Beiträge

Wir wollten das Positive sehen, Part II

ZACKBUM leidet unter der Berichterstatterpflicht.

Der Plan war gut. ZACKBUM liest je einen Artikel aus der WoZ und aus der «Republik» und betont das Positive. Aber schon die Planwirtschaft ist an der Realität gescheitert.

Die WoZ haben wir hinter uns, nun fehlt noch die «Republik». Wir werden das in aller gebotenen Objektivität tun, obwohl das Organ der guten Denkungsart in seiner Liste der Links zur Berichterstattung über den jüngsten Skandal das Organ, das am ausführlichsten berichtete, nicht aufführt. ZACKBUM-Leser ahnen, welches gemeint ist.

Wir könnten nun gemein werden und «Acht Learnings aus dem Klimalabor» auswählen. Das sind über 15’000 Anschläge darüber, dass die Ankündigung einer Ankündigung nach monatelangem Nichtstun doch immerhin noch besser ist als nichts – tun. Oder?

Die Qual der Wahl war allerdings gross. 30’000 A über ein neues Buch der «linken Philosophin Susan Neiman»? «Sie wollte die Schwangerschaft abbrechen, jetzt hat sie Zwillinge», ebenfalls 30’000 A? Himmel hilf. Dann doch lieber, wir wollen so nett wie möglich sein, «Die den Service public lieben – und die SRG zerstören». Das sind 9400 A, immerhin. Es ist allerdings von Daniel Binswanger.

Aber ZACKBUM ist immer objektiv, der Wahrheit verpflichtet und – das zeichnet uns zuvorderst aus – nachsichtig.

Binswanger fängt mit der SVP an. Nein, er macht’s durchaus nachvollziehbar. Die Partei habe noch vor fünf Jahren fast einstimmig für die No-Billag-Initiative gestimmt, an ihrem Parteitag. Binswanger süffisant: «Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde dargestellt als nationale Bedrohung – die ein für alle Mal aus der Welt geschafft werden müsse.»

Aber heute sage die SVP «quasi das exakte Gegenteil». Lassen wir das Aufeinanderprallen von «quasi» und «exakt» ungestraft vorbeiziehen. Denn nun zititiert Binswanger den Präsidenten des Komitees der gerade eingereichten Halbierungsinitiative: ««Wir wollen die SRG. Sie hat eine sehr wichtige Funktion in diesem Land als Service public.» In nur fünf Jahren ist die SRG von einem Anschlag auf die eidgenössischen Grundwerte zu einer wichtigen Grundlage des helvetischen Zusammen­lebens geworden

Ein Schlag ins Kontor. Wer aber nun meint, Binswanger lehne sich anschliessend zurück und versetze der SVP noch ein paar Fusstritte, täuscht sich. Denn nun kommt die «Mitte» dran, genauer deren Präsident Gerhard Pfister. Vorher: «Der SRG ist halt nicht mehr zu helfen», er bezichtigte sie gar, «die Spaltung des Landes» voranzutreiben. Nachher: «Die Schweiz braucht einen starken öffentlich-rechtlichen Sender, das ist diskussionslos», flötet Pfister.

Dann geht’s weiter zur NZZ. Da holte Chefredaktor Gujer weit in die Geschichte aus und schrieb anlässlich der No-Billag-Initiative über die SRG und ihre Geburtsstunde in der Zeit, «als Hitler und Stalin die neue Radiotechnik nutzten, um ihre Propaganda zu verbreiten», daher «sei die Behauptung, «nur ein öffentlich-rechtlicher Sender könne die sozialen Schichten, Regionen und Sprachen verbinden, so vermessen wie totalitär»», zitiert Binswanger.

Neue Töne in der NZZ: «Die SRG produziert gute Informations­sendungen und leistet ihren Beitrag zur Demokratie.» Hier muss man aber einwenden, dass Binswanger einen Kommentar, der die Halbierungsinitiative für eine gute Sache hält, einfach unterschlägt. Ein kleiner Tolgen im bislang blütenweissen Reinheft.

Nun auf zur Erklärung, woher diese Wendungen? «Die SRG-Basher von gestern haben heute lange Nasen.» Warum? Das Scheitern der No-Billag-Initiative habe eben gezeigt, «wie unglaublich populär die SRG auch weiterhin bleibt».

Weil man sie nicht liquidieren könne, müsse sie nun stückchenweise entsorgt werden. Hier greift Binswanger zu einem Sprachbild, das nicht zur Nachahmung empfohlen ist: «Ein Hummer, den man halbiert, kann immer noch etwas die Scheren bewegen – bevor er dann verendet.» Hat Binswanger das etwa bei seinem letzten Ausflug in die gehobene Gastronomie mit eigenen Augen gesehen? Wobei normalerweise Hummer nicht lebendig halbiert werden.

Vom halbierten Hummer geht’s nun zur halbrichtigen Interpretation: «Zweitens verliert ein Sender, der keine Unterhaltung mehr anbietet, sondern nur noch politischen Inhalt, massiv an Reichweite und Relevanz. Die Meinungs­macht des Senders würde stark abnehmen, wenn er ausschliesslich der politischen Meinungs­bildung dienen sollte.»

