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Lob des Gujers

Der Mann kann denken. Und schreiben. Selten, heutzutage.

Wenn heute ein Editorial erscheint, dann wird geistiges Kleingeld unter die Leute gebracht. Raphaela Birrer, Patrik Müller, Reza Rafi, plus die Zwergenschar der Reichsverweser von Kopfblättern der grossen Medienkonzerne («Blick» kann man ja nicht mehr ernst nehmen): meistens im Sinne des Konzerns Gehampeltes. Nicht mal für den Tag geschrieben. Schneller vergessen als gelesen.

Oder erinnert sich jemand an ein einziges dieser Editorials? Eben.

Bei Eric Gujer sieht das etwas anders aus. Beansprucht er am Samstag den Platz oben in der NZZ, dann kommt durchaus etwas Lesenswertes heraus, wird der Leser auf eine andere Flughöhe mitgenommen. Zum einen, weil der Mann geschliffen schreiben kann. Das unterscheidet ihn schon mal von den gestolperten, sich verhaspelnden, unter erkennbarem Zeitdruck geschriebenen Werken seiner Kollegen.

Dazu hat er einen Bildungsrucksack, der wohlgefüllt ist; ein zweiter Unterschied, auch wenn Rafi, der Gerechtigkeit halber sei’s erwähnt, manchmal erstaunliches Wissen aufblitzen lässt.

Und schliesslich bemüht er sich in einer Tageszeitung, den Blick über den Tag hinaus zu erheben. Daraus entstehen dann Editorials wie «Torheit ist in der Politik normal».

Gujer beschäftigt sich mit der durchaus interessanten Frage: «Warum agieren die Inhaber hoher Ämter so oft in einer Weise, die der Vernunft und dem aufgeklärten Eigeninteresse zuwiderläuft?» Zur Beantwortung nimmt er das Buch der amerikanischen Historikerin Barbara Tuchman zu Hilfe: «Die Torheit der Regierenden».

Es ist schon vor vierzig Jahren erschienen, also bevor die meisten Kindersoldaten in den Newsrooms auf der Welt waren. Ihre Schlussfolgerungen: «Als Gründe nennt Tuchman Selbstüberhebung, Unfähigkeit, Dekadenz oder Starrsinn, kurz: das Mängelwesen Mensch. Gegen Torheit ist niemand gefeit. Nur weil wir künstliche Intelligenz besitzen, ist die natürliche Intelligenz nicht gewachsen.»

Dann lässt Gujer eigenes Wissen aufblitzen und salbt seinen Rückgriff in die Geschichte mit leichter Ironie: «John Adams, der zweite Präsident der Vereinigten Staaten, erklärte: «Während alle anderen Wissenschaften vorangeschritten sind, tritt die Regierungskunst auf der Stelle; sie wird heute kaum besser geübt als vor drei- oder viertausend Jahren.» Die Einsicht gilt von Troja bis Trump. Der 47. Präsident der Vereinigten Staaten ist keine Ausnahme, keine Monstrosität in sonst so aufgeklärten Zeiten. Er ist eine historische Konstante. Wem das zu fatalistisch klingt, der mag sich damit trösten, dass die Welt trotzdem nicht zugrunde gegangen ist.»

Dann dekliniert Gujer die Begrifflichkeit durch; Torheit sei keineswegs ein Privileg der Populisten oder von Menschen mit niedrigen Absichten wie Trump. Auch Lichtgestalten wie John F. Kennedy ritten die USA verblendet in den Vietnamkrieg, während ein Schurke wie Richard Nixon ihn beendete. Zudem nützt das Gegenteil, nämlich vernünftige Entscheidungen treffen, auch nicht unbedingt.

Wie Kanzler Schröder erfahren musste, der zwar die Wirtschaft reformierte, zum Dank dafür aber abgewählt wurde.

Gujers Conclusio, um es gewählt zu formulieren, verdient es, vollständig zitiert zu werden:

«Politische Torheit basiert nur selten auf schlichter Dummheit oder Borniertheit. Sie ist die Folge eines Kalküls, das Chancen und Risiken abwägt, auch wenn es am Ende irrig ist. Politik entsteht im Wechselspiel zwischen den Emotionen der Regierenden und denen der Regierten. Da verspricht die Unvernunft nicht selten mehr Ertrag als die Vernunft. Die Herrschenden handeln im Augenblick. Die wenigsten besitzen eine echte Strategie, die auch den übernächsten Spielzug vorhersieht. Der Historiker hat es da einfacher als der Politiker. Er ist der Prophet der Vergangenheit und nicht der Spielball der Gegenwart

Der Historiker als der Prophet der Vergangenheit, alleine dafür verdient Gujer ein anerkennendes Kopfnicken und eine leichte Verbeugung. Mindestens.

Raubtier gegen Sozialarbeiter

Wenn Eric Gujer zum anderen Blick ansetzt, dann scheppert es.

Wie erbärmlich Tamedia ist, lässt sich auch am Gefäss Leitartikel festmachen. Beim Qualitätskonzern an der Werdstrasse darf ein Schmierfink wie Andreas Tobler den Leitartikel missbrauchen, um davor zu warnen, die Politikern Alice Weidel als Mensch zu porträtieren. Unsäglich, müsste mit sofortiger Entlassung oder mindestens Schreibverbot geahndet werden.

Und wenn Chefredaktorin Raphaela Birrer zum Griffel greift, erinnert sich schon während des Lesens niemand mehr daran, was sie eigentlich im Leitartikel sagen will. Hand aufs Herz: was war ihr letzter, und worum ging es da? Eben.

So in einer Mittelliga schwebt Patrik Müller von CH Media. Immer schön fluffig, geschrieben, als hätte er auch noch den Schwiegermuttertraumsohn-Charme von Christian Dorer geerbt. Und Reza Rafi, nun, da herrscht Bandbreite. Von exzellent bis schwachsinnig. Ach, Steffi Buchli? Leitartikel? Es darf gelacht werden.

Ganz anders bei Eric Gujer. Welch Oase der eleganten Schreibe, der komplexen, aber heruntergebrochenen Denke. Man muss nicht mit seiner Meinung oder Analyse einverstanden sein: lehrreich und erhellend ist es alleweil.

Aktuell vergleicht er zwei Weltmächte so: «Trump ist ein Raubtier, und die Europäer sind Sozialarbeiter. Es ist klar, wer da gewinnt». Natürlich ist die Wirtschaft dabei im Zentrum:

«Der Kontinent kommt nicht vom Fleck. Wirtschaftliche Dynamik findet sich in Asien und den USA, während die EU einen bürokratischen Albtraum nach dem anderen gebiert: Nachhaltigkeitsrichtlinie, Lieferkettenrichtlinie oder die Lasche, die den Deckel mit der Plastikflasche verbindet. Nichts ist zu gross, um reguliert zu werden, und nichts zu klein.»

Was von Befürwortern eines EU-Beitritts der Schweiz gerne verdrängt wird: «Deutschland befindet sich seit zwei Jahren in der Rezession, Frankreich türmt rekordhohe Schulden auf. Der Niedergang erfolgt schleichend. Es ist wie bei einem Autoreifen, aus dem unmerklich die Luft entweicht. Irgendwann fährt man auf der Felge

Und noch ein weiteres schlagendes Beispiel:

«Auch der Sozialstaat hat die Inklusion auf die Spitze getrieben. Deutschland gibt jährlich 37 Milliarden Euro für Sozialhilfe aus, kann aber inmitten einer Rezession 700 000 Stellen nicht besetzen

Dann wechselt Gujer auf die politische Ebene und stellt ein Versagen der Zentrumsparteien fest: «Die etablierten Parteien hingegen sind paralysiert. Der Brandmauer-Fimmel macht eine Zusammenarbeit mit dem rechten Rand unmöglich, bis die Realität wie in Österreich ein Umdenken erzwingt

Allerdings schreckt er dann doch vor letzten Konsequenzen zurück. Es ist offenkundig, dass der Aufstieg rechter Parteien wie AfD, FPÖ, Fratelli d’Italia oder Rassemblement National nicht an der überlegenen Strahlkraft ihrer Parteiprogramme festzumachen ist. Da steht, wie ZACKBUM schon belegte, mehr oder minder die ähnliche Sosse wie bei allen anderen Parteien.

