Wenn sich die UBS räuspert, …
… dann verschluckt sich CH Media.
Der CH-Media-Wirtschaftsjournalist Benjamin Weinmann wagte eine Glosse über die neue Werbekampagne der UBS «Eine Bank wie die Schweiz». Das hätte er besser bleiben lassen. Warum, das erklärt Beat Schmid vom Tippinpoint.
Sich über Werbung lustig zu machen, ist immer heikel. Schliesslich sind es die Werbeauftraggeber, die für einen beträchtlichen Teil der Kosten einer Redaktion aufkommen. Ein langjähriger Wirtschaftsjournalist der Zentralredaktion von CH Media («Aargauer Zeitung», «Luzerner Zeitung», «Watson» etc.) hat es trotzdem gewagt, sich in einer Glosse über die neuste, von einer Berliner Agentur konzipierte Werbekampagne lustig zu machen.
Wie es in der Glosse «Bonzen, Böötli und Berge» heisst, zeichne die UBS in ihrer neusten Werbekampagne eine Hochglanzwelt von «Business-Männern mit Sonnenbrillen und Yuppie-Böötli». Der Werbefilm wirke, als sei Sergio Ermotti «höchstpersönlich in die Schauspiel-Hosen» gestiegen. «Eine Bank wie die Schweiz» – aber eine ohne Migros-Kassiererin, Hauswart oder Krankenpflegende. «Also eine Schweiz ohne all die Steuerzahlenden, die schon einmal die UBS retteten und ihr auch das CS-Schnäppchen des Jahrhunderts ermöglichten.»
Die Glosse wurde Ende Oktober in Print und Online publiziert. Eine Woche nach der Publikation wurde der Artikel auf allen Websites der CH-Media-Titel gelöscht. Wie Recherchen ergaben, löste der Artikel in der Marketingabteilung der UBS negative Reaktionen aus. Es kam zu einem Telefongespräch zwischen der Marketingverantwortlichen der UBS und dem Chief Commercial Officer von CH Media.
Dieser rief daraufhin die Redaktionsleitung an, die den Artikel umgehend vom Netz nahm – oder wie es bei CH Media heisst: depublizierte. Offenbar wollte man einen wichtigen Werbeauftraggeber nicht unnötig verärgern. Die UBS soll einen mittleren sechsstelligen Betrag gebucht haben.
Die Entscheidung des Chefredaktors
Der Verlag bestätigt die Löschung des Artikels. CH Media dementiere jedoch den «Vorgang», heisst es in einer schriftlichen Stellungnahme. Im erwähnten Fall habe es weder seitens des Kunden noch von Seiten des Verlags «Druck» gegeben. «Es war die Entscheidung des Chefredaktors Patrik Müller, diese ‹Glosse›, die zuvor in Print publiziert worden war, nach einer Woche vom Netz zu nehmen». Über die Höhe des Werbevolumens machte der Verlag keine Angaben.
Fast identisch klingt es bei der UBS. Ein Sprecher der Grossbank schreibt, die Bank dementiere «ausdrücklich», dass es seitens der UBS Druck auf CH Media gegeben habe, den Artikel zu löschen.
Artikel werden von Redaktionen nie leichtfertig vom Netz genommen. Das geschieht in der Regel nur dann, wenn ein Artikel falsche Tatsachenbehauptungen aufstellt, ein Gericht die Löschung eines Artikels anordnet oder schwerwiegende rechtliche Konsequenzen drohen. Einen Artikel zu löschen, weil er einem Inserenten nicht passt, ist dagegen höchst ungewöhnlich und vor allem heikel, weil damit die Unabhängigkeit der Redaktion tangiert wird.
UBS hat das grösste Werbebudget
Dass es sich ausgerechnet um einen Artikel über die UBS handelt, ist umso heikler. Durch die Fusion mit der Credit Suisse wird die Bank in der Schweiz zum Elefanten. In verschiedenen Bereichen des Retail- und Firmenkundengeschäfts verfügt die Bank über sehr hohe Marktanteile. Der Wettbewerbskommission sind zwar die Hände gebunden, aber sie hat vor kurzem ihre Untersuchungen zur Marktbeherrschung der Finma zur Beurteilung übergeben.
Die Übernahme der CS hat auch dazu geführt, dass die UBS künftig über das mit Abstand grösste Werbebudget aller Schweizer Banken verfügen dürfte. Da wäre es schlecht, wenn auch nur der Verdacht aufkommt, dass sie ihre Macht als Druckmittel gegen kritische Berichterstattung einsetzen könnte.
Anfang November kündigte CH Media den Abbau von 150 Stellen an, davon rund 90 Entlassungen. Das Unternehmen begründete die Massenentlassung mit sinkenden Werbeeinnahmen. Im zweiten Halbjahr habe sich der Einbruch noch verstärkt, teilte CH Media mit. Eine Erholung des Werbemarktes sei kurzfristig nicht zu erwarten.
*Mit freundlicher Genehmigung des Autors.
PS: In der Mediendatenbank SMD ist die Glosse übrigens immer noch abrufbar. Banker halt …
Das ist doch leider in jeder Redaktion so. Hier eine Bank, dort ein Berater oder eine Privatklinik, die kritische Artikel verhindert oder unter Androhung von Anzeigengeldern zurückpfeift. Die Unabhängigkeit ist längst dahin.
