artikel kostet oder nicht. Da müssen wir den genau gleichen Qualitätsanspruch haben.» Kicher.

Nun kommt aber der Überhammer, so ganz nebenbei. Sei das ein weiterer Schritt weg vom Boulevard? «Genau, wir nennen es nicht mehr Boulevard. Wir verstehen uns als Newsplattform, die schnell ist und auch komplexe Themen sehr einfach erklären und erläutern kann. Dabei stellen wir immer den Menschen ins Zentrum – das macht uns aus, dafür stehen wir.»

«Blick» ist Boulevard. ZACKBUM will nun Heimgartner nicht erklären müssen, was Boulevard ist. Das verstünde sie sowieso nicht. Aber sagen wir so: Boulevard, das macht den «Blick» resilient.

Dann, clever ist die Dame, kommt noch der finanzielle Abbinder: «Natürlich haben wir einen soliden Businessplan. Aber wenn wir zum Beispiel in drei Jahren nicht den Break-even erreichen, hören wir nicht auf mit Blick+. Es geht ja nicht nur darum, ob es ein Digitalabo gibt oder nicht, sondern um ein ganzes Ökosystem

Aha. Es gibt einen stabilen Businessplan. Wenn der dann aber nicht so stabil wäre, macht’s auch nix. Wobei noch die (ungestellte) Frage wäre, was Heimgartner eigentlich unter «Break-even» versteht. Dass der «Blick» mit Bezahlschranke online nicht weniger Geld macht als ohne? Dass er mehr Geld verdient? Wenn ja, wie? Aber wir wollen doch nicht grübeln.

Dann wird Lüthi, immerhin, doch noch etwas fies und fragt, wie das «werteorientierte» Unternehmen Ringier, dass einen verdienten Chefredaktor schon deswegen in den Zwangsurlaub schickt, weil der angeblich «eine gewisse Mitarbeitergruppe bevorzugt behandelt haben» soll, mit Werten wie Gleichstellung oder LGBTQ beispielsweise in Serbien umgehe.

Da braucht Heimgartner zwei Anläufe: «Ringier ist auch sehr unternehmerisch getrieben und die Managements in den verschiedenen Ländern sind weitgehend autonom.» Das reicht dann wohl nicht, muss sie sich gesagt haben: «Ringier Serbien steht hinter unseren Werten, etwa in Sachen LGBTQ oder sie positionieren sich klar im Russland-Ukraine-Kontext, mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt.» Hier braucht der Leser ein neues Taschentuch, aber ein grosses, für die Lachtränen. Und der schlecht vorbereitete Lüthi haut ihr hier keine Schlagzeilen von Blic-Serbien um die Ohren.

Aber immerhin hakt er nach, wie das denn konkret bei Blic in Serbien aussehe. Heimgartner rudert resilient vor sich hin; das Blatt bilde eine «breite Perspektive an Ansichten ab. Darunter auch Positionen, über die wir hier in der Schweiz vielleicht die Nase rümpfen würden oder die wir aus unserer Sicht sogar verurteilen, etwa beim Umgang mit Kosovo

Man könne halt nicht alles durch die Schweizer Brille betrachten, meint Heimgartner staatsfraulich. Hier wird’s nun echt peinlich, wie schlecht ausgerüstet Lüthi ins Interview ging.

Dass CEO Marc Walder im letzten Moment als «Key Note» Speaker bei der Verleihung des Zürcher Journalistenpreises kniff, um vom serbischen Präsidenten Vucic eine Ehrenmedaille umgehängt zu kriegen? Dass der Blic ungehemmt Regierungspropaganda betreibt, Titel produziert wie «Russland wärmt sich in der Ukraine gerade auf», einen Artikel über den gestählten Kämpfer Putin mit dessen Zitat über die G7-Führer überschreibt «Wenn sie sich ausziehen würden, wäre das ein ekelhafter Anblick»?

Gut, kann man vielleicht nicht durch die Brille des Schweizer «Blick» betrachten, der seinerseits Selenskyj zum Kriegshelden hochhudelt.

Den grössten Elefanten lässt Lüthi allerdings unkommentiert im Raum stehen. Wie verhält es sich mit den Inseraten hinter der Bezahlschranke? Wieso schafft es Ringier nicht, wenigstens hier nur selbst abzukassieren? Was unternimmt man gegen Google-Ads? Da verstummt Lüthi.