Nein, es ist deren krachendes Versagen, das den Wähler verzweifelt nach Alternativen Ausschau halten lässt. Die Wurzel des Versagens liegt darin, dass die überwiegende Mehrheit der Wähler inzwischen Anspruchsgruppen sind, die auf die eine oder andere Art am Staatstropf hängen. Aber keine Partei traut sich, zum Beispiel dem Wählerblock Rentner zu sagen, dass die Renten deutlich gekürzt werden müssen, wenn der Raubzug an jungen Beitragszahlern nicht einfach weitergehen soll. Auch in der Schweiz handelt es sich hier jährlich um Milliarden.

Aber wer das sagt – und auch Rechtsparteien trauen sich nicht –, der kann auch gleich die Parteiauflösung beschliessen. Die deutsche FDP mit ihren zaghaften Versuchen ist ein warnendes Beispiel.

Woran sich dann auch Gujer nicht traut: damit kommt die Mehrheitsdemokratie an ihre Grenzen. Denn welche Anspruchsgruppe stimmt schon gegen ihre Interessen. Welche politische Bewegung will es sich mit grossen Wählermassen verderben.

Ist da, laut einem Bonmot Churchills, die Demokratie wirklich die schlechteste aller Herrschaftsformen, abgesehen von allen anderen? Das wäre doch mal einen anderen Blick wert.

«Unfassbar»

Die Bachelorette is back.

Patrik Müller, der ansonsten zurechnungsfähige Oberchefredaktor bei CH Media, hat es in ein gültiges Wort gefasst: «unfassbar». Allerdings meinte er es leider nicht so, wie es angebracht gewesen wäre.

Die Bachelorette der Politik hat es geschafft, wieder von null auf hundert zu kommen. Oder auf fast 90 Treffer in der Mediendatenbank seit Samstag. Obwohl sich die Sonntagspresse vornehm zurückhält; abgesehen von einem etwas verunglückten Beitrag von Alain Zucker in der NZZaS: «Was Sanija Ameti von Donald Trump lernen könnte». Was das genau wäre, enthüllt Zucker allerdings nicht. Und in der Reihe seiner Beispiele von gefallenen Politikern fehlt der wohl allergrösste Heuchler der Schweiz: der stramm katholische («heilige Werte der Ehe») Ex-CVP-Präsident Christophe Darbellay.

Der kam sogar mit einem Seitensprung mit Nachwuchs und einer nicht wirklich gut auf ihn zu sprechenden Seitensprungmutter davon. Damit sei er im katholischen Wallis wohl erledigt, vermuteten wir. Völlig falsch, er wurde problemlos zum Staatsrat gewählt.

«Strategie Kniefall», nennt das Zucker. Verblüffend ist hingegen, dass niemand, wirklich keiner auf die vielen Widersprüche in der tränen- und rührseligen Geschichte der Dame hinweist – ausser ZACKBUM. Wir tun’s gerne nochmal und erläutern die Bestandteile dieser Räuberpistole.

  • Nicht die Dame selbst hat die Fotos geknipst. Also kann sie sie auch nicht von Schmerz überwältigt selbst beim Hinausstürzen gepostet haben.
  • «Ich konnte den Schmerz nicht alleine tragen und wollte ihn abschalten. Und wusste offenbar nicht anderswo hin damit, als es zu posten.» Den Schmerz? Der sie bei Schiessübungen plötzlich überfallen hat? Weg damit ins Internet? Wie lachhaft ist das denn? Wie kann man dem widerspruchslos lauschen?
  • «Aber ich schwamm da in einem Meer des Schmerzes, der Kopf war … nicht mehr da. Ich war nicht fähig, irgendetwas zu überlegen, ich konnte nur noch tun. Das Handy war da, und so tat ich, was ich mit etwas Überlegen nie getan hätte.» Und derjenige, der die Fotos geknipst hatte, war nicht in der Lage, mit dem Handy in der Hand die Dame davon abzuhalten?
  • Der Tod des Bruders: «Ich habe es ein Leben lang verdrängt. Im Nachgang zu jenem Abend begriff ich, welche Dimension das hat. Ich habe mir dann professionelle Begleitung geholt.» Die Dimension tauchte bei Schiessübungen auf ein Marienbildnis auf, echt jetzt? Und wenn sie das schon als unglaubwürdige Entschuldigung (oder «Kontextualisierung») nimmt, dann möchte man auf die Frage «wann geschah der tragische Tod ihres Bruders?» schon eine genauere Antwort als «in den 90er-Jahren, aber ich möchte nicht darüber sprechen». Die Dame wurde 1992 geboren …
  • «Ich bezeichnete mich in den Medien mehrfach als Atheistin, wenn ich danach gefragt wurde. Ich habe eine muslimische Herkunft, aber ich bin Atheistin.» Sie bezeichnete sich in den Medien auch schon als Muslima. Als ZACKBUM sie fragte, was es denn nun sein dürfe, schwieg sie.
  • Sie machte auch schon mit der Behauptung Schlagzeilen, dass sie bis zu 100 Hassmails am Tag bekomme. Als ZACKBUM bat, doch eine anonymsierte Auswahl zu zeigen, schwieg sie.
  • Sie stellt munter weiter wilde Behauptungen auf: «Ich solle «verschwinden», hiess es öffentlich. Das war eine orchestrierte Hetze, die einem Manual der Identitären Bewegung folgte.» Wow, ein Manual der «Identitären Bewegung». Ob sie das zufällig zur Hand hat?
  • «Sich allein zu fühlen, bricht einen Menschen. Ich hätte all das nicht durchgehalten, wenn mir nicht meine Freunde, Verbündete in der Partei und bei der Operation Libero – und so unglaublich viele Fremde – geschrieben und mich unterstützt hätten. Und wenn nicht Tausende diese Petition unterschrieben hätten. Ich las jeden einzelnen Namen. Meine Familie und mein Umfeld liessen nicht zu, dass ich mich allein fühlte.» Ob die Dame wohl bereit wäre, eine kleine Auswahl dieser Unterstützungsschreiben anonymisiert zur Verfügung zu stellen?
  • «Noch bevor es Medienberichte gab, löschte ich meinen Post, entschuldigte mich und bat um Vergebung.» Das ist im Streubereich der Wahrheit; der Post war auf jeden Fall stundenlang online, bis ZACKBUM anfragte, was es damit auf sich habe – und keine Antwort erhielt.
  • «Beim Anblick des Bildes an der Wand sah ich gar nichts. Ich fühlte nur einen Schmerz. Einen Schmerz, der keinen Anfang und kein Ende kennt. Nach dem Schiessen rannte ich raus. Der Schmerz war immer noch da, irgendwie war er unterbewusst immer da, stärker seit dem Ukraine-Krieg.» Wie können zwei erwachsene Journalisten ohne Gegenwehr einen solchen Stuss anhören? Niemand formuliert so aus dem Stegreif. Das sind alles wohlvorbereitete, überlegte, auf ihre Wirkung hin abgeklopfte Narrative.

Was auch immer mit der Bachelorette der Politik geschehen wird, sie hat die Medien mal wieder um den Finger gewickelt. Tamedia hat sich sogar nicht entblödet, alte, peinlich gestellte Fotos zwecks Illustration seiner Nacherzählung wieder aus dem Archiv zu holen.

Vielleicht war es wirklich ein Fehler von Farner, die Dame zu entlassen. Sie ist ein Naturtalent, eine Wiedergängerin von Tartuffe im 21. Jahrhundert. Um ihre Kunstfertigkeit zu beschreiben, bräuchte es wahrlich einen Molière.

Unerträglich

Patrik Müller lotet schamfrei Tief- und Sumpfgebiete aus.

Die Bachelorette der Politik hat’s mal wieder geschafft. Alleine auf Deutsch verzeichnet die Mediendatenbank SMD an einem Tag 66 Treffer. «Exklusiv-Interview», trompeten Patrik Müller und Thomas Wegmann und verschwenden fast 19’000 Anschläge, um einem politischen Leichtgewicht Bedeutungsschwere zu verleihen.

Natürlich hat sich die Dame, deren Namen wir hier nie mehr nennen wollen, sorgfältig überlegt und ausgesucht, wo sie ihren Rückweg ins Scheinwerferlicht und die Öffentlichkeit antreten wird. Mit ihrer eigenen Partei, mit ihrem Parteichef spricht sie kein Wort und lässt sich verleugnen. Aber da ihr die mediale Aufmerksamkeit wie dem Gummibaum die Büroluft fehlte, konnte sie nicht länger an sich halten. War sie vorher krank, sei sie nun wieder gesund geworden.