Ausnahmsweise als anonymer Kommentar mit absurder E-Mail-Adresse akzeptiert. ZACKBUM weist wieder einmal darauf hin, dass Pseudonyme bei dem veröffentlichten Namen zugelassen sind; korrekte und echte E-Mail-Adressen sind hingegen Pflicht und auch Ausdruck des Anstands gegenüber Plattformbetreiber und Mitkommentatoren.
Zudem macht ZACKBUM nochmals darauf aufmerksam, dass unflätige anonyme Kommentare (die glücklicherweise sehr selten geworden sind) kommentarlos gelöscht werden. Im Ernstfall lassen sich solche Amoks aber meistens problemlos über ihre IP-Adresse aufspüren …
Dass Migros-Kassiererin, Hauswart oder Krankenpflegende in der UBS-Schweiz fehlen mag bedauerlich sein. Aber ganz sicher sind diese nicht repräsentativ für «all die Steuerzahlenden, die schon einmal die UBS retteten und ihr auch das CS-Schnäppchen des Jahrhunderts ermöglichten.» Hier sollte amn sich mal über die Herkunft der Bundeseinnahmen realistische Vorstellungen bilden; insbesondere auch darüber, wer netto finanziert und nicht bloss brutto ein unbedeutendes Scherflein beiträgt, gleichzeitig jedoch viel mehr kassiert.
Warum hat wohl der harmoniesüchtige Patrik Müller die Glosse nach einer Woche gecancelt? Hat er sie nach einer Woche erst gelesen, war es der Übervater Wanner der zum Schlosstelefon gegriffen hat oder war es doch ein Anruf vom Paradeplatz? An der Qualität der Glosse kann es nicht gelegen haben, CH Media produziert täglich Schrott der immer zu lesen ist, also kann es nur Druck gewesen sein. Müller hat artig den Bückling gemacht. Hauptleibesübung von Chefredaktoren, Chefredaktorinnen.
Money talks!
Selbst das kritische Portal „Inside Paradeplatz“ ist nicht gefeit vor Interventionen. Der vor zwei Tagen publizierte Artikel unter dem Titel „ Migros Bank: Rote Köpfe nach E-Banking-Umstellung“ wurde im laufe des Tages völlig verstümmelt neu geschrieben, nachdem offenbar die Geschäftsleitung der Bank interveniert hatte. Kritische, plausibel tönende Kommentare wurden dazu entfernt. Tatsache bleibt, dass die Migrosbank ihren Kundenkontakt völlig vernachlässigt hat. Die Bewertung der Migrosbank auf dem Konsumentenportal „Trustpilot“ hat seine Aussagekraft, die klar den Unmut ausdrückt.
https://de.trustpilot.com/review/migrosbank.ch
Habe selber keinen Account bei dieser Bank. Etliche vertrauenswürdige Bekannte von mir, haben mir ihre Sorgen über die seit vielen Jahren kundenfeindliche Attitude dieser Bank, im Detail geschildert. Machen sie den Lackmustest selber. Öffnen sie die Website dieser Bank und finden sie innert einer Minute eine funktionierende Support-Telefonnummer? Unmöglich. Will diese Bank ihre Kunden eigentlich abwimmeln? Das e-banking der Migrosbank seit vielen Jahren eine Baustelle mit seinen improvisiert wirkenden Versatzstücken. Nach wenigen Jahren wird der ganze Zugriff wieder völlig neu umgekrempelt. Passiert so, seit vielleicht 30 Jahren.
Ob UBS oder Migrosbank: Diese Pressionen gilt es scharf zu verurteilen.
Wie immer, Frau Sager, alles korrekt und durchdacht!
Aber: Die Migros Bank ist noch die einzige Sparte der Migros, die Profit macht. Wie lange noch?
Die Migros Genossenschaft macht Angst!
Auf der Front des Portals der Migrosbank eine vorbildlich tönende Betriebsphilosophie:
„Die menschliche Bank. Gottlieb Duttweiler gründete 1958 die Migros Bank mit einer klaren Absicht: Es sollte eine Bank entstehen, die in erster Linie den Menschen ins Zentrum stellt und nicht allein das Verwalten und Vermehren von Geld.“
Fand nach langer Zeit eine Telefonnummer unter der Sparte „Konto saldieren“:
Feedback ist uns sehr wichtig. Gerne möchten wir eventuelle Unstimmigkeiten mit Ihnen besprechen. Bitte zögern Sie nicht, uns anzurufen. Wir stehen Ihnen zur Verfügung und sind für Sie da. Phone: 0848 845 400
Die Migrosbank hat momentan 66 offene Stellen, gemäss Portal. Diese Adresse scheint offenbar nicht bei allen Bankangestellten auf Jobsuche, Anklang zu finden.
Darf nicht mehr geschrieben werden, dass der CEO dieser Bank überfordert zu sein scheint? Beispielsweise dieser Leserkommentar wurde auf Inside Paradeplatz im Laufe des Tages entfernt.
Auch die Wayback-Maschine von web.archive.org kann Originalartikel nicht mehr finden. Schade.