Dass eine deutlich überforderte Steffi Buchli den Tennis-Star anlässlich der Wirren um dessen Einreise nach Australien als «Und täglich grüsst der Drama-King» beschimpfte, während der Blic Serbien schäumt, Djokovic  aus dem Land zu schmeissen sei «einer der grössten Sportskandale des 21 Jahrhunderts», wäre das nicht auch eine Frage wert gewesen?

Aber vielleicht ist das ja gelebte Meinungsvielfalt. Was aber Heimgartner betrifft: keine Meinung haben und sie nicht ausdrücken können, das erlaubt ihr auch nur persoenlich.com.

 

Gibt es Hoffnung für den «Blick»?

Vielleicht ist Ladina Heimgartner in den Ferien.

Denn  ZACKBUM konstatiert leise Lebenszeichen eines Boulevardmediums. Das kann ja alles kein Zufall sein.

Zunächst die obligate Tier-Jöh-Geschichte:

Da ist doch alles drin, was den «Blick»-Leser in Wallung bringt. Murmeli, Gourmet-Koch, Totschlag. Für empfindsame Gemüter: nein, serviert wurde das Murmeli dann nicht.

Dann Neues vom abtretenden Gottseibeiuns:

Könnte ja eine gute Idee sein, nur spricht dagegen: sie ist von Köppel. Der hier darf natürlich auch nie fehlen:

Ist zwar eine blöde Idee und völlig realitätsfremd, nur spricht dafür: sie ist von Wermuth.

Dass Putin als Kriegsverbrecher angeklagt wird, hatten schon alle. Also musste sich der «Blick» etwas einfallen lassen, et voilà:

Ist doch auch alles drin, was es so braucht: Wagner-Chef, irre, Putin, Verschwörung. Kann man problemlos durchdeklinieren und rezyklieren, zum Beispiel: Irrer Putin erfindet Wagner-Verschwörung.

Fast einen Tick zu handfest wird es dann hier:

Aber Allerwertester hat halt verdammt viele Buchstaben … Doch zurück zum Thema Tiere und jöh:

Dann ein Beitrag für unsere Prekariatsmitglieder mit Migrationshintergrund:

Wenn wir schon beim Thema sind, ein kämpfender SP-Nationalrat ist auch ausserhalb der Ukraine gern gesehen:

 

Das sind doch alles hoffnungsvolle kleine Zeichen eines «Blick»-Frühlings. Da verzeihen wir auch solche Not-Storys:

Hier ist die Antwort einfach: mindestens solange, wie sein Vertrag noch läuft. Schwieriger zu beantworten ist die Frage, wie lange der «Blick» so munter bleibt. Bis Heimgartner aus den Ferien zurück ist?

 

 

Geld wert? «Blick»

Teil zwei unserer kleinen Serie über Geld und Geist.

Wir haben ganz oben mit der NZZ angefangen, nun geht’s auf der Schaukel nach unten. Wir nehmen übrigens nur Bezahl-Tageszeitungen unter die Lupe, sonst müssten wir ja noch ein Wort zu «watson», «20 Minuten» oder nau.ch sagen.

Der «Blick» verlangt büezerfreundliche Fr. 2.80 am Kiosk. Dafür gibt’s dann 10 Seiten alles andere und 11 Seiten Sport, insgesamt 22 nun ja, durchaus bildlastige Seiten. Das ergibt einen Seitenpreis von knapp 13 Rappen. 3 Rappen billiger als die NZZ, dafür viel bunter.

Mit diesen Schlagzeilen über dem Bund will das Boulevard-Blatt zum Kauf reizen:

Etwas Politik, Frauen, Autos und Fussballer, soweit eine ausgewogene Mischung von Themen, die den «Blick»-Leser interessieren könnten.

Auf den Seiten zwei drei kommt nun relativ schwerer Stoff, die Bundesratswahlen. «Blick zeigt, was die Kandidierenden eint und was sie unterscheidet». Man beachte den woken und falschen Gebrauch des Partizips Präsens «Kandidierende». Das dürfte dem «Blick»-Leser nicht auffallen, der Inhalt eher auch nicht.

