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Notrecht – und keiner schaut hin

Ukraine, Putin, russische Zensur. Und Notrecht in der Schweiz. Hä?

Kennen Sie das «Bundesgesetz für wirtschaftliche Landesversorgung»? Nein? Dieses Notrecht ist seit dem 23. September in Kraft. Kein Gerücht, denn das wäre strafbar.

Medienecho: nahe null.

In der Schweiz wird wieder einmal Notrecht angewendet. Das letzte Mal wurde damit die UBS im Steuerstreit mit den USA gerettet. Denn nur so war es möglich, am geltenden Bankgeheimnis vorbei Kundendaten an die grösste Wirtschafts- und Militärmacht der Welt auszuliefern, ohne dass sich die verantwortlichen Bankführer strafbar machten. Inzwischen ist das Bankkundengeheimnis geschleift, nur noch ein Papiertiger. Ohne dass das einer Volksabstimmung unterstellt worden wäre.

Tempi passati. Aktuell ist zwar der Zustand der Credit Suisse besorgniserregend, aber eigentlich hat die Schweiz andere Probleme. Versorgungsprobleme. Dafür, bzw. dagegen gibt es das «Bundesgesetz über die wirtschaftliche Landesversorgung». Ein harmloser Name, und auch die Zweckbestimmung kommt ganz freundlich daher:

«Dieses Gesetz regelt Massnahmen zur Sicherstellung der Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selber zu begegnen vermag.»

Also wie gemacht für die aktuelle Situation. Am 26. September vermeldete die NZZ, und nur sie: «Ohne dass es jemand bemerkt hat: Der Bundesrat hat eine drohende Strommangellage ausgerufen».

Das mag ja nun ein bürokratischer Akt gewesen sein, der halt nur den aufmerksamen Bundeshaus-Redaktoren der alten Tante auffiel. Allerdings heisst es dann am Anfang des Artikels: «Seit Freitag gilt verstecktes Notrecht, zum Beispiel ein Verbot, Gerüchte zu verbreiten. Ein Staatsrechtsprofessor bezeichnet das Vorgehen des Bundesrates als gesetzeswidrig.»

Hoppla. Was stört den Juristen? «Aus Sicht des Zürcher Staatsrechtsprofessors Giovanni Biaggini ist der Entscheid des Bundesrats allerdings äusserst heikel: «Entweder es liegt derzeit tatsächlich eine unmittelbar drohende schwere Mangellage vor. Oder der Beschluss ist gesetzwidrig.»

Gut, das mag nun eine typische Feinheit für einen Strafrechtsprofessor sein, das muss uns doch nicht wirklich beunruhigen. Das hier aber schon. Wir zitieren aus Kapitel 7: «Strafbestimmungen». Da heisst es zum Beispiel in Artikel 54:

«Wer in Zeiten einer unmittelbar drohenden oder bereits bestehenden schweren Mangellage vorsätzlich und in der Absicht, sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, unwahre oder entstellende Behauptungen über geltende oder bevorstehende Massnahmen auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Landesversorgung äussert oder verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.»

Auf Deutsch: Das Verbreiten von Gerüchten wird bestraft. Wobei wer entscheidet, was eine freie Meinungsäusserung (erlaubt), was ein Gerücht (strafbewehrt) ist?

Auch Artikel 49 «Widerhandlungen gegen Massnahmen» oder 50 «Verletzung der Auskunftspflicht» haben es in sich. Widerhandlungen können «mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Geldstrafen» geahndet werden. Zum Beispiel: wer «trotz Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels eine Verfügung nicht befolgt, die sich auf dieses Gesetz oder darauf beruhende Ausführungsbestimmungen stützt».

Das heisst auf Deutsch: Sollte der Bundesrat tatsächlich verfügen, dass die Raumtemperatur nicht über 17 Grad geheizt werden darf, Saunen oder Heizstrahler ausser Betrieb zu nehmen sind, und jemand käme auf die Idee, das vorsätzlich zu ignorieren, kann er im Knast landen. Ob auch schon ein Vollbad dafür reicht, müsste im Einzelfall geprüft werden.

Man mag sich nun fragen, wie denn kontrolliert wird, ob ein «Heiz-Sünder» («Blick») sich nicht den Hintern anfrieren will, sondern wohlige 23 Grad im Wohnzimmer befürwortet. Da käme dann eine der ältesten Geisseln der Menschheit ins Spiel: der Denunziant. Denn keiner zu klein, Kontrolleur zu sein.

Nun mag der liberal gestimmte Mitbürger einwenden, dass es doch seine Privatangelegenheit sei, was sich innerhalb seiner vier Wände abspiele. Ob er dort eingemümmelt in zwei Pullover, Handschuhe und dreifachen Satz Wollsocken ein Zeichen für den Frieden setzen will. Oder sich lieber leichtbekleidet auf dem Fell vor dem knisternden Cheminée hinfläzt, in wohligen 23 Grad. Um dann die auf 80 Grad vorgeheizte Sauna im Keller zu benützen. Anschliessend einen Tee zubereitet, ohne dass ein Deckel den Wassertopf beim Kochen verschliesst. Und aus Bequemlichkeit lässt dieser Sünder auch noch überall das Licht brennen.

Damit stünde er allerdings bereits mit einem Bein im Gefängnis. Oder müsste neben einer gesalzenen Energierechnung auch noch mit einer empfindlichen Busse (Tagessätze bis Fr. 3000.-) rechnen. Aber mindestens so schlimm wird die soziale Ächtung. Wahrscheinlich wird ein alter Begriff neubelebt werden: Kalter Krieg. Wann werden wir die ersten Plakate sehen: «Hier wohnt ein Energie-Frevler»? Die anonyme Schmiererei an der Haustüre: «Sie Putin-Freund, Sie Heiz-Sünder»?

Müssen bedauernswerte Gesetzesbrecher mit einem Schild auf der Brust herumlaufen: «Ich habe zu heiss geduscht und schäme mich»? Kommt die Polizei auf Anzeige des lieben Nachbarn und sichert Beweismittel, dass die Badewanne tatsächlich gefüllt wurde? Der Deckel zwar neben dem Topf liegt, aber keine Spuren erkennbar sind, dass er auch auf dem Topf war? Gibt das verräterische Geräusch eines Föns schon Anlass zu einer Hausdurchsuchung? Zeigt das geeichte Polizeithermometer mehr als 17 Grad? Wird bei 17,1 noch ein Auge zugedrückt?

Aufmerksamen Lesern von ZACKBUM mögen diese Absätze bekannt vorkommen. Das liegt daran, dass wir bereits am 7. September – damals alleine auf weiter Flur – auf dieses Gesetz aufmerksam machten.

Sind das Übertreibungen, ist das eine satirische Überspitzung? Kann man darüber lachen – oder wird uns das Lachen im Hals steckenbleiben?

Zumindest zwei Tatsachen stimmen bedenklich. Die überwältigende Mehrzahl der Leser haben von diesem Gesetz noch nie etwas gehört. Der überwältigenden Mehrheit der Leser ist es entgangen, dass dieses Gesetz bereits seit einigen Wochen in Kraft ist. Der grossen Mehrheit der Leser ist nicht bekannt, dass bereits die Verbreitung von Gerüchten, das Nicht-Befolgen von bundesrätlichen Anordnungen mit hohen Bussen und sogar mit Gefängnis bestraft werden kann.

Das ist kein guter Zustand in einem Gemeinwesen, bei dem die öffentliche Information über hoheitliche Anordnungen ein so wichtiges Gut ist. Selber schuld, man hätte es ja spätestens am 27. September in der NZZ lesen können? Nein, das ist kein tragendes Argument. Es gab und gibt keine öffentliche Debatte über diese potenziell einschränkenden und repressive Anwendung eines Notrechts.

Damit die Kirche im Dorf bleibt: Das ist nicht der Anfang des Endes der direkten Demokratie und der Mitbestimmung des Schweizer Staatsbürgers. Aber es ist beunruhigend.

Krise in den Medien

Krise könnte Publikum generieren. Könnte.

In Krisen sucht der Mensch Orientierung und Halt. In einer Pandemie möchte er wissen, wie gefährdet er ist. Was er zum eigenen Schutz tun kann. Welche Massnahmen sinnvoll sind, ob Impfungen nützen, welche schädlichen Nebenwirkungen sie haben könnten. Der Mensch zweifelt und hört dies und das.

