Schlagwortarchiv für: Roger Schawinski

Es darf gelacht werden: Richtig gendern mit der SoZ

ZACKBUM sieht sich gezwungen, bereits die zweite Lieferung von «Satire & Gelächter» auf die Rampe zu schieben. Vorsicht, ist nicht kurz. Aber sehr lustig.

Beim Coiffeur lag die aktuelle «Sonntagszeitung» auf dem «Nebelspalter». Den kenne ich schon, unterhaltsam oder witzig ist er weniger. Also griff ich zur SoZ – und wurde nicht enttäuscht.

Der Coiffeur musste mich mehrfach bitten, mich nicht so zu schütteln vor lachen, das täte dem Haarschnitt nicht gut. Also riss ich mich zusammen, aber den Lesern von ZACKBUM möchte ich die gleiche Erheiterung zukommen lassen.

Denn die SoZ hat – neben Corona – endlich ein zweites Schwerpunktthema gefunden. Eine Debatte, eine Auseinandersetzung, die schon lange die ganze Welt in Atem hält. Eine kleine Welt zwar, aber dafür eine lautstarke. Eine mit Zugang zu Multiplikatoren. Also die Welt von Journalisten, die zwar gewohnheitsmässig der deutschen Sprache Gewalt antun, sie auch regelmässig vergewaltigen, mit Gestümper, Gestammel, mit Fehlern, die das flachgesparte Korrektorat, das nur noch aus einem Microschrott-Programm besteht, nicht bemerkt.

Endlich: die Totalwürdigung eines kleinen Sternchens

Aber das wäre ein anderes Thema. Hier geht es um «gendern, aber richtig». Für die Wenigen, die noch nicht mit diesem fundamental wichtigen Thema belästigt wurden: In der deutschen Sprache (in anderen nicht, aber was soll’s, geht’s hier um Logik?) herrscht das sogenannte generische Maskulinum. Das bedeutet, dass angesichts von zwei Geschlechtern in der Realität und drei Genera in der Sprache, plus irgendeinem Idioten (männlich), der das nicht mit Gattung, sondern mit Geschlecht übersetzte, schon länger ein Kampf mottet.

Stern vor dem Kopf: Die Kulturreste bei Tamedia.

Der wird von Gesinnungstätern geführt, die eine fanatische Mission haben und daher wie die meisten Fanatiker alles ausblenden, was ihrer Mission widersprechen könnte. Ihre Mission lautet: durch die übermässige Verwendung des maskulinen Genus bei Personen- und Berufsbezeichnungen werden Frauen diskriminiert, ausgegrenzt. Ist zwar völliger Unsinn, aber dieses Kampffeld hat einen unbestreitbaren Vorteil.

Wie die Flachdenker, die meinen, mit einem Pappkarton vor der Stirn könne man toll demonstrieren, meinen diese Fehlgeleiteten, durchaus vorhandene Diskriminierung qua Geschlecht liesse sich vornehmlich dadurch bekämpfen, dass man die deutsche Sprache verhunzt. Erschwerend kommt noch hinzu, dass Doppelnennungen (Journalist, Journalistin) zwar schon ein Schritt in die richtige Richtung sei. Aber: was ist dann mit dem ganzen Zoo von weiteren Geschlechtern, non-binären, und überhaupt?

Damit verlagerte sich die Verhunzung vom Pflanzen eines Binnen-I oder der absurd falschen Verwendung des Partizips Präsens (Studierende) zum Sternchenhimmel. Da sind wir heute, und die SoZ ist vorne dabei. Sie gehört ja zum einzigen Medienkonzern der Schweiz, bei dem sich Frauen massenhaft über Sexismus, Diskriminierung, Ausschluss, Negierung und vieles andere beschweren.

Da muss Trauer- und Aufklärungsarbeit geleistet werden. Also landet die SoZ gleich einen Viererschlag. Wahnsinn. Sogar ohne Methode.

Kultur besteht bei der SoZ aus einem einzigen Thema

Sagenhafte drei Seiten widmet der «Kultur»-Bund der Sache mit dem Stern. Also allen Platz, den Kultur bei Tamedia noch hat. Bevor dann zwei Seiten TV-Programm (ohne Genderstern!) und als Gipfel eine – natürlich von einem Mann – geschriebene Lobeshymne auf den neuen McLaren Elva folgen. Der Schwanzvergleich: «in 2,8 Sekunden von 0 auf 100. Schluss wäre bei 328 km/h.» Dazu ein Schnäppchen: «1,7 Millionen Euro» zahlt der Mann für diesen Penisersatz, den er bei Regen in der Garage stehen lassen muss.

Aber zurück zum Thema, bei dem Frau und Mann in 0 Sekunden von 0 auf dumm beschleunigen. Zunächst ergreifen die beiden Sprachwissenschaftler Aleksandra Hiltmann und Andreas Tobler (der alte Abschreiber will sich offenbar überall einschleimen) das Wort. Hiltmann qualifiziert sich durch die Unterzeichnung und federführende Lancierung des Frauen-Protestschreibens. Und hat bezüglich Zigeunerschnitzel und so noch etwas gutzumachen.

Worüber äussern sich die beiden? Schwer zu sagen, Genderstern, Genderstern, Genderstern, Glottis-Stopp (sicher gegoogelt), damit mäandern sie sich zur Schlussfolgerung durch: «Gendern ist also nicht einfach eine Modeerscheinung oder ein Sprachspiel – sondern ein Wirtschaftsfaktor. Diversität ist zu einer Frage der gesellschaftlichen Verantwortung geworden, ähnlich wie Nachhaltigkeit oder Umwelt.»

