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Betteln will gelernt sein

Jeder Profi auf diesem Gebiet weiss: Es kommt auf die richtige Masche an.

Sozusagen die unterste Stufe ist der Drögeler oder Randständige, der genervte Mitbürger an Haltestellen mit dem ewig gleichen Spruch abklappert: «Häsch mer echli Münz?»

Das ersetzt zunehmend das früher gebräuchliche «häsch mer en Stutz?» Aufgegeben wurden die nachgeschobenen Begründungen; «brauche was zu essen», «muss ein Billett kaufen».

Profi-Bettler, meistens aus dem Osten, haben noch weitere Gags auf Lager. Sie zeigen Amputationsstümpfe, andere Behinderungen, oder sitzen einfach wie ein Häuflein Elend am Boden und verfolgen jeden, der so fahrlässig ist, mit ihnen Blickkontakt aufzunehmen.

Steigerung: Bettelei für eine gute Sache

Eine ganz andere Dimension hat die Bettelei für eine gute Sache. Hier wird es auch nicht mehr betteln genannt, sondern spenden. Für die üblichen Hilfsbedürftigen. Hungernde Kinder, kriegsversehrte Erwachsene, Flüchtlinge, Vertriebene, Kranke. Hier ist die Anmache eher dezent, es wird teilweise auch was geboten; unvergesslich die kleinen Konzerte der Heilsarmee bei der Topfkollekte.

Während hier aber die eigentlichen Adressaten der Spenden eher weit weg und anonym sind, gibt es natürlich noch die direkte Bettelei für einen konkreten guten Zweck. Herausragend hier die Leistung der «Republik». Ihr ist es in relativ kurzer Zeit gelungen, ihre Sympathisanten an ein lustiges Geschäftsmodell zu gewöhnen.

Nach dem Betteln ist vor dem Betteln: Geschäftsprinzip der «Republik»

Das lautet: Wir sind überwältigt von so viel bezahltem Zuspruch. Das reicht nun aber sicher die nächsten Jahre. Unterbrochen durch: Ups, wir brauchen dringend doch noch ein paar Mio., wir haben mal nachgerechnet. Aber jetzt reicht’s dann ganz sicher, vielen Dank. Und das in der Wiederholungsschleife, wobei natürlich die Drohungen etwas schriller werden müssen; das letzte Mal war’s schon die Entleibung, falls nicht genug rumkommt.

Aber sozusagen die Champions League ist natürlich das Buhlen um Subventionen. Unschlagbar sind da die schlauen Bauern. Die müssen nicht mal gross was unternehmen, die Subventionen fliessen eigentlich von selbst, und wenn es mal etwas Gebrüll gibt, zum Beispiel über die Belastung des Grundwassers durch überflüssiges Güllen, das kriegen die Lobbyisten auch wieder weg.

Grosses Gedrängel vor den Geldtöpfen des Staates

Nun ist aber Corona-Time, und da will so ziemlich jeder an die Geldtöpfe des Staats. Deshalb herrscht entsprechendes Gedränge und Gekeile. Welle eins, Welle zwei, staatlich verschuldete Lockdowns, Schadenersatz, Überlebenskredit, Hilfe.

Da haben die Medien ein Argument gefunden, das fast so gut ist wie der treuherzige Blick eines Bauern. Sie sind ja nicht einfach Privatkonzerne, die in den vergangenen Jahrzehnten sich dumm und feiss verdient haben. Sie reagieren nicht nur schon seit Langem mit grossem Geschrei auf Ausweitungsversuche von SRF in den News-Markt im Internet. Das sei ihre Domäne, Finger weg, unfair.

Wieso, kontert das die neue TV-Direktorin cool, wir haben einen Informations- und Bildungsauftrag, auch für die Jungen, und wenn die ihre Informationen meistens aus dem Netz holen, dann müssen wir da präsent sein.

Die Medien haben ein unschlagbares Argument

Aber diese Schlacht ist vertagt, denn die grossen Konzerne konzentrieren sich auf ein anderes Bettel-Argument: Uns steht nicht nur das Wasser am Hals, wir sind nicht nur in unserer Existenz gefährdet, wir sind auch die Vierte Gewalt im Staate, wir sind auch service publique, wir sind unverzichtbar in einer offenen Gesellschaft und modernen Demokratie. Wir kontrollieren, decken auf, informieren, fordern, analysieren. Ohne uns, schwer vorstellbar, ohne uns gerät höchstwahrscheinlich die Schweiz aus den Fugen.