Und CH Media bietet ihr willig die grosse Bühne. Riesen-Aufmacherfoto auf der Front der «Schweiz am Wochenende», immerhin das auflagenstärkste Wochenendblatt. Dann eine Doppelseite (!) Interview, geschickt getimt in der Adventszeit, mit einem Titelzitat, das vor schleimiger Scheinheiligkeit nur so tropft:

«Ich fühlte einen Schmerz, der kein Anfang und kein Ende kennt».

Die «GlücksPost» muss grün und blau vor Neid sein, so ein Geheuchel kriegt nicht mal die Herz-Schmerz-Postille hin. Auch die Fragen bewegen sich auf diesem Niveau:

«Wie geht es Ihnen? Wie haben Sie die letzten Wochen verbracht? Wie reagierten die Menschen, denen Sie begegneten?» Ein Therapeut hätte nicht einfühlsamer fragen können. Und die Antworten? Sorgfältig gescriptet; die Dame hatte ja genug Zeit, sich alle passenden Worthüslen bereitzulegen, hat sie sicherlich auf ihre Wirksamkeit hin professionell abklopfen lassen, hat da und dort noch etwas Schleim draufgeschmiert oder weggenommen.

Der Kotau geht bis an den Boden: «... Fehler gemacht, einen groben und dummen Fehler … schäme mich … Verantwortung übernehmen …» Blabla. Ein US-TV-Prediger, dem man einen Seitensprung mit Fruchtfolge vorwirft, könnte keine bessere Show hinlegen. Selbst Christophe Darbellay, als katholischer Familienvater genau dabei ertappt, war ein Waisenknabe dagegen.

Richtig dünn wird es allerdings, wenn die Dame zu erklären versucht, wie es denn zu diesem dummen Vorfall gekommen ist, dass sie ein Foto von sich in Kampfmontur mit Pistole und das zerschossene Marienbild mit Kind postete. Das hat nun schon fast literarische Qualitäten, hätte Molière seinem Tartuffe problemlos in den Mund legen können. Es hat etwas Genialisches, muss man zugeben. Und es sich auf der Zunge zergehen lassen:

«Ich war an jenem Freitagabend überarbeitet, nach mehreren Nachtschichten völlig übermüdet. Ich hatte eine Frist. Mein Kopf war so voll und laut, ich konnte mich auf nichts mehr konzentrieren. In solchen Situationen hilft mir Sportschiessen. Man fokussiert sich auf einen kleinen Punkt und hat dann seinen Kopf wieder zusammen. Also ging ich an jenem Abend in den Keller. Vor der Tür war ein Stapel Altpapier, zuoberst der Katalog des Auktionshauses Koller. Ich riss irgendeine Seite heraus, steckte sie an die Wand, ohne etwas zu überlegen, es hätte auch eine andere Seite sein können …»

Welche Komposition. Ein überarbeiteter Mensch, übermüdet, Nachtschichten. Jö. Will den Kopf freikriegen, aber ja. Da liegt ein Katalog herum, natürlich, man reisst irgend eine Seite heraus, klar doch. Aber das ist nur die Einleitung zu einer oscarreifen Nummer:

«Ich machte meine Schiessübungen. Beim Schiessen passierte etwas in meinem Kopf. Etwas, was mich aus der Bahn warf. Ich musste an meine Mutter und an meinen Bruder denken. (Sie pausiert.) Mein Bruder wurde umgebracht, bevor wir geflüchtet sind.(Sie kann nicht weitersprechen.)»

Müller und Wegmann heulen sich hier gegenseitig ins Hemd und wischen tapfer die Tränen ab: «Ihr Bruder wurde erschossen?»
(Nickt.)
Unfassbar.
(Fährt nach längerer Pause fort.) Ich habe lange und immer wieder versucht, dieser Erinnerung aus dem Weg zu gehen. Beim Anblick des Bildes an der Wand sah ich gar nichts. Ich fühlte nur einen Schmerz. Einen Schmerz, der keinen Anfang und kein Ende kennt. Nach dem Schiessen rannte ich raus. Der Schmerz war immer noch da, irgendwie war er unterbewusst immer da, stärker seit dem Ukraine-Krieg. Ich hatte all das verdrängt, und in dem Moment brach es aus, wie ein Vulkan. Ich konnte den Schmerz nicht alleine tragen und wollte ihn abschalten. Und wusste offenbar nicht anderswo hin damit, als es zu posten. Das war impulsiv und unüberlegt.»

ZACKBUM ist hin und weg. Ist das gut, ist das grossartig. Ist das widerwärtig, heuchlerisch, so echt wie ein angeblich blinder Bettler, der heimlich in die Schüssel blinzelt, wenn jemand etwas hineinwirft.

Aber die Nummer ist noch nicht zu Ende gespielt:

«Dass Sie das durchlöcherte Bild auf Instagram stellten: Das war ein Teilen des Schmerzes mit anderen?
An einem normalen Tag hätte ich mit jemandem darüber gesprochen oder ich hätte mich eingeschlossen und den Schmerz vorbeigehen lassen. Aber ich schwamm da in einem Meer des Schmerzes, der Kopf war … nicht mehr da. Ich war nicht fähig, irgendetwas zu überlegen, ich konnte nur noch tun. Das Handy war da, und so tat ich, was ich mit etwas Überlegen nie getan hätte.
Ist das eine Rechtfertigung?
Nein. Es ist eine Kontextualisierung von dem, was vorgefallen ist, keine Rechtfertigung. Es tut mir nach wie vor unendlich leid, was ich getan und damit ausgelöst habe.»
Kontextualisierung, einfach grossartig. Wir nähern uns unaufhaltsam dem Finale, sozusagen dem Gipfel des Schleimbergs:
«Darf ich fragen: Wann geschah der tragische Tod Ihres Bruders?
In den 90er-Jahren, aber ich möchte nicht darüber sprechen.»

Wow. Das ist mindestens so ergreifend, wie wenn auf der Opernbühne der Held gemeuchelt wird und liegend zu seiner Todesarie ansetzt, während die Umstehenden ihr Haupt verhüllen. Das Publikum greift gerührt zu den Taschentüchern und tupft sich die Tränen ab; nur ein ganz Unsensibler schneuzt sich vernehmlich.

Dann lässt das Interview emotional schwer nach, der Dame werden die üblichen Fragen souffliert, wie’s denn so weitergehen soll politisch. Aber welch eine Show, was für eine begnadete Schauspielerin und Manipulatorin, diese Dame. Dämlich nur, dass zwei gestandenen Journalisten nicht die einzig richtige Frage einfällt, die diese Show wie einen Luftballon platzen lassen würde:

Die Dame hat bekanntlich die Fotos nicht selbst gemacht, sondern machen lassen. Also war das keine spontane, schmerzerfüllte Aktion, Trauerarbeit für den erschossenen Bruder, (schluchz, heul). Also rannte sie auch nicht hinaus, griff auch nicht spontan zum Handy, das ja jemand anders bediente. Sondern es war wie alles zuvor eine eiskalt geplante Provokation, bei der sicherlich aus verschiedenen Schnappschüssen die richtigen ausgewählt wurden, von denen sich die Beteiligten die grösste Wirkung versprachen. Dass die dann übergross wurde, Künstlerpech.

Die beiden betroffenen und ergriffenen Interviewer («unfassbar») vergessen auch, Ameti nach dem angeblichen Polizeischutz zu fragen, mit dem sie hausieren ging, von dem man aber nicht weiss, ob er wirklich stattfand. Schliesslich bestätigte die Polizei ZACKBUM nur, dass man mit der Dame in Kontakt sei.

Die Dame hat zum Start ihres Comebacks alles richtig gemacht. Sie ist und bleibt zwar peinlich, hat nun aber darin zwei Bundesgenossen gewonnen. Einer ist immerhin der Oberchefredaktor von CH Media.

Das löst mehr als fremdschämen aus. Diesen Text zu lesen, das ist so, wie wenn man eine Büchse öffnet ohne auf das Ablaufdatum zu achten, und der Inhalt explodiert einem ins Gesicht.

Alles Müller oder was?