Eine wunderbare Chance für Massenmedien, ihr Publikum zu vergrössern. Denn sie hätten alle Ressourcen, um als Leuchttürme in dunkler Nacht zu dienen. Was ihnen selbst an Expertenwissen abgeht, könnten sie einholen. Ihre Redakteure könnten ausgewogen, mit kritischer Distanz zu Regierungsmassnahmen und mit gesundem Menschenverstand berichten.

Angesichts der Tatsache, dass sich in der Schweiz wenige Grosskonzerne den Tageszeitungs-Markt untereinander aufgeteilt haben, in vielen Regionen ein Meinungsmonopol herrscht, das höchstens noch von elektronischen Medien aufgebrochen wird, könnten sie als Plattform dienen, auf der diverse Meinungen, Ansichten, Einsichten aufeinanderprallen. Ein Querschnitt dessen halt, was in der öffentlichen Meinung im Schwange ist.

So könnte das sein. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie die Massenmedien krachend versagten. Ihnen fehlte es an kritischer Distanz zum staatlichen Handeln. Statt ausgewogener und überlegener Berichterstattung boten sie Raum für wahre Corona-Kreischen, herausragend symbolisiert in Marc Brupbacher von Tamedia. Der beschimpfte hysterisch Regierende, wusste alles besser und verbreitete wahre Panikorgien. Die Medien gaben profilierungssüchtigen Wissenschaftlern ungefiltert Platz, wahre Weltuntergangs-Orgien aufzuführen. Es gab einen Wettbewerb, wer mit welcher Anzahl Toter den anderen übertrumpft. Immer schön abgefedert mit «könnte, würde, ist zu befürchten».

Auf der anderen Seite wurde das durchaus kritikwürdige Management der Regierenden mit unkritischem Lob überschüttet. Der CEO eines grossen Medienkonzerns gab sogar als Stallorder heraus, dass seine Redaktionen gefälligst Regierungshandeln positiv zu würdigen, gar zu unterstützen hätten.

Statt Plattform für divergierende Meinungen zu sein, durften Redakteure ihre Privatansichten spazieren führen. Abweichende Meinungen wurden nicht zugelassen, gar stigmatisiert, sogenannte Corona-Leugner wurden beschimpft, karikiert, beschuldigt. Ihnen wurde Fahrlässigkeit, Uneinsichtigkeit, sogar versuchte Körperverletzung an anderen vorgeworfen. Es herrschte weitgehend Rechthaberei und arrogante Überheblichkeit.

Die Quittung folgte auf dem Fusse. Dieselben Medien besannen sich plötzlich ihrer unersetzlichen Bedeutung in einer funktionierenden Demokratie, als kontrollierende und kritische vierte Gewalt. Dafür wollten sie – um das eigene wirtschaftliche Versagen auszugleichen – eine zusätzliche Finanzspritze von einer Steuermilliarde. Mit geschickter Lobbyarbeit bugsierten sie die Milliarde durchs Parlament, dann sahen sie sich mit einem Referendum konfrontiert.

Auch hier reagierten die Mainstream-Medien wie gewohnt. Zunächst ignorierten sie das Referendum, dann nahmen sie es übellaunig zu Kenntnis, und viel zu spät begannen sie, es ernst zu nehmen. Daraufhin veranstalteten die Medienmacher die wohl dümmste und kontraproduktivste Werbekampagne in der jüngeren Geschichte, um für ihr Anliegen Stimmung zu machen. Die Quittung folgte: das Referendum wurde zum Entsetzen der Besitzerclans der Schweizer Medien angenommen.

Darauf erfolgte ein ungeordneter Rückzug von allen wilden Behauptungen, dass ohne diese Milliarde die Pressefreiheit in der Schweiz in ernster Gefahr sei, ein Mediensterben einsetzen würde, die grossen Medienhäuser ihren Aufgaben als kontrollierende vierte Gewalt nur noch unzulänglich nachkommen könnten. Denn dem Publikum war längst klar geworden: das taten sie sowieso nicht mehr, eine zusätzliche Milliarde hätte daran auch nichts geändert.

Aber neue Krisen bedeuten auch immer neue Chancen. Seit dem 24. Februar 2022 herrscht wieder Krieg in lediglich 2000 Kilometer Entfernung. In diesen Krieg ist eine Atommacht verwickelt, die zudem eine wichtige Rolle als Energielieferant für Europa spielt. Natürlich wird diese Abhängigkeit als Waffe verwendet, der Öl- und Gashahn nach Belieben zugedreht.

Auch in dieser Krise sucht der Mensch nach Orientierung und Halt. Wie schlimm wird es, auf welche Energiepreise muss er sich einstellen? Wird es zu Blackouts in der Schweiz kommen, zu kontrollierten Stromabschaltungen? Wie schlimm wird die Heizsituation? Kann ein Normalbürger die Energiepreise überhaupt noch stemmen? Mit welchen Massnahmen kann er sich an der Bewältigung der Krise beteiligen? Welche Spartipps sind sinnvoll, welche absurd? Wie sehen zukünftige Lösungen aus? Ist unsere Landesregierung dieser Krise gewachsen, ergreift sie vorausschauend alle nötigen Massnahmen? Ist der Ausstieg aus der Atomenergie unter diesen neuen Umständen überhaupt noch sinnvoll?

Welche Rolle spielen die Alternativenergien, können Photovoltaik, Windräder, Bodensonden, bauliche Massnahmen, ein anderes Mobilitätsverhalten die Krise meistern? Müssen wir mit einem allgemeinen Wohlstandsverzicht rechnen? Geht die Krise vorbei, und wenn ja, wann?

Auf alle diese Fragen (und auf einige mehr) liefern die Massenmedien wieder nur sehr unzulängliche Antworten. Wer könnte aus dem Stand sagen, welche Bedeutung zum Beispiel Alternativenergiequellen in Deutschland, in der Schweiz haben? Wie hoch ist ihr Anteil am gesamten Energiemix? Na? Eben.

Zudem gibt es eine Frage, die die Menschen sehr umtreibt. Ist es denkbar, dass zum zweiten Mal in der Geschichte der Menschheit Atombomben zum Einsatz kommen? Welche Auswirkungen hätte das? Ist es denkbar, dass zum zweiten Mal ein ukrainisches AKW in die Luft fliegt? Welche Auswirkungen hätte das?

Schliesslich: Sind die Sanktionen eine gute Sache? Welchen Schaden richten sie beim Gegner an, welchen Schaden bei uns selbst? Ist die geradezu manische Verteufeln alles Russischen, inklusive Kunst und Kultur, gerechtfertigt oder Ausdruck einer Hysterie? Kann es richtig sein, die Eigentumsgarantie aufzuheben, das Prinzip, dass jeder unschuldig ist, bis ihm eine Schuld rechtsgültig nachgewiesen wurde? Kann es richtig sein, das zweite Prinzip aufzuheben, dass es gegen jede staatliche Zwangsmassnahme möglich ist, den Rechtsweg zu beschreiten?

Wieder stapeln sich die Fragen und Befürchtungen. Niemand weiss alle richtigen Antworten. Wieder nehmen die Medien einseitig Position und Partei ein. Wieder werden abweichende Meinungen nicht zugelassen, Dissidenten verunglimpft, beschimpft. Was früher der Corona-Leugner war, ist heute der Putin-Versteher. Zwei Kampfbegriffe, die an Dümmlichkeit schwer zu überbieten sind.

Das Trauerspiel geht weiter. Die Medien haben aus ihrem Versagen während der Pandemie nichts gelernt. Sie haben zwar zur Kenntnis genommen, dass ihre Glaubwürdigkeit weiter gelitten hat. Sie haben zur Kenntnis genommen, dass sich immer mehr Leser fragen, wieso sie für diese lausige Qualität des Gebotenen noch Geld zahlen sollen. Wieso sie die Privatmeinungen von überforderten und rechthaberischen Journalisten finanzieren sollen. Die nicht mehr recherchieren und ergebnisoffen berichten, sondern schon im Voraus wissen, was sie berichten werden.

Es gibt Journalisten, die zitieren Menschen, die es gar nicht gibt. Es gibt Journalisten, die beschreiben eine Wirklichkeit, die es gar nicht gibt. Es gibt Journalisten, die geben Handlungsanleitungen, die ins Nichts führen. Es gibt Journalisten, die Ratschläge erteilen, deren Befolgung im besten Fall nutz- und wirkungslos ist, im schlechtesten Fall schädlich.