Dazu «Fachkräfte-Not», «CS-Aktie so tief wie nie» und «Raser müssen ein Jahr in den Knast». Aus dieser versteckten Meldung hätte der «Blick» früher die Titelschlagzeile gesaugt, aber da war er auch noch nicht woke, hatte noch kein angeblich weibliches Regenrohr im Logo und zeigte auf Seite drei auch noch leicht bekleidete Frauen.

Aber da hatte er ja auch noch eine Auflage von über 375’000, während er aktuell angeblich bei leicht über 100’000 dahindümpelt. Aber das ist sicherlich der allgemeinen Print-Krise geschuldet, nicht dem Versuch, Boulevard ohne Boulevard, ohne Kanten, Volkes Stimme, Reizthemen und nackte Haut zu machen. Also sich völlig vom Erfolgsmodell zu verabschieden «Blut, Busen, Büsis».

Das kommt halt davon, wenn man das Management einer im Print völlig unerfahrenen Frau aus Quoten-Gründen überlässt, die ausser durch die fleissige Verwendung des Wortes «Resilienz» eigentlich noch durch nichts aufgefallen ist.

Aber auf Seite 4 endlich mal eine kleine Reportage mit Krachbum:

Aber gleich untendran riecht es nach eingeschlafenen Füssen: «Junge Erwachsene greifen immer häufiger zu Stichwaffen». Diese schreckliche Entwicklung wurde bereits von der Sonntagspresse abgefrühstückt. Aber ein Beispiel, noch ein Beispiel, dann der Aufschwung ins Allgemeine und Statistische, der «Experte» expertiert, fertig ist der Platzfüller.

Natürlich passt auf diese Doppelseite die Militärübung in der Schweiz bestens. Aber auch hier, seufz:

Der «Blick»-Käfer war einmal ein Markenzeichen des Blatts; für seine volksnahen und träfen Sprüche gab man sich ziemlich Mühe. War einmal …

Dann der unvermeidliche Blick ins Ausland. Man meint, das Aufatmen zu spüren, dass endlich einmal nicht die Ukraine und auch nicht der Iran Thema ist, sondern:

Ein paar Hundert von 1,4 Milliarden, um genau zu sein. Dann  wird’s einen Moment lang peinlich, oder eben auch nicht:

Wieso berichten denn die anderen Schweizer Medien nicht flächendeckend über diesen Event? Nun, wer sitzt denn am Steuer dieses Aston Martin? Nein, nicht Michael Ringier, der fährt immer das neuste Modell. Hier ist es Silvia Binggeli, und die ist ihres Zeichens Chefredaktorin der «Schweizer Illustrierte», die diesen Anlass veranstaltet und zufällig wie der «Blick» zum gleichen Verlagshaus gehört.

Womit wir beim Sport wären. Gelegenheit, ein Zeichen zu setzen:

Gelegenheit, einen nur schwer verständlichen Titel zu setzen:

Gelegenheit, noch einen schwer verständlichen Titel zu setzen:

Nun gesteht ZACKBUM, dass wir nicht so Männer des Sportes sind, also erweckt eigentlich höchstens das TV-Programm auf Seite 20 noch unser Interesse.

Aber auf die letzte Seite hat sich Klatsch und Tratsch geflüchtet, die sozusagen letzte Gelegenheit, Frauen zu zeigen. Weitgehend verhüllt, aber immerhin:

Die «Unternehmerin und Influencerin» Kim Kardashian, eine Stilikone, deren Geschmack über jeden Zweifel erhaben und die besonders stolz auf ihr recht ausgeprägtes Hinterteil ist, reitet auf der Welle der Empörung gegen eine Balenciaga-Reklame.

Aber immerhin, hier setzt der «Blick» ein Zeichen für die Frauen. Das Kind in der Reklame mitgezählt, sind es 8 auf einer Seite. Nur knapp schafft es «Comedian» Pete Davidson auch noch auf ein Bild, aber nur wegen eines «Liebes-Outing beim Basketball» mit Emily Ratjakowski. Wer beide nicht so kennt: macht nix, B-Model und B-Comedian. Eine Verzweiflungstat von Flavia Schlittler, zuständig für Tratsch und Klatsch.

