Das Repetitive
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Nur vertiert er dabei.
Jeder Demagoge weiss: das wirksamste Mittel, um eine Botschaft unters Volk zu bringen, ist die Wiederholung.
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Ja keine Locken auf der Glatze drehen, bloss nicht intellektuelle Übungen am Hochreck. Das ist alles für die Katz, bzw. für die verschwindend kleine Minderheit von Kopfmenschen, die sich seit Jahrhunderten der Illusion hingeben, ihr diskursives Geschwurbel über poststrukturalistische Verwerfungen im kognitiv-transzendentalen Raum würden irgend jemand interessieren – ausser sie selbst.
In der mehrheitsfähigen Meinung, bei der Eroberung der Lufthoheit über den virtuellen Stammtischen, da braucht es den Mut zur Wiederholung. Zur unablässigen, ins Schlafwandlerische absinkenden Wiederholung. Sag’s, sag’s nochmal, dann sag’s schon wieder, und wenn du denkst, es kommt allgemeiner Brechreiz auf, wenn es nochmal gesagt wird, dann tu genau das.
Das zweite entscheidende Kriterium, an dem die meisten Intellektuellen scheitern: sag’s einfach. Schäm dich nicht dafür, als terrible simplificateur beschimpft zu werden. Das halsen sowieso nur Intellektuelle, und wer kümmert sich schon um deren Geschwätz.
Wiederholung ist gut, die Wiederholung eines einfachen Aussagesatzes – Subjekt, Prädikat, ein Objekt, maximal ein Adjektiv, allerhöchstens noch ein Adverbiale – ist besser. Natürlich im Indikativ Präsens, alles andere würde zu weit führen. Und bitte, bitte, ja keine Fremdwörter. Auch keine Wörter, die aus mehr als drei Silben bestehen.
Noch eine letzte Kochanweisung, und die üble Suppe ist fast fertig: bloss keine Begründungen oder Erklärungen. Das lähmt, macht es weitschweifig, stört den eingängigen Verständnisprozess. Fatal sind auch Abwägungen. Tödlich die Darstellung von Widersprüchlichkeiten. Disqualifizierend ist ebenfalls das Äussern von Zweifeln oder Nichtwissen. Das brauchen wir nicht, das verunsichert nur.
Einfache Sätze, eingängige Sätze, die dann ad nauseam wiederholen. Pardon, bis zum Erbrechen. Keine Fremdwörter. Keine Nebensätze. Keine Differenzierungen. Deine Rede sei ja, ja und nein, nein. Nie «vielleicht», nie «könnte sein». Oder sagten wir das schon? Na und, dann sagen wir es nochmal.
Naheliegendes Beispiel
Ein Beispiel? Sicher, liegt doch auf der Hand: «Putin ist ein Verbrecher.» Subjekt, einfaches Prädikat, leicht verständliches Objekt, der Satz rauscht wie ein Zug durchs Auge oder Ohr ins Hirn. Nun muss man sich die Wirkung der Repetition so vorstellen: ihr ist Genüge getan, wenn niemand mehr eine Begründung für diese Tatsachenbehauptung braucht. Dann wird sie zur unbezweifelbaren Tatsache.
Manchmal braucht es allerdings doch eine Begründung; vor allem, wenn eine Behauptung neu ist oder noch leise Zweifel beseitigt werden müssen. Der Klassiker hier ist: «Die Juden sind an allem schuld.» Begründung? Einfach: «Weil sie Juden sind.»
Intellektuelle Besserwisser mögen nun einwenden, dass das doch keine Begründung sei und der erste Satz reiner Schwachsinn. Davon darf sich der geschickte Demagoge aber keinesfalls verunsichern lassen. Den grössten Fehler würde er begehen, wenn er sich in einen argumentativen Schlagabtausch einliesse. Ganz abgesehen davon, dass dadurch der Nonsensgehalt seiner Aussage offenkundig würde.
Personalisieren statt argumentieren
Hier kommt nun der nächste Kniff aus dem Nähkästchen des Demagogen. Statt inhaltlich zu argumentieren, muss persönlich auf den Kritiker losgegangen werden. Zum Beispiel: «Wer bezweifelt, dass Juden an allem schuld sind, ist ein Judenversteher.» Da die Juden per Definition schuldhaft sind, ist einer, der sie versteht, selber ein Schädling an der Gesellschaft.
Oder der Kritiker könnte selber Jude sein. Oder von ihnen gekauft. Oder einfach ein Idiot. Indem er Zweifel daran äussert, dass die Juden an allem schuld seien, drückt er zudem nicht einfach eine abweichende Meinung aus. Nein, er zeigt damit eine Haltung. Eine Gesinnung. Natürlich eine falsche Haltung, ein üble Gesinnung. Eine zersetzende Gesinnung. Deshalb muss ihm, bei aller Liebe zur Meinungsfreiheit, das Maul verboten werden. Sonst schädigt er die Gesellschaft der Gutmeinenden, sät Zweifel in unschuldige Köpfe. Verwirrt sich zuvor auf sicherem Boden befindende Mitmenschen.
Immer nahe an der Kernbotschaft bleiben
Damit das Repetitive nicht zu langweilig wird, kann man leichte Varianten dazustellen, aber immer ganz nahe an der Kernbotschaft bleiben. Also zum Beispiel: «Putin ist ein gemeingefährlicher Verbrecher.» Oder: «Putin ist ein verrückter Verbrecher.» Hier kann man dann auch bestens die Denunzierung von Zweiflern anwenden: «Wer Putin verstehen will, ist selber ein Verbrecher.» Oder: «Nur Verbrecher können Verbrecher verstehen.» Natürlich ergänzt durch: «Für Putinversteher ist in der öffentlichen Debatte kein Platz.»
Wiederholung mit Personalisierung ist immer das Beste. Aber es geht auch mit etwas abstrakteren Begriffen. «Die Ukraine muss siegen. Russland muss geschlagen werden.» Der Einsatz eines Modalverbs verkompliziert die Sache ein wenig, aber das lässt sich leicht mit einer nachgeschobenen Begründung flicken. Dazu braucht es den Aufschwung ins Persönliche des Wirgefühls: «Die Ukraine kämpft für unsere Freiheit. Russland bedroht die Freiheit von uns allen.»
Letzte Lektion: die Verknüpfung. Ebenfalls ein einfaches Schema zwecks Erledigung von störenden Einwänden: «Wer den Einmarsch in die Ukraine nicht eindeutig verurteilt, der ist …» Hier kann man nun ein beschränktes Feld von abqualifizierenden Bezeichnungen verwenden. «Unmensch, selber Verbrecher, blind, gekauft, uneinsichtig, feige, Opfer russischer Propaganda», usw. Wichtig ist auch hier, bei zwei, maximal drei Begriffen zu bleiben.
Mit dieser Handlungsanleitung – und natürlich mit Hilfe der grossen Multiplikatoren, der Mainstream-Medien, der grossen Lautsprecher – ist es problemlos möglich, die öffentliche Debatte zu beherrschen. Und gleichzeitig die Illusion der Meinungsfreiheit aufrecht zu erhalten.
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