Da die Medienkonzerne glücklicherweise auch über genügend grosse Trommeln verfügen, auf die sie hauen können, um diese Argumente so laut wie möglich zu verkünden, werden sie natürlich in Bern gehört.

Welcher Politiker möchte es sich schon ohne Not mit Ringier, Tamedia, CH Media oder der NZZ verderben? Zumal die doch weitgehend brav und obrigkeitshörig als Regierungslautsprecher alle Entscheidungen, Wendungen, alles Versagen brav bejubelt, schöngeschwätzt, staatstragend begleitet haben.

Die gefürchteten Entzugserscheinungen drohten

Nun wären die Staatshilfen bereits Ende November ausgelaufen, und wenn man sich mal an einen schönen Geldtropf gewöhnt hat, dann fürchtet man die Entzugserscheinungen wie ein Drogensüchtiger. Also wurde antichambriert, lobbyiert, gejammert und geklagt, auf die eigene Unverzichtbarkeit hingewiesen.

Mit Erfolg. Da der Bundesrat, mit Ausnahme des Finanzministers, sowieso schon seit dem ersten Lockdown nach der Devise verfährt: raus mit der Kohle, wo die herkommt hat’s noch mehr, hat er sich freundlicherweise entschlossen, weitere 20 Mio. für die Medien locker zu machen.

Natürlich, wir sind hier in der Schweiz, wird das Geld nicht mit der Giesskanne verteilt. Der Steuerzahler übernimmt weiterhin die Zustellungskosten der Print-Produkte, und um denen auch inhaltlich das Leben leichter zu machen, dürfen sie weiterhin gratis bei der Keystone-SDA Material beziehen, das sie dann ihren Lesern mehr oder minder als Eigenleistung servieren.

Die Besitzerfamilien werden geschont

Wunderbar; da müssen die Besitzerfamilien der drei grossen Konzerne nicht in den eigenen Sack greifen, sondern können sich weiter ihren Hobbys widmen. Kunst, Autos, Golf.

Wundersam ist allerdings die Begründung des Bundesrats für die Fortsetzung der milden Gaben. Durch die Corona-Krise sei «die strukturelle Krise der Medien» noch verstärkt worden. Das stimmt. Aber ansonsten hat der Bundesrat immer klar verkündet, dass seine Hilfen nicht dafür gedacht sind, Strukturerhaltung zu betreiben. Was als Geschäftsmodell obsolet geworden ist, es vorher schon war, muss weg.

Subventionierte Dampflok gegen Elektrolok

Nun haben es die meisten Medienkonzerne seit Jahren nicht geschafft, das komatöse Geschäftsmodell – Print, bezahlt durch Werbung und Abo – profitabel ins Internet zu verlegen. Ein klassischer Fall eines Strukturwandels. Die Dampflok kommt ins Museum, die Elektrolok fährt schneller, effizienter, umweltfreundlicher.

Aber die Dampflok kann zu ihrem Tort nicht «vierte Gewalt, service publique» sagen. Die Lautsprecher der Medienkonzerne schon. Und wenn etwas sicher ist auf dieser Welt: neue Steuern werden nie mehr abgeschafft. Neue Subventionen nach fast zwei Jahren auch nicht.

Die deutsche Schaumweinsteuer

Als schlagendes Beispiel dient die deutsche Sektsteuer. Kein Witz, diese Schaumweinsteuer wurde 1902 eingeführt. Sie sollte bei der Finanzierung der «kaiserlichen Kriegsflotte» helfen. Nun ist schon seit mehr als hundert Jahren nichts mehr kaiserlich in Deutschland. Und vom Traum, die Weltmeere zu beherrschen, wurde auch Abstand genommen.

40 Jahre lang existierte die Schaumweinsteuer wenigstens im sozialistischen Teil Deutschlands nicht mehr. Inzwischen aber wieder, in ganz Deutschland. Bis heute. Wetten, dass es mit den Mediensubventionen ein ähnliches Schicksal nehmen wird?