Der Dritte im Bunde, Patrik Müller, ist auch aktiv.

Im Vergleich zu Tamedia geht’s im Wanner-Imperium recht ruhig und rumpelfrei zu. Obwohl man dort die neuste Runde des grossen Rausschmeissens einläutete. Das ist nicht zuletzt das Verdienst des dortigen Oberchefredaktors Patrik Müller. Der ist als einziger von der Trinität übriggeblieben. Arthur Rutishauser, Oberchefredaktor Tamedia, lupfte es über den Protest von hysterisch-erregten Tamedia-Frauen, die eine ganze Latte von anonymen und nicht belegten Behauptungen in die Welt setzten, über Sexismus und unerträgliche Arbeitsbedingungen.

Dann lupfte es Christian Dorer, Oberchefredaktor der «Blick»-Gruppe. Über ein nie genauer erklärtes angebliches Fehlverhalten. Die Ergebnisse einer «Untersuchung» wurden angekündigt, aber niemals veröffentlicht. Was nachkam, war in beiden Häusern kläglich.

Nur Müller hält sich, ging sogar als Sieger im Zweikampf mit Pascal Hollenstein, der publizistischen Leiter des Hauses CH Media, hervor. Dieser hatte sich zu oft als Sprachrohr für eine ehemaliger Zuger Politikerin hergegeben, die ständig öffentlich wiederholt, dass sie aus der Öffentlichkeit verschwinden will.

Müllers bislang ungetrübte Karriere kann auch darin ihren Grund haben, dass er recht flexibel ist, was seine politische Positionierung betrifft. Denn offensichtlich sind im Hause Wanner die Befürworter einer engeren Anbindung an die EU tonangebend. Diese Marschrichtung wurde von ganz oben schon vorgegeben.

Also interviewt Patrik Müller den Staatsrechtler Georg Müller, der überhaupt nichts von der Kompass-Initiative hält: «Die Kompass-Initiative – von einem Komitee lanciert, dem drei Milliardären angehören – gibt vor, die direkte Demokratie in der Schweiz zu stärken. Aber in Wirklichkeit wollen die Initianten verhindern, dass die Erweiterungen der Bilateralen Verträge mit der EU (Bilaterale III) zustande kommen

Wumms. Müller (der Staatsrechtler) lässt kein gutes Haar an der Initiative:

«… unnötige Ausweitung, welche den Entscheidungsprozess  verzögern, komplizieren und unsicherer machen würde … würde die Initiative die Handlungsfähigkeit der Schweiz einschränken … das macht die Initiative zu einem verzweifelten Versuch, die bereits laufenden Verhandlungen zu stören … die Rückwirkung der Initiative wäre verheerend. Eine solche Regelung könnte zu gravierender Rechtsunsicherheit führen».

Dann noch seine Schlusssalve: «Es liegt nahe, dass die Initianten auf einen Abschreckungseffekt setzen. Sie wissen, dass ihre Initiative rechtlich und praktisch problematisch ist, hoffen aber, damit die Verhandlungen über die Bilateralen III zu torpedieren. Sollte dies ihr wahres Ziel sein, wäre dies ein verantwortungsloses Störmanöver. Für die Wahrung der aussen- und wirtschaftspolitischen Interessen sowie für die Glaubwürdigkeit der Schweiz als Vertragsstaat wäre dies verheerend.»

Mit anderen Worten: die Initiative ist so ziemlich das Schlechteste, was jemals seitdem es das Initiativrecht gibt, auf die Rampe geschoben wurde. Von ein paar verantwortungslosen Milliardären, die eigentlich keine Ahnung von staatsrechtlichen Aspekten haben.

Dieser Meinung kann man unbenommen sein. Es wäre allerdings einem Chefredaktor durchaus angestanden, sich nicht nur als Stichwortgeber oder als Souffleur mit ein paar pseudokritischen Fragen aufzuführen. Denn an Staatsrechtler Müllers Philippika gibt es dermassen viele Schwachpunkte, sie enthält dermassen viele polemisch-demagogische Unterstellungen und Halbwahrheiten, dass sich hier ein munteres Streitgespräch hätte entwickeln können.

Müller hätte zum Beispiel fragen können, was genau die finanziellen Auswirkungen einer Übernahme von EU-Recht wären. Was die Gewinne, was die zusätzlichen Ausgaben durch die Anpassung an das Bürokratiemonster Brüssel.

Aber das hätte dann nicht ganz den Absichten des Besitzerclans entsprochen.

Ein cleverer Mann, dieser Müller (nein, nicht der Staatsrechtler).

Die SoZ macht sich

Wer hätte gedacht, dass die SoZ die NZZaS abtrocknet?

Journalismus ist halt ein People’s Business. Der Mann (oder die Frau) am Steuerrad entscheidet. Da hat sich in jüngster Zeit einiges zum Schlechteren verändert.

Längere Zeit waren Christian DorerBlick»-Familie), Arthur Rutishauser (Tamedia) und Patrik Müller (CH Media) die Platzhirsche im Tageszeitungsgeschäft. Auf einem anderen Planeten schwebt Eric Gujer (Chefredaktor, Geschäftsleiter und God Almighty der NZZ).

Dann wurden Dorer und Rutishauser übel gemobbt. Nach einer angeblichen «Untersuchung», deren Ergebnisse niemals bekannt gegeben wurden und angeblichen Gesprächen über eine Weiterbeschäftigung, war Dorer weg. Und ist seither Leiter der Migros-Kommunikation. Rutishauser wurde nach einem Protestbrief von 78 erregten Tagi-Frauen, die niemals belegte, vage Anschuldigungen erhoben, die alle männlichen Mitarbeiter unter Generalverdacht stellten, zum SoZ-Chefredaktor zurückgestuft. Nur Müller konnte sich halten und gewann sogar den Nahkampf mit der publizistischen Leiter nach unten Pascal Hollenstein. Der desavouierte sich als Sprachrohr für Jolanda Spiess-Hegglin und wurde von einem Tag auf den anderen entsorgt.

Sozusagen als Kollateralschaden musste auch Jonas Projer sein Pult bei der NZZaS räumen; nachdem seine Nachfolgerin auf der Zielgeraden absagte, wurde Beat Balzli, eigentlich vorgesehen als Booster für die Deutschland-Offensive, notfallmässig sein Nachfolger bei der NZZaS. Und Gieri Cavelti legt Wert auf die Feststellung, dass er sein Pult als Chef des SoBli freiwillig geräumt habe.

Was nachkam, nun, auch auf die Gefahr hin, der Misogynie bezichtigt zu werden: ein Frauenbonus wird in leitenden Positionen schnell zum Malus …

All diese Hintergründe muss man kennen, wenn man aktuell konstatiert: Der SoBli unter Reza Rafi hat weitgehend seine Bedeutung als ernstzunehmende Stimme am Sonntag verloren. Die NZZaS dümpelt mit Belanglosigkeiten vor sich hin, seine noch nicht vollständig in die NZZ integrierte Restmannschaft frönt ihren Pläsierchen, der Chefredaktor blamiert sich mit Editorials, die deutsche Unwichtigkeiten enthalten.

Und die SoZ läuft unter Rutishauser zu alten Formen auf. Höchstens Lukas Hässig mit seinem «Inside Paradeplatz» übertrumpft sie im CS-UBS-Bashing, dank Rutishausers Quellen und Beziehungen – und seiner ungebrochenen Schreibkraft.

Aber auch das Geschäft des Breitbandangebots beherrscht er. Während die NZZaS mit einer verunglückten Konservenbüchse aufmacht, setzt die SoZ auf einen Promi, der seinen runden Geburtstag feiert:

Auch wenn die SoZ gelegentlich unter einem verunglückten Layout leidet, das zu jedem Seitenaufmacher ein Riesenfoto verlangt, was dann oftmals an Banalität nicht zu überbieten ist, hat man hier ein nettes Porträt des Schneemenschen Reinhold Messner ausgegraben. Dazu ein kleiner Aufreger, eigentlich zwei. «Klimagesetz ist unsinnig und unsozial», da werden im Kreis 8 vegane Müeslis auf die SoZ gespuckt. Und «Schweizer Pistolen schützen Putin»; schlimmer wäre nur, wenn er auch noch eine Schweizer Uhr trüge. Hoppla, er trägt gelegentlich eine Schweizer Uhr, der böse Schlingel.