Die intelligente Wiedergabe einer komplexen und komplizierten Realität ist aufwendig. Es braucht Gehirnschmalz, das Vermögen, ohne Scheuklappen die Wirklichkeit so akkurat und unverfälscht wiedergeben zu wollen wie möglich. Es braucht die Fähigkeit, dem mündigen Leser die nötigen Informationen zu verschaffen, aufgrund derer er sich eine eigene Meinung bilden kann. Es braucht den Verzicht auf Belehrung, Rechthaberei, den Verzicht auf arrogante Besserwisserei, hinter der nichts anderes als tiefe Verunsicherung herrscht.

Bislang sprechen alle Anzeichen dafür, dass die Medien, die Massenmedien, auch in dieser Krise versagen. Damit verschärfen sie ihre eigene Krise. Den wohlverdienenden Verlangsmanagern wird weiterhin nichts anderes einfallen als: sparen, noch mehr sparen. Entlassen, ausdünnen, Kompetenz abbauen, Agenturmeldungen, Fremdbeiträge ausbauen. Und als Zückerchen im Elend den verbliebenen Journalisten die Möglichkeit geben, die Leser mit ihren völlig unerheblichen Meinungen zu belästigen. Das einzige Gefäss, das wächst und wächst, ist die Kolumne. Der Kommentar. Der Leitartikel. Das «ich sag› der Welt, wie sie sein sollte, aber leider hört keiner auf mich»-Gewinsel.

Trostlos. Schlimmer noch: hopeless, wie man auf Englisch sagt. Caso perdido, wie man’s auf Spanisch ausdrückt. Im Arsch, wie man’s unfein, aber zutreffend auf Starkdeutsch sagt.

Journalistischer Scheinriese

ZACKBUM gesteht: wir haben die welterschütternde Bedeutung von Dreadlocks unterschätzt.

Im Gegensatz zu vielen Mainstream-Medien ist sich ZACKBUM nicht zu schade, eine Fehleinschätzung einzuräumen und zu korrigieren. Wir meinten: dass in einer Berner Alternativbeiz vor einer Handvoll Zuhörer ein Alternativkonzert einer Alternativband in der Pause abgebrochen wird, habe eine ähnliche Bedeutung, wie wenn in China ein Sack Reis umfällt.

Aber weit gefehlt. Die «Südthüringer Zeitung» meldet: «Konzertabbruch wegen weisser Dreadlock-Träger». Natürlich verschwendet auch SRF Gebührengelder darauf: «Wenn Rastalocken und Reggae für eine Sturm der Entrüstung sorgen». Dazu alle Schweizer Medienkonzerne, also Tamedia, CH Media und Ringier, ebenfalls «Spiegel», Süddeutsche», »Focus» und FAZ, «stern» sowie «Bild».

Auch die Sprachschranke hat die schreckliche Nachricht über «kulturelle Aneignung» übersprungen, sie ist nach Holland und Schweden metastasiert. Wie eine Kommentarschreiberin auf ZACKBUM richtig vermutet, werden demnächst CNN, BBC, Al Jazeera und Sky News berichten. Wenn sich dann auch noch die chinesische «Morning Post», die russische «Pravda» oder das «Wall Street Journal» des Themas annehmen, kann man von einer Weltschlagzeile sprechen.

So viel Echo hatte die Band «Lauwarm» wohl noch nie, die Brasserie Lorraine darf sich über Gaffer und Touristen freuen, die den Schauplatz solch welterschütternder Ereignisse persönlich in Augenschein nehmen wollen.

Schon vor einiger Zeit hatte eine deutsche Künstlerin Auftrittverbot bei einer Veranstaltung von «Fridays for Future». Ihr Verbrechen: sie ist weiss – und trägt Rastas. Das geht nicht, da fühlen sich Sektenschwurbler plötzlich «unwohl», das zeugt von angeblich mangelnder Sensibilität. Das stünde in der Tradition des «Black facing». Das alles ist der brüllende Wahnsinn, aber legt auch Zeugnis davon ab, wie viel Verpeilte, Genderschwurbler, Diskriminierungssensibelchen, Bauchnabelbetrachter sich in den Massenmedien tummeln.

Wäre das nicht der Fall, müsste ihnen doch aufgehen, dass es sich hier keinesfalls um ein Ereignis handelt, das ein grosses Medienecho verdient hätte. Oder aber, jeder Schwarze, der mit heissem Kamm oder Wässerchen seine Naturkrause bändigt und glättet, ist auch der kulturellen Aneignung schuldig und müsste von der Bühne gebuht werden.

Wir sollten endlich aufhören, Kartoffeln zu essen, die gehören bolivianischen Bauern, denen sie von blutrünstigen Kolonisatoren entwendet wurden. Tee, vergiss es, der gehört Chinesen, und ohne Schlitzaugen darf der nicht getrunken werden. Genau wie Spaghetti, die keinesfalls von den Italienern erfunden wurden. Pizza? Etrusker und Griechen. Kaffee? Hört auf, die Äthiopier zu imitieren.

Und wer faule Tomaten aus Protest gegen kulturelle Aneignung auf die Bühne wirft, sollte gefälligst bei den Azteken und Mayas Abbitte leisten, denn die haben die Xictomatl erfunden und kultiviert.

Und haben wir schon von Baumwolle, Seide, Porzellan und vielen anderen Produkten des täglichen Lebens gesprochen?

Man könnte nun sagen: glücklich eine Gesellschaft, die keine grösseren Probleme hat. Aber obwohl das Zentralorgan des Gutmenschentums, Tamedia, dieses weltbewegende Ereignis gestern zur Aufmacherstory auf Seite eins machte: doch, wir haben grössere Probleme. Altersvorsorge, Energie, Welthandel, Ukrainekrieg, Konfrontation USA – China, 10-Millionen-Schweiz, es gibt da ein paar.

Oder müsste einen der dunkle Verdacht beschleichen, dass «panem et circensis», Brot und Spiele, schon seit den Zeiten der alten Römer ein gutes Konzept war, die Bevölkerung von bedeutenderen Bedrückungen abzulenken?

Das ist die eine Erklärung. Die andere: in den Massenmedien fehlt zunehmend jede Qualitätskontrolle, jedes Bemühen, Ereignisse nach Bedeutung einzuordnen. Sobald Triggerwörter wie Kulturimperialismus, Diskriminierung, Rassismus, Sexismus, Gendergerechtigkeit fallen, wird das Hirn ausgeschaltet und niemand traut sich, diesen sektiererischen Bannerträgern von brüllendem Wahnsinn zu widersprechen.

Da wundern sich diese Qualitätsmedien, dass sich das zahlende Publikum zunehmend fragt, warum es Geld dafür ausgeben soll, mit belanglosem, in der Lebenswirklichkeit der grossen Mehrheit völlig unbedeutendem Pipifax beschallt zu werden. Oder will jemand ernsthaft behaupten, dass das Tragen von Dreadlocks mehr als 0,01 Prozent aller Leser interessiert? Oder will jemand behaupten, dass die Frage, ob das auch Weisse tun dürfen, mehr als 0,001 Prozent beschäftigt?

 

Das Problem mit der Wahrheit

Wieso ist heutzutage eine einfache Frage so schwer zu beantworten?

Die Frage lautet: Fand im Kiewer Vorort Butscha ein Massaker statt, und wurde es von russischen Streitkräften begangen?

Das führt zur Frage: wie lässt sich eine solche Behauptung verifizieren, beziehungsweise falsifizieren? Dieser Frage vorangestellt werden müsste die Feststellung: Es handelt sich bislang um ein mutmassliches Massaker, mutmasslich von den Invasoren der Ukraine begangen.

Unsere Methode, zwischen wahr und unwahr zu unterscheiden, ist normalerweise eher einfach gestrickt. Gibt es fotografische Beweise für eine Behauptung? Gibt es Zeugenaussagen, am besten von Augenzeugen? Gibt es die Bestätigung von unabhängiger Seite? Gibt es faktische Beweise wie beispielsweise Kugeln? Gibt es logische oder andere Unstimmigkeiten in einem Erklärungsnarrativ?

Gerade Ereignisse wie die in Butscha können eine signifikante Auswirkung auf den Kriegsverlauf und die Weltöffentlichkeit haben.

Wie war es bei früheren Massakern?

Greifen wir kurz in die Geschichte zurück und erinnern an das Massaker von My Lai. In einem vietnamesischen Dorf verübte die US-Armee am 16. März 1968 ein Massaker an der Zivilbevölkerung mit 504 Toten.