Mit Verlaub, was für ein gequirlter Schwachsinn. Dass Firmen beim Anpreisen ihrer Produkte und dank des Internet-Targeting immer gruppenspezifischer werben, also nicht mehr nur Männlein und/oder Weiblein ansprechen, sondern gerne auch den schwulen, schwarzen Aktivisten in einem Vorort einer Grossstadt, macht das Sprachverbrechen gendern weder zu einem Wirtschaftsfaktor, noch hebt es diesen Unfug auf die Ebene von Nachhaltigkeit oder Umwelt.

Höhepunkt auf Höhepunkt

Ein Höhepunkt in diesem 13’000 Anschläge-Erguss (Pardon) ist die Stelle über den Zürcher AL-Gemeinderat David García Nuñez: «Als Arzt hat er eine wissenschaftliche Studie geleitet, die zeigt, dass auch bei Transmenschen, die den Geschlechtsangleichungsprozess hinter sich haben, die falsche Ansprache traumatisierend wirkt und Depressionen hervorruft.» Liebe Transmenschen, wenn ihr bis hierher gelesen habt: sofort aufhören und den Arzt oder Psychiater konsultieren.

Alleine schon die in diesen Schwulst eingestreuten Regeln für «richtig gendern» sind kabarettauglich.

Schlag zwei: Zu diesem Endlos-Gesülze als wär’s ein Stück aus der «Republik» wird – originell – eine Umfrage unter Schweizer Autoren gestellt: Wie haltet Ihr’s mit dem Stern? Wir vermissen schmerzlich – nein, nicht wirklich – unseren Büchnerpreisträger Lukas Bärfuss, aber der fiel noch nie durch Beherrschung der deutschen Sprache auf.

Die Reaktionen sind entlarvend. Sich zum frauenbewegten Lager zählende Autoren (generisches Maskulinum) verwenden das Unglücks-Sternchen entweder, oder eiern drum herum, wieso es in Lyrik oder Prosa dann so eine Sache sei. Völlig zum Deppen, aber auch das ist nichts Neues, macht sich Mundart-Poet Pedro Lenz. Er will sich locker und pragmatisch geben, verrät aber immerhin, dass er «nicht mehr «die Lehrer» schreibe, wenn er «Lehrerinnen und Lehrer» meine, sondern «die Lehrerschaft».

Vielleicht ist das in der Mundart anders, aber Lehrerschaft wurzelt in Lehrer. Wo bleibt da die Frau, lieber Poet? Vielleicht weniger poetisieren, dafür Deutsch lernen?

Genau richtig liegen drei Schriftsteller mit ihren Antworten. In aufsteigender Reihenfolge: «Literarisch unbrauchbar»; soweit gut, aber dann setzt Franz Hohler zu einer überflüssigen Erklärung an. «Ich liebe die deutsche Sprache und finde diese Genderei zum Kotzen.» Gut und scharf, aber auch Thomas Hürlimann wird dann etwas zu lang.

Unerreichter Todesstern für den Genderstern ist aber Peter von Matt. Der grosse Germanist, eleganteste Essayist der Schweiz und – wie ich nicht ohne Stolz sagen darf – mein Doktorvater. Der antwortet unübertreffbar:

«Nein.»

Diese Nein hat ungefähr so viel Wucht wie der Gag mit dem grossen Pantomimen Marcel Marceau, der in der Slapstick-Komödie «Silent Movie», eine ironische Verbeugung vor dem Stummfilm, am Schluss und als einziger ein Wort sagt: «non.»

Wohl der Grösste von allen: Marcel Marceau (1923 bis 2007).

Schlag drei: Wie immer mutig und zugleich vorsichtig versucht sich Michèle Binswanger an einem historischen Abriss: «Die Bemühungen um geschlechtergerechte Sprache sind so alt wie der Kampf um die Gleichstellung.» Sie zitiert Für und Wider, auch aus feminsistischer Sicht, denn niemals kann man es allen Recht machen, der Genderstern zerstöre «eine gewachsene feministische Lösung: da grosse I». Komisch, hier, aber nur hier bin ich für den Genderstern.

Das Schlimmste zum Schluss

Schlag vier: Wenn man meint, man habe das Schlimmste hinter sich, kommt SP-Nationalrätin und Co-Präsidentin (Schreibweise, ihr Tagi-Machos, Schreibweise?) der SP Frauen Schweiz. Tamara Funiciello beginnt ihren «Standpunkt» zuckersüss: «Lieber anonymer Mann …»

Ich atme auf, denn ich bin kein anonymer Mann und auch kein Tamedia-Machomann. Aber diese Süsse hört schnell auf, nachdem Funiciello die neusten Zahlen der Kriminalstatistik zitiert hat. Es gibt mehr häusliche Gewalt. Bekannt und erklärbar, wenn Familien mitsamt Kindern den ganzen Tag in dafür nicht vorgesehenen Wohnungen zusammengepfercht sind.

Daraus könnte man die Forderung nach mehr Wohnraum ableiten. Aber doch nicht die SP-Genossin. Denn es gibt Schlimmeres: «Femizide, also Morde an Frauen, die getötet wurden, weil sie Frauen sind, sind aber nur die Spitze der Gewaltepidemie, die Frauen erleben.» Sie bezieht sich dabei auf in diesem Jahr von ihren Partnern oder Ex-Partnern ermordete Frauen.

