Schlagwortarchiv für: Läderach

Archäologie des Verschwindens

Was weg ist, fehlt nicht. Oder doch?

Wer erinnert sich noch an die grossen Debatten, ob eine Impfung gegen Corona nützt oder schädlich ist? Ob Ungeimpfte potenzielle Massenmörder seien? Da liefen Corona-Kreischen wie Marc Brupbacher zu Höchstformen auf, sahen völlige Verantwortungslosigkeit herrschen («Der Bundesrat ist völlig übergeschnappt») und das Ende der Welt nahen.

Vorher völlig unbeachtete Wissenschaftler überboten sich in Ankündigungen von Todeszahlen (Wissenschaftler Althaus gewann mit dem Höchstgebot von 100’000 Toten in der Schweiz).  Eine Task Force ermächtigte sich, verantwortungsfrei allen Politikern, inklusive Bundesrat, der sie eigentlich zwecks stillen Beratungsdienstleistungen ins Leben gerufen hatte, Noten, Ratschläge und besserwisserische Forderungen zukommen zu lassen.

Das Maskentragen war nicht nur obligatorisch, sondern Nicht-Träger wurden öffentlich an den Pranger gestellt; alle Dissidenten von der medial unterstützten Regierungslinie wurden als Corona-Leugner, Aluhutträger, Verschwörungstheoretiker und willige Gefolgsleute von üblen Rechtspopulisten beschimpft. Wer an bewilligten Demonstrationen teilnahm, war ein nützlicher Idiot, wer sie mit Treicheln begleitete und den eidgenössischen Schlachtruf «Horus» anstimmte, ein Faschist.

Welche Schäden die hysterische und überzogene Politik wirtschaftlich und gesellschaftlich angerichtet hat – Schwamm drüber.

Vorbei, verweht, vergessen.

«#metoo», die grosse Bewegung gegen männliche Herrschaft, Übergriffe von Mächtigen auf Abhängige, der Aufschrei lange schweigender Frauen. Neben wenigen sinnvollen Anklagen produzierte die Bewegung eine Hexenjagd, diesmal aber auf Männer. Harvey Weinstein, als Sexmonster entlarvt und in den Knast gesteckt. Kevin Spacey und so viele andere: falsch beschuldigt, ruiniert, fertiggemacht, und wenn sie Jahre später von allen Anwürfen freigesprochen werden, interessiert das niemanden mehr wirklich. Die doppelte Endmoräne dieser Bewegung trägt die Namen Anuschka Roshani und Till Lindemann. Sie als Falschbeschuldigerin, er als Falschbeschuldigter.

Erinnert sich noch jemand daran, dass der heruntergekommene «Spiegel» dem Rammstein-Sänger sogar eine Titelgeschichte widmete, Roshani ihre grösstenteils frei erfundenen und längst widerlegten Anschuldigungen dort veröffentlichen durfte? Dass nun auch noch ein gefallener linker Starreporter seine Karriere beenden musste, weil ihm anonym verbale Übergriffe und ein angeblicher körperlicher Übergriff vorgeworfen werden, wobei eine medienbewusste Medienanwältin eine zwielichtige Rolle spielt: war da mal was?

Vorbei, verweht, vergessen.

«We stand with Ukraine», jede bessere WG machte neben der Pace-Fahne Platz für eine Ukraine-Flagge. Der ehemalige Schauspieler Volodymyr Selenskyj, an die Macht bekommt dank der Millionen eines ukrainischen Oligarchen, der sich damit eine Amnestie von gewaltigen Unterschlagungen erkaufte, wurde zum neuen Superhelden des Widerstands. Selbst eine Modestrecke in der «Vogue» mitsamt vor zerschossenen Flugzeugen posierender Gattin konnte diesem Image keinen Abbruch tun. Endlich war die Welt wieder in Ordnung. Nach dem bösen chinesischen Virus nun der böse russische Autokrat.

Seither dürfen Ukrainer und Russen in einem Stellvertreterkrieg verbluten. Der völkerrechtswidrige Überfall hat bislang Schäden in der geschätzten Höhe von 1000 Milliarden US-Dollar angerichtet. Zahlen wird die nicht Russland, auch nicht die Ukraine. Und erst recht nicht China oder Indien. Wer bleibt? Genau, in erster Linie die EU. Da gab es neulich eine gross angekündigte ukrainische Offensive. Wie geht’s der, wo steckt sie, ist sie erfolgreich, erfolglos, ist die Ukraine am Ende oder Russland oder beide? Wen interessiert’s im Moment, der arme Selenskyj versucht verzweifelt, darauf aufmerksam zu machen, dass es Hamas-Terrorismus und russischen gäbe. Dabei zählen seine westlichen Verbündeten ihre Munitions- und Waffenlager durch und fragen sich, womit sie allenfalls Israel unterstützen wollen.

Vorbei, verweht, vergessen.

Ein Treppenwitz ist dagegen, dass der grosse Shootingstar der Schweizer Literatur, der mehrfach preisgekrönte Kim spurlos verschwunden ist. Das eint ihn mit dem anderen grossen Gesinnungsblasenschreiber Lukas Bärfuss, von dem man auch noch kein ordnendes Wort zu den aktuellen Weltläufen gehört hat. So viel zu der gesellschaftspolitischen Verantwortung des Schriftstellers, die immer als Begründung herhalten muss, wenn mehr oder minder begabte Schreiber meinen, ihre persönliche Meinung zu diesem und jenem interessiere eine breitere Öffentlichkeit. Ach, und wo bleibt Sibylle Berg, die nach Plagiatsvorwürfen und leichten Zweifeln an der Authentizität von Reportagen auch deutlich leiser geworden ist.

Ein Treppenwitz im Treppenwitz ist, dass die Webseite von «Netzcourage» seit Tagen nicht mehr erreichbar ist, und ausser ZACKBUM ist das noch niemandem aufgefallen, bzw. keiner hält es für nötig, darauf hinzuweisen, dass nun Tausende, na ja, Hunderte, öhm, Dutzende, also eine Handvoll von Cybermobbing-Opfern unbeholfen und ungeholfen rumstehen. Ach, und es können wieder ungehemmt «Cockpics» verschickt werden, wovon angeblich bereits jede zweite Frau belästigt wurde. Nun kommt auch noch die andere Hälfte dran.

Vorbei, verweht, vergessen.