Der US-Journalist Seymour Hersh brachte mit unermüdlichen Recherchen das Massaker an die Öffentlichkeit, allerdings lehnten zunächst alle grossen Medien in den USA die Publikation seiner Recherche ab.  Erst 14 Monate später berichtete «Life», danach auch «Newsweek» und das «Time»-Magazin. Schockierend waren die Aufnahmen des Fotografen Ron Haeberle, der als das, was man heute «embedded journalist» nennen würde, an dieser Militäraktion teilnahm und die Leichen für einen «body count» der Militärstatistik fotografierte.

Denn die erste Verteidigungslinie der Militärs war, dass es sich ausschliesslich um Vietcong, also feindliche Guerillakämpfer, gehandelt habe. Das Massaker hatte einen bedeutenden Einfluss auf die öffentliche Meinung in den USA und löste eine Protestbewegung in weiten Teilen der Welt aus.

Nur wenige Soldaten hatten den Befehl zum Massenmord verweigert, mit dem vorangehende Greuel wie Vergewaltigungen vertuscht werden sollten. Als Hauptverantwortlicher wurde der befehlshabende Offizier William Calley 1971 zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Der damalige US-Präsident Richard Nixon wandelte die Strafe sofort in Hausarrest um; 1974 begnadigte er Calley vollständig.

Nach kurzem anfänglichen Leugnen und Vertuschungsversuchen wurde dann niemals mehr in Frage gestellt, dass es sich tatsächlich um ein US-Kriegsverbrechen gehandelt hatte. Es war nicht das einzige.

Solche singulären Ereignisse hatten schon immer einen manchmal gewaltigen Impact auf die öffentliche Meinung und die Befürwortung oder Verurteilung eines Krieges. Das mutmassliche Massaker von Butscha hat ein vergleichbares Potenzial.

Aktuelle Strassenaufnahme und zwei Wochen alte Satellitenaufnahme.

Aber trotz im Vergleich zu 1968 gewaltig weiterentwickelten Kommunikationsmitteln bis hin zu Satellitenaufnahmen bestreiten die mutmasslichen Täter ihre Tat. Das Massaker werde ihnen untergeschoben, in Wirklichkeit handle es sich um eine Racheaktion ukrainischer Milizsoldaten an Sympathisanten der Russen, nachdem deren Truppen abgezogen seien.

Ein gefaktes Massaker

In den Wirren nach dem Sturz Ceausescus in Rumänien gab es Berichte über Greueltaten seines Geheimdiensts Securitate, dessen Angehörige sich weiterhin gegen den Machtverlust wehrten. Zum Beleg gab es Fotos eines Massengrabs, in dem Leichen lagen, offensichtlich Zivilisten, die mit Stacheldraht gefesselt waren und mit Schüssen getötet. Das sollte als Beleg für das grausame Wüten der Securitate dienen.

Von dieser Mörderbande wurden tatsächlich Kriegsverbrechen begangen, zum Beispiel in Temesvar. Nur stellte sich hier heraus, dass es sich um Leichen handelte, die aus Leichenhallen von Spitälern herbeigeschleppt und entsprechend hindrapiert worden waren, um Stimmung gegen die Securitate zu machen.

Das Beispiel der Massenvernichtungswaffen des Iraks, wie angeblich irakische Soldaten bei der Invasion Kuwaits Babys aus Brutkästen gezerrt und auf den Boden geworfen haben sollen – es gibt viele Berichte, die sich im Nachhinein als Fake News herausstellten.

Allerdings: in vielen, sicher nicht in allen Fällen, kommt die Wahrheit ans Tageslicht. Meistens dadurch, dass für eine Verschwörungsstory zu viele Beteiligte dicht halten müssten. Konkret heisst das aktuell: angenommen, die russische Version stimmte, dass alle Augenzeugen, die Russen als Verursacher identifizieren, lügen. Dass die Satellitenaufnahmen der Leichen, als noch russische Truppen den Vorort kontrollierten, gefälscht sind. Oder dass ukrainische Truppen die Leichen dort präpariert hätten, um sie dann westlichen Medien vorzuführen. Ohne dass einer der Beteiligten auspackt.

Sicherlich sind die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen und sollte ein verantwortungsvoller Journalismus die Unschuldsvermutung und das Wort «mutmasslich» nicht aus seinem Vokabular streichen.

Berechtigte Zweifel oder Verschwörungsstorys?

Aber bislang hat die russische Seite wirklich keinerlei stichhaltige Beweise vorgelegt, um ihre Behauptung zu stützen. Natürlich werden auf den unendlich vielen Plattformen im Internet wildeste Verschwörungsstorys feilgeboten. Videoanalysen, Widersprüche, Zweifel, Schlussfolgerungen. Natürlich dient zur Selbstverteidigung auch immer das Argument, dass die westlichen Medien eben einseitig berichten würden, dem Narrativ widersprechende Fakten unterdrückten.

Bei aller Unfähigkeit der Medien, bei allem Geheule im Mainstream und der ewigen unreflektierten Wiederholung der gleichen Gemeinplätze: bei all dieser Verwirrung sollte man ein Instrument des Menschen nicht zu gering schätzen: den gesunden Menschenverstand. Etwas ist so, etwas ist nicht so. Man kann sich früher oder später festlegen, was man glaubt.

Aber im Fall von Butscha grenzt es an gesicherte Erkenntnis, noch nicht ganz, aber fast über jeden vernünftigen Zweifel erhaben, dass die Invasionstruppen dieses Massaker verübt haben. Das zu bezweifeln, ist das Recht jedes Bürgers in einer freien Gesellschaft. Ihn deswegen zu beschimpfen oder auszugrenzen oder ihm Nachteile welcher Art auch immer anzudrohen, gehört sich nicht. Oberhalb davon, dass freie Meinungsäusserung eben nicht gratis ist. Die Kosten muss dann schon jeder selber tragen, die Entscheidung ist dem Einzelnen überlassen, ob ihm seine öffentlich geäusserte Meinung etwas wert ist oder nicht.

ZACKBUM hatte beschlossen, sich inhaltlich zum Kriegsverlauf nicht zu äussern. Hier handelt es sich aber um ein Problem, das auch die Rolle der Medien umfasst. Mindestens so erschreckend wie das Massaker selbst ist der offenkundige Vertrauensverlust, den auch seriöse oder halbstaatliche Newsplattformen hinnehmen müssen. Früher hätte eine bestätigte Meldung in der «Tagesschau», erst recht, wenn sie von Paul Spahn vorgetragen wurde, amtlichen Charakter.

Paul Spahn (1914 bis 2002).

Das ist heute leider anders geworden, und daran sind nicht die Russen schuld.

Weniger für mehr

Inflation ist, wenn gleichviel teurer wird. Medien steigern das.

Es geht ja nicht nur um Gas und Öl. Es geht um Getreide, Düngemittel, seltene Metalle, Energie und vieles mehr. Das merkt der Bürger auch daran, dass eine beeindruckende Teuerungswelle auf ihn zurollt.

Nicht nur an der Tankstelle. Schmerzlicher wird es, wenn in den Supermärkten die Nahrungsmittel kräftige Sprünge nach oben machen. In Deutschland hat die Inflation bereits 7,5 Prozent erreicht. Nach offiziellen Zahlen aufgrund eines unrealistischen Warenkorbs. Die gefühlte Inflation ist noch höher.

Was Inflation ist, versteht jeder. Das gleiche Produkt kostet mehr, obwohl es nicht mehr davon gibt. Mit anderen Worten, die Zeitspanne, die der Normalbürger arbeiten muss, um es sich leisten zu können, steigt.

Natürlich kann man mit Konsumverzicht reagieren, wenn Gucci oder Prada die Preise erhöhen. Bei Grundnahrungsmitteln ist das entschieden schwieriger. Man kann auch zwei Pullover anziehen und die Heizung runterdrehen. Man kann’s auch lassen, dann zahlt man halt für die gleiche Raumtemperatur mehr.

Eine Ausnahme von dieser Regel bilden die Medien. Sie haben sich angewöhnt, zwei Dinge gleichzeitig zu tun. Sie setzen regelmässig, manchmal mit längeren, manchmal mit kürzeren Abständen, die Preise hinauf. Das wäre die übliche Inflation. Aber sie machen gleichzeitig noch etwas Weiteres: sie bieten weniger Inhalt für mehr Geld.