Auch der Immer-noch-Redaktor Peter Burkhardt bastelt aus Versatzstücken eine nette Rempelei-Story gegen den reichsten Schweizer zusammen. Denn Klaus-Michael Kühne hat wie viele Erben ein bewunderndes Verhältnis zu seinem Vater, der allerdings während dem Braunen Reich in üble Geschäfte verwickelt war, was der Sohn nicht wahrhaben will. Beziehungsweise den Deckel auf allen entsprechenden Dokumenten und Untersuchungen draufhält.

Dann noch ein «Heimkind», das «an den Behörden verzweifelte», Neues von der «Fettwegspritze»,  und als Auflockerung Tim und Struppi. Alleine der inhaltliche und visuelle vergleich mit der NZZaS lässt wenig Fragen offen:

Im Editorial regt sich Rutishauser wohlfeil auf: «Dass Russland mit Schweizer Waffen Krieg führt, ist eine Schande». Ist zwar etwas aufgepumpt – auch Rutishauser lässt sich gelegentlich von der Pumpstation Tagi anstecken –, aber erregt den Leser, was ja der Sinn der Sache ist.

Dann ein Schulthema, nicht weltbewegend, aber immer für Aufreger gut. Diesmal nicht wieder ein Verriss der letzten, gescheiterten Schulreform, sondern die Frage, wie die Schulen gegen die Handy- und Smartwatch-Plage vorgehen sollten.

Schliesslich der aufgepumpte Aufreger:

Issja furchtbar; hoffentlich haben die Waffen dann nicht Ladehemmung, was bei Schweizer Sturmgewehren leider vorkommt.

Dann beginnt eine nicht ganz brandneue, aber doch den Leser nicht wirklich amüsierende Werbekampagne mitten im redaktionellen Umfeld:

Geht auch so:

Ob sich der hier sicher genannt sein wollende Online-Händler damit einen grossen Gefallen tut?

Der alte, erfahrene USA-Kenner Martin Suter, der vielen «wir hassen Trump und lieben Harris»-Flachdenkern kräftig auf den Zeiger geht, weil er sich im Gegensatz zu den meisten anderen bemüht, so genau wie möglich die Wirklichkeit abzubilden, weist dann wieder auf die alte Erkenntnis von Bill Clintonit’s the economy, stupid») hin:

Dann kommen wir zu einem absoluten Stehaufmännchen. Marcel Salathé. War der nicht mal der grosse Corona-Guru der Schweiz? Überpräsent auf allen Kanälen? DER Fachmann? Und dann weg? Denn ohne Corona kein Salathé. Während aber viele seiner Kollegen (und Kolleginnen, man erinnert sich an Isabella Eckerle «Die Schweiz braucht einen Lockdown»?) in der Dunkelheit der Laborforschung verschwunden sind, hat sich Salathé neu erfunden. Schluss mit Epidemiologe, her mit dem «Co-Leiter des neuen KI-Zentrums der ETH Lausanne». Eine Wiedergeburt erster Klasse. Und um grosse Worte war er noch nie verlegen:

Und er weiss, zur Message gehört auch das entsprechende Foto:

Wie von Rodin gemeisselt. Gekonnt ist gekonnt, ein Profi halt, ein Meister der Selbstinszenierung. Aber eben gut.

Bei so viel Interessantem kann man wohlgemut eine Seite Ewiggestriges überblättern. Oder wer will schon lesen, welche Gedanken sich Bettina Weber über das verblühte Supermodell Christy Turlington macht, das letztes Jahr (!) verkündete, sie wolle keine plastische Chirurgie, was Weber spät, aber immerhin auffällt. Jacqueline Badran erinnert sich an ihre erste Anti-AKW-Demo – und daran, dass sie seither nichts dazugelernt hat. Und Markus Somm beschäftigt sich auch noch mit einem verglühten Polit-Pin-up-Girl, das nun wirklich allen zum Hals raushängt.

Aber selbst der «Sport», von ZACKBUM konsequent überblättert (überklettert, machte das Korrekturprogramm draus, endlich eins mit Humor), macht mit einem interessanten Interview mit Yeti Reinhold Messner auf, der schon mehrfach gezeigt hat, dass er nicht nur in seinen Händen Muskeln hat, sondern auch genügend Hirnzellen sein eigen nennt. Und wunderbar: das Interview ist mit Bordmitteln von Christian Brüngger erstellt.

Dann liefert Rutishauser, nach der Kühne-Sause, seinen Aufreger der Woche ab:

Selbst Jorgos Brouzos, der gerne gepflegte Langeweile versprüht, scheint seine Beförderung zum Wirtschafts-Chef gutgetan zu haben.Er erzählt eine hübsche Skandalgeschichte aus dem Unterholz der internationalen Wirtschaftswelt nach. Beteiligt ist das Imperium von Inder Gautam Adani (100 Milliarden Vermögen), die Behauptung des US-Leerverkäufers Hindenburg, dass Adani mit verdeckten Aufkäufen die Aktienkurse seiner Firmen hochmanipuliere und ein Urteil der Genfer Justiz, das 310 Millionen Dollar auf Schweizer Konti gesperrt hat, die darin verwickelt sein könnten. François Pilet veröffentlichte das zuerst auf seinem munteren Blog «Gotham City». Der wurde dann mit DoS-Angriff (Dental of Service, ein Server wird mit so vielen Anfragen bombardiert, dass er schlapp macht) fast in die Knie gezwungen.

Hübsche Crime-Story.

Dann geht’s man kann ein Niveau halt nicht durchhalten, bergab:

In der Schweiz soll es ungefähr 40’000 Transmenschen geben. Das sind 0,44 Prozent der Bevölkerung. Randgruppe trifft es nicht mal ganz. Also ist der Artikel für 99,5 Prozent aller SoZ-Leser zum Überblättern. Dann noch die Autobiographie von Frank Zappa. Nein, der ist schon ein Weilchen tot und kann sich nicht dagegen wehren, dass seine Tochter von seinem Ruhm zehrt und ihre Autobiographie schreibt.

Aufreger, Aufreger, Schauspielerin Gillian Anderson, die auch schon gloriosere Zeiten hatte, hat ein Buch über geheime Sex-Fantasien geschrieben. Von Frauen. Boach, geil.

«Hackbraten», eine Seite über Hackbraten. Weniger geil. Es gibt ein Einzelstück des Porsche 917. Überhaupt nicht geil. «Tintin flog natürlich Swissair», mässig lustig. Der Autor eines neuen Reiseführers über «Bikepacking» darf Gratis-Werbung machen. Auch nicht lustig.

Aber: Zwischen dieser SoZ und der NZZaS liegen Welten. Peinlich für die NZZ.

 

Zeitungen von CH-Media verleumden Infosperber

St. Galler, Badener und Zofinger Tagblatt, Solothurner Zeitung, Walliser Bote etc. verbreiten eine Covid-Verschwörungsphantasie.

Von Martina Frei*

Ein identischer ganzseitiger Artikel in den genannten Zeitungen des CH-Media-Konzerns wirft alle in den gleichen Topf, welche die offiziellen Informationen über die Impfstoffe gegen das Corona-Virus hinterfragen. Unter dem Titel «Eine Wahnidee jagt die nächste – warum hört das nicht auf?» nennen diese Zeitungen als neustes Beispiel Berichte einiger Medien über mRNA-Impfstoffe, die mit DNA verunreinigt waren. Dies sei eine «abstruse Behauptung», die «schnell entlarvt» sei, schrieben die Zeitungen.

Autorin Sabine Kuster war lange im Regionalressort tätig und ist keine Wissenschaftsjournalistin. Dass der Pfizer-Impfstoff mit DNA verschmutzt ist, sei «die neueste einer nie endenden Kette von abstrusen Behauptungen von Impfgegnern. […] Über die angebliche Verschmutzung der Impfdosen mit DNA haben wir bisher nicht berichtet. Zu absurd erschien die Behauptung», schrieb sie.

Merke: In diesen CH-Media-Zeitungen werden Informationen nicht aufgenommen, wenn sie «absurd erscheinen». Ob sie zutreffen, wird nicht recherchiert. Dabei wäre das die Aufgabe von Journalistinnen und Journalisten.