Sich prügelnde Eritreer, überhaupt Nachrichten aus den Elendslöchern dieser Gegend, aus Äthiopien, Sudan, Somalia, aber auch Tschad, Niger? Ach ja.Falsche Hautfarbe, keine nennenswerten Rohstoffe, Pech gehabt. Hat noch nie gross interessiert, interessiert aktuell überhaupt nicht. Armenier? Ach ja, die Armenier, war da nicht neulich was? Der religiöse Autokrat Erdogan, der die Errungenschaften Atatürks aus reiner Machtgier rückgängig gemacht hat und die Türkei ins Mittelalter zurückführen will, bombardiert als Kriegsverbrecher kurdische Lager in Syrien? Na und, ist aber doch in der NATO, hilft bei den Flüchtlingsströmen und daher ein Guter. Mohammed bin Salman, auf dessen Befehl hin ein Dissident unter Bruch aller diplomatischer Regeln in einer saudischen Botschaft brutal ermordet und zerstückelt wurde – nun ja, ein Freund des Westens, Waffenkäufer und Besitzer von Ölquellen. Da sehen wir ihm doch sein Gemetzel im Jemen auch gleich nach.

Vorbei, verweht, vergessen.

Hunderttausende von Kindern, denen bei der Kakaoernte Gegenwart und Zukunft gestohlen wird, die missbraucht, gequält, geschlagen, erniedrigt werden? Das wurde vom Läderach-Skandal überstrahlt, von der erschütternden Enthüllung, dass Läderach Senior als Mitglied einer Freikirchen-Sekte mitverantwortlich dafür war, dass vielleicht zwei oder drei Dutzend Zöglinge eines Internats ein wenig psychisch oder physisch misshandelt wurden.

Das Zurich Film Festival kündigte sofort erschreckt die Partnerschaft. Das gleiche Filmfestival, das den geständigen Vergewaltiger einer Minderjährigen Roman Polanski noch einige Jahre zuvor den Ehrenpreis fürs Lebenswerk überreicht hatte. Das gleiche Filmfestival, das ohne Skrupel solche Schoggi verteilt hätte, wenn das Problem nur darin bestanden hätte, dass sie mit ausbeuterischer Kinderarbeit gewonnen wird. Na und, Westafrika, Schwarze, who cares.

Vorbei, verweht, vergessen.

Israel, Israel, Israel. Ein bestialischer Überfall, das Abschlachten von Zivilisten. Das Vorgehen einer Mörderbande, wie es nur mittels der mittelalterlichen Todesreligion Islam möglich ist. Und schon wieder werden die Fundamente der Aufklärung in Frage gestellt. Es ist diskussionslos widerwärtig, dass in Deutschland (und in kleinerem Umfang auch in der Schweiz) antisemitische Ausschreitungen stattfinden. Wer die Sache Palästinas mit radikalfundamentalistischen Wahnsinnigen wie Hamas vermischt, ist ein Vollidiot und schadet der Sache Palästinas schwer. Aber wer Antisemitismus als wohlfeiles Totschlagargument gegen jede, auch gegen berechtigte Kritik an Israel verwendet, schadet einer fundamental wichtigen Sache unserer westlichen Gesellschaft: dem freien Diskurs. Der Überzeugung, dass nur im Austausch von Argument und Gegenargument, von Meinung gegen Meinung Erkenntnis und somit Fortschritt möglich ist.

Niemand hat das anschaulicher auf den Punkt gebracht als der ehemalige Pfaffenbüttel Giuseppe Gracia: «Wer Israel für Dinge kritisiert, die er bei anderen Staaten akzeptiert, ist ein Antisemit.» Wer Israel kritisiert, muss also zuerst Vorbedingungen erfüllen, die von Gracia und seinen Gesinnungsgenossen selbstherrlich aufgestellt werden. Wer Israel kritisiert, muss zuerst eine Litanei herunterbeten, welche anderen Staaten er auch kritisiert. Wer Israel kritisiert, muss zuerst Bekenntnisse ablegen. Zu oder gegen oder über. Sonst sei er Antisemit. Wer sagt «Israel verübt im Gazastreifen Kriegsverbrechen», dürfte das laut diesen Zensoren allenfalls nur sagen, ohne als Antisemit beschimpft zu werden, wenn er vorher sagt «Russland verübt Kriegsverbrechen in der Ukraine, die USA verüben Kriegsverbrechen überall auf der Welt, der Iran verübt Kriegsverbrechen, Saudiarabien, die sudanesische Regierung» usw. usf.

So wie früher die Inquisition forderte, dass Bekenntnisse abgelegt werden mussten, bevor in von ihr bestimmtem engem Rahmen Kritik an der Kirche geübt werden durfte. Bis man ihr dieses Recht wegnahm. So wie man es heute all diesen Anti-Aufklärern wegnehmen muss. Denn wer da zuschaut, wenn freie Rede beschränkt werden soll, ist das nächste Opfer.

Oder ganz einfach: grausame Kriegsverbrechen, die gegen Israel begangen werden, rechtfertigen, erklären, beschönigen nicht Kriegsverbrechen, die Israel begeht. Dass für persönlich Betroffene Hamas-Anhänger Tiere sind, die vernichtet werden müssen, ist menschlich verständlich. Dass der israelische Verteidigungsminister von menschlichen Tieren spricht, die als solche behandelt werden müssten, ist inakzeptabel. Ein militanter Israel-Verteidiger hat vor Kurzem in der NZZ eine richtige Frage gestellt: Wie kann Israel auf monströse Taten reagieren, ohne selbst zum Monster zu werden?

Auch beim Kampf gegen Monster darf man nicht selbst zum Monster werden. Auch gegen Palästinenser gab es Massaker, oder hat man die Namen Sabra und Schatila samt der üblen Rolle Israels bereits vergessen? Erinnert man sich schon nicht mehr an den Werdegang des aktuellen israelischen Ministerpräsidenten, den nur sein Amt vom Knast trennt? Entschuldigt, relativiert, verniedlicht, erklärt das die bestialischen Massaker der Hamas? In keiner Art und Weise. Aber es hilft dabei, nicht auf Stammtischniveau dumm zu schwätzen.

Das Schlimmste, was den Palästinensern in den letzten Jahren passiert ist, ist die Machtübernahme durch fundamentalistische Islamisten, durch Anhänger einer menschenverachtenden Todesreligion. Was Hamas will, ist Zerstörung, sie haben keinerlei positive Perspektive. Weder für Israel, noch für die Palästinenser. Was will aber Israel? Wo bleibt hier der gesunde Menschenverstand, der freie Diskurs, die konstruktive Debatte?

