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Bliblüblö

ZACKBUM fragt verzagt: wer soll das denn kaufen?

Eigentlich könnte man es mit der Ankündigung bewenden lassen: ohne Worte.

Sicher, wenn man für ein Blatt arbeiten müsste, dass ein Regenrohr im Logo hat, neben dem ein komischer Strich steht, und in einem irgendwie nicht dazu passenden Kasten obendrüber steht «Sonntags», dann käme wohl nur bei Masochisten Stimmung auf.

Denn irgendwann ist in einem Skandalthema der Titel «Neue Vorwürfe gegen …» abgenudelt. «Jetzt rede ich», albgenudelt, auch wenn es die Tierschutzpräsidentin ist, die zuerst mal vom SoBli angerempelt wurde. So schafft man sich Storys.

«Alle Vögel sind wieder da», echt jetzt? Plus ein Interview mit einer «Nati-Legende». Das ist so wie ein Interview mit der Politik-Legende Dölf Ogi. Nur hat der im Gegensatz zu Alex Frei auch etwas zu sagen.

Wollen wir umblättern? Ungern, aber was muss, das muss. Die Sonntagspredigt hält wie meist Reza Rafi. Zunächst findet er salbungsvolle Worte: «Gott ist noch lange nicht tot.» Oh, aber irgendwann stirbt er mal? Nicht grübeln, wie lebt er denn heute? «In einer Phase weltweit zunehmender Unfreiheit, apokalyptischer Umweltnachrichten und radikalen Islams gibt die Institution Kirche vielen Zeitgenossen Halt. Die Predigten spenden Trost im Weihrauchduft.»

Huch, hat Rafi einen kleinen Lyriker gefrühstückt? Trost im Weihrauchduft? Prost im Notdurftduft?

Aber jetzt das, aus heiterem Himmel die Missbrauchsvorwürfe. Gott, o Gott: «Diese Wunden werden nur langsam heilen, das zerstörte Vertrauen wird nicht über Nacht zurückkehren.» Nein, aber wenn man stark im Glauben ist, Herr Rafi, vielleicht geht’s dann.

Das ist aber nur die Einleitung zu einer seiner Eskapaden ins Nebensächliche. Hier: Mitte-Präsident Gerhard Pfister sage, obwohl da ja die katholische CVP drinsteckt, nix. Aus wahltaktischen Gründen. Aber, donnert Rafi von der Kanzel: «Die Parteispitze verspielt damit eine historische Chance.» Welche Chance das wäre, das verrät er allerdings nicht. Aus einem ganz weltlichen Grund: Ende Gelände, Platz im Editorial alle.

Genau da dachte ZACKBUM: richtig, das ist der ideale Ort für einen unheimlich starken Abgang.

Wenn die NZZ knutschen will,

dann interviewt sie Gerhard Pfister.

Die frischgebackene «Redaktorin Gesellschaft» Esthy Baumann-Rüdiger wirft dem Mitte-Chef Pfister Kusshändchen, Pardon, Fragen zu.

Beziehungsweise Feststellungen, Einladungen zum Plaudern: «Sie haben ein besonderes Verhältnis zur Literatur.» Dann der Klassiker jedes People-Interviews im niederen Boulevardbereich:

«Sie waren acht Jahre alt, als Ihre Mutter starb. Was hat das mit Ihnen gemacht

Da bleibt sie dann investigativ hartnäckig: «In welchen Momenten hat Ihnen eine Mutter gefehlt? – Sie lernten Ihre Mutter also eher über andere Menschen kennen?» Aber auch tiefe Fragen hat sie im Köcher: «Gibt es Dinge, die Sie fürchten?» Eigentlich geht es auch um die letzten Fragen: «Sie sagten, es sei Zufall, dass Sie noch am Leben seien. Andere würden es Schicksal oder Vorbestimmung nennen. – Hat sich dadurch die christliche Perspektive auf ein Leben nach dem Tod für Sie relativiert

Sie arbeitet gnadenlos den Katalog der einfühlsamen Talkshow-Fragen bis zum letzten Posten durch: «Welchen Traum würden Sie sich gerne erfüllen

Ach, und die Antworten? Freundliches Geplauder, nicht der Rede wert.