Die ungepflegte Langeweile

Was machen die Medien, wenn es nichts zu berichten gibt? Hektisch berichten.

Man muss dem unglaublichen Schlamassel in den USA für eines dankbar sein: Es hat temporär den Einheitschor «Corona, Corona, Corona» aufgebrochen. Allerdings wird der nicht durch Besseres ersetzt.

Auf Amerikanisch nennt man das einen klassischen Stand-off. Einen toten Punkt, ein Unentschieden, einen Stillstand. Früher standen sich so zwei Revolverhelden gegenüber. Regungslos. Wer zuerst mit der Wimper zuckt, zieht als Zweiter und verliert.

Die gleiche Situation herrscht in den USA seit der Schliessung der Wahlurnen. Und das ist schon ein ganzes Weilchen her. Das stürzt die Medien in eine immer grössere Verzweiflung. Was kann man berichten, wenn es nichts zu berichten gibt? Man aber für teures Geld ganze Teams ausgesandt hat, die aus Verzweiflung damit beginnen, jeden zu interviewen, der nicht bei drei auf den Bäumen ist.

Trump sorgte mal wieder für Aufregung

Trump wusste, dass er kurzfristig für Aufregung sorgen kann, indem er sich vorzeitig zum Wahlsieger erklärt und fordert, dass man den Quatsch mit dem Stimmenauszählen nun lassen sollte; damit wolle man ihm bloss den sicheren Sieg entreissen.

Das löste dann eine Welle von Interviews mit Rechtsprofessoren aus, die je nach Position des Interviewers die Ankündigung Trumps, juristische Schritte zu unternehmen, als beispielslos, aussichtslos oder als Möglichkeit bezeichneten.

Einige Medien nahmen das zum Anlass, Trump genauso voreilig als schlechten Verlierer zu beschimpfen, der die Gerichte bemühen wolle, um ihnen die Entscheidung über demokratische Wahlen zu überlassen. Ungeheuerlich, unerhört, noch nie dagewesen.

Betrat aber kein Neuland

Etwas gewandtere Google-Rechercheure fanden immerhin heraus, dass Trump damit keineswegs Neuland betritt. Auch beim Duell zwischen Bush Jun. und Al Gore stoppte das Gericht schliesslich die Nachzählung der Nachzählung in Florida und erklärte Bush Jun. zum Sieger, obwohl höchstwahrscheinlich Gore gewonnen hätte, wäre die Nachzählung zu Ende geführt worden.

Aber Gore akzeptierte den Entscheid, was ihn nun möglicherweise von Trump unterscheidet. Das alles hilft aber den Berichterstattern auch nicht weiter. Sie können schliesslich nicht nichts sagen, auch wenn es nichts zum Sagen gibt. Als Pausenzeichen eignet sich vielleicht: «Es ist noch nicht entschieden», aber das ist leider so repetitiv wie «Klage eingereicht».

Der Chefredaktor klopft auf den Tisch

Was tun? Da klopft der Chefredaktor auf den Tisch und fordert: «Wir brauchen Sidelines, neue Perspektiven, andere Ansätze. Vorschläge?»

Allgemeines Geräusper, an die Decke starren, wichtig in den Laptop gucken. «Wir könnten mal wieder was machen, wieso sich die Prognostiker schon wieder verhauen haben.» Der Chefredaktor nickt matt: «Kein Brüller, aber machen.»

«Wir machen «die wichtigsten Fragen und Antworten», Service, Nutzwert.» Der Chefredaktor will nicken, aber es fällt ihm nur der Kopf auf die Brust. «Grauenvoll, aber machen», sagt er mit Grabesstimme.

«Wie wäre es mit einem Erklärstück, wieso doch immerhin fast die Hälfte der Amis Trump wiederwählen?» – «Und», giftet der Chefredaktor zurück, «was soll man da erklären, oberhalb von: weil sie hinterwäldlerische, rassistische Trottel sind?»