Kassensturz: Für 13 Rappen pro Seite bekommt man ziemlich viel Druckfarbe serviert. Die Buchstaben, nun ja, sagen wir so: Anhänger des Tiefergelegten kommen hier auf ihre Kosten. Themenmischung, Überblick, Informationsgehalt, Einordnungen, Analysen, Welterkenntnis? ?

Blut, Busen und Büsis? ?

Boulevard-Kracher, Aufreger, Kampagnen, Mord und Totschlag, billige Vorwände, viel nackte Haut zu zeigen? Pfuibäh.

Damit dürfte 100’000 nicht das Ende der Fahnenstange sein. Es geht noch tiefer.

Blütenlese «Blick»

Geht Boulevard ohne Blut, Busen, aber nur mit Büsis?

Die Gefühle des Stammtischs wiedergeben? Verboten. Mit oder ohne Vorwand leichtbekleidete bis nackte Frauen zeigen? Verboten. Blutrünstig über Bluttaten berichten? Verboten. Büsis zeigen: erlaubt.

Boulevard sollte mit knackigen Schlagzeilen arbeiten, auch komplexe Zusammenhänge auf zwei, drei Worte schrumpfen. Sternstunden des Boulevards waren Titelbrüller wie «Jetzt ist der Mond ein Ami» (Mondlandung der USA) oder «Wir sind Papst» (Wahl des deutschen Kardinals Ratzinger).

«Bild» versucht immer wieder, dieser Tradition nachzueifern, nicht ganz erfolglos. «Blick» versucht, sich von dieser Tradition zu lösen. Erfolgreich erfolglos, auf Kosten von Einfluss und Lesern. Um den Unterschied auch hier auf den Punkt zu bringen: Als der «Blick»-Chefredaktor standesgemäss Porsche fuhr, verkaufte das Blatt über 380’000 Exemplare und titelte «Lachhaft, Blödsinn, Bürokraten-Unsinn – so reagieren Schweizer auf Tempo 120».

Seit der «Blick»-Oberchefredaktor Bus fährt, beträgt die Auflage noch etwas über 100’000 Exemplare, ein aktueller Titel lautet «Hüppi verhindert Eskalation!»

Unter Leitung der nicht fassbaren CEO Ladina Heimgartner soll der «Blick» weiblicher, runder und vor allem «resilient» werden. Sichtbar davon ist ein Regenrohr im «Blick»-Logo, der Verzicht auf nackte Frauen, und was resilient eigentlich genau heissen soll (ausser Widerstandsfähigkeit gegen jedwelchen Erfolg), weiss niemand.

Weiblich gerundetes Regenrohr.

Bei all diesen Einschränkungen ist es verdammt schwer, in den Verrichtungsboxen im Newsroom genügend Storys aus dem Computer zu schütteln. Da hilft eigentlich nur, die Grenze zwischen selbstgebasteltem und bezahltem Inhalt immer mehr einzuebnen. Eine willkürliche, aber durchaus repräsentative Blütenlese, wie sich der «Blick» online am Montagvormittag präsentierte:

Super Reportage. Als bezahltes Inserat.

Ratgeber. Wer links tut, kann sich rechts leisten.

Wie wird man mit einem «bearenstarken Auftritt» Vorletzter?

Die heutige Jugend ist auch nicht mehr das, was Kurt Felix einmal war.

Weiter oben Verkauf zum Bestpreis … Aber Wasser wird teuer, für die CS ist guter Rat teuer,
und Swisscom-Schäppi hat billige Ausreden.

Was Schweizer Forscher so alles wollen, exklusiv im «DurchBlick».

Und wozu brauchte es schon wieder eine Steuermilliarde Hilfsgelder für Medien?

Es bleibt aber tatsächlich eine Frage. Welcher Medienmanager kann ernsthaft annehmen, dass die Leser so resilient sind und für die gedruckte Ausgabe all dieses Nonsens auch noch etwas bezahlen?

 

 

Endlich! «Blick» lebt

Ob Plisch und Plum nochmal so beknackt zusammensitzen werden?

CS-Manager mit Verdauungsproblemen? Gottstein und Horta-Osório im «Blick»-Interview.