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Seitentitel am 18. Januar 2024 im St. Galler Tagblatt: Pfizer-Impfstoff mit DNA verschmutzt – eine Wahnidee. © CH-Media

 

Was CH-Media ausser acht liess …

Der gross aufgemachte Artikel in den Zeitungen von CH-Media zitiert einzig ein deutsches Labor, das DNA im Impfstoff gefunden haben will und stellt dessen Laborleiterin als zweifelhaft dar. Zu Wort kommt die kritisierte Laborleiterin nicht.

Die CH-Media-Zeitungen haben den Eindruck erweckt, nur dieses Labor habe in Impfstoffen Verunreinigungen mit DNA nachgewiesen. Kuster verschweigt unter anderem die DNA-Funde von Phillip Buckhaults.

Buckhaults ist Molekularbiologe, Spezialist für Krebsgene und Professor an der Universität South Carolina. Er hat seine Ausbildung unter anderem an der Johns Hopkins University gemacht und in Wissenschaftszeitschriften wie «PNAS» oder «Nature Communications» Fachartikel veröffentlicht. Von einer solchen Karriere können viele Wissenschaftler nur träumen.

Buckhaults riet allen, die ihm am Herzen liegen, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Er ist also weder «Verschwörungstheoretiker» noch «Anti-vaxxer», im Gegenteil. Der bekannte Krebsforscher Wafik El-Deiry bezeichnete Buckhaults als kompetent und integer.

Die Aussagen vor dem Senatsausschuss

Im September 2023 sagte Buckhaults vor einem Senatsausschuss von South Carolina aus. Die Aufzeichnung seiner nicht öffentlichen Aussagen wurde publik. Er habe Milliarden von DNA-Stückchen im Pfizer mRNA-Impfstoff gefunden, berichtete Buckhaults vor dem Ausschuss und sagte: «Ich bin etwas beunruhigt, welche Konsequenzen das für die menschliche Gesundheit und Biologie haben könnte.»

Buckhaults hat seine Untersuchungen nicht veröffentlicht. Er teilte die Resultate dem Senatsausschuss mit, damit Gesetzgeber, Arzneimittelbehörde, Hersteller und Wissenschaftler diese Verunreinigung von Impfstoffen ernst nehmen. Buckhaults schlug vor, möglichst viele fachkundige Wissenschaftler sollten abklären, ob bei Covid-geimpften Menschen im Erbgut von Stammzellen Stücke der fremden DNA aus dem Impfstoff zu finden sind.

Die Grenzwerte für DNA-Verunreinigungen in Impfstoffen seien zu einer Zeit eingeführt wurden, als es um das Spritzen von «nackter» DNA ging, gab Buckhaults zu bedenken. In den mRNA-Impfstoffen sei die DNA aber im Körper transportfähig in Nanopartikel verpackt.

Die CH-Media Journalistin konstatiert «eine läppische Unsorgfältigkeit»

Weil der Journalistin die Information «zu absurd» erschien, erstaunt es nicht, dass die CH-Media-Zeitungen auch nicht darüber informierten, dass die Europäische Arzneimittelbehörde EMA bereits Ende 2020 und erneut im Frühling 2021 die DNA im Pfizer-Biontech-Impfstoff als Problem erkannte und beanstandete. Das geht aus Dokumenten hervor, die gehackt wurden oder welche die Behörde herausgab.

Möglicherweise betraf dieses Problem nicht alle Produktionsstätten, und vielleicht war es im zweiten Halbjahr 2022 behoben, vielleicht auch nicht. Vieles bleibt im Ungewissen, weil die EMA in den freigegebenen Dokumenten ganze Abschnitte einschwärzte.

Spekulationen oder Befürchtungen könnten Pfizer/Biontech leicht ausräumen, wenn sie offenlegen würden, wie viel DNA sie mit welchen Methoden im Impfstoff gemessen haben.

Die Geheimniskrämerei sollte Medien, die sich als vierte Gewalt im Staat verstehen, hellhörig machen. Doch die Autorin des CH-Media-Artikels nannte die Verunreinigung «eine läppische Unsorgfältigkeit».

Im Patentantrag von Moderna stand etwas anderes

Was sie ebenfalls nicht erwähnte, ist das Patent, das Moderna seit dem Jahr 2018 hält. Darin geht es um Methoden, wie DNA, die bei der Herstellung in das mRNA-Produkt gelangt, entfernt werden kann. Im Patentantrag schrieben Stéphane Bancel, der Mitbesitzer von Moderna, und seine Kollegen: «Die DNA muss entfernt werden, um die Wirksamkeit und die Sicherheit der Therapeutika zu gewährleisten, denn in den Produkten verbleibende DNA könnte die angeborene Immunabwehr aktivieren und hat das Potenzial, bei Patientengruppen krebserregend zu wirken.»

Das deutsche «Paul-Ehrlich-Institut» (PEI), zuständig für die Zulassung und Sicherheit von Impfstoffen in Deutschland, wandte sich in Sachen DNA-Verunreinigung kurz vor Weihnachten 2023 mit einer Mitteilung an medizinische Fachkreise. Aus seiner Sicht hätten die nicht von den Herstellern, sondern von anderen Laboren durchgeführten DNA-Analysen methodische Mängel, schrieb es. Was im Schreiben des PEI nicht steht: Die methodischen Mängel führen laut mehreren Wissenschaftlern dazu, dass der DNA-Gehalt bei den Analysen der Impfstoffe eher unterschätzt wurde.

Bei den DNA-Messungen verliessen sich die Behörden voll auf die Angaben der Hersteller. Eigene Messungen nahmen die Behörden nicht vor.

Anstatt zu recherchieren einfach abgetan

Freilich können Zeitungen wie jene von CH-Media zum Schluss kommen, über die DNA-Verunreinigung nicht zu informieren, weil die Redaktion diese als wenig relevant beurteilt. Doch anderen Medien, die darüber informieren, «Wahnvorstellungen» und das Verbreiten «abstruser Behauptungen» vorzuwerfen, entspringt einer Verschwörungsphantasie. Zu den Verbreitern solcher «Wahnideen» zählt die Autorin auch Infosperber. Mit dieser üblen Nachrede versucht CH-Media, die unabhängige Online-Zeitung Infosperber als unglaubwürdig darzustellen.

Die Arzneimittelbehörde EMA, der Molekularbiologe Philipp Buckhaults und weitere Wissenschaftler (hier ab Minute 13:04 oder hier im «WDR» ab Minute 17:33) hingegen hielten es für nötig, den DNA-Funden in den Impfstoffen nachzugehen.

Eine Replik von Infosperber zum Artikel in den CH-Medien lehnte Chefredaktor Patrik Müller ab: «Wir halten an unserer Darstellung fest.» Er akzeptierte einen «Leserbrief mit maximal 1200 Zeichen».


CH-Media-Zeitungen untergraben ihre eigene Glaubwürdigkeit

upg. Die Glaubwürdigkeit ist das höchste Gut, das seriöse Zeitungen besitzen. Die beiden erwähnten Artikel in den CH-Media-Zeitungen St. Galler, Badener und Zofinger Tagblatt, Solothurner Zeitung, Walliser Bote u.a untergraben die Glaubwürdigkeit unserer Online-Zeitung Infosperber, indem sie Infosperber mit «Verschwörungstheoretikern», «Wahnideen» und «abstrusen Behauptungen» assoziieren.

Konkret «belegt» wird diese Assoziierung nicht etwa mit konkret bezeichneten Artikeln. Falsche Darstellungen in den Artikeln von Infosperber werden keine genannt.

Seit Ausbruch der Epidemie hat Infosperber zu Corona über 500 Artikel veröffentlicht. Dabei hat Infosperber im Gegensatz zu vielen anderen Medien die Rolle der Vierten Gewalt wahrgenommen und Aussagen und Entscheide von Behörden und Pharmafirmen kritisch hinterfragt.

Infosperber deshalb vorzuwerfen, Verschwörungstheorien oder Wahnideen zu verbreiten, ist eine bösartige Unterstellung.

Die CH-Media-Zeitungen zitieren keinen einzigen Beleg, dass Infosperber eine Verschwörungstheorie oder eine Wahnidee verbreitet hätte.

Das Gegenteil ist der Fall: Infosperber hat über Verschwörungsphantasierer informiert, deren Namen genannt und deren Verschwörungsphantasien als solche aufgezeigt. Auch hat Infosperber über den Nutzen der Impfungen für vulnerable Personen informiert und auf das grosse Ansteckungsrisiko ohne Masken in geschlossenen Räumen mit vielen Personen regelmässig hingewiesen.

