Im weiten Streubereich der Wahrheit
Gut, dass der alte Löwe Lebrument das nicht mehr wirklich mitbekommt.
Denn seine Sprösslinge haben, gelinde gesagt, nicht ganz seine Fähigkeiten geerbt. Aber den Somedia-Konzern, und das tut ihm nicht gut. Da wird Tochter Lebrument zur objektiven und unabhängigen Ombudsfrau für Leserbeschwerden ernannt, eine echte Lachnummer.
Dann ist der Lebrument-Clan schon seit einiger Zeit im Clinch mit dem Radiopionier Roger Schawinski. Der muntere 79-Jährige will’s nochmal wissen und hatte sich erfolgreich um die Radiokonzession von Somedia beworben. Der Clan meinte offensichtlich, nach 33 Jahren so eine Art Gewohnheitsrecht zu haben und formulierte sein Neugesuch entsprechend schlampig. Und schwups, schon schnappte ihnen Schawinski die Konzession weg.
Eigentlich möchte er auch den Namen haben, denn Somedia hat seiner Auffassung nach «Radio Grischa» seit mehr als fünf Jahren nicht mehr benützt, womit der Markenschutz erloschen wäre. Darüber balgt man sich inzwischen vor Gericht.
Nach erster Schockstarre versuchten es die Lebruments mit einer Petition «Radio Südostschweiz, ds Radio vu do bliibt do». Damit sollten Ressentiments gegen den Zürcher Radiomacher geschürt werden. Der konterte allerdings kühl, dass die Familie Schawinski ihre Wurzeln in Chur viel weiter in die Vergangenheit zurückverfolgen könne als die Lebruments. So von wegen frömder Fötzel.
Auch mit Ingrimm erfüllt die Lebruments, dass Schawinski die ehemaligen Studioräumlichkeiten von Radio Grischa, dummerweise in Radio Südostschweiz umbenannt, angemietet hat.
Aber damit nicht genug. Nun hat Schawinski seinerseits eine Petition gestartet. Neckischer Titel: «Bündner Zeitung und Bündner Tagblatt vu do bliben do». Hintergrund: offenbar mangels eigenen Fähigkeiten haben die Lebruments bereits die Gesamtleitung des Unternehmens an Joachim Braun übergeben. Wie der Vorname vermuten lässt: Braun kommt von der Zeitungsgruppe Ostfriesland nach Chur. Das ist der nördlichste Zipfel Deutschlands, bekannt nicht zuletzt für seine Ostfriesenwitze.
Kein Witz ist, dass die zukünftige Chefredaktorin von Somedia Nikola Nording dafür ihre Tätigkeit als Leiterin einer Lokalredaktion aufgibt. Genauer der Lokalredaktion der «Ostfriesen Zeitung». Nichts gegen deutsche Einwanderer und Fachkräfte, aber wer so mit Steinen schmeisst, sollte nicht im Glashaus sitzen.
In solchen Fällen läuft Silvio Lebrument, der Geschäftsführer Medien bei Somedia, zu besonderer Form auf. Allerdings nicht unbedingt zum Besten seines Unternehmens. Denn ihm fällt nichts Besseres ein, als zu behaupten, dass sein Verlagshaus auf «eine über 300-jährige Tradition in der Region zurückblicken» könne und sich zu hundert Prozent in einheimischen Besitz befinde.
Man muss sehr nachsichtig sein, wenn man das noch als im Streubereich der Wahrheit sehen will. Denn Hanspeter Lebrument wurde nicht etwa in Chur, sondern in St. Gallen geboren. Er amtierte seit 1982 als Direktor der Gebrüder Gasser, die die damalige «Bündner Zeitung» herausgaben. Erst 2000 gelang es Lebrument nach ziemlichen Misstönen und Prozessen um ein Testament, die Gasser AG vollständig zu übernehmen, die er dann zur Somedia AG umbaute und erweiterte.
Von einer über 300-jährigen Tradition des Verlagshauses Lebrument kann also keine Rede sein. Die Somedia AG befindet sich tatsächlich (noch) zu 100 Prozent im Besitz der Lebruments, ob man das allerdings als einheimisch bezeichnen will, ist Geschmacksache.
Als Tamedia-Konzernjournalist Philipp Loser im März 2018 einen bösartigen Verriss über den «Alten vom Berg» schrieb und behauptete, es kreisten bereits die Geier als Vorboten eines möglichen Bankrotts über dem Verlag, musste der Tagi auf Geheiss des obersten Bosses Pietro Supino das Schmierenstück zurückziehen, der Autor musste zu Kreuze kriechen und sich bei Lebrument Senior entschuldigen.
Wenn man das aktuelle Wirken der zweiten Generation Lebrument (und nicht etwa der zehnten, von wegen 300 Jahre) betrachtet, muss man sich allerdings doch Sorgen um die Zukunft von Somedia machen. Obwohl es normalerweise die dritte Generation ist, die ein vom Grossvater aufgebautes Unternehmen gegen die Wand fährt.