Wie jeder gewaltsame Tod sehr bedauerlich, aber wurden die wirklich umgebracht, weil sie Frauen sind? Als Mann, Kind, non-binär, mit Gendersternchen wäre ihnen das nicht passiert? Absurde Logik, aber das soll nur als Sprungbrett für einen wahren Amoklauf dienen:

«Genug Männer, die uns Gewalt antun oder angetan haben, dass wir mit unserem Schlüssel zwischen den Fingern nach Hause laufen, flache Schuhe zum Rennen dabeihaben, keine Musik hören, wenn wir alleine sind, damit wir die Gefahr hören, wenn sie kommt. Wir lassen uns von Freundinnen orten, telefonieren, tun so, als würden wir telefonieren. Es sind genug Männer, dass wir uns nicht so anziehen, wie wir möchten, nicht tanzen, wie wir möchten, dass wir zum Teil gar nicht erst hingehen und schon gar nicht allein. Wir sind in unserer Freiheit eingeschränkt, weil wir Angst haben müssen vor Übergriffen, Gewalt, Belästigung, Drohung. Es ist ein bisschen wie Corona – nicht jeder Mensch, den du triffst, ist eine reelle Gefahr – dennoch schützen wir uns, weil es eine sein könnte

 

«Nicht alle», aber genug, tobt Funicello, und was sage der anonyme Mann dazu? «Ja, aber ich war’s nicht.» Darauf sie: «Ich will dir erklären, anonymer Mann, wieso ich die Wut, die mich erfasst bei diesem Satz, fast nicht aushalte.» Oh je, dabei hat sich Funiciello doch schon medienwirksam des männlichen Unterdrückungsapparats namens BH entledigt.

Ich nehme das Privileg in Anspruch, als nicht-anonymer Mann zu antworten: abgesehen davon, dass ich’s wirklich nicht bin, selten eine solche absurde Darstellung der Schweizer Realität gelesen, als wäre sie für Frauen von Syrien nur dadurch unterscheidbar, dass keine Ruinen die Strassen säumen.

Es gibt noch einen todesmutigen Mann bei Tamedia

War’s das? Ja, das war’s an Schreckensnachrichten. Ein Mann hingegen muss nun bei Tamedia ganz, aber ganz tapfer sein. Sein Name ist Rico Bandle, und er hat – Gottseibeiuns – Esther Vilar interviewt. Kennen viele genauso wenig wie Alice Schwarzer? Schade, lohnt sich aber. Wer Mühe mit Lesen hat: Roger Schawinski hat sie natürlich in seinen Doppelpunkt heute geholt. Als Podcast hörenswert. Und Alex Baur, pfuibäh, hat eine Biographie über sie geschrieben.

Mehr will ich dazu nicht sagen, sondern einfach hinter Bandle in Deckung gehen, wenn dann die ganz groben Brocken fliegen werden.

Der Mann hat Eier in der Hose. Aber dieser Spruch hilft immer sicher auch nicht.

Stöhlker im tiefen Tal vor hohen Bergen

Der Mann wird dieses Jahr 80. Leider hat auch er den Moment verpasst, wo’s dann mal gut ist.

Das erste Mal hörte ich den Namen Stöhlker, als Elisabeth Kopp ins Kreuzfeuer der Medien geraten war. Man konnte nicht mehr mit der bald einmal Alt-Bundesrätin direkt kommunizieren, sondern wurde an einen Klaus J. Stöhlker verwiesen. «Beratung, Öffentlichkeitsarbeit», das war 1988 in der Schweiz was Neues.

Bis heute pflegt Stöhlker sein deutsches Schweizerdeutsch, das jeden Eidgenossen die Wände hochtreibt. Um Sympathiepunkte ging es ihm nie, typisch deutsche Arroganz und Besserwisserei verbarg er nie. Genauso wenig, dass er zu eigentlich allem sofort eine Meinung hat, die natürlich die einzig richtige ist.

Sein Geschäftsprinzip, mal erfolgreicher, mal weniger, war immer: man muss mich nicht mögen. Aber wenn man mich braucht, liefere ich. Lange Zeit war er auf seinen Gebieten konkurrenzlos, bis immer neue Heerscharen von um ihre Zukunft fürchtenden Journalisten auch die Einkommensquelle «kommunikative Beratung jeder Art» entdeckten.

Mit der Zeit wurde es voller beim Angebot von Beratungen

Die Konsulenten und Co. über ihm, Katastrophen-Sacha Wigdorovits unter ihm, die Angebote wucherten, aber Stöhlker hielt sich über Wasser. Bis er dann 2003 seinen Söhnen Fidel und Raoul die Geschäftsleitung übergab, um sich der Rolle des «grumpy old man» zu widmen. Als grantiger, griesgrämiger Kommentator der Weltläufe und der Schweiz. Sozusagen Waldorf und Statler in einer Person, aus der Loge ins Publikum motzend. Aber nur selten so witzig wie die Zwei.

Was ihn auch auszeichnet, ist die Pflege seines Images als unguided missile. Da ohne eigene Haltung, entschied er sich oftmals spontan für eine Position. Unvergesslich, wie das Markus Gilli bei einem Talk recht ins Schwitzen brachte. Er hatte Stöhlker als Verteidiger des Finanzplatzes Schweiz eingeladen, mich als Bankenkritiker. Aber schon mit seinem ersten Votum schlug sich Stöhlker auf meine Seite und gab mir völlig recht.

Leider konnten die Zuschauer das lange Gesicht von Gilli nicht sehen, der dann – als gewiefter Talkmaster – halt selber die Rolle des tapferen Verteidigers der Gierbanker übernehmen musste. In Stereo beharkt von Stöhlker und mir.