Enteiert, ohne Busen, Blut und fast ohne Büsis: man musste sich ernsthaft Sorgen um den «Blick» machen. Denn der sollte Boulevard mit grossen Buchstaben ohne Boulevard und mit kleinen Aufregern machen.

Ähnlichkeiten sind rein zufällig und von Wilhelm Busch keinesfalls beabsichtigt.

Das geht natürlich nicht, auch wenn da noch so viel von Resilienz geschwurbelt wird. Und gesalbte Worte gesäuselt werden, dass man Frauen nicht mehr als Sexobjekt behandeln wolle, überhaupt das Thema Sex für Ratgeber auch Tabu sei.

Geradezu subversiv wurden dann doch Storys über Trash-Shows ins Blatt geschmuggelt, wo ein Prekariatsmitglied mit einem ohne Glied zugange ist, und das wiederum zu in diesen Kreisen üblichen Verkrampfungen und Geschimpfe führt.

So blubberte der «Blick» vor sich hin; das Regenrohr im Logo wurde mehr und mehr zum Symbol des Niedergangs. Alles «down the drain», wie man auf Englisch so schön sagt, alles im Abfluss.

Aus dem Koma plötzlich aufgewacht

Aber, Zeichen und Wunder in vorweihnachtlicher Zeit, mit einer Schlagzeile ist das Blatt wieder da:

Wunderbare Story, in der alles drin ist, was auf dem Boulevard Spass macht. Die da oben mit ihren Privilegien (Privatjet!), meinen, über dem Gesetz zu stehen, pfeifen auf Quarantäne-Regeln, fühlen sich zu wichtig dafür.

Frontseite, ausführlicher Erklärtext auf Seite 2 (7300 A, episch für «Blick»-Verhältnisse). Dann natürlich noch nachtreten, die «Corporate Governance»-Expertin Monika Roth waltet ihres Amtes und sagt das, was der «Blick» gerne hören möchte:

«Die Tage von António Horta-Osório an der Spitze der CS sind gezählt, Horta-Osório muss zurücktreten.»

Wahrscheinlich hätte der Noch-«Blick»-Wirtschaftschef Guido Schlätti den Skandal gerne als Einstandsgeschenk für seine neue Position als NZZaS-Wirtschaftschef mitgebracht. Aber man muss Geschenke auspacken, wenn man sie kriegt.

Vom Einzel- zum Dauerfeuer: so macht man das.

Denn ein Geschenk ist die Story natürlich. Offenbar hat der braungebrannte Sunnyboy Horta-Osório einige Feinde in der Credit Suisse. Denn alle saftigen Details wurden dem «Blick» zugehalten.

Abflug am 28. November mit dem Privatjet von London nach Zürich. Sein Pech: einen Tag vor Abflug setzt die Schweiz Grossbritannien auf die Liste von Hochrisikoländern. Das bedeutet: zehn Tage Quarantäne nach Einreise.

«Foda-se tudo»

Im Prinzip ja, denkt Horta-Osório, und begibt sich in seine Wohnung im steuergünstigen Wollerau. Aber bereits am 1. Dezember besteigt er den nächsten Privatjet. Westwärts, dann weiter nach New York, wie’s sich für einen furchtbar wichtigen Bankenlenker gehört, ohne den sich die Welt nicht weiterdrehen würde.

Das wäre schon genug für eine richtig saftige Story. Aber «Blick» kann noch eins drauflegen. Während er in Wollerau an den Fingernägeln knabberte, liess der VR-Präsident der zweitgrössten Bank der Schweiz offenbar abklären, ob es für ihn keine Ausnahmebewilligung geben könne. Felix Gutzwiller, der früher bekannte Gesundheitspolitiker und vernetzte ehemalige FDP-Nationalrat, ist laut «Blick» gerne zu Diensten und fühlt vor.

Aber zum grossen Frust des portugiesischen Granden geht so etwas in der republikanischen Schweiz nicht. Ausnahme? Für einen wichtigen Wichtigtuer? Nein, sagt der Kanton Zürich, nein sagt der Bund. So sorry, sagt wohl Gutzwiller, wird aber für seine Umtriebe sicherlich dennoch entlöhnt.