Einfache Frage: sollte es Israel gelingen, die Hamas zu liquidieren, wie es sein erklärtes Ziel ist: und dann?

Vorbei, verweht, unmöglich.

Die Schell-Schmiere

Wer meint, die Journaille könne sich nicht mehr tieferlegen …

Da gab es den Medienskandal um Kevin Spacey. Dann gab es den Medienskandal um Till Lindemann. Um Til Schweiger. Um einen Sternekoch. Um einen ehemaligen «Magazin»-Chefredaktor. Um einen Reporter, der bei der WoZ und der «Republik» arbeitete.

Ach, und dann gibt es noch den Ukrainekrieg (gähn) und die Missbrauchsvorwürfe gegen die katholische Kirche (gähn). Eigentlich gäbe es die Inflation, die Altersvorsorge, die Krankenkassenprämien, die steigenden Lebensmittelpreise, den Energieschock, die Mieten. Die Heizkosten, die Masseneinwanderung, die Flüchtlingskrise. Aber alles etwas komplexere Themen, die ein Minimum an Kenntnissen voraussetzen. Also nix für die Journaille.

Die ist glücklich, wenn sich der selbstgemachte Läderach-Skandal nicht weiter auslutschen lässt, dass eine mässig begabte und bekannte Schauspielerin ihrer erlahmenden Karriere und dem schleppen Buchverkauf Schub geben möchte. Was eignet sich dafür besser als Mann, berühmt, tot. Was eignet sich dafür besser als Mutter, berühmt, tot. Also macht die Nichte von Maximilian Schell zunächst dunkle Andeutungen, um dann zu bestätigen, was jeder herauslesen konnte: ja, es war Schauspieler Schell, der mich missbrauchte.

Also findet sich sofort auch noch die Tochter, die das auch erlebt haben will. Tote können sich nicht mehr wehren, das ist sehr praktisch. Die Taten sind längst verjährt, das ist auch praktisch. Verleumdung eines Toten, wer will dagegen klagen oder vorgehen?

Die Witwe des 2014 verstorbenen Schauspielers sagt wohl das Nötige und Gültige zu dieser Schmiere:

«Ich finde es nur immer sehr problematisch, mit solchen Anschuldigungen nach so vielen Jahren an die Öffentlichkeit zu gehen, wenn der Beschuldigte bereits seit 10 Jahren verstorben ist, sich nicht mehr dazu äussern und wehren kann und gleichzeitig die Promotion für ein neues Buch gestartet wird. Es hätte sicher Momente zu seinen Lebzeiten gegeben, ihn damit zu konfrontieren.»

Man kann es auch weniger höflich formulieren: das ist schlichtweg widerwärtig, unappetitlich, schamlos und entwürdigend für alle Beteiligten. Es ist diese ausgeleierte Nummer: Jahrzehntelang war es dem angeblichen Opfer nicht möglich, über die schrecklichen Vorfälle zu sprechen, geschweige denn, Strafanzeige zu stellen. Aber als Werbung für ein Buch ist der richtige Moment gekommen. Gesteigert wird diese Schmiere nur noch durch einem Skandal, Klickzahlen und Aufmerksamkeit alle Prinzipien opfernde Medien.

Als Begründung für das sehr späte Coming-Out wird immer die gleiche Ausrede missbraucht: das angebliche Opfer habe vorher nicht gekonnt, aber jetzt wolle es allen anderen Opfern Mut machen.

Wenn selbst die ehrwürdige NZZ einer mediengeilen Prostituierten ihre Spalten opfert und deren Lebensgefährten unwidersprochen von einem «Schicksalsschlag» schwafeln lässt, der in Wirklichkeit aus der Veröffentlichung eines verleumderischen Buchs mit unwahren und unappetitlichen Anschuldigungen bestand, dann muss sich ZACKBUM fragen, ob man fürderhin nicht ausschliesslich angelsächsische Medien lesen sollte. Denn selbst in der Schmiere ist ein «Daily Mirror» allem überlegen, was auf Deutsch erscheint. Und oberhalb davon gibt es mindestens ein Dutzend Qualitätsblätter, die diesen Namen auch verdienen.

Lalü, lala. Läderach …

Ein Medien-Trauerspiel.

Die über 1800 Mitarbeiter des Schoggi-Herstellers Läderach können nichts für die religiösen Abirrungen ihres ehemaligen Patrons. Die jetzt amtierende dritte Generation Läderach auch nicht. Sowohl Läderach Senior wie seine Söhne haben sich vom Wirken der Sekte distanziert, in deren Geist ein Internat mit rund 50 Schülern betrieben wurde.

Die Übergriffe, die dort stattfanden, sind längst durch einen vom Internat selbst in Auftrag gegebenen und radikal-offenen Untersuchungsbericht belegt, bereut, klargestellt. Weil sich bislang kein einziger Schüler fand, der nicht nur von einem Regime der Angst und körperlichen Züchtigungen berichtete, sondern deswegen Strafanzeige eingereicht hätte, gibt es keine Strafuntersuchung. Wobei davon auszugehen ist, dass die meisten Vorfälle längst verjährt sind.

Gibt es also irgend einen Grund, Läderach-Schokolade zu boykottieren, noch mehr Aufklärung zu fordern, nicht nur Entschuldigungen, sondern auch Entschädigungen? Wohl kaum.

Was manche überraschen mag: Läderach-Schoggi essen oder nicht essen, ist eine völlig freie Entscheidung. Es gibt auch genügend Ausweichmöglichkeiten in jedem Preissegment.

Hat Läderach Senior nicht nur von diesen Zuständen in der Schule gewusst, sondern auch selbst geschlagen? Das behauptet ein Ex-Zögling in der SRF-Dok. Gegen ihn hat Läderach Senior Strafanzeige eingereicht; er bestreitet das vehement.

Inzwischen treiben Tamedia und «Inside Paradeplatz» den Begriff Sippenhaft in ungeahnte Tiefen. Der Tagi vermeldet, dass «zwei voneinander unabhängige Quellen» bestätigen würden, dass «drei der sechs Läderach-Kinder mit Nachkommen von Friedel Stegen verheiratet» seien. Der wiederum ist der Bruder des kürzlich verstorbenen Sektengründers Erlo Stegen, der in Südafrika wirkte. Und Lukas Hässig berichtet, dass es zwischen den Brüdern vor vier Jahren zum Bruch gekommen sei. Dennoch, oh Graus: Der Grossvater des aktuellen Läderach-Direktors für England sei ein Enkel von Friedel Stegen. Der 2021 verstorben ist.