Soft-Rassimus gegen einen eloquenten Deutschen

Es gibt allerdings ein Thema, bei dem entgleist Stöhlker schnell. Als vor einigen Jahren Roger Schawinski in seiner Talkshow die naheliegende Frage stellte, ob die Wahl der Vornamen seiner beiden Söhne vielleicht etwas mit den Gebrüdern Castro zu tun haben könnte, wurde Stöhlker unwirsch. Denn darauf wird er zwar häufiger angesprochen, verweigert aber jede Erklärung. Als ihn Schawinski daran erinnerte, dass Stöhlker wegen «unlauterer Geschäftsmethoden» aus dem Schweizer PR-Verband ausgeschlossen wurde, feuerte Stöhlker zurück, dass das eine Art von Soft-Rassismus sei, gegen einen eloquenteren Deutschen. Und überhaupt, Schawinski diskreditiere doch wegen seiner Herkunft laufend Moslem und Araber.

Als Schawinski dies klar dementierte und nachhakte, worauf sich Stöhlker beziehe, meinte der wichtigtuerisch, er habe dazu viele Belege in seinem Dossier über Schawinski. Sozusagen ein Klein-Cincera, ältere Semester erinnern sich noch. Schawi, verständlicherweise hartnäckig, hakte nach und verlangte diese Unterlagen. Stöhlker teilte ihm schliesslich lapidar mit, es gebe gar keine solchen Dossiers. Dazu Schawinski: «Ich empfand sein Verhalten als schändlich. Das war’s für mich. Ich wollte mit diesem Typen nie mehr etwas zu tun haben.» Vergangen, aber die Beschreibung ist nötig, um es mit Stöhlkers heutiger Darstellung zu vergleichen.

Deutsche und Juden, bis heute ein schwieriges Verhältnis

Man könnte den Mantel des Vergessens, die Gnade der späten Geburt über einen Ausraster Stöhlkers legen. Wenn er nicht kürzlich sich ohne Anlass oder Not des Themas Juden wieder angenommen hätte. In einer – gelinde gesagt – absonderlichen Art. So schreibt er auf «Inside Paradeplatz»: «Einer der bekanntesten Juden in Zürich ist Roger Schawinski, der Radio- und TV-Pionier. Seine freche und manchmal beleidigende Interviewtechnik machte ihn zur Kultfigur. Er holte mich für mehr als ein Jahrzehnt in die beste Talksendung der Schweiz, den «SonnTalk» von TeleZüri. Wir lieferten uns Schlachten.»

Schon hier ist alles drin, was den Text – und damit Stöhlker – unter Verdacht stellt. Denn Schawinski ist nicht «einer der bekanntesten Juden», sondern einer der bekanntesten Medienunternehmer, Publizisten, Talkmaster. Gleichzeitig kann’s Stöhlker nicht lassen, sich in Eigenlob zu baden. Grundfalsch, wie so oft bei Stöhlker, ist auch seine Behauptung von «mehr als ein Jahrzehnt» Sonntalk. Schawinski war nur sieben Jahre, von 1994 bis 2001, Besitzer und Chef von Telezüri. Stöhlker sass nur während eines Bruchteils dieser Zeit in einer regelmässigen Runde mit Schawinski und Peter Rothenbühler.

Nun muss man wissen, dass das Verhältnis von Deutschen zu Juden bis heute ein ganz anderes ist als das von Schweizern. Dass Schawinski jüdischen Glaubens ist, hat er nie ins Schaufenster gestellt oder im Sinn der Nazikeule verwendet. Also zum Austeilen von Beschimpfungen wie «das ist brauner Antisemitismus» oder «ich darf das so sagen, ich bin Jude». Erst in seiner Autobiographie geht er auf dieses Thema ein.

Stöhlkers Meinungsstück ist überschrieben mit «Kein Platz mehr für Juden im Saastal». Dessen Einwohner hätten «erneut ein Zeichen gesetzt, dass jüdische Touristen in der Schweiz nicht unbedingt willkommen sind».

Das könnte man noch als Kritik an dieser Haltung verstehen. Aber Stöhlker streut noch weitere Beispiele in den Text, als letztes eins aus Crans-Montana: «Der Besitzer der dortigen Bergbahnen, einiger Hotels und vieler Wohnungen, ist ein tschechischer Hedge Fund-Manager jüdischen Glaubens, der laufend im Konflikt mit den Behörden steht.»

«Die aus New York eingeflogenen Sänger waren Weltklasse»

Von diesem reichen und konfliktiven, ausländischen Juden wechselt Stöhlker dann nach Zürich. Dort lobt er zuerst deren «brillanten Köpfe in der Wissenschaft, als Unternehmer oder Künstler». Als Rückversicherung erwähnt er noch: «Immer wieder besuchte ich mit meiner Frau Kulturanlässe konservativer Juden in Zürich. Die jiddischen Lieder sind grossartig. Die aus New York eingeflogenen Sänger waren Weltklasse.» Ein gerne verwendetes Argument: Ich mag schwarzen Blues, wie kann ich da Rassist sein?

Auch hier entgleist ihm das Lob, «die aus New York eingeflogenen Sänger», man hat’s ja, als Jude. Dann die «Golan-Höhen» im Zürcher Enge-Quartier, der staunende Gast in jüdischen Protzvillen: «Jeder einzelne Raum ist von einer Pracht, die auch am reichen Zürichberg immer weniger anzutreffen ist.»