Hm, das ist doch genau das, was die «Republik» auch macht, oder könnte jemand behaupten, dass die ein Unterhaltungsprogramm biete? Aber nun wird Binswanger grundsätzlich, und da verliert sein Gedankengang leider die vorherige Flughöhe, wobei sich der Abwärtstrend bereits mit dem Hummer ankündigte: «Medien­macht ist Meinungs­macht, Meinungs­macht ist politische Macht.»

Wir kneifen den Leser mit einer Hummerschere wieder wach, denn nun kommt noch das Finale. Der Blick in andere Länder. Wir machen ein lustiges Ratespiel, das jeder Leser gewinnt: welche Namen und Beispiele nennt Binswanger? Ja?

Berlusconi, natürlich. Trump, logo. Netanyahu, okay, ein wenig schwierig muss das Quiz schon sein, aber dann noch Viktor Orbán. Na, geht doch. Nun wird es allerdings, wir müssen objektiv bleiben, etwas wirr: «Ihre Wahlerfolge hängen wesentlich an ihrer Medienmacht – weshalb es heute evidenter scheint denn je, dass wir die öffentlich-rechtlichen Medien ausbauen und sicher nicht amputieren sollten.»

Also Berlusconi ist erfolgreich tot, Trump hat verloren, und wo ist schon wieder dessen Medienmacht? Also wenn das Argumente für den Ausbau der öffentlich-rechtlichen Medien sein sollen, dann gute Nacht am Abstimmungstag. Aber auch Binswanger kann bis dahin noch etwas üben.

Falls – das sagen wir auch in aller Objektivität – diese Kolumne an diesem Ort bis dahin überhaupt noch weiter stattfindet …

Wenn die NZZ knutschen will,

dann interviewt sie Gerhard Pfister.

Die frischgebackene «Redaktorin Gesellschaft» Esthy Baumann-Rüdiger wirft dem Mitte-Chef Pfister Kusshändchen, Pardon, Fragen zu.

Beziehungsweise Feststellungen, Einladungen zum Plaudern: «Sie haben ein besonderes Verhältnis zur Literatur.» Dann der Klassiker jedes People-Interviews im niederen Boulevardbereich:

«Sie waren acht Jahre alt, als Ihre Mutter starb. Was hat das mit Ihnen gemacht

Da bleibt sie dann investigativ hartnäckig: «In welchen Momenten hat Ihnen eine Mutter gefehlt? – Sie lernten Ihre Mutter also eher über andere Menschen kennen?» Aber auch tiefe Fragen hat sie im Köcher: «Gibt es Dinge, die Sie fürchten?» Eigentlich geht es auch um die letzten Fragen: «Sie sagten, es sei Zufall, dass Sie noch am Leben seien. Andere würden es Schicksal oder Vorbestimmung nennen. – Hat sich dadurch die christliche Perspektive auf ein Leben nach dem Tod für Sie relativiert

Sie arbeitet gnadenlos den Katalog der einfühlsamen Talkshow-Fragen bis zum letzten Posten durch: «Welchen Traum würden Sie sich gerne erfüllen

Ach, und die Antworten? Freundliches Geplauder, nicht der Rede wert.

Interessant ist aber die Frage, wieso sich die NZZ nicht mehr allzu entfernt von den nächsten Wahlen so an den Chef der Mittepartei ranschmeisst. Vielleicht deswegen, weil deren Bundesratssitz genauso wackelt wie einer der beiden FDP-Sitze.

Sicherlich, eingekleidet ist das in eine typische Sommerserie. Wir sprechen mit allen Parteichefs, Bedingung: es wird über alles gequatscht, nur nicht über Politik.

Erschwerend kommt hinzu, dass im konservativen Lager die SVP die FDP längst abgehängt hat und die liberale Partei trotz langer Tradition höchstens noch als Juniorpartner mitspielen dürfte. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die FDP sowohl in der Frage Neutralität und Ukrainekrieg wie auch beim blamablen Ramschverkauf der Credit Suisse nicht gerade mit Ruhm und Ehre bekleckert hat. Ausgerechnet die Wirtschaftspartei hat eine Bundesrätin, die von Wirtschaft oder Finanzen oder Banken nun wirklich keine Ahnung hat, aber Finanzministerin ist.

Das alles mögen Gründe sein, sich bei der «Mitte» etwas ranzuschmeissen. Aber muss das gleich so peinlich sein? Man könnte doch auch aus der Distanz mal einen koketten Blick rüberwerfen, in die Mitte. Sich beim Setzen den Stuhl zurechtrücken lassen. Mit den Wimpern klimpern. Aber gleich so? Das ist eine Ranschmeisse, die Pfister ohne weiteres als übergriffig zurückweisen könnte. Tut er natürlich nicht.

Aber wundern tut er sich sicherlich. So wie der NZZ-Leser auch.