Scheiss drauf, sagt Horta-Osório, oder wohl «foda-se tudo», was wir lieber nicht übersetzen wollen. Und schon hat er ein Scheissproblem an der Backe. Denn, weiterer Glücksfall für den «Blick», nun tut die Corporate Communication der Bank das, was sie am besten kann. Wenn sie nicht «kein Kommentar» sagen darf, setzt sie die Sache noch mehr in den Sand.

Der mit einem Beraterheer bis zur Hilfe bei der Auswahl der richtigen Krawatte umgebene VRP habe nicht gewusst, dass Quarantäne auch den Verzicht auf Auslandreisen beinhalte. Damit sorgt ein Sprecher der Bank für den nächsten Brüller.

Asche aufs Haupt, Schläge aufs eigene Haupt 

Horta-Osório selbst versucht es mit der alten Nummer, mit gesenktem Haupt zu Kreuze zu kriechen und sich wortreich zu entschuldigen. «Wichtig, Vorschriften einhalten, sorgfältig getan, unbeabsichtigt, bedauere aufrichtig, entschuldige mich, nicht wieder vorkommt», Blabla.

Geht da noch einer? Aber bei der CS immer:

«Herr Antonio Horta-Osório hat Selbstanzeige wegen möglicher Übertretung gemäss Epidemiegesetz Art. 83 eingereicht»,

schleimen seine Anwälte beim «Blick». Der VRP streut also nicht nur Asche auf sein Haupt, er haut auch drauf.

Alles andere ist ein Selbstläufer. Kann so einer Vorbild sein, gerade in dieser kritischen Lage der CS, «Hoffnungsträger», «Führen durch Vorbild», die Unternehmensspitze müsse «Werte wie Integrität vorleben, sagte er kürzlich in einem Interview mit dem «SonntagsBlick»».

Natürlich ist man in der CS «entsetzt», kratzt sich am Kopf, will vielleicht seinen auf dem Silbertablett serviert bekommen.

Kannst mir doch nicht erzählen, denkt sich Horta-Osório (links).

Der fliegende Banker versucht zurzeit sicher herauszufinden: wer war das? Als ob das noch etwas nützen würde. Bislang ein sauberer Blattschuss vom Boulevard, grosses Kino, alte Schule. Man könnte höchstens einwenden: schon ziemlich viel am Anfang verballert; für eine Kampagne muss man nachlegen können.

Die klassischen Nachzüge.

Bis am Wochenende wird sich entscheiden, ob Horta-Osório die Affäre überlebt, sie also aussitzt – oder nicht.

Den Leser am Portemonnaie packen …

ZACKBUM begrüsst den «Blick» wieder auf dem Spielfeld ernsthafter Boulevard.

 

 

Wird der «Blick» ganz anders?

Busen, Blut, Büsis. So funktioniert Boulevard. Oder nicht mehr? Ringier versucht die Wende, begleitet von Häme und Unglauben.

Nick Lüthi ist ein alter Hase, was die Berichterstattung über Medien betrifft. Als altgedienter Gewekschaftsjournalist verzehrt er nun noch sein Gnadenbrot bei der «Medienwoche». Leider auch ein Opfer der Medienkrise; viel Gesinnung, wenig Gehalt.

Drittklassige Gastautoren, die noch nicht mal eine erkennbare Gesinnung haben. Aber ab und an greift auch Lüthi selbst noch zum Griffel. So vermeldete er Ende Mai, dass der «Blick» sich nicht nur ein neues Logo verpasst hatte, sondern auch neue «Anstandsregeln». Er meint damit die «News-Richtlinien» an die sich seit Mitte Mai 2021 die «Blick»-Gruppe halten soll. Schon zuvor hatte sich das einzige Boulevardblatt der Schweiz von lieben Angewohnheiten getrennt.

Busen, also das «Seite 3»-Girl, war schon längst durch den «Star des Tages» ersetzt worden. Aber auch der verglühte mit dem Stellenantritt von Christian Dorer. Und nun wird auch noch der Sex-Ratgeber eingestellt. Damit aber nicht genug. Die Gerichte legen den Persönlichkeitsschutz immer extensiver aus, also jegliche Art von identifizierender Berichterstattung kann sehr schnell in kostspielige Probleme führen.