Nicht nur der Umfang der Tageszeitung ist zum Skelett abgemagert. Auch der Inhalt wird immer dünner, da immer weniger Mitarbeiter weiterhin versuchen sollen, alles Nötige in die Spalten zu quetschen. Schliesslich machen Medien noch etwas, was sich auch kein anderer Marktteilnehmer traut. Sie kopieren, übernehmen, verwenden immer häufiger die Tastenkombination copy/paste.

Sie entwicklen sich also zu wahren Mogelpackungen. Zuoberst steht weiterhin gross und stolz der Name des Mediums. Meistens mit dem Zusatz «unabhängig» oder einem anderen leeren Versprechen versehen.

Aber der Inhalt wird längst angeliefert. Entweder durch die letzte in der Schweiz verbleibende Nachrichtenagentur. Oder durch Kooperationen mit (noch) stärker ausgebauten ausländischen Titeln. Paradebeispiel Tamedia und «Süddeutsche Zeitung». Und schliesslich wird der gleiche Content mehrfach ausgespielt. Im Print, auf der Webseite, als Podcast, als Videocast, als Dossier.

Und letztlich füllt eine Zentralredaktion weite Teile des Organs ab; lokal verbleiben nur ein paar Journalisten, die sich möglichst reibungsfrei und ohne grossen Aufwand eben ums Lokale kümmern sollten, was sie zu Tode gespart immer weniger tun können.

Das wäre ungefähr so, wie wenn die Suppenfabrik stolz ihr Logo auf die Tüte haut. Während die meisten Bestandteile nicht etwa in der Fabrik zusammengerührt werden, sondern gefriergetrocknet angeliefert. Wobei es eine Riesenfabrik gibt und um sie herum ein Dutzend kleinere, die noch etwas Petersilie, Schnittlauch oder Kümmel hineinmischen.

Dann wird der Inhalt der Tüte immer mehr reduziert, auch ihr Umfang – aber der Preis erhöht.

Super Geschäftsmodell? Genau, das sagen sich die genialen Verlagsmanager auch.

«Die Lüge wird zur Weltordnung gemacht»

So endet «Der Prozess» von Franz Kafka. So können die Medien enden.

Seit es das Internet und das Digitale gibt, ist der Satz «lügt wie gedruckt» leicht veraltet. Aber nur technologisch, nicht inhaltlich.

Seit dem Aufkommen der Presse, was auch noch nicht so lange her ist – weder Ägypter noch Griechen kannten das –, wogt die gleiche Debatte. Wer entscheidet wonach, was es wert ist, publiziert zu werden?

Ein Genie verfilmte Kafka mit einem genialen Anthony Perkins.

Wer entscheidet wonach, wie es kommentiert, gefärbt, beurteilt wird, moderndeutsch «geframt»? Haben sich die Medien das Schmähwort von der «Lügenpresse» redlich verdient oder ist das ein dümmlicher Kampfbegriff von Marginalisierten und Verpeilten?

Gedrucktes ist normalerweise schwarz auf weiss, seltener weiss auf schwarz. Die Wirklichkeit ist aber mindestens grau, häufig bunt, scheckig und kompliziert.

Wo fängt unzulässige Beeinflussung an, wo hört die redaktionelle Unabhängigkeit auf? Ist es eine Karikatur aus dem Bilderbuch des Antikapitalisten, dass der Besitzer der Produktionsmittel, hier des Verlags, befiehlt, wo’s langgeht? Oder geben die Schweizer Medienclans die grossen Linien vor? Lesen wir also im Wesentlichen, was Coninx-Supino, Ringier-Walder , Wanner-Wanner oder Lebrument-Lebrument genehm ist?

In Krisen und Kriegen stirbt die Wahrheit zuerst

Fangen wir mit den Basics an. Erinnert sich irgend jemand, in deren Hausorganen einen kritischen Bericht über diese Clans gelesen zu haben? Ist doch auch logisch, wenn mir «Tages-Anzeiger» oder «Blick» gehören würden, fände ich es auch nicht lustig, von meinem eigenen Blatt in die Pfanne gehauen zu werden.

In Krisenzeiten scharen sich Massenmedien gerne um die Regierenden. In den beiden Weltkriegen des letzten Jahrhunderts wurde Unsägliches auf allen Seiten publiziert. Gelogen, gehämt, gekeift, gehetzt, ganze Weltbilder auf Lügen und Verzerrungen aufgebaut.

Vor dem Gerichtshof der Massenmedien.

Auch im Kalten Krieg gab es unschöne Auswüchse. Unvergessen die Hetze der NZZ gegen den Kommunisten und Kunsthistoriker Konrad Farner Mitte der Fünfzigerjahre. Unvergessen der Inserateboykott der Autolobby gegen den «Tages-Anzeiger». Unvergessen das Schreibverbot gegen Niklaus Meienberg, das damals Otto Coninx unverblümt als persönliche Abneigung verteidigte: «Daneben aber hat sich ein ungutes Gefühl bei mir verdichtet, ich verspürte einen Aberwillen gegen M.s Schreibart, seine Einseitigkeit, seine Verzerrungen, sein Verhältnis zur Schweiz, seine Animosität, seine Manipulation, der ich mich persönlich als Leser ausgesetzt sah.»

Beziehung Medien – Masse: es ist kompliziert

Einzelfälle, dagegen steht eine lange und strahlende Geschichte von durch die Medien aufgedeckten Skandalen? Muss man dann nicht auch die Glanztat eines Hansjörg Abt erwähnen, der hartnäckig den Hasardeur und Betrüger Werner K. Rey zur Strecke brachte? Auch hier könnte man eine lange Latte von Beispielen aufführen.

Aber sind das alles Gross- und Schandtaten aus der Vergangenheit, weil es an Beispielen aus der Gegenwart mangelt? Durchaus nicht. Das Internet ermöglicht ganz neue Formen der Recherche und Aufdeckung. Was früher mühsam in Archiven oder vor Ort zusammengesucht werden musste, ist heutzutage mit etwas Gelenkigkeit am Bildschirm möglich. Allerdings sind die ewigen «Leaks» und «Papers» kein Glanzlicht dieser neuen, schönen Welt. Sondern verantwortungslose Verwertung von Hehlerware, die von anonymen Quellen zugesteckt wird, ohne dass man deren Motive kennen würde.

Blick in einen Newsroom …

Zudem sind die Medien in einen fast perfekten Sturm geraten. Einbrechende Inserate im Print, im Web nehmen ihnen Internet-Giganten wie Google, Facebook oder Amazon die Butter vom Brot. Inhaltliches und im Umfang dramatisch Geschrumpftes wird hartnäckig zu den gleichen Preisen wie früher angeboten.

Die Personaldecke wird dünn und dünner; drei der vier überlebenden Tageszeitungskonzerne verdienen ihr Geld längst mit journalismusfremden Tätigkeiten. Um für wegfallende Einnahmen kompensiert zu werden, fahren sie zudem einen erkennbaren Schmusekurs gegenüber Staat und Regierung.

Grenzenlose Vermischung von Bezahltem und Berichtetem

Auch die Pandemie ist Anlass, staatstragende Geräusche von sich zu geben. Das ist nicht verboten, aber da es inzwischen faktisch Tageszeitungsmonopole gibt, wäre es schön gewesen, wenn die Behauptung, Forumszeitung und Plattform zu sein, mehr als ein Lippenbekenntnis wäre.

Die schon immer sehr dünne Grenzlinie zwischen bezahltem und selbst erstelltem Inhalt verblasst bis zur Unsichtbarkeit. Früher inhaltsschwere Worte wie «recherchiert», «investigativ», «undercover» oder «Reportage» denaturieren zu Lachnummern.

Das alles sind unangenehme Begleiterscheinungen. Aber die Wurzel des Übels liegt woanders: Glaubwürdigkeit behält man, wenn man nicht heuchelt. Vertrauen geniesst man, wenn man nicht lügt. Kompetenz und Nutzwert strahlt man aus, wenn man inhaltlich und intellektuell etwas zu bieten hat.

Den Anspruch, «wir liefern euch gegen Bezahlung eine professionell gemachte Auswahl der wichtigsten News des Tages, kompetent dargeboten, eingeordnet und analysiert», den kann man behaupten. Wenn man an ihm Tag für Tag scheitert, dann schafft man sich selbst ab.

Arbeiten an der Selbstabschaffung

Genau daran arbeiten die drei grossen Medienkonzerne der Schweiz. Der vierte versucht immerhin, auf Content, Journalismus und Inhalt zu setzen. Und die Staatsmedien, denn nichts anderes ist die SRG, können trotz garantierten Einnahmen immer weniger den Anspruch erfüllen, die Grundversorgung an Informationen aufrecht zu erhalten.