Interessant ist aber die Frage, wieso sich die NZZ nicht mehr allzu entfernt von den nächsten Wahlen so an den Chef der Mittepartei ranschmeisst. Vielleicht deswegen, weil deren Bundesratssitz genauso wackelt wie einer der beiden FDP-Sitze.

Sicherlich, eingekleidet ist das in eine typische Sommerserie. Wir sprechen mit allen Parteichefs, Bedingung: es wird über alles gequatscht, nur nicht über Politik.

Erschwerend kommt hinzu, dass im konservativen Lager die SVP die FDP längst abgehängt hat und die liberale Partei trotz langer Tradition höchstens noch als Juniorpartner mitspielen dürfte. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die FDP sowohl in der Frage Neutralität und Ukrainekrieg wie auch beim blamablen Ramschverkauf der Credit Suisse nicht gerade mit Ruhm und Ehre bekleckert hat. Ausgerechnet die Wirtschaftspartei hat eine Bundesrätin, die von Wirtschaft oder Finanzen oder Banken nun wirklich keine Ahnung hat, aber Finanzministerin ist.

Das alles mögen Gründe sein, sich bei der «Mitte» etwas ranzuschmeissen. Aber muss das gleich so peinlich sein? Man könnte doch auch aus der Distanz mal einen koketten Blick rüberwerfen, in die Mitte. Sich beim Setzen den Stuhl zurechtrücken lassen. Mit den Wimpern klimpern. Aber gleich so? Das ist eine Ranschmeisse, die Pfister ohne weiteres als übergriffig zurückweisen könnte. Tut er natürlich nicht.

Aber wundern tut er sich sicherlich. So wie der NZZ-Leser auch.

 

Vom Geist der Gesetze

Anschläge auf den Rechtsstaat durch Kampf um Aufmerksamkeit.

Ein Tweet mit wenigen Buchstaben, aber bedenklichem Inhalt: «Bundesverfassung Art. 183, Abs.4 löst das Problem. Kein Widerspruch zur Neutralität. Diese ist auch deshalb eine ‚bewaffnete‘ Neutralität, gerade weil die Schweiz sich verteidigen darf und soll. Gegenwärtig wird sie in der Ukraine (mit-)verteidigt.»

Das «Problem»: darf die Schweiz Waffen an die Ukraine liefern? Der Parteipräsident der «Mitte» zeigt hier bedenkliche Wissenslücken. Zunächst einmal verweist Gerhard Pfister auf einen nicht existierenden Absatz in der BV; wahrscheinlich meint er Art. 185. Ein wenig peinlich für einen Nationalrat und Parteichef.

Schlimmer ist allerdings seine absurde Logik. Die Neutralität der Schweiz werde in der Ukraine «(mit-)verteidigt». Das ist etwa so beknackt wie der berühmte Ausspruch des damaligen deutschen Verteidigungsministers: «Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt.» Da Afghanistan inzwischen wieder fest in der Hand der Taliban ist, dürfte es also um die Sicherheit Deutschlands ganz schlecht bestellt sein.

Hindukusch: Deutschlands Sicherheitsgebirge.

Die Neutralität der Schweiz richtet sich nach dem Haager Abkommen 1907, Artikel 6:

«Die von einer neutralen Macht an eine kriegführende Macht aus irgendeinem Grunde unmittelbar oder mittelbar bewirkte Abgabe von Kriegsschiffen, Munition oder sonstigem Kriegsmaterial ist untersagt.»

Daran lässt sich selbst für Winkeladvokaten nichts herumzwirbeln. Zudem gibt es das Schweizer Waffenausfuhrgesetz, das in seiner Deutlichkeit auch nicht zu überbieten ist. Keine Waffenexporte in Kriegsgebiete oder an kriegführende Parteien.