Was wollen uns diese beiden Ahnenforscher damit sagen? Die Nachkommen von Friedel Stegen wie auch die Nachkommen von Jürg Läderach sind genetisch bedingt denen in ihren Auffassungen ähnlich? Enkel haften für die Grossväter? Wer Enkel eines Faschisten ist, steht im Verdacht, deswegen selbst Faschist zu sein? Wer mit einem Enkel eines Verbrechers verheiratet ist, begeht selbst Verbrechen? Viel übler geht’s eigentlich nicht mehr.

Die einzige wirklich offene Fragen sind:

– Wieso hat das Zurich Film Festival binnen 24 Stunden auf dem Absatz kehrt gemacht, seine Solidaritätserklärung mit Läderach vom Freitag am Samstag in eine Boykotterklärung, getarnt als «Beendigung der Partnerschaft», verwandelt?

– Wieso schrecken die SBB vor einer weiteren Anpreisung eines Ausflugs ins Läderachland zurück?

– Und die wichtigste Frage: kann SRF für den entstandenen Reputationsschaden und eine eventuelle Umsatzeinbusse haftbar gemacht werden, und wenn nein, warum nicht?

Was inzwischen auch zum Läderach-Skandal gehört, der in erster Linie ein Medienskandal ist: die katholische Kirche konnte wenigstens eine Zeitlang in aller Ruhe Schokolade lutschen, Gott sei Dank wird jemand anders geprügelt.

Und ist es nicht fast eine göttliche Fügung, dass nach dem Läderach-Skandal vor der Maximilian-Schell-Affäre ist? Dem verstorbenen grossen deutschen Schauspieler wird nach vielen Jahrzehnten vorgeworfen, er habe sich an einer Nichte, seiner eigenen Tochter und auch einem minderjährigen Kindermädchen vergangen. Auch hier waren die Opfer jahrzehntelang nicht in der Lage, darüber zu sprechen. Erst, als es darum ging, einen eher schleppenden Buchverkauf anzukurbeln, wurde es möglich.

Aufmerksamkeit erregen, auch um jeden Preis, das ist erlaubt. Wer schamfrei dabei ist, ist sicher im Vorteil. Wieso aber die Medien nichts aus den Fällen Kevin Spacey und Till Lindemann (und diversen anderen) lernen? Die einzige sinnvolle Konsequenz wird vom bekannten deutschen Juristen und Bestsellerautor Ferdinand von Schirach gefordert: drakonische Strafen für Medien, die eine solche Anschuldigung veröffentlichen, wenn die sich im Nachhinein als falsch herausstellt.

Denn bislang erfolgen diese Rufmorde verantwortungs-, haftungs- und kostenfrei. Im schlimmsten Fall enden sie mit einer möglichst kleinen Meldung, dass alle Strafuntersuchungen eingestellt worden seien, Gerichtsverfahren zu Gunsten des Angeklagten. Damit es nicht zu peinlich wird, entblöden sich die Hetzmedien nicht, an diesen Urteilen oder Entscheidungen Zweifel zu äussern.

Nach der Devise: mit viel Geld und guten Anwälten davongekommen. Aber im Zweifel gegen den Angeschuldigten: dennoch wird doch wohl was dran sein an den Vorwürfen, diese Scharen von Denunzianten oder Denunziantinnen können sich doch nicht alle geirrt haben.

Mittelalterliche Zustände, wo der Mob oft entscheiden durfte, ob jemand schuldig sei oder nicht. Und dann auch gleich das Handwerk des Scharfrichters übernahm. Damals wurde geschlagen, gesteinigt, gelyncht, in Stücke gerissen. Das wird heute unblutig medial erledigt. Allerdings mit den gleichen Folgen für den Betroffenen. Er lebt zwar noch, ist aber ruiniert, ausgegrenzt, stigmatisiert und auf ewig mit diesen falschen Anschuldigungen verknüpft.

Wie wäre es, wenn die sogenannten Qualitätsmedien nicht immer nur von Verantwortung, Wächterfunktion, Kontrolle und ähnlichem aufgeblasen Zeugs reden würden – sondern das mal ernst nähmen?

Die Heuchler vom ZFF

Schokolade? Läderach? Polanski?

Dass der Rohstoff für Schokolade in Westafrika unter Einsatz von Hunderttausenden von Kindern gewonnen wird, denen dadurch ihr Kindheit und ihre Zukunft gestohlen wird – na und?

Dass die dort gebraucht, missbraucht, geschlagen, misshandelt werden – na und?

Dass der Starregisseur Roman Polanski 2011 den Preis für sein Lebenswerk – überreicht vom sich geehrt fühlenden Zurich Film Festival – abholen durfte – claro. Zwei Jahr zuvor war er leider verhindert, er wurde am Flughafen Zürich verhaftet. Dumme, alte Geschichte mit einer Minderjährigen in den USA. Aber wie jubilierte die Festivalleitung: «Wir sind sehr stolz und geehrt, Roman Polanski nun endlich in Zürich empfangen zu können.»

Einmaliger Ausrutscher? Aber nein, 2017 besuchte Polanski nochmals das Festival, um Promotion für seinen Film «D’après une histoire vraie» zu machen. Wurde dagegen gemotzt, wies man darauf hin, dass die Anklage – und sein Schuldbekenntnis –, dass er mit einer 13-Jährigen Sex gehabt hatte, 1977 erfolgte. Also bitte, ausserhalb der USA längst verjährt, was soll das.

Was soll das? Die Übergriffe in einer evangelikanischen Schule liegen ebenfalls Jahrzehnte zurück und wurden durch eine von ihr selbst in Auftrag gegebene Untersuchung schon vor Jahren minutiös aufgearbeitet. Was bleibt, sind höchstens sich widersprechende Aussagen eines ehemaligen Zöglings vom Dok-Film von 2023, dass der ehemalige Boss von Läderach ihn körperlich gezüchtigt haben soll. Vor vielen Jahren. Was von diesem mit eidesstattlicher Versicherung bestritten und rechtlich verfolgt wird.

Seinem Sohn Johannes Läderach, dem aktuellen CEO und Besitzer, kann man so etwas nicht vorwerfen. Er hat sich zudem öffentlich von solchen Praktiken und auch von seinem Vater – und nicht zuletzt von dieser Sektenkirche – distanziert.