Wenn’s im «Prozess» dem Ende zugeht.

Nur ein Symbol dafür: Wer eine Wirtschaftssendung wie «Eco» ersatzlos streicht, setzt keine Sparmassnahme um, sondern holzt einen Grundpfeiler des Service publique ab.

Die schrumpfende Bedeutung der Medien, der zunehmende Verlust der Deutungshoheit in der öffentlichen Debatte, mangelnde Ressourcen und bescheidene intellektuelle Kapazitäten werden kompensiert mit verbitterter Rechthaberei, mit Kommentaren, die sich mit dem eigenen Bauchnabel, eingebildetem oder geklautem Leiden befassen. Die ungefragt und sowohl haftungs- wie verantwortungsfrei kreischig Ratschläge erteilen, Forderungen aufstellen, Handlungsanleitungen geben.

Einen guten Ruf erarbeitet man sich über lange Zeiten. Verspielen kann man ihn mit wenigen Handgriffen. Wir haben keine «Lügenpresse» in der Schweiz. Aber «All the News That’s Fit to Print» ist’s schon lange nicht mehr.

Es darf gelacht werden: dumm gelaufen

Man muss Marc Walder dankbar sein.

Es ist kein Anlass für Häme oder Triumphgeheul. Es ist Anlass für tiefe Dankbarkeit. Es ist Anlass, drei Sätze des CEO und Miteigentümers der Ringier AG in Stein zu meisseln:

«Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind – und da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt – auf meine Initiative hin gesagt: ‹Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen.›»

«Auch die Blick-Gruppe, die jetzt in der Schweiz sehr prägend ist in der Covid-Berichterstattung, könnte deutlich härter – und vielleicht sagen einige von Ihnen: ‹Ja, macht’s doch bitte, die schlafen alle, die packen’s nicht› – sein.»

Die Medien hätten in der Corona-Krise «eine zusätzliche Dimension an Verantwortung, so würde ich das framen».

Natürlich kann und muss das von Ringier Kommunikation umgedeutet, relativiert, beschönigt, zugequatscht («aus dem Zusammenhang gerissen») werden, das gehört zum Geschäft.

Das alles ändert nichts daran, dass die Sätze so gefallen sind, dokumentiert wurden und ihre Authentizität nicht bestritten wird.

Sätze mit bleischwerer Wirkung

Das alles ändert nichts daran, dass auf Initiative eines CEO ein Medienkonzern weltweit sich der Direktive verschrieben hat, die jeweiligen Regierungen bei ihren Corona-Massnahmen zu unterstützen.

Das ist das bewiesene Gegenteil einer unabhängigen Presse, die sich als kontrollierende, vierte Gewalt versteht und ihre vornehmste Aufgabe darin sieht, Mächtigen – und vor allem dem Staat in all seinen Ausformungen – auf die Finger zu schauen.

Auszuleuchten, was lieber im Dunkeln bleiben sollte, aufzudecken, was an Schweinereien am liebsten zugedeckt bliebe. Kritisch zu hinterfragen, ob alle Massnahmen, alles Handeln, alle Entscheide von Staatsbeamten, von sogenannten Dienern des Volkes auch tatsächlich der Überprüfung standhalten.

Auch wenn Medien dazu neigen, ihre Bedeutung zu überschätzen und unter Verlustängsten leidende Journalisten dazu neigen, ungefragt Ratschläge oder sogar Forderungen zu publizieren: das mag der zunehmend lächerliche Teil sein. Aber den Teil von Begleitung, Kontrolle, Offenlegung und Kritik, den braucht jede Demokratie wie die Luft zum Atmen.

Medien haben eine Funktion und Möglichkeiten

Denn Wahlen oder auch Abstimmungen wie in der Schweiz üben eine Kontrollfunktion aus. Aber im daily business, in der Komplexität heutiger Staatsentscheidungen braucht es dringend einen Wächter, der wenigsten Alarm schreien kann, wenn seiner Meinung nach etwas schief läuft, was letztlich alle Staatsbürger, also uns, betrifft.

Nur Medien können Politiker sofort haftbar machen für ihr Tun. Nur Medien haben die Ressourcen, deren Handeln genau anzuschauen. Nur die Medien haben die Energie, bürokratisch-verborgene Entscheidungen aufzudecken und nötigenfalls zu kritisieren.

Dafür müssen die Medien, was Wunder, so staatsfern wie möglich sein. Auch hier gibt es kein Schwarzweiss wie beim traditionellen Drucken von Zeitungen. Natürlich ist es übertrieben, Schweizer Medien mit Staatsorganen wie «Neues Deutschland», «Pravda» oder «Granma» in einen Topf zu werfen, die seit Gründung immerhin klar etikettierten, dass sie keine unabhängigen Kontrollorgane seien, sondern Sprachrohre der herrschenden kommunistischen Partei.

Wie unabhängig darf’s denn sein?

Aber die Schweizer Medien legen grossen Wert auf die Bezeichnung «unabhängig». Also nicht weisungsgebunden, keinerlei Beschränkungen unterworfen, die über die Grenzen des rechtlich Erlaubten hinausgehen.

Insbesondere unabhängig von Inserenten oder von Zuwendungen Dritter. Schliesslich auch unabhängig vom jeweiligen Verlag, der sich niemals in die Ausrichtung, den Inhalt, die Auswahl der Berichterstattung einmischt.

So ist das Image. Auch das ist nicht Schwarzweiss. Aber jeder, der im Journalismus tätig ist, weiss, dass es nicht so läuft, dass ein täglicher Befehlsempfang stattfindet, bei dem ein Supino, ein Walder oder ein Wanner bekannt gibt, wie welche Themen wie zu behandeln seien.

Jeder weiss auch, dass jeder Chefredaktor, der seine Stelle behalten will, sich daran hält, was seine Arbeitgeber und was die Besitzer seines Organs möglichst beiläufig wünschen. Auch das wird natürlich abgestritten.

Genau deshalb ist es so wertvoll und bedeutend, dass im Falle von CEO Walder dokumentiert wurde, wie’s läuft.

Was mögen Walders Motive gewesen sein?

Da Walder alles andere als dumm ist, bleibt höchstens die Frage, wieso er sich dazu entschloss, das so offen auf den Tisch zu legen. Denn sein Einschub, dass seine Aussage «in diesem Kreis bleiben» solle – er wäre niemals CEO von Ringier geworden, wenn er so naiv wäre, darin mehr als einen frommen Wunsch zu sehen.

Im Gegenteil, das war eine nicht sehr versteckte Aufforderung, das zu streuen. Es hat zwar ein Weilchen gedauert, aber funktioniert. Es hat wohl etwas Machiavellistisches, vom Abstreiten solcher Vorgaben zur offenen, unversteckten Ankündigung überzugehen. Nach der Devise:

natürlich befiehlt der, der bezahlt und besitzt.

Sonst noch Fragen? Also, dann immer schön horchen, was aus der Chefetage zum Fussvolk durchsickert. Macht’s doch einfacher, als regelmässig den Chefredaktor briefen, der dann die Direktiven an seine Mannschaft weiterleitet, verkleidet als «sehe ich so».

Ach, Weihnachten

Pflichtstoff für die Medien. Alle Jahre wieder. Aber diesmal ist alles anders.

Immerhin fast 500 Treffer erzielt man an einem Montagmorgen in der Mediendatenbank SMD bei der Suche nach dem Begriff Weihnachten.

Schon am Sonntag mussten sich natürlich die Blätter damit beschäftigen, denn nächster Sonntag ist bereits der 26. Dezember, dann ist die Sause ja soweit vorbei. Dabei geht auch unter, dass dieses Jahr mal wieder sehr arbeitnehmerfeindlich ist; die Feiertage fallen mit dem Wochenende zusammen, keine Extrafreitage.

Aber so richtig besinnlicher Kaufrausch will sowieso nicht aufkommen. Es wird vond er deutschen «Bild» schon als gute Nachricht abgefeiert, dass es Weihnachten ohne Lockdown geben werde. Da kann sich der Deutsche dann einen «Rotkäppchen»-Sekt für sagenhafte 2,39 € reinpfeifen.