Einen Schritt weiter in absurder Argumentation geht Markus Häflinger vom «Tages-Anzeiger»: «Waffenexporte nach Kiew sind falsch. Die Frage ist nur: Wie lange noch?» Vielleicht bis Donnerstagabend um 19 Uhr? Oder bis nächsten Sonntag? Aber wenn ein Redaktor schon in die falsche Richtung galoppiert, dann richtig:

«Der Ukraine-Krieg zwingt uns zum Positionsbezug: Ist Neutralität im 21. Jahrhundert moralisch und politisch überhaupt noch möglich – und wenn ja: wie? Kann die Schweiz neutral bleiben in einer Welt, die vor unseren Augen in zwei Blöcke verfällt

Welche zwei Welten stehen sich denn genau gegenüber?  «Eine Welt der Freiheit, des Rechts und der Demokratie. Und eine Welt der Unfreiheit, des Unrechts und der Gewaltherrschaft, die von China und Russland angeführt wird.»

Gute Welt, böse Welt – Märchenwelt

Lassen wir mal dahingestellt, wie viele lupenreinen Demokratien, wo Freiheit und Recht herrschen, es tatsächlich gibt. Für Häflinger ist es mit der Herrschaft des Rechts allerdings schon so eine Sache.

Zudem sieht der Positionsbezug der Schweiz so aus, dass sie mit einem Teil dieser bösen Welt fröhliche und lukrative Geschäftsbeziehungen unterhält. Unser drittwichtigstes Exportland ist China, Handelsvolumen 2020 über 30 Milliarden Franken. Wieso soll da keine Neutralität mehr möglich sein? Nur weil Kurzdenker wie Häflinger einen der vielen Kriege des 21. Jahrhunderts als angeblichen «Zwang zum Positionsbezug» verspürt? Wieso dann nicht der schmutzige Krieg von Saudi-Arabien im Jemen? Oder vom NATO-Mitglied Türkei in Syrien und im Irak? Die USA, der «grösste Schurkenstaat der Welt» (Noam Chomsky) führen gerade mal keinen offenen Krieg in der Welt, aber zwingen die nicht zu «Positionsbezug»?

Natürlich tobt unter den mehr als 200 Kommentaren zu Häflingers Kommentar Volkes Stimme: «Einfach unter dem Vorwand der Neutralität daneben stehen und unbeteiligt zuschauen, wie ein ungeheures Verbrechen am Völkerrecht im allgemeinen und an einem demokratischen Volk im speziellen begangen wird, für so ein Verhalten fehlen mir schlicht die Worte!»

Keiner zu klein im Geist, um nicht kühne Vergleiche zu wagen: «Wer zu einer Vergewaltigung kommt und nicht dem Opfer hilft, unterstützt damit den Vergewaltiger. Die Schweiz bezieht damit aktuell Stellung für Putin. Wer angesichts der Vergewaltigung einen Stuhlkreis bildetet um seine Einstellung zur Vergewaltigung zu diskutieren, legitimiert damit die Vergewaltigung erst mal weil er zuschaut wie sie geschieht.»

So wie bei besonders abscheulichen Verbrechen immer wieder die Einführung der Todesstrafe gefordert wird, tobt sich der Wutbürger bei besonders abscheulichen Kriegshandlungen aus. Das ist bedauerlich, aber halt Ausdruck mangelnder Kenntnisse.

Rechtsstaat – kommt darauf an

Richtig bedenklich wird es, wenn ein Parteipräsident und ein Redaktor einer der beiden Monopoltageszeitungskonzerne bedenkliche Lücken im Verständnis eines Rechtsstaats vorführt.

Dessen Grundprinzipien sind eigentlich für jeden verständlich: Es gelten die geltenden Gesetze. Nur in genau zu definierenden Katastrophensituationen können sie mit Notrecht übersteuert werden. Also die Schweiz wird angegriffen, ist Opfer einer ungeheuren Naturkatastrophe oder einer lebensbedrohlichen Pandemie.

 

Aber sonst nicht. Es gilt nicht: im Prinzip ja, aber. Es gilt nicht: normalerweise schon, aber hier doch nicht. Es gilt nicht: da kann man doch nicht zuschauen. Es gilt nicht: die Gesetze wurden doch auch schon früher übertreten. Wer geltende Gesetze durchlöchern will, sie der momentanen Stimmungslage anpassen, zerstört wissentlich die letzte Schutzmauer, die wir gegen die Herrschaft von Willkür, Barbarei und Faustrecht haben.