Die Redaktion von Infosperber besteht ausschliesslich aus professionellen Journalistinnen und Journalisten. Die meisten Artikel zur Corona-Pandemie haben Urs P. Gasche, seit langem Mitglied des «Schweizer Klubs für Wissenschaftsjournalismus» und Autor mehrerer Bücher über die öffentliche Gesundheit, sowie Martina Frei, ebenfalls Mitglied im «Klub für Wissenschaftsjournalismus», geschrieben. Als praktizierende Ärztin im Nebenberuf hat Martina Frei Menschen gegen Covid-19 geimpft und solche mit Covid behandelt.


*Der Artikel erschien zuerst auf «Infosperber». Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Wenn sich die UBS räuspert, …

… dann verschluckt sich CH Media.

Der CH-Media-Wirtschaftsjournalist Benjamin Weinmann wagte eine Glosse über die neue Werbekampagne der UBS «Eine Bank wie die Schweiz». Das hätte er besser bleiben lassen. Warum, das erklärt Beat Schmid vom Tippinpoint.

Von Beat Schmid*
Eine Glosse über die UBS ist nicht mehr online. Nach einem Gespräch zwischen einer Vertreterin der Grossbank und dem viertgrössten Verlagshaus der Schweiz verschwand der Beitrag. Die UBS buchte ein Werbevolumen über mehrere 100’000 Franken.

Sich über Werbung lustig zu machen, ist immer heikel. Schliesslich sind es die Werbeauftraggeber, die für einen beträchtlichen Teil der Kosten einer Redaktion aufkommen. Ein langjähriger Wirtschaftsjournalist der Zentralredaktion von CH Media («Aargauer Zeitung», «Luzerner Zeitung», «Watson» etc.) hat es trotzdem gewagt, sich in einer Glosse über die neuste, von einer Berliner Agentur konzipierte Werbekampagne lustig zu machen.

Wie es in der Glosse «Bonzen, Böötli und Berge» heisst, zeichne die UBS in ihrer neusten Werbekampagne eine Hochglanzwelt von «Business-Männern mit Sonnenbrillen und Yuppie-Böötli». Der Werbefilm wirke, als sei Sergio Ermotti «höchstpersönlich in die Schauspiel-Hosen» gestiegen. «Eine Bank wie die Schweiz» – aber eine ohne Migros-Kassiererin, Hauswart oder Krankenpflegende. «Also eine Schweiz ohne all die Steuerzahlenden, die schon einmal die UBS retteten und ihr auch das CS-Schnäppchen des Jahrhunderts ermöglichten.»

Die Glosse wurde Ende Oktober in Print und Online publiziert. Eine Woche nach der Publikation wurde der Artikel auf allen Websites der CH-Media-Titel gelöscht. Wie Recherchen ergaben, löste der Artikel in der Marketingabteilung der UBS negative Reaktionen aus. Es kam zu einem Telefongespräch zwischen der Marketingverantwortlichen der UBS und dem Chief Commercial Officer von CH Media.

Dieser rief daraufhin die Redaktionsleitung an, die den Artikel umgehend vom Netz nahm – oder wie es bei CH Media heisst: depublizierte. Offenbar wollte man einen wichtigen Werbeauftraggeber nicht unnötig verärgern. Die UBS soll einen mittleren sechsstelligen Betrag gebucht haben.

Die Entscheidung des Chefredaktors

Der Verlag bestätigt die Löschung des Artikels. CH Media dementiere jedoch den «Vorgang», heisst es in einer schriftlichen Stellungnahme. Im erwähnten Fall habe es weder seitens des Kunden noch von Seiten des Verlags «Druck» gegeben. «Es war die Entscheidung des Chefredaktors Patrik Müller, diese ‹Glosse›, die zuvor in Print publiziert worden war, nach einer Woche vom Netz zu nehmen». Über die Höhe des Werbevolumens machte der Verlag keine Angaben.

Fast identisch klingt es bei der UBS. Ein Sprecher der Grossbank schreibt, die Bank dementiere «ausdrücklich», dass es seitens der UBS Druck auf CH Media gegeben habe, den Artikel zu löschen.

Artikel werden von Redaktionen nie leichtfertig vom Netz genommen. Das geschieht in der Regel nur dann, wenn ein Artikel falsche Tatsachenbehauptungen aufstellt, ein Gericht die Löschung eines Artikels anordnet oder schwerwiegende rechtliche Konsequenzen drohen. Einen Artikel zu löschen, weil er einem Inserenten nicht passt, ist dagegen höchst ungewöhnlich und vor allem heikel, weil damit die Unabhängigkeit der Redaktion tangiert wird.

UBS hat das grösste Werbebudget

Dass es sich ausgerechnet um einen Artikel über die UBS handelt, ist umso heikler. Durch die Fusion mit der Credit Suisse wird die Bank in der Schweiz zum Elefanten. In verschiedenen Bereichen des Retail- und Firmenkundengeschäfts verfügt die Bank über sehr hohe Marktanteile. Der Wettbewerbskommission sind zwar die Hände gebunden, aber sie hat vor kurzem ihre Untersuchungen zur Marktbeherrschung der Finma zur Beurteilung übergeben.

Die Übernahme der CS hat auch dazu geführt, dass die UBS künftig über das mit Abstand grösste Werbebudget aller Schweizer Banken verfügen dürfte. Da wäre es schlecht, wenn auch nur der Verdacht aufkommt, dass sie ihre Macht als Druckmittel gegen kritische Berichterstattung einsetzen könnte.

Anfang November kündigte CH Media den Abbau von 150 Stellen an, davon rund 90 Entlassungen. Das Unternehmen begründete die Massenentlassung mit sinkenden Werbeeinnahmen. Im zweiten Halbjahr habe sich der Einbruch noch verstärkt, teilte CH Media mit. Eine Erholung des Werbemarktes sei kurzfristig nicht zu erwarten.

*Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

PS: In der Mediendatenbank SMD ist die Glosse übrigens immer noch abrufbar. Banker halt …

 

 

1. August ohne Feuerwerk

Das gilt auch fürs Mediale.

Nehmen wir als Beispiel das Mittelmass. Also CH Media. Das Wanner-Imperium profitiert normalerweise davon, dass es zwar nicht so intellektuell ist wie die NZZ, dafür aber auch nicht so gender-kreischig wie Tamedia. Das erspart es CH Media häufig, in die ganz grossen Fettnäpfchen zu treten.

In die kleinen schon gelegentlich, wenn es sich auf Art des Hauses an der Hatz auf den ehemaligen Chefredaktor des «Magazin» beteiligt, dafür den Big Boss von Tamedia anrempelt – und zerknirscht eine öffentliche Entschuldigung vor den gelöschten Artikel stellen muss.

Idealtypisch wird Mass und Mitte vom Überchefredaktor Patrik Müller verkörpert. Kein Zufall, dass er inzwischen der einzige Überlebende des Triumvirats Christian Dorer, Arthur Rutishauser und eben Müller ist. Dorer wurde in ein «Nie mehr»-Sabbatical geschickt, Rutishauser wurde als Bauernopfer auf den Rang eines SoZ-Chefredaktors zurückgestuft.

Müller hingegen leitet, zeigt sich im «Sonntalk» und absolviert überhaupt einen Marathonlauf. Und schreibt den obligaten Kommentar zum 1. August.

Der fängt harmlos an: «Die Neutralität ist genial – aber sie braucht dringend einen neuen Anstrich.» Es gab da allerdings schon mal so einen Anstreicher, aber gut, Bilder sind so eine Sache. Dann wird Müller geschickt persönlich, Familienferien im Norden, Zwischenstopp in Brüssel, der zehnjährige Sohn tippt als Wunsch für Europa ein: «Neutral sein wie die Schweiz

Wunderbar, Leser abgeholt, sich als Familienvater gezeigt, schon Sohnemann beweist mit zehn Jahren politisches Bewusstsein. Bis hierhin wäre es einfach ein 08/15-Kommentar. Aber leider muss Müller dann Gas geben.