Sie sind halt auch ewige Wanderjuden: «Sie kommen aus aller Welt in unsere Berggebiete und erwarten, dass man auf sie eingeht. Niemand sollte erwarten, dass sie auf uns eingehen. Sie, die Frauen vor allem, tragen gerne Vollkörper-Badeanzüge im Pool. Sie essen nur koscher. Das gefällt nicht allen unseren Hoteliers und Wirten. Solche, die sich nicht gerne umstellen.»

Respekt und Toleranz, dann geht das schon mit den Nachbarn

Am Schluss dann ein Aufruf zu «Respekt und Toleranz», der in Zürich wie im Wallis erschalle und ein optimistischer Blick in die Zukunft: «Dann gehören die Konflikte zwischen der Grüezi- und der Koscher-Kultur bald der Vergangenheit an.»

Aber nur, wenn Stöhlker, wie viele Deutsche, die noch vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs geboren wurden, zu diesem Thema die Schnauze hält. Nicht weiter grund- und sinnlos so ziemlich alle Klischees bedient, die das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden bis heute schwierig machen. Obwohl Stöhlker sich als Schweizer versteht und so auch die ewige Einleitungsfrage von Schawinski «wer sind Sie?» beantwortete, ist er beim Thema Juden ein in der Wolle gefärbter Deutscher. Mit welcher Farbe, das kann jeder Leser selbst entscheiden.

Packungsbeilage: René Zeyer publiziert gelegentlich auf «Inside Paradeplatz» zu wirtschaftlichen Themen.

«Grösste Bewunderung für Euren Output»

Roger Schawinski zieht in seinem Doppelpunkt ein positives Fazit nach sechs Monaten ZACKBUM.

«Eigenlob stinkt überhaupt nicht. Ausserdem lobe ich mich nicht selbst. Aber uns bei ZACKBUM», schrieb René Zeyer vor zwei Monaten auf ZACKBUM.ch.

Heute auf Radio 1 gab’s auch Lob. Und zwar recht üppig. Und erst noch aus dem Mund von Roger Schawinski. Dies im Rahmen seiner legendären Doppelpunkt-Sendung auf Radio 1. «ZACKBUM ist erfrischend, ich habe grösste Bewunderung für Euren Output, die Texte sind meist brillant geschrieben, ZACKBUM ist eine Bereicherung für die Schweizer Medien, ich wünsche Euch Durchhaltewillen». Das ist natürlich ein Best-of aus dem 55-minütigen Talk zwischen Roger Schawinski und ZACKBUM-Mitbegründer René Zeyer. Aber immerhin.

«René, wer bist Du?»

«Ich bin etwas Spezielles, ich bin ein freier Meinungsäusserer – wie sonst nur Roger Schawinski und Jean Ziegler», beschreibt sich René Zeyer auf Schawinskis berühmt-berüchtigter Einstiegsfrage. Und schon kommt Schawinskis Nachhaken: Er, Zeyer, werde als arrogant und durchtrieben wahrgenommen. «Eher Neid», kontert Zeyer. Er sei nicht aggressiv, dafür lernfähig.

Die DDR, Cuba und die Lehman Brothers

Im ersten Gesprächsteil lernt man Zeyers Herkunft und Wirken kennen. Etwa, warum sein Vater in die DDR auswanderte. Wieso Zeyer zehn Jahre auf Cuba lebte. Weshalb gewisse Jobs von René Zeyer plötzlich weg waren. Und dass Zeyer für die Schweizer Finanzopfer der ehemaligen Investmentbank Lehman Brothers 150 Millionen mehr Schadenersatz von der CS herausholte.

In die Pfanne hauen als Medizin 

Etwa nach einer halben Stunde dann wird ZACKBUM zum Hauptthema: «Deine Medizin ist, jeden Tag jemanden in die Pfanne zu hauen», stichelt  Schawinski. Für Zeyer ist klar: «Es braucht mehr Chili in der Einheitssauce der Medien». Das folgende Gesprächspingpong ist – zumindest für Medieninteressierte – höchst vergnüglich.

Hier die Höhepunkte, ganz subjektiv aus ZACKBUM-Sicht

Bei der Namensfindung spielte tatsächlich der Alkohol eine Rolle. Mitbegründer Beni Frenkel knallte sein Glas auf den Tisch und sagte: «Zackbum».

Roger Schawinski findet’s erstaunlich, wie produktiv ZACKBUM ist, «produktiver als die Republik, immer gut, oft brillant geschrieben».

«ZACKBUM agiert rein aus Spass an der Freude», so Zeyer, was Schawinski nicht glauben will. «Wer finanziert Euch?» Die Republik habe wie eine Sekte viele Anhänger, Markus Somm mit seiner neuen Plattform «Nebelspalter» 70 Leute, die je 100’000 Franken einschiessen. Zeyer: «Das Hosting von ZACKBUM kostet 150 Franken im Jahr, das Grundlayout der Website kostete 3000 Franken. Ich leistete die Arbeit für den Aufbau, meine beiden Kollegen zahlten».

«Ihr arbeitet offensichtlich Tag und Nacht», urteilt Schawinski. «Das kann doch nicht aufgehen». «Kann es schon», so Zeyer. Man überlege sich nun  eine Vereinsgründung. Grund: Es gebe nicht wenige Leser, die gerne etwas bezahlen möchten für die ZACKBUM-Inhalte. Man spürt durch den Lautsprecher das Staunen von Roger Schawinski. Aber auch den Respekt.

Treffend, das von Roger Schawinski zusammengefasste Geschäftsmodell von ZACKBUM.

«So kann Euch kein Idiot auf den Redaktionen zensurieren»

Und was waren die für René Zeyer erfolgreichsten ZACKBUM-Stories der vergangenen sechs Monate? Jetzt aber reinhören.

