Lieblingsjob der Medien
Die Beispiele für Leserverarschung purzeln nur so herein.
Der Beitrag vom «Blick» zum Thema: kann man so oder so sehen. Kleine Hilfe für den verwirrten «Blick»-Leser: Das KOF ist meistens doof und muss seine Prognosen regelmässig korrigieren …
Man muss schon sagen, «20 Minuten» befasst sich mit den letzten Fragen der Menschheit, mit ungelösten Rätseln, die die Jahrtausende überdauerten, seit der Neandertaler das erste Mal dem Thema Körperhygiene nähertrat und sich die Hände abwischte, nachdem er ein Mammut verspeist hatte. Aber erst sehr viel später begann er damit, etwas gegen Achselschweiss zu unternehmen.
Das hier ist nun eine absolute Null-Meldung; richtig aus «watson». Natürlich gibt es Beschwerden gegen solche Sendungen, ist doch sonnenklar. Ganze vier seien beim Ombudsmann der SRG eingegangen. Soweit, so gähn. Was wird genau beanstandet, hat das Hand und Fuss? Sobald die interessanten Fragen beginnen, sagt «watson»: öh, das wissen wir doch auch nicht. Das ist echte Leserverarschung mit Anlauf.
Und nun als Absackerchen die Lieblingsbeschäftigung der Journalisten: mit sich selbst, über sich selbst, gegen die anderen.
Gleich ein Team und eine Einzelkämpferin befassten sich mit einem wirklich weltbewegenden Aspekt der Läderach-Affäre. Die liegt bereits in den letzten Zügen, noch ein wenig «ich auch», noch Zusammengekehrtes («wie viele solcher Schulen gibt es in der Schweiz?»), und tschüss.
Aber vorher noch:
So titelt CH Media in seinen unzähligen Kopfblättern. Und erzählt die Geschichte nach, die Roger Schawinski auf seinem «Radio 1» erzählte. Er habe den Chef des Zürcher Film Festivals (ZFF) Christian Jungen am Freitagabend angerufen und davon überzeugt, den Dok-Film anzuschauen. Das habe den sensiblen Mann so geschüttelt. dass er bis spätnachts nicht habe schlafen können, erzählte Schawinski weiter. Und schon am Samstag trennte sich das ZFF von seinem «Partner» Läderach.
CH Media gibt sich erstaunt: «Am Freitag hatte sich das ZFF noch selbstbewusst hinter seinen Sponsor gestellt. Gegenüber verschiedenen Medien wurde betont, man stehe «voll und ganz zur Partnerschaft mit Läderach».» Und dann das. Dabei hätte das ZFF doch wissen müssen, dass Läderach nicht ganz unumstritten sei.
Mit etwas spitzeren Fingern fasst Nina Fargahi (Ex-«Edito») das Thema an. Ihr Artikel für die vielen Kopfblätter von Tamedia beginnt mit einer Einleitung, die man jedem Journalistenschüler um die Ohren hauen würde: «Die Ereignisse überschlagen sich …» Was für eine Leserverarschung; hier überschlägt sich nichts, von Ereignissen ganz zu schweigen.
Überschlagen tut sich höchsten Fargahi: «Radiomacher Roger Schawinski will eine Rolle gespielt haben. Das sagt er zumindest in seiner letzten Sendung «Roger gegen Markus».» Darauf habe schon seit Streitpartner Markus Somm ironisch reagiert: «Dieser fasst spöttisch zusammen: «Roger Schawinski war also entscheidend für diesen Boykott.»»
Worauf sich die beiden verbal gebalgt hätten. Dann rapportiert Fargahi, dass Jungen doch tatsächlich die Aussagen von Schawinski bestätigt habe; er sei aber nicht für das Sponsoring zuständig. Das lässt die Recherchierjournalistin so stehen, weil das wieder Zweifel an der Bedeutung der Rolle von Schawinski lässt. Dabei ist es lachhaft, dass der Big Boss des Festivals solche Entscheide nicht anordnen kann.
Vielleicht ist man bei Tamedia immer noch nachtragend, weil man vor vielen Jahren das TV- und Radioimperium von Schawinski zu einem exorbitanten Preis übernahm – und anschliessend gewaltig abschreiben musste.
Halt einer der vielen Fehlentscheide des Hauses. Aber noch lange kein Grund, dass sich gleich die beiden Duopolisten im Deutschschweizer Zeitungsmarkt («Blick» kann man ja nicht wirklich ernst nehmen) darum kümmern, ob und wie und wie wichtig eine Intervention von Schawinski gewesen sei. Das interessiert ausser ihm selbst und die Journaille nun eigentlich niemand wirklich. Aber wenn Journalisten über Journalisten schreiben können, und erst noch leicht hämisch, dann ist die Versuchung übergross.
Und der zahlende Leser fühlt sich mal wieder verarscht.
Wenn der Ukrainekrieg endet (wie auch immer), wird Herr Schawinski gezielt durchsickern lassen, er habe mit Putin das alles entscheidende Telefonat geführt. Der krankhafte Geltungsdrang des Mannes, der ein kaum beachtetes Nischenradio mit nicht mal 100 000 Zuhörern betreibt und als gescheiterter TV-Unternehmer einst 65 Leute auf die Strasse stellte, nervt unsäglich.