Methoden wie auf dem Boulevard

Lüthi bleibt allerdings skeptisch – und gnadenlos: «Die neuen Regeln sind zwar umfassend, weisen aber an entscheidenden Stellen Lücken auf.» Tja, umfassend oder lückenhaft, da muss Lüthi noch etwas in sich gehen. Am Schluss seines Artikels tat er das schon. Als wollte Lüthi die alte Tradition des Boulevard selber fortführen, musste er selbst bereits zu Kreuze kriechen:

«Wir bitten um Entschuldigung für die unzutreffende Unterstellung unethischen Verhaltens.»

Lüthi, der Recherchierjournalist, hatte dem Verfasser dieser neuen Richtlinien unterstellt, er selbst habe erst vor Kurzem dagegen verstossen. Sandro Inguscio wehret sich mit Erfolg gegen diese Unterstellung. Auch der Grand old man des Schweizer Journalismus, Karl Lüönd, äussert in einem Leserbrief grosse Vorbehalte gegen diese «schulmeisterliche Art» von Lüthi. Der zwar aus alten Reflexen auf die Boulevard-Gurgeln der Ringier-Presse einprügelt, aber, wie Lüönd maliziös anmerkt:

«Die seit Wochen mit Abstand knackigste  Boulevardgeschichte – die Hintergründe um den Arzt, der am Zürichberg seine Villa und sich selbst vernichtet hat – stand am gleichen Tag, an dem Du Deine Moralpredigt veröffentlicht hast, im Tages-Anzeiger.»

Dumm gelaufen für Lüthi, aber da gibt es ja noch Jolanda Spiess-Hegglin, immer zu Stelle, wenn es darum geht, etwas noch schlimmer zu machen. Offenbar ist JSH durch die Erstellung der Online-Denunziationsseite «netzpigcock.ch» nicht ausgelastet, die sich dem angeblichen Problem widmen soll, dass schon jede zweite Frau in der Schweiz unverlangt Penis-Fotos zugestellt bekam.

Entscheidende Frage für 

JSH kämpft bekanntlich um eine «Gewinnherausgabe» beim Ringier-Verlag, der sich mit Storys über sie eine goldene Nase verdient haben soll. Rund eine Million Umsatz habe er damit gemacht, also «Bruttogewinn», wie Hansi Voigt behauptet, neuerdings der Spezialist dafür, wie man im Netz Geld verdient und nicht verröstet. Ernstzunehmendere Internet-Spezialisten sprechen von allerhöchsten 20’000 Franken, nebenbei.

Für JSH ist diese Summe aber ziemlich entscheidend. Denn sie wird nicht nur von einer sackteuren Anwältin vertreten, nachdem ihre Berufung vom Obergericht Zug auf ganzer Linie abgeschmettert wurde, alle ihr von der unteren Instanz zugesprochenen Summen noch deutlich gekürzt wurden, braucht sie schlichtweg Geld.

Daher poltert sie weiterhin auf allen Kanälen gegen den «Blick». Eigentlich ginge es ihr gar nicht so sehr um Geld, liess sie noch vor dem Prozess in Zug verlauten, viel wichtiger wäre es doch, wenn sich – wie sie auch forderte – Ringier bei ihr entschuldigen würde. Dieses Begehren wurde vom Gericht abgelehnt, aber noch bevor sich JSH darüber so richtig echauffieren konnte, passierte aus ihrer Sicht etwas ganz Blödes.

Marc Walder entschuldigte sich öffentlich bei JSH, gerade weil er gerichtlich dazu nicht gezwungen wurde. Jeder andere hätte das zumindest akzeptiert oder sogar dieser noblen Aktion Respekt erwiesen. Aber doch nicht JSH. Sie verstummte einfach. Nun hat sie sich aber wieder erholt. In einer ganzen Twitterkanonade von glaub’s 34 Tweets schimpft sie weiter auf Ringier.

Fake News gegen JSH? Aber sicher nicht …

Natürlich bietet ihr auch der Artikel von Lüthi willkommenen Anlass, die Tweets nochmal als Leserbrief aufzuwärmen. Und wie: «Über 200 konstruierte, persönlichkeitsverletzende, menschenverachtenden Artikel voller Sex– und Männerfantasien über mich, nach allen Regeln der Schmierfinken-Kunst.» Souverän sieht JSH darüber hinweg, dass tatsächlich gerichtlich eine Persönlichkeitsverletzung festgestellt wurde. Aber bislang musste der «Blick» keine einzige Darstellung der Fakten korrigieren. Die stimmen nämlich blöderweise.