Von Polanski hat man nie ein Wort des Bedauerns oder der Reue über sein damaliges Verhalten gehört. Aber Polanski ist halt ein Starregisseur, in dessen Glanz sich das an Stars nicht gerade überreichlich gesegnet Festival sonnen möchte.

Selbst eine Verhaftung und wochenlanger Hausarrest im Fall Polanski hielt das Festival nicht ab, ihn nachträglich zu ehren und gerne nochmals zu empfangen. Niemand wäre bei ihm im Traum auf die Idee gekommen, hätte sich Polanskis Vater etwas zu schulden kommen lassen, deswegen die «Partnerschaft» mit ihm zu beenden.

Es ist unbekannt und unerheblich, ob sich der Boss des Festivals Christian Jungen tatsächlich aufgrund eines Anrufs dazu entschloss, den Dok-Film anzuschauen, danach lange nicht schlafen zu können und dann die Weisung erteilte, dass man nicht länger unbeeindruckt die Partnerschaft mit Läderach fortsetzen wolle, sondern sie in einer Kehrtwende beendete.

Wie auch immer, das ist feige und zeugt nicht gerade von intellektueller Stabilität, sondern von emotionalen Übersprungshandlungen.

Man stelle sich vor, am ZFF können keine Läderach-Schokolädeli verteilt werden, weil der Name doch mit solchen Qualen verbunden sei. Wie sensibel. Wären es Sprüngli Schokolädeli oder Läderach-Bruchschokolade ohne diese aufgewärmte Affaire gewesen, hätte es niemanden, zu allerletzt die Festivalleitung oder Jungen, gestört, wie dafür das Rohprodukt gewonnen wird. Schwarzafrikanische Kinder, Hunderttausende? Ach ja, die Welt ist ungerecht und Westafrika sehr, sehr weit weg.

Das ist eine scheinheilige Doppelmoral, wie sie die katholische Kirche auch nicht besser hinkriegt. Damit ist die Lust von ZACKBUM, an dieses Festival zu gehen, auf null gesunken.

 

Wenn Skandale leise Servus sagen …

Läderach? Ach was. Katholische Kirche? Gähn.

Ausser, dass Trump mal wieder verurteilt wurde und die Krankenkassenprämien exorbitant steigen, was ist die Gewichtung der Qualitätsmedien?

Der KK-Schock sitzt bei den meisten Schweizern tief. Bis zu zehn Prozent mehr, bei sowieso schon exorbitant hohen Prämien. Das ist das Aufreger-Thema Nummer eins. Nur: ist ein wenig kompliziert. Nur: der Gesundheitsminister ist halt ein Sozi und kein SVPler. Nur: so viele Fachleute, so viele Meinungen.

Also tun die Medien das, was sie am liebsten machen. Sie wollen unbedingt zwei deutlich absaufende Skandale über Wasser halten, die schon komatösen Leichen wieder wachküssen. Denn beides ist unter dem Stichwort «Skandal» gespeichert. Da gibt es dann kein Halten mehr.

Aber verflixt, dass katholische Priester vor allem Kinder missbrauchen und dass Läderach Senior einen religiösen Sparren hat und an einer Schule beteiligt ist, in der es vor vielen Jahren recht rustikal zuging: das ist beides eigentlich weitgehend auserzählt. Opfer melden sich, gibt es noch weitere solche Schulen, was sagt der Experte dazu, was bewirkt das bei den Kindern?

Das sind bereits die vorletzten Zuckungen eines Skandals. Noch weiter ist man beim Abnudeln des Priester-Skandals:

So sieht es zuoberst auf der Homepage des «Tages-Anzeiger» aus. Von Tamedia, vom «Tages-Anzeiger», ach verflixt, what ever.

Nun werden sogar noch Kirchenhistoriker befragt. Die freuen sich über diesen unerwarteten medialen Sonnenschein, wo sie sonst doch eher unauffällig forschen. Dann gibt’s scheint’s noch eine Herbstsession vor den Wahlen, natürlich tickt der «Ukraine-Ticker», eine «Analyse von Abstimmungen» ist auch immer gut. Fehlt noch was? Natürlich, ein Frauenthema. Voilà: «Frauen bei Krebsvorsorge und Behandlung benachteiligt».

Oh, und das in der reichen  Schweiz? Ach was, natürlich weltweit. Aber jetzt gebe es eine «neue Kommission» dagegen. Ach, in der reichen Schweiz? Ach was, in den auch nicht armen USA. Die kommt zu erschütternden Erkenntnissen wie: «Frauen seien auch nicht genügend über die Krebs-Risikofaktoren Tabak, Alkohol, Adipositas (Fettleibigkeit) und Infektionen aufgeklärt.»

Vielleicht in finsteren Gegenden der USA oder Afrikas – aber in der reichen Schweiz? Erschwerend kommt noch hinzu, dass es sich um eine SDA-Tickermeldung handelt. Wäre nicht «Frau» im Titel gestanden, sie hätte es nicht mal auf die Homepage geschafft.

Aber mal im ernst, lieber Tagianer: Krankenkassen? Inflation? Lebensmittelpreise? Mieten? Heizkosten? Asylanten? Altersvorsorge? Sieben Themen, die die Schweizer umtreiben. Kein einziges ist hier vertreten. Aber immerhin: es gibt auch keinen Artikel über korrektes Gendern oder die Verwendung des Sternchens zur Verhunzung der Sprache.

Auch der «Blick» hat im Moment so ziemlich alles aus diesen beiden Skandalen rausgemolken – Eimer leer. Also ein neues Schwein durchs Dorf treiben:

Die 57-jährige Marie Theres Relin hat ein Buch geschrieben. Eigentlich wollte die Schauspielerin hier über ihre gescheiterte Ehe mit Franz Xaver Kroetz schreiben. Das interessierte aber offensichtlich nicht wirklich.

Also packt sie nach 43 Jahren ein «dunkles Familiengeheimnis» aus. Sie sei von ihrem Onkel «sexuell missbraucht, verführt, entjungfert – ohne Gewalt, aber gegen meinen Willen» worden. Praktisch dabei: Maximilian Schell ist 2014 gestorben, ihre Mutter Maria Schell schon 2005. Auch über die zieht Relin her: «Meine Mutter in ihrer dämlichen Männerverehrung hatte die pädophilen Neigungen sozusagen gefördert.»