Neutralität sei identitätsstiftend, «solange daraus nicht Selbstgefälligkeit und die Neutralität nicht zum Götzen wird». Ohä, und wie könnte sie dazu denaturieren? Na klar, Ukrainekrieg: «Eigentlich war klar, dass es bei einem solch krassen Verstoss gegen das Völkerrecht keine neutrale Haltung geben konnte

Zuvor vergleicht Müller die Invasion der Ukraine mit dem Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen. Ohne sich bewusst zu sein, dass die Schweiz damals auch neutral war – und blieb. Aber mit historischen Vergleichen ist es halt so eine Sache, wenn Leichtmatrosen unterwegs sind.

Die aber mit starken Worten nicht sparen: «Es scheint, als wirke die Neutralität wie ein politisches Narkotikum, auch mehr als ein Jahr danach: Das Aufspüren russischer Oligarchengelder gehen unsere Behörden im Halbschlaf an. Da erstaunt es nicht, dass aus den USA Vorwürfe auf die Schweiz einprasseln, sie finanziere Putins Krieg.»

Dann legt sich Müller wieder in die Kurve, das sein «grösstenteils pure Polemik». Aber eben, bei den nachrichtenlosen Konti sei anfänglich auch unterschätzt worden, welche Bedeutung Kritik aus den USA habe – «was den Ruf der Schweiz beschädigte und den Anfang vom Ende des Bankgeheimnisses markierte».

Richtig wäre allerdings, dass das der erste Anschlag auf die Schweizer Rechtssouveränität war, dem weitere folgten, bis sich der Bundesrat tatsächlich entschloss, US-Gesetze auch in der Schweiz gelten zu lassen. Was damals im Übrigen von ebendiesem Müller scharf kritisiert worden war. Aber seither sind einige 1.-August-Feiern ins Land gegangen.

Aber dieses Geholper soll nur auf die Zielgerade führen; die Bevölkerung sei schon viel weiter «als manche Ideologen in der Politik:Neutralität als Mittel zum Zweck statt als Selbstzweck. Entwickeln wir sie nicht weiter, so wie das seit ihrer Begründung 1815 wiederholt geschah, verliert sie ihre Genialität – und wird zum falschen Zauber.»

Das ist wieder einmal ein Gedankenflug, dem nur schwer zu folgen ist. Neutralität war noch nie Selbstzweck, was sollte das auch sein? Sie solle weiterentwickelt werden? Wieso nicht, kann man darüber diskutieren. Aber einleitend meinte Müller ja, dass es bezüglich des Ukrainekrieg keine Neutralität geben könnte. Hätte die Schweiz auch 1939 diesem Prinzip nachgelebt, wären aber wohl Diskussionen über Neutralität überflüssig; wozu auch in einem durch den Krieg zerstörten Land.

Werde sie nicht weiterentwickelt, offenbar in Richtung partieller Aufgabe, verlöre sie «ihre Genialität», werde gar «zum falschen Zauber». Genial an der Neutralität war und ist allerdings, dass sie beinhaltet, dass sich die Schweiz mit nichts und niemandem gemein macht. Weder mit der guten Sache, noch mit der schlechten. Wenn die gute Sache aber behauptet, wer nicht mit ihr sei, unterstütze die schlechte, dann muss man das aushalten und als machtpolitischen Egoismus durchschauen.

Statt schon wieder auf den falschen Zauber der USA hereinzufallen. Die haben tatsächlich das Schweizer Bankgeheimnis geknackt. Und sind seither noch unbestrittener der sichere Hort für Schwarzgeld, für kriminelle Gelder, betreiben die grössten Geldwaschmaschinen der Welt, in denen Milliarden Drogengelder blütenweiss werden – und pfeifen auf jede Teilnahme an Informationsaustauschsystemen wie den AIA. Im Gegenteil, mit ihrer Datenkrake FATCA zwingen sie alle Finanzhäuser der Welt, mittels der Weltmacht Dollar, alle Informationen herauszurücken, auf die die USA lustig sind. Umgeht gilt allerdings nicht.

Das ist falscher Zauber, nicht das Festhalten an der Schweizer Neutralität. Vielleicht sollte sich Müller doch leichtere Themen für seinen 1.-August-Kommentar aussuchen.

 

Ein Klaps für CH Media

ZACKBUM ist gerecht und kritisiert alle.

Durch das Fehlen eines Leitmediums gerät CH Media immer wieder etwas aus dem laserscharfen Fokus von ZACKBUM. Hoppla, das war ja ein Bild, das die CS verwendete, als sie noch plapperte. Aber item, wie schlägt sich denn der Konzern der Träger von weissen Socken und Lederkrawatten, also der Aargauer, in der CS-Krise? Es geht.

Oberchefredaktor Patrik Müller (der letzte Überlebende des einstigen Triumvirats Dorer, Rutishauser, Müller) kommentiert sehr originell: «Bankenbeben. Zu dieser Katastrophe hätte es nie kommen dürfen.» Kam es aber, was sagst du nun. Seine Wirtschaftschefin Florence Vuichard ergänzt mit dem nächsten Stehsatz-Titel: «Erst scheitern, dann kassieren: Auf das CS-Ende folgt die Boni-Malaise».

Es folgen im «Tagblatt» die «Wandertipps», dann «Essen & Trinken», denn das muss ja auch sein.

Weiter oben berichtet das CH Media-Imperium über die «Rolle der Saudis im CS-Drama». Das hört sich nach einer guten Idee an, bis man liest, dass sie von «watson» stammt. Die Berichterstattung des Listicals-, Katzenvideos- und Blödel-Blatts sieht insgesamt so aus:

Wenn Philipp Löpfe einen Ratschlag gibt, ist man gut beraten, genau das Gegenteil zu tun. «40’000 Jobs auf der Kippe: Panische CS-Banker fluten Personalvermittler», so lautet eine weitere Schlagzeile. Die halten sich offenbar nicht an den Ratschlag von Löpfe. Um auf diese Horror-Zahl zu kommen, zählt «watson» einfach die Stellen der UBS und der CS in der Schweiz zusammen – und rundet schwer auf. Befindet sich also mal wieder im weiteren Streubereich der Wahrheit. Oder eigentlich ausserhalb.

Aber was weiss denn die Praktikantin Lea Oetiker über die Scheichs? Nun, all das, was sie aus meist englischen Quellen brav abschreibt. Dass die Scheichs im Allgemeinen zu den Grossaktionären der CS gehörten, dass die Saudi National Bank bei der letzten Kapitalerhöhung der CS zuschlug und mit knapp 10 Prozent der grösste Aktionär wurde. Und dass deren Präsident den berühmten Ausspruch auf die Frage tätigte, ob er weiter Liquidität einschiessen würde: «Absolut nicht, und zwar aus vielen Gründen, abgesehen vom einfachsten Grund, der regulatorischer und gesetzlicher Natur ist.»

Soweit, so bekannt und gähn. Das nennt man im Journalismus Rehash; man hackt Bekanntes, mixt es neu zusammen und serviert es dem Leser als Aufgewärmtes.

Interessant wäre allerdings gewesen, zu erfahren, warum der Bankenpräsident das sagte. Denn anscheinend machte die gleiche Saudi-Bank in letzter Minute ein 5-Milliarden-Angebot, um die CS zu retten. Das wurde angeblich abgelehnt, weil die Saudis die gleichen Garantien forderten, die die UBS dann bekam.

Spinnt also der Scheich? Keineswegs, denn sein Hinweis auf regulatorische Bestimmungen war natürlich völlig richtig. Beim Überschreiten bestimmter Grenzen sind in der Schweiz bürokratische Formalien zu erledigen, es gibt sogenannte Aktienschwellen, deren Überschreiten Meldepflichten nach sich ziehen. Davon gibt es jede Menge: bei mehr als 3, 5, 10, 15, 20, 25, 33⅓, 50 oder 66⅔ Prozent der Aktien.

Offensichtlich wollte die saudische Bank die Schwelle von 10 Prozent nicht überschreiten, aus welchen Gründen auch immer. Und genauso offensichtlich war sich der Bankpräsident nicht bewusst, in welch wackliger Verfassung sich die Bank bei seiner Aussage befand. Er hatte den Behauptungen der Bank und der Schweizer Behörden vertraut – ein schwerer Fehler heutzutage.

Also hört die Story von «watson», gleich von den anderen Medien von CH Media übernommen, dort auf, wo es eigentlich interessant werden würde. Irgendwie typisch.