Ringier will keinen Gewinn herausgeben

Das findet JSH aber nicht der Erwähnung wert. Hingegen erregt sie sich höchlichst, dass es Ringier doch tatsächlich wagt, ihrer Forderung nach Gewinnherausgabe mit juristischem Widerstand zu begegnen. Jetzt wird es sehr trashig, als wär’s ein altes Stück vom «Blick». Denn JSH zitiert ausführlich aus der Rechtsschrift des Verlags gegen ihr Ansinnen, furchtbar viel Geld zu bekommen. Das ist zwar nicht richtig illegal, aber auch nicht die feine Art. Aber JSH und feine Art, das ging ja noch nie zusammen. Da wagt es der Verlag doch tatsächlich, unter anderem das hier ins Feld zu führen:

«In den eingeklagten Artikeln ist nichts falsch, nichts diffamierend, nichts verletzend, sondern alles die schlichte, banale, einfache Wahrheit.» «Den Gedächtnisverlust erfindet man, um sich nicht an Einzelheiten erinnern zu müssen.» «Den Ehemann als den «Gehörnten» zu bezeichnen, ist nach Lage der Dinge ebenfalls zulässig.»

Entspricht vielleicht nicht der Auffassung von JSH, aber kann man mit Fug und Recht so sehen. Die entscheidenden Sätze, über die sich JSH aber unendlich aufregt, sind diese: «Die Beklagte hat mit den eingeklagten Artikeln keinen Gewinn erwirtschaftet.» Und: «Wo es keine Persönlichkeitsverletzung gibt, gibt es auch keine Gewinnherausgabe.» Das treibt JSH natürlich zur Weissglut, denn das könnte ja bedeuten, dass ihre Hoffnung auf viele, viele Batzeli sich nicht erfüllt. Deshalb schäumt sie:

«Da macht ihr einfach weiter mit dem Victim Blaming. Mit der Frauenverachtung, dem Sexismus, der Verhöhnung einer Frau».

So wirr sind die modernen Zeiten. Das Organ mit dem Regenrohr im Logo bemüht sich nach Kräften, als Boulevardblatt verantwortungsbewusst und seriös zu werden. In die Lücke springt zum Beispiel der «Tages-Anzeiger» in einem fetten Boulevardstück über den Selbstmord am  Zürichberg. Der jeden Boulevard-Methoden abholde Lüthi muss sich auf den Knien für eine boulevardeske Falschbehauptung entschuldigen.

Entschuldigen, nicht entschuldigen, doch entschuldigen

Und das angebliche Opfer JSH verlangte eine Entschuldigung, forderte sie sogar vor Gericht ein – und wurde abgeschmettert. Aber der Ringier-CEO entschuldigte sich öffentlich und freiwillig bei ihr. Echt blöd gelaufen, wo es ihr doch nie um Geld ging. Aber jetzt ausschliesslich darum. Das Opfer wird zum Täter. Lüthi verwendet Boulevard-Methoden. Der «Blick» wird seriös wie ein Regenrohr. Einer, der mit am meisten Geld im Internet verröstet hat, wird Fachmann für die Berechnung von Gewinnen im Web. Der Tagi schreibt das, was der «Blick» hätte schreiben müssen.

Und keiner traut sich, wie bei des Kaisers neue Kleider, das Offenkundige auszusprechen: die Zuger Affäre ist auserzählt. Ein Unschuldiger wurde deswegen als Politiker, als öffentliche Person vernichtet. JSH steht vor der merkwürdigen Situation, dass ihr Lover auf dem Boot sie sicherlich nicht mit Drogen willenlos machte. Zudem gibt es genügend Zeugen für vorangehendes hemmungsloses Geknutsche. Wenn es aber ihr Lover nicht war, dann muss sie ein unbekannter Dritter unter Drogen gesetzt haben, um sie zu missbrauchen. Bevor man nach dem fahndet: am unbestritten im Separée anwesenden Lover vorbei?