Gesetze können geändert werden. Aber sicher nicht gebrochen, weil es einem gerade so in den Kram passt. Wer in der Bevölkerung solche Stimmungen schürt, ist ein verantwortungsloser Zeusler. Er sollte als Politiker zurücktreten oder als Redaktor entlassen werden. Genau wie die vielen, die verantwortungslos Waffenlieferungen an die Ukraine aus nicht-neutralen Ländern unterstützen.

Waffen gegen Putin, das hört sich toll an. Die fortgesetzte Zerstörung der Ukraine ist allerdings weniger toll. Bevor gefragt wird, ob hier ein Putin-Versteher schreibe und ob man dem Kriminellen im Kreml denn seinen Willen lassen solle: nein. Dazu nochmals Chomsky: Ein Krieg wird nur auf zwei Arten beendet. Durch die völlige Zerstörung einer der beiden Parteien. Oder durch Verhandlungen. Tertium non datur, und diese Logik ist unbezweifelbar richtig.

 

 

 

 

 

Wir sind so frei

Keine Boni mehr für SRG-Kader? Kein Problem.

Kurzarbeit für Mitarbeiter beantragen? Trotz geschützter Werkstatt mit fixen Gebühreneinnahmen? Na und? Deswegen oben auf Boni verzichten? Himmels willen, niemals. Dafür von der Medienministerin Sommaruga sanft gerüffelt werden, das sei «unsensibel»?

Okay, da sah man Handlungsbedarf. Geldgierig, das wäre ja noch egal. Aber nicht sensibel, das wollte sich die SRG nicht vorwerfen lassen. Also werden die Boni ab 1. Januar 2023 gestrichen.

Natürlich ist auch für Mitglieder der Geschäftsleitung der SRG das Portemonnaie ein ganz sensibles Körperteil. Das kennt den sogenannten Lochschmerz. Der entsteht normalerweise bei einer Zahnextraktion. Aber es geht hier bei den Boni um rund ein Fünftel der Lohnsumme, das läppert sich.

Zum Beispiel das Geschäftsleitungsmitglied X, zuständig für Luft, Laune und den ordentlichen Aktenrundlauf, bekommt wie alle anderen auch dafür 390’000 Franken im Jahr. Würden ihm davon 20 Prozent abgeschränzt, wären es nur noch 312’000. Das würde bedeuten, dass mehr bei Aldi und Lidl eingekauft werden müsste, weniger bei Coop und Migros.

Noch dramatischer wäre das bei SRG-Generaldirektor Gilles Marchand. Der würde von rund 533’000 Franken auf 426’400 runtergestuhlt. Damit wäre der Traum vom Zweitferienhaus ausgeträumt, die jüngeren Kinder müssten die Kleider der älteren auftragen.

Das Entstehen solcher Lochschmerzen musste unbedingt verhindert werden, aber unsensibel wollte man natürlich auch nicht erscheinen. Geniale Lösung: Boni gestrichen. Restlos. Vollständig. Abgeschafft. Dafür wird einfach der Fixlohn entsprechend erhöht. Ist das Hammer, megageil, megasensibel oder was?

Eigentlich wären nun alle zufrieden und könnten in Ruhe weiterarbeiten, wenn da nicht der Parteipräsident der «Mitte» wäre. Obwohl Gerhard Pfister die Namensänderung weg von CVP durchzog, hat er noch ein christliches Gewissen.

Und regt sich auf Twitter auf:

«Bei Banken würde @SRF investigativ tätig werden. Aber bei Saftläden ists ok. Bevor jemand mir die Parteibüchlein der VR-Mitglieder vorhält: Ich schäme mich fremd.»

Damit stellt Pfister drei Parteikollegen in der SRG-Geschäftsleitung mit an den Pranger.

Und ZACKBUM sagt für einmal: Chapeau, Herr Politiker, das nennt man Prinzipien. Da hätte sich ihr Vorgänger Christophe Darbellay einige Scheiben von abschneiden können.