Relin hatte ein paar frühe Rollen, dann machte sie Pause, um bei hochwertigen Filmen wie «Rosamunde Pilcher – Das Geheimnis der Blumeninsel» aufzutreten. Sie hatte es schon 2011 mit «Meine Schells: Eine Familie gesucht und mich gefunden» probiert. Wurde nicht gerade zum Bestseller.

Nun also diese Nummer. Die klare Nummer eins beim «Blick».

Lieblingsjob der Medien

Die Beispiele für Leserverarschung purzeln nur so herein.

Der Beitrag vom «Blick» zum Thema: kann man so oder so sehen. Kleine Hilfe für den verwirrten «Blick»-Leser: Das KOF ist meistens doof und muss seine Prognosen regelmässig korrigieren …

Man muss schon sagen, «20 Minuten» befasst sich mit den letzten Fragen der Menschheit, mit ungelösten Rätseln, die die Jahrtausende überdauerten, seit der Neandertaler das erste Mal dem Thema Körperhygiene nähertrat und sich die Hände abwischte, nachdem er ein Mammut verspeist hatte. Aber erst sehr viel später begann er damit, etwas gegen Achselschweiss zu unternehmen.

Das hier ist nun eine absolute Null-Meldung; richtig aus «watson». Natürlich gibt es Beschwerden gegen solche Sendungen, ist doch sonnenklar. Ganze vier seien beim Ombudsmann der SRG eingegangen. Soweit, so gähn. Was wird genau beanstandet, hat das Hand und Fuss? Sobald die interessanten Fragen beginnen, sagt «watson»: öh, das wissen wir doch auch nicht. Das ist echte Leserverarschung mit Anlauf.

Und nun als Absackerchen die Lieblingsbeschäftigung der Journalisten: mit sich selbst, über sich selbst, gegen die anderen.

Gleich ein Team und eine Einzelkämpferin befassten sich mit einem wirklich weltbewegenden Aspekt der Läderach-Affäre. Die liegt bereits in den letzten Zügen, noch ein wenig «ich auch», noch Zusammengekehrtes («wie viele solcher Schulen gibt es in der Schweiz?»), und tschüss.

Aber vorher noch:

So titelt CH Media in seinen unzähligen Kopfblättern. Und erzählt die Geschichte nach, die Roger Schawinski auf seinem «Radio 1» erzählte. Er habe den Chef des Zürcher Film Festivals (ZFF) Christian Jungen am Freitagabend angerufen und davon überzeugt, den Dok-Film anzuschauen. Das habe den sensiblen Mann so geschüttelt. dass er bis spätnachts nicht habe schlafen können, erzählte Schawinski weiter. Und schon am Samstag trennte sich das ZFF von seinem «Partner» Läderach.

CH Media gibt sich erstaunt: «Am Freitag hatte sich das ZFF noch selbstbewusst hinter seinen Sponsor gestellt. Gegenüber verschiedenen Medien wurde betont, man stehe «voll und ganz zur Partnerschaft mit Läderach».» Und dann das. Dabei hätte das ZFF doch wissen müssen, dass Läderach nicht ganz unumstritten sei.

Mit etwas spitzeren Fingern fasst Nina Fargahi (Ex-«Edito») das Thema an. Ihr Artikel für die vielen Kopfblätter von Tamedia beginnt mit einer Einleitung, die man jedem Journalistenschüler um die Ohren hauen würde: «Die Ereignisse überschlagen sich …» Was für eine Leserverarschung; hier überschlägt sich nichts, von Ereignissen ganz zu schweigen.

Überschlagen tut sich höchsten Fargahi: «Radiomacher Roger Schawinski will eine Rolle gespielt haben. Das sagt er zumindest in seiner letzten Sendung «Roger gegen Markus».» Darauf habe schon seit Streitpartner Markus Somm ironisch reagiert: «Dieser fasst spöttisch zusammen: «Roger Schawinski war also entscheidend für diesen Boykott.»»

Worauf sich die beiden verbal gebalgt hätten. Dann rapportiert Fargahi, dass Jungen doch tatsächlich die Aussagen von Schawinski bestätigt habe; er sei aber nicht für das Sponsoring zuständig. Das lässt die Recherchierjournalistin so stehen, weil das wieder Zweifel an der Bedeutung der Rolle von Schawinski lässt. Dabei ist es lachhaft, dass der Big Boss des Festivals solche Entscheide nicht anordnen kann.

Vielleicht ist man bei Tamedia immer noch nachtragend, weil man vor vielen Jahren das TV- und Radioimperium von Schawinski zu einem exorbitanten Preis übernahm – und anschliessend gewaltig abschreiben musste.

Halt einer der vielen Fehlentscheide des Hauses. Aber noch lange kein Grund, dass sich gleich die beiden Duopolisten im Deutschschweizer Zeitungsmarkt («Blick» kann man ja nicht wirklich ernst nehmen) darum kümmern, ob und wie und wie wichtig eine Intervention von Schawinski gewesen sei. Das interessiert ausser ihm selbst und die Journaille nun eigentlich niemand wirklich. Aber wenn Journalisten über Journalisten schreiben können, und erst noch leicht hämisch, dann ist die Versuchung übergross.

Und der zahlende Leser fühlt sich mal wieder verarscht.

Religionsfeigheit

Die Züchtigungen sind doch nicht das Problem.

Tatzen, Schläge mit dem Lineal auf die Finger. Druck auf die Knöchel. Ohrfeigen. Sogar Prügel. Das waren lange Zeit akzeptierte Erziehungsmassnahmen in der Schule und auch zu Hause. Nach der Devise: «eine Ohrfeige hat noch niemandem geschadet

Die beste Anekdote, die ein Rundruf im Bekanntenkreis ergab: ein Lehrer will einem Mitschüler eine Ohrfeige geben. Der trägt aber Brille, der Lehrer befürchtet Verletzungsgefahr. Also befiehlt er dem Schüler: «Brille runter!» Der weiss aber, was ihm dann blüht, also weigert er sich. Der Lehrer befiehlt laut und lauter und schalmeit: «Keine Angst, ich tu dir nix.» Der Schüler knickt ein, zieht die Brille aus – und zack, kriegt eine schallende Ohrfeige.

Man mag dieses pädagogische Prinzip befürworten oder verachten. Dass allerdings Jahrzehnte später ein paar Zöglinge einer Privatschule mit Tränen in den Augen von körperlichen Züchtigungen berichten, die sie damals erlitten haben – und über die es wie immer keine einzige Strafuntersuchung gab oder gibt –, das ist verstörend. Dass auch von einer vertuschten Vergewaltigung die Rede ist, wobei nicht immer erwähnt wird, dass sie unter minderjährigen Schülern stattfand, der Täter rausgeschmissen wurde – typisch Elendsjournalismus.