Wenn der Chefredaktor aufdreht

Inzwischen in Fahrt gekommen, poltert er weiter: «Und wenn ich nochmal die Headline sehe «Sieg in Griffweite», dann kriege ich einen Blutrausch. Das gilt übrigens auch für alle Titel, die beginnen mit «US-Experte erklärt», okay? Ach, und «Live-Ticker» für zu Tode wiederholte alte News, das schnallen wir uns auch ab. Das gilt übrigens auch für «So steht das Rennen aktuell». So, und bevor nun einer gewonnen hat, will ich auch keine x-te Wiederholung von Kommentaren sehen, wieso das ein fatales Signal sei, wieso das die US-Demokratie schädige, wieso Trump niemals Niederlagen eingestehen könne, und die ewigen Interviews mit Psychiatern, die sich an einer Ferndiagnose versuchen, hängen mir auch zum Hals raus.»

Der Chefredaktor hat geschlossen und sehnt sich nach einer Zigarette. Dürfte er sich eine anstecken, würde man das Knistern des Papiers hören, so totenstill ist es um ihn herum. Ein unterdrückter Rülsper schwebt durch den Raum, da hat mal wieder einer gestern zu tief ins Glas geschaut.

Schliesslich meldet sich notgedrungen der tagesverantwortliche Blattmacher: «Wenn das alles ein No-go ist, womit sollen wir dann bitte schön die morgige Ausgabe füllen? Und was stellen wir bis dorthin online?»

Es gibt doch noch so viele andere Themen

Der Chefredaktor bekommt seinen gefürchteten Blick; wenn man nicht alles selber macht … Er seufzt tief auf: «Ja Herrgottsack, es gibt doch noch so viele anderen Themen auf der Welt. Interviewt doch mal wieder Angehörige eines Corona-Toten. Oder einer einsamen Oma im Altersheim. Oder fragt den Fachmann, ob ein Mundschutz schädliche Auswirkungen auf Primarschüler hat.»

Inzwischen hat er seine Betriebstemperatur wieder erreicht: «Und wie ist es eigentlich beim Skifahren? Mit oder ohne? Beim Geschlechtsverkehr? Wie kann man sein Haustier schützen? Was darf man unter dem Weihnachtsbaum machen, und wie viele? Gibt es immer noch Maskenverweigerer? Ach, und Ihr Schnarchsäcke von der Bildredaktion: Fotogalerien. Welche Masken tragen Promis? Politiker? Unsere Cervelat-Prominenz? Wieso quatschen die SRF-Korrespondenten zum Teil mit Maske, zum Teil ohne? Gibt es da Regeln, Vorschriften, was sagt Wappler?»

Jetzt brauche ich dringend eine Zigarette, denkt der Chefredaktor und steht auf: «Helm auf. Nicht labern, sondern liefern. Ich will Lösungen, keine Probleme. Nächste Konferenz wie immer um 17 Uhr. Ich bin dann abwesend.»

Suizidberichterstattung: Wir müssen noch einiges lernen

Medienartikel können Menschen zum Suizid verleiten

Suizide kommen oft vor. Sehr oft. In der Schweiz sterben jeden Tag drei bis vier Menschen so, über 30 Menschen begehen einen Suizidversuch. So präsent das Thema ist, so wenig reden wir darüber – es ist ein «Tabuthema». Auch in die Medienberichterstattung finden nur wenige Fälle Einzug. Das ist auch gut so, aber nicht nur.

Stichwort Werther-Effekt: Es ist wissenschaftlich belegt, dass eine unvorteilhafte Berichterstattung über Suizide zur Nachahmung führen kann. Doch was bedeutet unvorteilhaft? Und wann soll und darf über Suizid berichtet werden?

Es sind Fragen, bei denen auf Redaktionen meist wenig Konsens und vor allem auch Unwissen herrscht. Woher soll dieses Wissen denn stammen, wenn das Thema Suizid in der Gesellschaft totgeschwiegen wird?

Jüngst haben diverse Medienberichte über Suizide diese Einschätzung bestätigt. Etwa, als ein Mittelsmann im CS-Skandal Suizid beging. Durchs Band nannten Zeitungen, Radio- und TV-Stationen die Suizidmethode. Ein Gratismedium griff sie sogar im Titel auf.

Nicht nur das: In kaum einem Bericht war eine Liste mit Hilfsangeboten für Suizidgefährdete oder Angehörige zu finden. Und auch über die Gründe des Suizids spekulierten die Medien wild.