Immerhin, das «Bündner Tagblatt» zeigt noch Grösse und widmet gleich eine ganze Seite der Erörterung:

Allerdings, wenn man eine kleine Stilkritik anbringen darf, «mehr als nur», das hat nun einen noch längeren Bart als der Weihnachtsmann.

Richtig bösartig wird die NZZ:

Der Autor stellt ein wahres Horrorkabinett von Weihnachtsliedern zusammen:

«War Roy Blacks «Weihnachten bin ich zu Haus» am unerträglichsten oder doch «Weihnachten mit Heintje»? Wie steht es mit Freddys «Weihnachten auf hoher See», Wolfgang Petrys «Freudige Weihnachten» und «Weihnachten mit Bernd Clüver»? Wie nachsichtig sollte man mit Johnny Cashs «Classic Christmas Album» und Peter Alexanders «Wunderschöne Weihnachtszeit» umgehen?»

Mit der nötigen Nüchternheit und der Objektivität eines Wetterberichts geht hingegen nau.ch das Thema an:

Sehr nutzwertorientiert ist hingegen der «Landbote»:

Allerdings vermisst man im Licht der Prognose von nau.ch Vorkehrungen gegen Regen von oben.

Ganz in den Dienst der Volksaufklärung stellt sich hingegen – für ein Mal – «watson»:

Hier kann man höchstens über das völlige Fehlen der Originalität meckern; die Geschichte des Weihnachtsbaums ist nun wirklich auserzählt.

Mit einem Trauerrand gedenkt die «Aargauer Zeitung» dem kommenden Fest:

Tamedia hingegen bleibt sich auch bei diesem Thema treu. Das Wichtigste ist die Bauchnabelschau:

Das Einzelne und das Allgemeine

Besinnlicher Sonntag zum Desaster durch verrutschende Ebenen.

Jeder Anfänger des Journalismus lernt, wenn er überhaupt noch etwas lernt: Berichte über Trends haben einen amtlich vorgeschriebenen Aufbau.

Man fängt mit einem Beispiel an. «Velofahrer Fritz K. (Name der Redaktion bekannt), gibt offen zu: «Ich pfeife auf rote Ampeln oder andere Verkehrsregeln.»» Darauf wird ein zweites Beispiel gestapelt, um den Anlauf für den Aufschwung ins Allgemeine zu nehmen. «Nicht nur Fritz K. und Marlies M. halten sich nicht an die Regeln. Wie eine neue Untersuchung der Beratungsstelle für Unfallverhütung …»

Es ist also ein Trend. Garniert wird das noch mit Stellungnahmen von Verbänden oder Fachleuten («VCS: es braucht halt mehr Velowege», ACS: «Velofahrer nerven sowieso.»). Dann noch ein paar Unfallstatistiken, vielleicht ein Opfer, das von einem Velofahrer umgerempelt wurde, die üblichen Politiker und Wissenschaftler.

Piece of cake, wie der des Englischen mächtige Redaktor sagt, geht eigentlich zu jedem Thema und kann man als Füller am Fliessband herstellen. Je nach Wunsch kann man das als Hintergrundrecherche aufziehen oder zum Aufreger hochzwirbeln. Je nachdem, ob man vornehm zurückhaltend einen NZZ-Titel drübersetzt oder «Terroristen auf dem Velo» drüberstülpt.

Wenn’s läuft, hat man eine kleine Goldader angestochen

Dann noch ein mehr oder minder staatstragender Kommentar dazu, je nachdem, ob man vermutet, die Leser seien mehrheitlich für Velo oder dagegen eingestellt. Saubere Sache, gehört zum Standardrepertoire, hat als Notnagel schon oft geholfen.

Greift der Kommentator kräftig in die Tasten, sehen Politiker die Möglichkeit, sich zu profilieren, melden sich weitere, noch nicht berücksichtigte Fachleute, dann jubiliert der Chefredaktor.

Und greift nochmals in den Stehsatz. Es sei hier eine Debatte angestossen worden, da gebe es vertieften Gesprächsbedarf, da prallten die Meinungen aufeinander, das werde man ein Pro und Contra veranstalten, eine Diskussionsrunde moderieren, Erfahrungen aus anderen Ländern heranziehen, Verkehrspsychologen, gesundheitliche Aspekte, aber natürlich müssten auch die Interessen der Autofahrer (schliesslich ist das Verhältnis Autoanzeigen – Veloreklame sehr einseitig) berücksichtigt werden.

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass verlässliche Zahlen für den Aufschwung ins Allgemeine vorhanden sind. Und unter Wissenschaftlern ein gewisser Konsens existiert, was die Beurteilung der Problemlage und mögliche Abhilfen betrifft.

Wenn alle diese Regeln nicht funktionieren …

Der intelligente ZACKBUM-Leser, und wir haben ja nur solche, ahnt schon, wo das hinführt. Die meisten dieser Regeln sind bei der medialen Beobachtung der Pandemie ausser Kraft gesetzt.

Beispiele gibt es natürlich genug. Von in der IPS geretteten, ungeimpften Patienten, die vor Dankbarkeit überströmen und bitterlich bereuen, sich nicht sofort und mehrfach und immer wieder geimpft zu haben.

Es gibt auch Beispiele von Menschen, die unter gravierenden Nebenwirkungen der Impfung litten. Es gibt Geimpfte, die erkranken, und es gibt Ungeimpfte, die es ihnen gleichtun. Es gibt zurechnungsfähige Ärzte, die sich nicht impfen lassen. Es gibt zurechnungsfähige Ärzte, die das als fahrlässig und verantwortungslos beschimpfen.

Es gibt Widersprüchlichkeiten zu Hauf, statt klärende Worte. Was auf den ersten Blick absurd erscheint, macht auf den zweiten Sinn, zum Beispiel:

Lieber unter getesteten Ungeimpften, als unter ungetesteten Geimpften.

In einer solchen Debatte hülfe normalerweise das altbekannte Besteck. Was sagen denn die Statistiken, wohin geht der Trend, was sagt die Wissenschaft, welche Lehren können wir aus anderen Ländern ziehen, die mit der Schweiz vergleichbar sind?

Widersprüche statt Klärung

Das wäre toll. Ist aber nicht. Denn es gibt jede Menge sich widersprechender Statistiken. Es gibt jede Menge sich widersprechender Interpretationen. Es gibt einen Zusammenhang zwischen Impfquote und Anzahl Neuinfektionen. Es gibt keinen Zusammenhang. Viele Wissenschaftler sind sich einig: es muss alles durchgeimpft werden. Viele Wissenschaftler sind sich einig: das bringt ab einem gewissen Prozentsatz nichts mehr.

Wenn es im wahrsten Sinne des Wortes keine Allgemeinplätze mehr gibt, also keine allgemein anerkannten, allgemein gültigen, allgemein verbindlichen Erkenntnisse, dann zersplittert die Debatte.

Wer sich vernünftig eine Meinung bilden will, braucht vernünftigen Input. Aus glaubwürdiger Quelle. Abgestützt durch allgemeingültige Zahlenwerke, Statistiken, vernünftig nachvollziehbare Analysen. Von anerkannten und glaubwürdigen Fachleuten. Denn eigentlich ist doch kaum einer Epidemiologe, Virologe, Seuchenspezialist. Dafür geben wir als Gesellschaft doch einen hübschen Batzen Geld aus, dass es genau solche Fachleute hat.

Deren Tätigkeit in Nicht-Seuchenzeiten doch eher akademisch ist, der Erforschung vergangener Seuchenzüge dient oder allenfalls der Unterstützung von Weltgegenden, in denen bei uns längst ausgerottete Infektionen noch virulent sind.

Mehr Fachleute, mehr Meinungen

Aber nun, wo man sie bräuchte, stellt das Publikum fest, dass der alte Scherz leider weder komisch, noch aus der Luft gegriffen ist: zwei Fachleute, drei Meinungen. Auch Zahlenwerke verwandeln sich in Dschungelgebiete; Inzidenzwert, R-Faktor, 7-Tages-Durchschnitt, Index, was bedeutet was?

Hinzu kommt eine neue Lieblingsbeschäftigung von Meinungsträgern und den Echokammern in den Medien: die Anrufung der Apokalypse. Das kriegt man bei einem üblichen Trend schwer hin; der Kampf zwischen Auto- und Velofahrern kann niemals zu einem atomaren Schlachtfeld hochgeschrieben werden.