Als Bonus 1: 

René Zeyer bei Roger Schawinski im SRF (2013). Prädikat: wertvoll.

Als Bonus 2:

Und noch eine Archivperle von Roger Schawinski: Inoffiziell feiert er aktuell das gut 40-jährige Bestehen seiner Doppelpunkt-Sendung. Darum hier ein Sendeausschnitt von einer der ersten Doppelpunktsendungen von Roger Schawinski, damals natürlich Radio 24. Er nahm am 2.8.1981 den Vereinsvorstand von Free Radio Switzerland (FRCH) in die Zange. Prädikat: besonders wertvoll. 

 

Zeyer bei Schawinski

Nichts für Leute mit IQ < ((25*25)-(12*26))/pi

«Sie beschimpfen Leute schon fast berufsmässig», «Hören Sie doch auf, Sie sind PR-Mann gewesen und nachher Buchautor. Man konnte Ihre Meinung mieten.», «Sie stellen sich als letzte unabhängige Instanz vor. Das ist nicht glaubwürdig.»

Vor sechseinhalb Jahren duellierten sie sich zum letzten Mal: Dr.Roger Schawinski und Dr. René Zeyer. In der Sendung «Schawinski» ging es um die Finanzkrise, Kuba und die Nationalbank.

Diesen Sonntag, 31. Januar, findet auf Radio 1 um 11 Uhr (und in der Wiederholung um 18 Uhr) ein zweites Treffen der beiden Männer statt. Wer die beiden Herren kennt, weiss, dass es nicht um Austauschen von Kuchenrezepten geht. Also, Popcorn kaufen und am Sonntag frühzeitig aus dem Bett!

Unser Ranking zum Schweizer Journalisten: the winner is …

Zackbum hat auch gevotet. Journalist des Jahres ist …. Roger Schawinski.

Etwa 800 Leserinnen und Leser des Schweizer Journalisten machten mit bei den diesjährigen Wahlen. Das sind immerhin gut viermal mehr, als bei den «Mediensprechern» des Jahres voteten. Aber jetzt mal Tacheles gesprochen. Journalistinnen und Journalisten sind doch Wesen mit eigenem Denkapparat. Ist es da wirklich demokratisch, wenn man nur auswählen darf? Wenn man nur Kreuzchen machen darf? Da kommt einem die unselige Geschichte der «Besten Sportler und Sportlerinnen der vergangenen 70 Jahre» von SRF in den Sinn. Tennisgöttin Martina Hingis wurde nicht nominiert, weil sie früher mal für ein Dopingvergehen gesperrt war. Hä?

Langer Rede, kurzer Sinn. Hier das ZACKBUM-Ranking der besten – und der schlechtesten – Journalisten der letzten Zeit.

+ bedeutet anerkennend und ernst gemeint
– bedeutet bitterböse, aber auch ernst gemeint

Journalist des Jahres
+ Roger Schawinski (Radio 1) Schawinski trägt persönlich enorme Verluste wegen fehlenden Werbeeinnahmen, hat aber niemandem gekündigt. Hat sein Angebot sogar während der Krise ausgebaut. Und er ist als Moderator wegen Corona zu neuen Höchstleistungen aufgestiegen, mit seinem Talkradio. Zudem ist sein Doppelpunkt nach wie vor das Mass aller Interviews.

Allerdings wurde Roger Schawinski vom Schweizer Journalisten noch nie in dieser Funktion ausgezeichnet. Erstaunlich…

Chefredaktion
+ Kaspar Surber (WoZ)
Weil das Original doch besser ist als die Republik.
– Arthur Rutishauser (Tamedia)
Als Obersuperchefredaktor schreibt er unglaublich viel, lässt dafür seine Redaktionen ausbluten.
+ Gaudenz Looser (20Min)
Ein Macher, der Online-Titel gerne umschreibt, um mehr Klicks zu generieren. Der Erfolg gibt ihm recht.

Reporter
+ Andreas Schmid NZZaS
Jeden Sonntag liefert der stille Schaffer Primeurs. Etwa jenen des Mörserpanzers der Armee, der nur bei schönem Wetter funktioniert.
+ Ralf Kaminski (Migros-Magazin) Immer wieder schön am Puls der Zeit und unaufgeregt. Stellt sich selber nicht in den Vordergrund.

Sport
+ Steffi Buchli
Sie ist und bleibt die «Gute-Laune-Moderatorin», ob bei UPC oder beim Blick.

Recherche
– Roman Zeller, Weltwoche. Wie er Salomé Balthus ausführte und das Balzgespräch nachher zu Papier bringen konnte, ist brillant.

Gesellschaft
+ Eva Hediger, Chefredaktorin Hello Zurich
Setzt um, was tsüri.ch immer nur in Aussicht stellt

Politik
– Dennis Bühler (Republik)
Der  Bundeshausjournalist, der auch beim Schweizer Journalisten den Takt angibt. Stellvertretend steht Bühler für ein Portal, das sich völlig kritikunfähig gibt.

Wirtschaft
+ Lukas Hässig (Inside Paradeplatz) Es kann einfach niemand anderen geben. Hässig stellt alle anderen Wirtschaftsjournalisten in den Schatten.
+ Arthur Rutishauser (Tamedia)
Erstaunlich, was er als Obersuperchefredaktor für Storys ausgräbt.

Kolumne
+ Ruedi Widmer (WoZ)
Ruedi ist nicht nur ein begnadeter Cartoonist, er hat auch eine brillante Schreibe. Aber weil er mit seinen charakteristischen Männchen so gut ankommt, kommt er viel zu wenig zum Schreiben. Schade.