Dass bei dem ganzen Gewese über diesen sozusagen historischen Skandal weiterhin kein Wort über das Schicksal von Hunderttausenden von Kindern verloren wird, die in Westafrika in meist kleinen Kakaofarmen schuften müssen, dort auch misshandelt und gequält und missbraucht werden, das ist der Skandal im Skandal.

So nebenbei, um da weiteren Missverständnissen vorzubeugen: solche Quälereien finden eher selten in Farmen statt, die von den angeblich bösen Transnationalen betrieben werden. Sondern in privaten Kleinunternehmen. Übrigens genau wie bei Minenarbeiten aller Art.

Dass das Zürcher Film Festival als Begründung für seine Kehrtwende und den Abbruch der Beziehung zur Schokoladefirma Läderach anführt, dass diese damaligen Qualen halt wie auch immer mit dem Namen verbunden seien, ist scheinheilig. Dass beim Festival Schoggi verteilt worden wäre, deren Herstellung zumindest fragwürdig ist, das hätte das ZFF einen Dreck interessiert.

Aber vom SRF angefangen traut sich niemand so recht, das eigentliche Problem beim Namen zu nennen. Sozusagen den Schoggi-Elefanten im Raum. Das Problem Religion. Das Problem religiöser Fanatismus. Den gibt es nicht nur bei fundamentalistischen Irren, die meinen alles, was im Koran stünde, sei bis heute wörtlich zu nehmen und ausserdem höchste Richtschnur für das Verhalten von allen.

Religiösen Wahn gibt es auch innerhalb der christlichen Kirche. In allen Farben, Spielarten und Ausprägungen. Jeder Sektenradar ist voll von solchen Erscheinungen. Aber statt dass Sektenexperten wie Hugo Stamm befragt werden, plustern sich Marketing- und Imageberater auf und benützen die Gunst der Stunde für Eigenwerbung. Allerdings meistens mit so absurden Ratschlägen «proaktiv werden!», dass sie sich damit wohl kaum neue Kunden generieren.

Aber der Fokus sollte doch hier liegen: Der evangelikale «Hof Oberkirch» war offenbar längere Zeit ein Ableger einer südafrikanischen Sekte namens «Kwasizabantu». Ihr Guru ist Erlo Stegen, mit dem Jürg Läderach offenbar eine enge Beziehung verbindet.

Läderachs religiöse Haltung kann man wohl dem Evangelikalismus zuordnen, der sich aus dem deutschen Pietismus speist. Diese spiritualistischen Bewegungen gehen von einer persönlichen Beziehung des Einzelnen zu Gott (sowie zu Jesus Christus als Herrn und Erlöser) und einer irrtumsfreien Autorität der Bibel aus.

Daher sind in dem Dok-Film über die Zustände in der Privatschule eigentlich die Szenen verstörend, in denen Läderach Senior verzückt und inbrünstig vom liebenden Jesus schwärmt.

Daran kann man ermessen, wie schwer es sicherlich seinen Söhnen gefallen sein muss, sich von dieser Religiosität ihres Vaters zu lösen und aus der Kirche auszutreten. Deutlicher als der aktuelle CEO Johannes Läderach kann man sich wohl kaum öffentlich von seinem eigenen Vater distanzieren. Deutlicher kann man zudem keine Zweifel an dessen eidesstattlicher Erklärung äussern, dass Läderach Senior niemals selbst körperliche Züchtigungen durchgeführt habe.

Dem steht zumindest eine klare Zeugenaussage im Dok-Film entgegen; offenbar hat Läderach Senior hier seine Drohung, gegen solche Behauptungen gerichtlich vorzugehen, bereits wahrgemacht. Wenn die Unschuldsvermutung noch etwas gelten würde, wäre er unschuldig.

Unbestritten ist es, dass es in dieser Schule aus frommen (oder vielleicht auch weniger frommen) Motiven zu körperlichen Übergriffen kam. Zudem habe ein Regime der Angst geherrscht, wie es in fanatischen religiösen Gruppen Gang und Gebe ist. Offensichtlich schickten hier Eltern ihre Sprösslinge hin, die ebenfalls unter diesen religiösen Wahnvorstellungen litten.

Geradezu absurd ist es allerdings, dass sich der Dok-Film und die anschliessende öffentliche Debatte auf die körperlichen Züchtigungen kapriziert. Dabei wären die Auswirkungen der Indoktrination mit fanatisch-fundamentalistischen Auslegungen der Bibel mindestens so interessant – und in den Auswirkungen sicherlich nachhaltiger.

Auch der aktuelle CEO Läderach hat diese Schule besucht, schickt seine eigene Kinder dorthin. Solange es allerdings nicht zu strafbaren Handlungen an dieser Schule kommt, ist das seine Privatangelegenheit. Anscheinend herrscht in der Schweiz Religionsfreiheit.

Es herrscht aber auch Religionsfeigheit. Gelegentlich darf islamischer Fundamentalismus kritisiert werden. Missbräuche in der katholischen Kirche sind auch immer wieder ein beliebtes Thema. Was sich aber im Bereich religiöser Wahn sowohl in der katholischen wie auch evangelischen Kirche (und um sie herum) abspielt, das wird nur mit spitzen Fingern angefasst. Normalerweise. Warum? Nun, Läderach Senior ist nicht der einzige einflussreiche und reiche Geschäftsmann, der etwas abseitigen religiösen Vorstellungen anhängt.

Natürlich sind auch Anhänger des jüdischen Glaubens weitgehend kritikbefreit, weil das sofort und gnadenlos mit der Antisemitismus-Waffe gekeult wird.

ZACKBUM ist gespannt, ob das Schicksal der afrikanischen Kinder bei der Schokoladenherstellung jemals thematisiert wird. Oder das Problem von religiösem Fanatismus innerhalb der christlichen Kirche. Wir können weder Wunder bewirken, noch haben wir seherische Kräfte. Sagen aber mutig: nie. Oder, als guter Seher lassen wir ein Hintertürchen offen: höchstens am Rande.

Die katholische Kirche singt inzwischen ein Hosianna nach dem anderen …

Kein Schoggi-Job

Es gibt bei der Schokolade-Herstellung einen Skandal.