Aber eine Virusepidemie, die sowieso verwurzelte Grundängste stimuliert, weil in unserer DNA noch Erinnerungen an Pestzüge schlummern, weil der Feind unsichtbar, heimtückisch ist, überall lauern kann, ist die Öffentlichkeit anfällig für alles Gekreisch, wissenschaftlich verbrämt oder nicht, dass das alles ganz übel enden könnte.

Das einzige Glück in diesem Durcheinandertal besteht wohl darin, dass die Kirche nicht mehr den gleichen Einfluss hat wie einige Jahrhunderte zurück. Sonst wäre Corona schon längst zu Gottes Strafe umgedeutet worden, wegen sündigem Tuns, unchristlichem Lebenswandel und mangelhafter Berücksichtigung biblischer Gesetze.

Aber wer weiss, kann alles noch kommen.

Staatliche Giesskanne für Wucherpflanzen

Wie viel Staatsknete kriegen die Privatmedienhäuser? Schwierige Spurensuche.

Grundlage ist: Im Jahr 2020 machten alle vier grossen Medienhäuser in der Schweiz satte Gewinne. Ob Tamedia, Ringier, CH Media oder NZZ: kein einziger Verlag schrieb rote Zahlen oder musste Reserven anknabbern.

Im Gegenteil, die Besitzerfamilien; also Supino-Coninx, Wanner und Ringier, konnten sich über die üblichen Dividenden freuen. Etwas anders sieht es bei der NZZ aus, deren Aktien sich in Streubesitz befinden – und der grossen Mehrheit der Aktionäre geht es mehr um Ehre als um Kohle.

Aber überall wurde im ehemaligen Kerngeschäft, der Herstellung von qualitativ veredelten News, gespart, dass es kracht. Entlassungen, Zusammenlegungen, beliebt werden mehr und mehr journalistische Kindersoldaten, die eingepfercht in ihre Verrichtungsboxen im Newsroom klickgetrieben Content produzieren. Ab Fliessband.

Trotz sprudelnden Gewinnen noch die Giesskanne

Dennoch haben diese Verlage zusätzliche Steuergelder eingesackt. Aus drei Quellen. Corona-Hilfsgelder à fonds perdu, Kurzarbeitsunterstützung und zusätzliche Inserateeinnahmen durch diverse Kampagnen des BAG. Das läppert sich, und man muss etwas recherchieren, wenn man die Zahlen auf die Reihe kriegen will.

Das hat «Saldo» getan (Artikel hinter Bezahlschranke). So gingen alleine im zweiten Semster 2020 insgesamt rund 10 Millionen Franken an 147 Zeitungen. Da es sich inzwischen mehrheitlich um Kopfblätter handelt, kassierten die grossen Vier den Löwenanteil:

  • Tamedia 2 Millionen Franken
  • CH Media 1,1 Millionen
  • Ringier 984’000
  • NZZ 447’000

Dabei machten diese vier Player, wie der «K-Tipp» ausgerechnet hat, in den letzten zehn Jahren satte 3,8 Milliarden Franken Betriebsgewinn, vor Abschreibungen und Steuern.

Dabei sind auch diese 10 Millionen Zusatzhilfe nicht alles, «insgesamt sprachen der Bundesrat und das Parlament in den Pandemiejahren 2020 und 2021 total 98 Millionen Franken für die privaten Medien», weiss «Saldo».

Plus 76,5 Millionen Franken Kurzarbeitsenschädigung für Privatmedien und die SRG, gerechnet bis September dieses Jahres. Wieso der Gebührensender SRG zusätzlich Kurzarbeitsgeld bekommt, ist absolut schleierhaft.

Dazu kommen noch die üppigen Einnahmen aus Inseratekampagnen; alleine die geflopte «Impfwoche» mit Gesamtkosten von rund 100 Millionen Franken spülte über mehrere Inseratewellen ein nettes Zubrot in die Kassen der Verlage.

Zahlung und Zahmheit? Kein Zusammenhang

Die werden nicht müde, jeden Zusammenhang zwischen diesen Zahlungen und ihrer Berichterstattung zurückzuweisen. Man bleibe der Aufgabe der Vierten Gewalt verpflichtet – also eine in Demokratien lebenswichtige Kontrolle und Überprüfung staatlichen  Handelns. Reiner Zufall, dass alle diese Grossverlage die offizielle Pandemie-Politik lauthals unterstützen, kaum Platz für Kritik daran geben, abweichende Meinungen sogar übel beschimpfen.

Nur zwei Müsterchen:

«Nun kaufen wir mit unserem vielen Geld für ein paar egozentrische Impfskeptiker den Stoff, der anderswo Leben retten würde»,

schimpfte der Oberchefredaktor Arthur Rutishauser von Tamedia. Und sein Kollege Patrik Müller bei CH Media verstieg sich sogar dazu, die Impfung zur «patriotischen Pflicht» zu erklären.

Von Corona-Kreischen wie Marc Brupbacher und Co. ganz zu schweigen.

Die Quittung holen sich die Verlage bei ihren Kunden ab. Laut (hoffentlich nicht manipulierten) Umfragen glaubten noch im März 2020 rund 50 Prozent der Bevölkerung, von den Medien umfassend informiert zu werden. Im Oktober 2021 sank diese Zahl auf ein knappes Drittel. «Saldo» fasst weiter zusammen: «47 Prozent der Bevölkerung sind inzwischen der Ansicht, die Medien würden mit ihrer Corona-Berichterstattung übertreiben und zu Panik beitragen. Im Frühling 2020 waren es erst 25 Prozent.»

Das hat auch damit zu tun, dass die Leistung der überlebenden Redaktoren in den Newsrooms immer stärker an zwei Kriterien gemessen werden. Anzahl Klicks und Lesedauer. Inhalt, Hintergrund, differenzierte Darstellung, Aufzeigen von Komplexitäten: das ist Gift für beide Faktoren.

ZACKBUM-Journalismus (wie er hier nicht betrieben wird), das haut rein. Vor allem natürlich Panikmache («bis zu 100’000 Tote», «das Gesundheitssystem kann zusammenbrechen», «die Intensivstationen sind demnächst überbelegt, es wird zu Triage kommen»).

Ein komplexer, aber teuflischer Kreislauf 

Es hat sich ein teuflischer Kreislauf entwickelt. Panikmache erhöht die Einschaltquote. Lammfromme Berichterstattung erhöht die Ausschüttung von Steuerbatzelis. Und umso länger die Pandemie andauert, desto mehr Steuergelder stehen in Aussicht.

Allerdings: nachdem Tamedia und Ringier die Fusion ihrer Handelsplattformen bekanntgaben (und die Aktie von Tamedia um 80 Prozent in die Höhe schoss), zweifeln immer mehr daran, dass diese Verlage mit insgesamt einer weiteren Steuermilliarde unterstützt werden sollten.

Sie waren schon fast am Ziel. So wie die Verlage nach Staatsknete gieren, so gelüstet es Politiker nach medialer Präsenz. Denn nur, wer immer wieder in den Medien vorkommt, ist jemand. Sonst verliert er sich unter den 246 Parlamentariern. Aber ein Interview, ein wohlwollendes Porträt, das Aufnehmen von unablässigen Forderungen, Vorstössen und Ankündigungen – dann ist die Wiederwahl schon fast gewonnen.

Wer für die neue Milliardensubvention ist, kann sich einer wohlwollenden Berichterstattung sicher sein. Wer dagegen ist, nicht. So einfach läuft das.

Glasklare Schlussfolgerungen

Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Staatssubventionen sind mittelfristig tödlich für die Medien. Denn sie untergraben deren wichtigstes Asset: Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Staatssubventionen sind in einer Demokratie mittelfristig tödlich. Sie machen die Wächter des Staates zu seinen Liebedienern.

Staatssubventionen sind unnötig für Medienhäuser, die in den letzten Jahren Milliardengewinne eingefahren haben. Subventionen sind für das Spielen des Marktes tödlich. Bieten die Medienhäuser ein Produkt an, für das es genügend Nachfrage gibt: wohlan. Tun sie das nicht, haben sie aus eigener Schuld technologische Entwicklungen verschgnarcht, dann sind sie zum Untergang verurteilt.

Daher kann man sich die zusätzliche Milliarde sparen, über die im Februar 2022 abgestimmt wird. Es gibt weiterhin Bedarf nach unabhängiger und umfassender Berichterstattung. Wird die geliefert, deckt die Nachfrage auch die Kosten.

Denn das Problem der Verlage ist nicht das Internet oder Corona. Ihr Problem ist der Verlust an Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Genau wie das Verschnarchen neuer Technologien ist das selbstverschuldet.