Kultur
+ Daniele Muscionico
Seit vielen Jahren die Instanz für Theaterkritik. Jetzt schnöde abserviert von der NZZ.

Newcomer
+ Anielle Peterhans. Volontärin bei SRF und Teil des Rundschau-Cryptoleaks-Rechercheteams. Das muss man auch erst einmal zustandebringen.
+ Dembah Fofanah & Ben Pauli, die beiden Gründer des Kollektivs Voda.ch. Sie benennen Diskriminierung und Rassismus in der Schweiz.
+/- Die ZACKBUM-Macher: man liebt sie, oder man hasst sie.

Nachtrag: In einer ersten Version ist die Rubrik «Local Heroes» nicht erschienen. Wir liefern sie hier nach.

Local heroes
+ Nadia Rohner (CH Media)
Die Lokalredaktorin der Aargauer Zeitung ist zuständig für die Gemeinden Aarau, Buchs, Auenstein, Biberstein, Küttigen, Densbüren und Erlinsbach zuständig. Daneben engagiert sie sich beim Verein Medienfrauen Schweiz.
+ Ruedi Baumann (Tagi)
Das Urgestein hat fast 50 Jahre lang jeden Tag einen Text über den lokalen Mikrokosmos geschrieben – zuletzt für den Tages-Anzeiger. Er ist vor wenigen Wochen in den verdienten Ruhestand getreten.

 

 

 

 

 

Blickgruppe nur mit 12 Prozent tieferen Werbeeinnahmen als 2019

Christian Dorer nennt im Schawinski-Interview Zahlen.

«Wir wollen kein Krawallblatt mehr sein», betont Blick-Gruppen-Chefredaktor Christian Dorer beim Schawinski-Interview auf Radio 1. Dass der Blick die Reichen und die Prominenten schützt und dafür die Kleinen fertigmacht, findet Dorer Quatsch. Die Boulevardgeschichte, wo Pierin Vinzenz kaputtes Hotelmobiliar für mehrere Tausend Franken auf Spesen nehmen liess, brachte der Blick zwar genüsslich. Laut Schawinski nicht aber, dass es sich Vinzenz mit Ringier-Chef Marc Walder auf Raiffeisenspesen für Tausende von Franken gut gehen liessen. Kurzum: Das einstündige Interview im Rahmen der Sendung «Doppelpunkt» von gestern Sonntag ist hörenswert. Man erfährt zudem, dass die Werbeeinnahmen vom Blick, vom Sonntagsblick und von blick.ch aufs Jahr hochgerechnet bisher lediglich 12 Prozent tiefer sind als 2019. Schon 70 Prozent der Werbeeinnahmen des Blicks werden aktuell generiert mit Onlinewerbung, der Printblick (Auflage nur 100’000) schreibt (noch) schwarze Zahlen, während Blick-TV (noch) defizitär ist. Weil laut Dorer zuwenig Leute auf Blick-TV klicken, erscheint seit letzter Woche direkt ein Fenster, wenn man auf www.blick.ch geht.

 

AZ Nordwestschweiz halbiert Digitalabo-Preise

Die Zeitungen der AZ Nordwestschweiz kosten digital bald viel weniger.

15 statt gut 30 Franken soll das Digitalabo der AZ Nordwestschweiz-Zeitungen künftig kosten. Dies stellte Chefredaktor Patrik Müller im Doppelpunkt-Interview mit Roger Schawinski vom Sonntag in Aussicht. Aufs Jahr umgerechnet könne man von einer Preissenkung von jetzt gegen 500 auf 200 Franken ausgehen, sagte Müller. Die Werbe-Kampagne solle noch im November starten. Zum erwähnten Zeitungsverbund gehören die Aargauer Zeitung, die Limmattaler Zeitung, die Solothurner Zeitung, das Grenchner Tagblatt und die Basellandschaftliche Zeitung sowie die Partnertitel Oltner Tagblatt und Zofinger Tagblatt.

Leser- statt werbefinanziert

Sonst brachte das Interview auf Radio 1 wenig Neues. Beim Inseratevolumen sei der Rückgang ausser bei der Reisebranche nicht so dramatisch wie befürchtet. Trotzdem kippe der Verteilschlüssel der Einnahmen von 2 Franken von der Werbung und 1 Franken von den Abonnenten ins Gegenteil. Sprich: «Wir werden je länger je mehr leserfinanziert», so Müller. Zur 2018 erfolgten Fusion AZ Medien und NZZ-Landzeitungen konnte Schawinski nicht viel aus Müller herausquetschen. «Da musst Du den CEO oder Herrn Wanner fragen», blieb Müller merkwürdig einsilbig. Oft aber auch erfrischend cool. Etwa, als Schawinski sich sehr herablassend über den für Schawinski unerklärlichen Standort der Zentralredaktion von CH Media im Telliquartier in Aarau äusserte.Unklar bleibt also, warum die NZZ nicht mehr auf eigene Rechte pochte bei der Standortfrage.

Speziell erwähnenswert noch Müllers Einschätzung der eigenen TV-Sender als «Unterhaltung». Ob das die Verantwortlichen von Tele Züri, Tele Bärn und Tele M1 gerne hören? Die Berichte aus Bundesbern sind jedenfalls von erstaunlich hoher Qualität.

Die ganze Sendung vom 1. November 2020 gibt’s hier zu hören.

In einer ersten Version schrieb der Autor von Tele 24. Das ist natürlich falsch. Er meinte Tele Züri.