Zwei Drittel des Kakaos, der zu Schokolade verarbeitet wird, stammt aus Westafrika. Alleine in Ghana und der Elfenbeinküste arbeiten (Dunkelziffer unbekannt) mindestens 2 Millionen Kinder auf den Plantagen. Sie gehen nicht zur Schule, sie werden giftigen Pestiziden ausgesetzt, ihnen wird die Kindheit und die Zukunft gestohlen.

Ein Riesenskandal. Seit Jahren bekannt. Aber eigentlich kein Thema. Zu weit weg, schwarze Kinder, Afrika. Da interessiert ja nicht mal das Gemetzel im Sudan oder in Äthiopien. Dagegen ist Kinderarbeit doch Pipifax.

Aber nun haben wir einen richtigen Riesenskandal im Bereich Schokolade. Wie SRF in jahrelanger Recherche aufdeckte, werden Kinder in den Kakaoplantagen auch noch misshandelt, geschlagen, gar sexuell missbraucht. Ein erschütterndes Stück guter Aufklärungsarbeit.

Oh, hm, da hat ZACKBUM irgendwas falsch verstanden. Bei dem erschütternden Dokumentarfilm handelt es sich um Anschuldigungen, die ehemalige Zöglinge einer evangelikalen Privatschule gegen diese Schule und den Schokoladenfabrikanten Läderach erheben.

Überhaupt habe in der Schule ein Regime der Angst geherrscht, es sei körperlich gezüchtigt worden. Wir sprechen hier von Anfang der 90er-Jahre. Wir sprechen also davon, dass seither rund 30 Jahre vergangen sind, damals niemand Anzeige erstattete, alle mal wieder erst jetzt darüber sprechen können. Das soll natürlich nicht automatisch bedeuten, dass es sich um einen weiteren Fall von im Dunkel der Vergangenheit wurzelnden Verleumdungen handelt.

Immerhin hat offenbar eine damals in leitender Position tätige Frau solche Züchtigungen eingeräumt. Auch Jürg Läderach war an dieser Schule tätig, auch gegen ihn werden Vorwürfe erhoben, er habe Gewalt angewendet.

Sein Sohn Johannes Läderach leitet sei 2018 die gleichnamige Schokoladenfabrik. Auch er war Zögling in der Privatschule Domino Servite. 2019 wurden auf sein Betreiben die Vorfälle das erste Mal untersucht; er trat damals aus dieser evangelikalen Gemeinschaft aus. In einem offenen Interview schildert er, wie ihm der Dokfilm über die Zustände bei «Diene dem Herrn» nahegeht.

Es gibt einerseits die Aussagen im Film, die auch seinen Vater belasten. Es gibt andererseits dessen eidesstattliche Erklärung, dass er selbst niemals Gewalt angewendet habe. Zudem droht Läderach Senior jedem, der das Gegenteil behauptet, mit rechtlichen Schritten, die er in einem Fall auch eingeleitet hat.

Sein Sohn sagt: «Ich bin seit 2018 CEO, meine Eltern sind in keiner Weise mehr in der Firma involviert, sie haben auch keine Aktien mehr, sind also nicht am Gewinn beteiligt. Ich plädiere dafür, dass man das Unternehmen nach den Menschen beurteilt, die jetzt die Verantwortung tragen. Und vor allem nach den 1800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – sie machen den grossen Teil der Arbeit, sie sind der Grund für unseren Erfolg.»

Das ist natürlich sehr elegant und sicherlich mit kommunikativer Hilfe formuliert. Auf der anderen Seite zeigt nun das Zurich Film Festival, was es von der Formulierung hält «es gilt die Unschuldsvermutung». Hielt es noch bis am Freitag letzter Woche an seinem Partner Läderach fest, verkündete es anschliessend als Reaktion auf diesen Dokfilm das Ende der Beziehung. Schliesslich werde «das Leid der mutmasslichen Opfer doch mit dem Familien- und Firmennamen in Verbindung gebracht», meint das Festival.

Korrekter wäre gewesen: das mutmassliche, nach vielen Jahren behauptete und in den allermeisten Fällen längst verjährte Leid, wobei die Unschuldsvermutung für alle gilt, selbst für einen Läderach.

Da sind wir mal gespannt, ob das ZFF vielleicht Kevin Spacey als Special Guest Star einlädt. Der dann über die Bedeutung der Unschuldsvermutung einiges zu sagen hätte.

Sicherlich war es ungut, wenn es so war, dass in einer sektenähnlichen Umgebung christliche Nächstenliebe mit körperlicher Gewalt ausgeübt wurde. Sicherlich kann ein Unrecht nicht gegen das andere aufgewogen werden.

Es beinhaltet aber mal wieder eine ungesunde Portion von Heuchelei und Doppelmoral, wenn der medialen Öffentlichkeit das Schicksal von Millionen von Kindern in Westafrika im Vergleich schlichtweg scheissegal ist. Man es bei gelegentlichen Lippenbekenntnissen bewenden lässt. 2020 widmete die «Rundschau» eine zehnminütige Dokumentation der Kinderarbeit bei der Kakaoernte. Dabei wurde spezifisch der Frage nachgegangen ob das Label UTZ tatsächlich garantiere, dass in dieser Schokolade keine Kinderarbeit steckt. Natürlich nicht, war die Antwort.

Für die nächsten Sendungen muss man bis 2016 zurückgehen. Und dann bis 2009. Man kann also nicht sagen, dass SRG sich diesem Thema mit der gleichen Energie gewidmet hat wie der angeblich zweieinhalbjährigen Recherche über mögliche Gewalt in dieser Privatschule.

Nun kocht natürlich die Volksseele auf und über. Einige wollen nie mehr Läderach-Schokolade kaufen. Andere jetzt extra. Die einen fordern strenge Bestrafung, Schadenersatz an Betroffene und eine Umbenennung der Firma. Andere bezweifeln die Anschuldigungen.

Aber keiner, schlichtweg keiner kam bislang auf die Idee, auf einen viel, viel grösseren Skandal im Zusammenhang mit Schokolade hinzuweisen. Und sei es auch nur in einem Nebensatz. Stattdessen wird gebetsmühlenartig seit Jahren, seit Jahrzehnten wiederholt, dass die Schokoladenindustrie mehr gegen Kinderarbeit tun müsse. Und nächstes Thema. Das ist atemberaubende Doppelmoral und ganz, ganz bitter. Das hat nun überhaupt nichts mit christlicher Nächstenliebe zu tun. Aber sehr viel mit sehr unchristlichen Eigenschaften des Menschen.