Regeln der Prävention beachten

Eine solche Art von Berichterstattung ist fatal – aus mehreren Gründen, die sich unter anderem in einem Factsheet von Prävention und Gesundheitsförderung Kanton Zürich zur Suizidprävention finden.

Erstens: Menschen lernen am Modell. Sie eignen sich Verhaltensmuster grösstenteils mittels Nachahmung an. Wird in den Medien gross über Suizidmethoden und Suizidorte berichtet, wird quasi Werbung dafür gemacht. Suizidgefährdete Menschen sehen, dass gewisse Methoden besonders gut funktionieren. Wenn ein Mensch aus einem Affekt Suizid begehen will, was häufig der Fall ist, sind die Suizidmethoden und -orte zudem in den Köpfen präsent und deshalb leicht greifbar.

Zweitens: Menschen identifizieren sich mit anderen Menschen. Erkennt ein Mensch viele Parallelen zu der Person, die Suizid begangen hat, erhöht das die Gefahr, dass Suizid als Lösung für die eigene Situation betrachtet wird. Wenn also Medien über die Gründe eines Suizids spekulieren oder zu einfache Erklärungen darlegen, kann die Identifikation mit der verstorbenen Person und ihren Motiven leicht erfolgen. Umso wichtiger ist eine zurückhaltende Berichterstattung bei Prominenten, die Vorbildcharakter haben und als Identifikationsfigur gelten.

Drittens: Über Suizid muss sachlich geschrieben werden, eine Idealisierung und Romantisierung birgt die Gefahr von Nachahmungen. Deshalb haben auch wertende Synonyme wie Selbstmord oder Freitod in Artikeln über Suizide nichts zu suchen.

Viertens: Suizide dürfen nicht als Lösung für Krisen und schwierige Lebenslagen dargestellt werden. Umso wichtiger ist es, dass in Medien Alternativlösungen und Hilfsangebote aufgezeigt werden. In den meisten Fällen kann Suizid allein schon durch Reden (mit Fachpersonen) verhindert werden.

Über Suizid zu berichten, bedarf einer grossen Vorsicht und ist mit Verantwortung verbunden. Das bedeutet nicht, dass man es lieber lassen soll, um nichts falsch zu machen. Im Gegenteil, wie Martina Blaser, Koordinatorin Suizidprävention des Kanton Zürich, sagt: «Eine wohlüberlegte Berichterstattung kann zu einer Reduktion von Suiziden führen – der sogenannte Papageno-Effekt.» Das Phänomen, dass beispielsweise Geschichten von Menschen, die sich in suizidalen Krisen befunden haben, sich aber Hilfe gesucht und dadurch die Krise bewältigt haben, protektiv wirken können.

Enttabuisierung hilft

Um Suizide zu verhindern, sei die Sensibilisierung von Medienschaffenden darum eine wichtige Massnahme der Suizidprävention. «Zudem trägt eine verstärkte, gut gemachte Berichterstattung zur Enttabuisierung und Entstigmatisierung von Suizidalität bei», sagt Blaser.

Zum Thema Enttabuisierung eignen sich zum Beispiel Berichte über verhinderte Suizide, über Menschen, die Suizidversuch überlebt haben und froh sind, über Menschen, die zwar Suizidgedanken haben, aber Strategien gefunden haben.

Positiv hervorzuheben ist hier etwa die erst kürzlich veröffentliche Suizid-Serie von «20 Minuten». Wermutstropfen gabs aber auch hier: Trotz der intensiven Beschäftigung mit dem Thema und dem Beiziehen eines Expertens ist in jedem Bericht die Suizidmethode und/oder der Suizidort genannt, in der Faktenbox wird die Häufigkeit von Suizidmethoden genannt und die verstorbenen Menschen werden detailliert beschrieben und erhalten durch ein Bild im Bericht ein Gesicht.

Es mag als «Nörgeln auf hohem Niveau» abgetan werden. Trotzdem: Je sensibilisierter Medien über Suizide berichten, desto mehr tragen sie zur Verbesserung der Situation bei – und können im besten Fall gar ein Leben retten.

Von Jennifer Furer,  freie Autorin ZACKBUM.ch