Roger Schawinski im Corona-Stress

Der begnadete Talker Roger Schawinski zeigt Abnutzungserscheinungen. Doch wer soll folgen? Dillier, Hug oder Eisenring?

Seit gefühlt 40 Jahren macht Roger Schawinski seinen Doppelpunkt. Also das legendäre Radio-Interview immer am Sonntag um 11 Uhr. Nun hat es seine Sendung zum ersten Mal gross in den Tages-Anzeiger geschafft. Auf die Kehrseite. Promis, Sex & Crime. Der Grund heisst Corona und Marco Rimas fragwürdige Meinungen dazu.

Andreas Tobler schrieb dazu eine für die Kehrseite eher längliche, aber durchaus lesenswerte Medienkritik. Marco Rima liess sich von Roger Schawinski im Doppelpunkt eine Stunde lang grillieren. Der Spasssvogel mit beachtlicher Karriere in der Schweiz und in Deutschland verlor dabei nie die Contenance, im Gegensatz zu Roger Schawinski. Beim Thema Krebsdiagnose etwa zeuselte Schawinski: «Und? Würdest Du nicht ins Spital gehen und auf Selbstheilung hoffen?»

Gehört Rima zu den Corona-Leugnern?

Rima mache Terror wegen fehlenden Auftritten. Stossrichtung von Schawinskis Trommelfeuer: Rima sei frustriert und gehöre nach seinen beiden geposteteten Videofilmen über seine absolut schrägen Corona-Ansichten zu den Coronaleugnern, zu den Staatskritikern, zu den Rechtsxtremen. Marco Rima konterte immer wieder, er sei einfach ehrlich und wisse zu wenig über Corona, wie auch der Bundesrat und der Staat allgemein. Die Einschränkungen für die Einwohnerinnen und Einwohner, aber auch etwa für Künstler, seien zu rigide.

«Sterben müssen wir sowieso», findet Rima. Zugegeben: Der 59-Jährige ist eine Person mit grosser Fangemeinde. Wenn er etwas sagt, wird das aufgesogen wie Milch und Honig. Da wäre etwas mehr Besonnenheit angebracht. Aber wie Roger Schawinski ihn in die rechte Ecke drängen und immer wieder mit eigenem «Expertenwissen» auftrumpfen wollte, ist irgendwie noch unglaubwürdiger.

Schlimmer geht immer

Doch es geht noch schlimmer: Schawinski hat während des Corona-Lockdown mit seinem täglichen Coronatalk (10-12 Uhr) überhaupt nicht für Klarheit gesorgt. Oft ging ein solcher Corona-Blödsinn über den Sender, dass die Verunsicherung nur noch grösser wurde. Denn Schawinski liess in der Live-Sendung fast jede noch so krude Ansicht durch. Ein bisschen wie das abgesetzte Nachtwach mit Barbara Bührer, nur viel politischer. Roger Schawinski, der Gründer von Radio 24 und Radio 1 ist so von sich überzeugt, dass er meint, seine Argumente würden immer stechen. Der intelligente Zuhörer könne schon zwischen Gut und Böse unterscheiden.

Doch das stimmt nicht. Schawinskis grösster Fehler war vor Jahren, Roger Köppel jeden Montag in sein «Roger gegen Roger» einzuladen. Dank diesem «Trainingslager» bekam Köppel bessere Eloquenz und eine ideale Plattform, um seine üblen Ansichten zu verbreiten. Dass seit dem Abgang von Köppel Markus Somm im Radio-1-Studio sitzt, macht das Ganze keinen Deut besser. Somm erzählt ähnlich destruktiven Blödsinn einfach eine Oktave höher.

Wo bleibt der Talk-Nachwuchs?

Zeigt Roger Schawinski langsam Abnutzungserscheinungen? Ich meine Ja. Schawinski bringt in seinen Talks immer spürbarer seine eigene Meinung rein und lässt sein Gegenüber immer weniger zu Wort kommen. Am liebsten lässt er eigene Anekdoten aus seinem sicher sehr interessanten Leben Revue passieren. Es wäre also am Besten, er würde abtreten, solange es noch nicht peinlich ist. Denn besser wird der 75-Jährige nicht. Das Problem dabei: Schawinski ist und bleibt immer noch der beste harte Interviewer der Schweiz. Sind Nachfolger in Sicht? Radio-1-intern nicht. Jan Vontobel hat entnervt zu SRF gewechselt. Vorher schon gingen Iwan Santoro und Sandro Brotz.

Und sonst in der Radiolandschaft? Ein Dominic Dillier etwa auf SRF3, eine üble Schnarchtüte. Hannes Hug: viel zu selbstverliebt. Viktor Giaccobbo mit seinem Radio-24-Talk? Völlig belanglos und erschreckend unvorbereitet. Und Yvonne Eisenrings «Wahrheit, Wein und Eisenring: Das ehrlichste Gesprächsformat der Schweiz»? Das ist leider eingeschlafen. Schade. Wo bleibt nur der Talk-Nachwuchs?

Für jüngere Leserinnen und Leser: Roger Schawinski (* 11. Juni 1945 in Zürich) hat den Kassensturz des Schweizer Fernsehens, Radio 24, TeleZüri und Radio 1 gegründet. Von 2003 bis 2006 war er Geschäftsführer von Sat.1. Er hat viele Bücher geschrieben, seine jüngsten Werke sind «Verschwörung! Die fanatische Jagd nach dem Bösen in der Welt» und «Die Schawinski-Methode. Erfolgsrezepte eines Pioniers.»